TE Vfgh Erkenntnis 2001/9/25 B245/01

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Veröffentlicht am 25.09.2001
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Index

63 Allgemeines Dienst- und Besoldungsrecht
63/01 Beamten-Dienstrechtsgesetz 1979

Norm

B-VG Art7 Abs1 / Verwaltungsakt
B-VG Art83 Abs2
EMRK Art6 Abs2
BDG 1979 §38
BDG 1979 §141a

Leitsatz

Keine Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte durch die Versetzung eines Finanzbeamten aus von ihm selbst zu vertretenden Gründen; Vorliegen einer die Versetzung rechtfertigenden Dienstpflichtverletzung auch ohne Disziplinarmaßnahmen möglich

Spruch

Der Beschwerdeführer ist durch den angefochtenen Bescheid weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch in Rechten wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm verletzt worden.

Die Beschwerde wird abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Der Beschwerdeführer steht in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Bund. Mit Wirksamkeit vom 1. August 1997 wurde er zum Vorstand des Finanzamtes Salzburg-Land bestellt. Mit (im zweiten Rechtsgang erlassenem) Bescheid der Finanzlandesdirektion für Salzburg vom 5. Juli 2000 wurde der Beschwerdeführer gemäß §38 Abs1 und 2 Beamten-Dienstrechtsgesetz 1979 (im Folgenden: BDG) von Amts wegen aus wichtigem dienstlichen Interesse zur Finanzlandesdirektion Salzburg versetzt; außerdem wurde er von der Funktion des Amtsvorstandes des Finanzamtes Salzburg-Land (Arbeitsplatzbewertung: Verwendungsgruppe A 1, Funktionsgruppe 5) abberufen und mit der Funktion eines Bereichsleiters der Geschäftsabteilung 9 der Finanzlandesdirektion (Arbeitsplatzbewertung: Verwendungsgruppe A 1, Funktionsgruppe 2) betraut. Weiters wurde in diesem Bescheid gemäß §38 Abs7 BDG festgestellt, dass der Beschwerdeführer die Gründe für die Versetzung gemäß §141a BDG zu vertreten habe.

2. Die Berufungskommission beim Bundesministerium für öffentliche Leistung und Sport gab der vom Beschwerdeführer gegen den Bescheid eingebrachten Berufung keine Folge, sondern bestätigte den angefochtenen Bescheid unter Hinweis darauf, dass eine Reihe von Tatsachen ein wichtiges dienstliches Interesse iSd. §38 Abs2 BDG an der Versetzung des Beschwerdeführers erkennen lasse. Dabei setzt sich die bescheiderlassende Behörde ausführlich - die Bescheidbegründung umfasst 117 Seiten - mit den Feststellungen und Ermittlungsergebnissen des vorangegangenen Versetzungsverfahrens und der Argumentation des Beschwerdeführers (im Einzelnen geht es dabei um die folgenden Aspekte des vorliegenden Falles: fehlende Führungsqualifikation, fehlende soziale Kompetenz, Spannungsverhältnisse zu leitenden Mitarbeitern, Gruppenbildung im Finanzamt; Vorwürfe wegen Dienstpflichtverletzungen des nunmehrigen Beschwerdeführers und die damit zusammenhängende Medienberichterstattung sowie wegen des Vertrauensverlustes von Mitarbeitern im Finanzamt sowie in anderen Stellen, die mit dem Beschwerdeführer zusammenarbeiten müssten (Großbetriebsprüfung); Vertrauensverlust der mit der Dienstaufsicht befassten Vorgesetzten) auseinander. Sodann führt die belangte Behörde in rechtlicher Hinsicht zusammenfassend Folgendes aus:

       "Nach der ständigen Rechtsprechung des

Verwaltungsgerichtshofes ist ein wichtiges dienstliches Interesse an

der Versetzung dann gegeben, wenn eingetretene, objektiv

festgestellte Tatsachen den Schluss rechtfertigen, dass der Wille

oder die Fähigkeit zur Erfüllung der übertragenen Leitungsfunktionen

bzw. zur Erfüllung der durch die Rechtsordnung vorgesehenen Aufgaben

nicht oder nicht mehr gegeben sind ... Tatsachen, die diesen Schluss

rechtfertigen, sind auch im Bestehen von dienstlichen

Spannungsverhältnissen ...; in der Erschütterung des

Vertrauensverhältnisses zur Dienstbehörde und zu den Mitarbeitern ...

