TE OGH 1986/12/3 1Ob648/86

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Veröffentlicht am 03.12.1986
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Schragel als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Schubert, Dr.Gamerith, Dr.Hofmann und Dr.Schlosser als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. Norbert K***, Generalsekretär, Wien 13., Erzbischofgasse 63 e, vertreten durch Dr.Johann Angermann, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei prot. Firma Dipl.Ing. Hugo D***, Bauunternehmung, Wien 1., Postgasse 16, vertreten durch Dr. Rudolf Gürtler und Dr.Friedrich Halzl, Rechtsanwälte in Wien, wegen Feststellung(Streitwert 60.000 S) infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 25.November 1985, GZ 14 R 266/85-51, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes für ZRS Wien vom 6.August 1985, GZ 5 Cg 271/82-45, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben. Das angefochtene Urteil wird dahin abgeändert, daß auch dem Feststellungsbegehren stattgegeben wird.

Die beklagte Partei ist schuldig, über die mit Urteil des Obersten Gerichtshofes vom 28.Mai 1986, 1 Ob 540/86, zugesprochenen Kosten des Revisionsverfahrens hinaus der klagenden Partei die mit 159.377,87 S bestimmten weiteren Kosten sämtlicher Instanzen (darin enthalten 8.966,60 S Umsatzsteuer und 60.745,28 S Barauslagen) binnen 14 Tagen bei Exekution zu bezahlen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger ist Eigentümer der im Obergeschoß des Hauses Wien 13., Erzbischofgasse 63 e, gelegenen Wohnungen 3 und 4. Die beklagte Partei war als Bauunternehmer deren Bauführer. Die Wohnungen wurden am 27.September 1973 übergeben. Nach Rißbildungen in den Zwischenwänden sagte die beklagte Partei wiederholt Verbesserung zu. Die von ihr zuletzt im Jahre 1977 vorgenommenen Verbesserungsversuche blieben aber, wie sich später herausstellte, erfolglos. Im Mai 1980 trat in der tapezierten Garderobewand ein starker Riß auf. Dem Kläger, dem von der beklagten Partei immer erklärt worden war, es handle sich um Risse, die in jedem Neubau auftreten könnten, kamen daraufhin über die Ursache dieser Rißbildungen Bedenken, so daß er im Mai 1981 ein Gutachten von Dipl.Ing.Dr.Richard A*** einholte. Dieser kam zu dem Schluß, daß die Risse auf Ausführungsfehler zurückzuführen seien. Ein weiteres, im November 1981 vom Kläger eingeholtes Gutachten kam ebenfalls zu dem Ergebnis, daß beim Aufstellen der Zwischenwände gegen anerkannte Regeln der Technik verstoßen worden sei.

Der Kläger begehrte mit der am 6. August 1982 eingebrachten Klage ursprünglich den Zuspruch des sich aus dem Gutachten des Dipl.Ing.Dr.Richard A*** ergebenden Schadensbetrages von 151.159,20 S s.A.

Der vom Gericht bestellte Sachverständige Dipl.Ing. Imre B*** hielt es aufgrund einer Besichtigung vom 31.Mai 1983 ebenso wie der vom Kläger beigezogene Privatgutachter Dipl.Ing.Dr. Richard A*** in seinem Alternativvorschlag zur Sanierung für notwendig, eine Fuge zwischen den Gipstrennwänden und der darüber befindlichen Decke zu schaffen und diese mit dauerelastischem Material zu füllen. Bei einer weiteren Besichtigung durch den gerichtlichen Sachverständigen am 11.Jänner 1984 ergab sich aber, daß sich die Risse seit 31.Mai 1983 verstärkt hatten. Die ursprünglich vorgeschlagene Sanierung erschien dem gerichtlichen Sachverständigen daher nicht mehr zielführend. Nach seinem Vorschlag sollte vielmehr der Großteil der Wände einer Wohnung und zwei Wände der zweiten Wohnung entfernt und durch sogenannte Stahlständerwände ersetzt werden. Die Sanierungskosten würden sich dadurch erhöhen.