oder in Konfliktsituationen durch Mangel an Führungsqualitäten ... zu

erblicken. Als wichtiges dienstliches Interesse, das eine Versetzung rechtfertigt, ist daher auch das Vorliegen von wesentlichen Konflikten und Spannungen zwischen Beamten einer Dienststelle zu werten; sind doch derartige Verhältnisse dem Dienstbetrieb, der auf Kooperation aufgebaut ist, und der Erfüllung der dienstlichen Aufgaben abträglich. Häufig wird durch derartige Konflikte und damit verbundene Auseinandersetzungen auch ein beträchtlicher Verwaltungsaufwand herbeigeführt, der bei einem anderen Arbeitseinsatz meist vermeidbar wäre. Ein wichtiges dienstliches Interesse an der raschen Bereinigung einer solchen konfliktbeladenen Situation wird auch dann vorliegen, wenn - wie hier - diese Spannungen und Konflikte schon außerhalb des Amtsbereiches, insbesondere unter Einschaltung von Medien, behandelt werden. Bei einer solchen Vorgangsweise tritt nämlich zu den bereits vorher dargestellten wesentlichen Nachteilen für den Dienst noch die konkrete Gefahr des Verlustes des Vertrauens der Allgemeinheit in die sachliche Führung der Amtsgeschäfte der Beamten hinzu ...

Die Berufungskommission geht davon aus, dass schon allein durch das erwiesene Fehlverhalten des BW (Berufungswerbers) gegenüber den Mitarbeitern am Finanzamt Salzburg-Land und durch den damit offenkundig gewordenen Mangel an der erforderlichen Führungs- und Leitungsqualifikation ein gravierender 'interner' Vertrauensverlust eingetreten ist, der durch sein Verhalten in den erwähnten Steuerfällen weiter gewachsen ist und daher zuletzt auch zu einem Vertrauensverlust seitens seiner Vorgesetzten und der Bediensteten der Großbetriebsprüfung eskalierte und schlussendlich sogar zu offensichtlichem Misstrauen der Öffentlichkeit führte. Im Sinne der eben wiedergegebenen Rechtslage ist darin ein hinreichender Grund zu sehen, der die Versetzung des BW erforderlich macht.

§38 Abs3 Z4 BDG, der ein wichtiges dienstliches Interesse im Falle der rechtskräftigen Verhängung einer Disziplinarstrafe annimmt, steht der Versetzung nicht entgegen, weil es sich bei der Aufzählung der ein wichtiges dienstliches Interesse begründenden Anlassfälle in §38 Abs3 um eine beispielhafte Aufzählung handelt. Das Tatbestandsmerkmal der rechtskräftigen Verhängung einer Disziplinarstrafe ist daher nicht so zu verstehen, dass Versetzungen nur bei rechtskräftiger straf- oder disziplinarrechtlicher Verurteilung zulässig sein sollen. Ein schwerwiegendes Fehlverhalten wird auch dann, wenn dieses (zB. wegen Verjährung) zu keiner Verurteilung geführt hat oder ein Disziplinarverfahren zwar eingeleitet, aber im Zeitpunkt der Erlassung des Versetzungsverfahrens noch nicht abgeschlossen ist, ebenfalls ein wichtiges dienstliches Interesse an einer Versetzung begründen können ... Die Dienstbehörde wird nur im letzteren Fall, gestützt auf die dem Beamten zur Last gelegten Dienstpflichtverletzungen, im Versetzungsverfahren die Frage, ob der Beamte die betreffenden Dienstpflichtverletzungen begangen hat oder nicht, sowie die Schwere derselben selbst zu beurteilen und ihre rechtlichen Erwägungen zum Vorliegen eines wichtigen dienstlichen Interesses darzulegen haben. Dies ist hier im wiedergegebenen Sinn erfolgt.

Wenn der BW rügt, dass er durch seine Versetzung einen wirtschaftlichen Nachteil erleide, so ist ihm zu entgegnen, dass das wichtige dienstliche Interesse für seine Versetzung in der Abberufung und Abziehung von seiner Funktion als Vorstand des Finanzamtes Salzburg-Land und nicht in der Zuweisung zu einer neuen Dienststelle besteht. Dabei haben allfällige wirtschaftliche Nachteile sowie persönliche, familiäre und soziale Verhältnisse außer Betracht zu bleiben ..."

3.1. Gegen diesen Bescheid der Berufungskommission beim Bundesministerium für öffentliche Leistung und Sport wendet sich die vorliegende, auf Art144 Abs1 B-VG gestützte Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, in der die Verletzung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz (Art2 StGG, Art7 B-VG), auf ein faires Verfahren (Art6 EMRK) sowie auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter (Art83 Abs2 B-VG) behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides begehrt wird.

3.2. Der Beschwerdeführer wirft der belangten Behörde vor, ihre Zuständigkeit gröblich verletzt zu haben, indem sie ihn - nach Einstellung des Verfahrens bei der Staatsanwaltschaft Salzburg - "auf eigene Faust" des Amtsmissbrauches beschuldigt, diesbezügliche Feststellungen getroffen und durch die Versetzung bestraft habe. Er habe darauf vertraut, dass weder steuerliche noch disziplinarrechtliche oder strafrechtliche Vorwürfe Gegenstand des Versetzungsverfahrens seien. Auch sei ihm vor Erlassung des Berufungsbescheides keine Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben und dadurch sein rechtliches Gehör verletzt worden.