Aufgrund dieses Gutachtens dehnte der Kläger mit Schriftsatz vom 14. Mai 1984, der in der Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung vom 19.September 1984 vorgetragen wurde, nicht nur das Leistungsbegehren aus, er stellte weiters das Feststellungsbegehren, die beklagte Partei hafte dem Kläger für die ihm und seiner Familie während der Zeitdauer der in seiner Wohnung vorzunehmenden Sanierungsarbeiten auflaufenden Beherbergungskosten. In der Tagsatzung vom 20.März 1985 dehnte der Kläger aufgrund eines am 26. September 1984 eingebrachten Schriftsatzes das Feststellungsbegehren auf die Haftung der beklagten Partei für die Tragung von Transport- und Einlagerungskosten aus Anlaß der Sanierung aus.

Dem Leistungsbegehren wurde bereits mit einem Betrag von 395.714 S s.A. rechtskräftig stattgegeben. Auf den Inhalt des Urteiles des Obersten Gerichtshofes vom 28.Mai 1986, 1 Ob540/86, wird verwiesen.

Gegen das Feststellungsbegehren wendete, soweit dies für das Revisionsverfahren noch von Bedeutung ist, die beklagte Partei Verjährung ein.

Das Erstgericht gab auch dem Feststellungsbegehren statt. Der Kläger habe erst durch das Gutachten von Dipl.Ing.Dr. Richard A*** vom Verschulden der beklagten Partei Kenntnis erlangt, die Ansprüche des Klägers seien daher nicht verjährt.

Das Berufungsgericht gab in diesem Umfang der Berufung der beklagten Partei Folge. Es änderte unter Bestätigung des Leistungsausspruches das Urteil des Erstgerichtes dahin ab, daß es das Feststellungsbegehren abwies. Es sprach aus, daß der das Feststellungsbegehren betreffende Wert des Streitgegenstandes 15.000 S übersteigt. Die klagende Partei habe ihr Feststellungsbegehren erst nach Ablauf der mit Juli 1981 in Gang gesetzten dreijährigen Verjährungsfrist erhoben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision des Klägers ist gemäß § 502 Abs. 4 Z 2 ZPO zulässig, sie ist auch berechtigt.

Dem Kläger kann allerdings nicht darin gefolgt werden, daß der Feststellungsanspruch schon deshalb nicht verjährt sei, weil der Schriftsatz vom 14.Mai 1984 innerhalb der ab Kenntnis des Gutachtens des Dipl.Ing.Dr.Richard A*** laufenden Verjährungsfrist eingebracht worden sei. Wie der erkennende Senat in seiner Entscheidung SZ 56/157 mwN ausführte, wird eine Klagsänderung erst mit ihrem Vorbringen in einer Tagsatzung nach der ausdrücklichen oder konkludenten Zustimmung des Beklagten oder dem sie ersetzenden Gerichtsbeschluß wirksam; erst damit wird die Verjährung des mit der Klagsänderung geltend gemachten Anspruches unterbrochen. Gleiches gilt für einen neu erhobenen Anspruch.

Wie aber bereits in der Entscheidung vom 28.Mai 1986, 1 Ob 540/86, ausgeführt wurde, wird die Frist des § 1489 ABGB erst dann in Gang gesetzt, wenn neben der Kenntnis des Schadens dem Geschädigten der gesamte seinen Anspruch begründende Sachverhalt soweit bekannt ist oder zumutbarerweise bekannt sein muß, daß er eine Klage mit Aussicht auf Erfolg erheben kann (SZ 56/36 mwN; Schubert in Rummel, ABGB, Rdz 3 zu § 1489). Die Verjährungszeit begann daher erst dann zu laufen, als dem Kläger Tatsachen bekannt waren oder hätten bekannt sein müssen, daß es sich um nur mit großem Aufwand zu beseitigende Baufehler der beklagten Partei, die bei der Errichtung des Werkes gegen allgemein anerkannte Regeln der Technik verstiiß, handelte. Die Verjährungszeit beginnt hingegen nicht zu laufen, wenn der Geschädigte als Laie keinen Einblick in die für das Verschulden maßgeblichen Zusammenhänge hat (MietSlg. 29.217; 1 Ob 19/80; 7 Ob 572/77 u.a.; Schubert aaO). Dies muß umso mehr dann gelten, wenn für den Kläger als Laien die Ursachen des Schadens ohne Beiziehung eines Sachverständigen gar nicht erkennbar waren. Voraussetzung für den Beginn des Laufes der Verjährungszeit war, daß der Kläger als Geschädigter die Ursache des Schadenseintrittes, wenn schon nicht mit Sicherheit, so doch mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit vorhersehen konnte (6 Ob 511/86; 7 Ob 605/84). Dies war, was den Grund des Schadenersatzanspruches betraf, mit dem Einlangen des Gutachtens des Dipl.Ing.Dr. Richard A*** im Juli 1981 der Fall. Für weitere, nicht vorhersehbare schädigende Wirkungen eines Schadensfalles beginnt aber die Verjährungszeit erst mit Kenntnis solcher Schäden, frühestens aber zum Zeitpunkt, zu dem mit künftigen Schäden solcher Art mit Wahrscheinlichkeit zu rechnen ist (ZVR 1982/269; ZVR 1980/238; ZVR 1979/22; SZ 48/27 u.a.; vgl. Koziol, Österreichisches Haftpflichtrecht 2 I 318). Für unvorhersehbare neue Folgewirkungen beginnt vom Zeitpukt der (möglichen) Kenntnisnahme ein neuer Lauf der Verjährungsfrist (ZVR 1979/287; Schubert aaO Rdz 3 zu § 1489 ABGB). Selbst der gerichtlich bestellte Sachverständige vertrat vorerst die Ansicht, daß eine vollständige Beseitigung der Zwischenwände nicht erforderlich sein werde. Erst die selbst für den Sachverständigen überraschende fortschreitende Rißbildung als weitere unvorhersehbare neue Folgewirkung machte die umfangreichen Verbesserungsarbeiten notwendig.

Der Argumentation des Berufungsgerichtes, dem Kläger hätte schon bei Erhebung des ursprünglichen Zahlungsbegehrens klar sein müssen, daß mit der Bauführung in seiner Wohnung auch die vom Feststellungsbegehren erfaßten Auslagen verbunden sein werden, ist nicht beizutreten. Ursprünglich ging der Sachverständige davon aus, daß zur Sanierung die Herstellung einer Fuge zwischen den Gipstrennwänden und der darüber befindlichen Decke sowie die Füllung dieser Fuge mit dauerelastischem Material ausreichend sei. Solche in einer Wohnung durchzuführenden Verbesserungsarbeiten machen es aber auch aus dem Gesichtspunkt der Schadensminderungspflicht in der Regel nicht erforderlich, die Wohnung zu verlassen, anderweitig zu nächtigen und die Möbel und Einrichtungsgegenstände zu verwahren. Die Unbenützbarkeit der Wohnung während der Verbesserungsarbeiten ergab sich erst aufgrund der im Jahre 1984 erfolgten Beurteilung durch den Sachverständigen Dipl.Ing.Imre B***, es müßten der Großteil der Wände in einer Wohnung und zwei Wände der weiteren Wohnung entfernt werden; diese Wände seien durch sogenannte Stahlständerwände zu ersetzen. Erst mit der Kenntnis dieses Gutachtens durch den Kläger begann dann für seinen erweiterten Schadenersatzanspruch und damit auch für die Möglichkeit, ein Feststellungsbegehren zu stellen, die Verjährungszeit zu laufen. Diese Verjährungsfrist war zum Zeitpunkt der Klagsausdehnungen noch offen.

Der Revision ist Folge zu geben und das Urteil des Berufungsgerichtes im Umfang der Abweisung des Feststellungsbegehrens dahin abzuändern, daß die Entscheidung des Erstgerichtes wieder hergestellt wird.

Die Entscheidung über die Kosten sämtlicher Instanzen gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO bzw. §§ 41, 43 Abs. 1 ZPO. Der Kläger obsiegte in den Rechtsmittelverfahren zur Gänze, im erstinstanzlichen Verfahren nach den im Berufungsurteil angeführten Verfahrensstadien mit 100 %, 92 %, 80 % und 88 %; für das erstinstanzliche Verfahren sind ihm daher je nach Verfahrensstadium 100 %, 84 %, 60 % und 76 % der Kosten zuzuerkennen.

Anmerkung

E09512

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1986:0010OB00648.86.1203.000

Dokumentnummer

JJT_19861203_OGH0002_0010OB00648_8600000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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