Des Weiteren behauptet der Beschwerdeführer die Befangenheit der am Verfahren mitwirkenden Beamten, die sich auf offensichtlich unsachliche Motive, insbesondere eine persönliche Aversion dieser Personen gegen ihn, gründe und in deren willkürlichem Vorgehen, so etwa im Zusammenhang mit der Abweisung von Beweisanträgen und Anträgen auf Akteneinsicht, deutlich zum Ausdruck gekommen sei. Vor allem in der Abweisung der vom Beschwerdeführer beantragten Zeugen, mit deren Aussagen seine Behauptungen und Vorwürfe hätten bewiesen werden können, sei ein eklatanter Verstoß gegen den Grundsatz eines fairen Verfahrens und die Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz zu sehen. Zudem stelle das Agieren offensichtlich befangener Beamter im Versetzungsverfahren sowie die - de facto - Abführung eines zweiten Verfahrens wegen Amtsmissbrauches eine Verletzung seines Rechtes auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter und auch Willkür dar.

Insgesamt sei der angefochtene Bescheid "gespickt mit Vorverurteilungen, unzulässigen Rückschlüssen und Vermutungen sowie wirklich nur mehr als geradezu willkürlich zu bezeichnender Beweiswürdigung". Das gesamte Versetzungsverfahren sei von Einseitigkeit geprägt: Einerseits habe man "aus allen Rohren" auf den Beschwerdeführer geschossen, andererseits werde jegliche Kritik oder Verteidigung seinerseits als unzulässige Anmaßung und weiterer Grund für die Versetzung angeführt.

4. Über Aufforderung des Verfassungsgerichtshofes legte die belangte Behörde die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie den Beschwerdebehauptungen entgegentritt und die Abweisung der Beschwerde beantragt.

II. Der Verfassungsgerichtshof hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:

1. Die hier in erster Linie maßgebenden Bestimmungen des Beamten-Dienstrechtsgesetzes 1979, BGBl. 333 (§38 idF BGBl. I 1998/123; §40 idF BGBl. 1994/550), lauten auszugsweise wie folgt:

"Versetzung

§38.(1) Eine Versetzung liegt vor, wenn der Beamte einer anderen Dienststelle zur dauernden Dienstleistung zugewiesen wird.

(2) Die Versetzung ist von Amts wegen zulässig, wenn ein wichtiges dienstliches Interesse daran besteht. Während des provisorischen Dienstverhältnisses ist eine Versetzung auch ohne wichtiges dienstliches Interesse zulässig.

(3) Ein wichtiges dienstliches Interesse liegt insbesondere vor

1. bei Änderungen der Verwaltungsorganisation einschließlich der Auflassung von Arbeitsplätzen oder

2. bei Besetzung eines freien Arbeitsplatzes einer anderen Dienststelle, für den keine geeigneten Bewerber vorhanden sind, wenn der Beamte die für diesen Arbeitsplatz erforderliche Ausbildung und Eignung aufweist, oder

3. wenn der Beamte nach §81 Abs1 Z3 den zu

erwartenden Arbeitserfolg nicht aufgewiesen hat oder

4. wenn über den Beamten eine Disziplinarstrafe rechtskräftig verhängt wurde und wegen der Art und Schwere der von ihm begangenen Dienstpflichtverletzung die Belassung des Beamten in der Dienststelle nicht vertretbar erscheint.

(4) Bei einer Versetzung an einen anderen Dienstort von Amts wegen sind die persönlichen, familiären und sozialen Verhältnisse des Beamten zu berücksichtigen. Eine Versetzung ist - ausgenommen in den Fällen des Abs3 Z3 und 4 sowie in jenen Fällen, in denen abweichend vom Abs3 Z4 noch keine rechtskräftige Disziplinarstrafe verhängt worden ist - unzulässig, wenn sie für den Beamten einen wesentlichen wirtschaftlichen Nachteil bedeuten würde und ein anderer geeigneter Beamter, bei dem dies nicht der Fall ist, zur Verfügung steht.

(5) ...

(6) Ist die Versetzung des Beamten von Amts wegen in Aussicht genommen, so ist er hievon schriftlich unter Bekanntgabe seiner neuen Dienststelle und seiner neuen Verwendung mit dem Beifügen zu verständigen, daß es ihm freisteht, gegen die beabsichtigte Maßnahme binnen zwei Wochen nach Zustellung Einwendungen vorzubringen. Werden innerhalb der angegebenen Frist solche Einwendungen nicht vorgebracht, so gilt dies als Zustimmung zur Versetzung.

(7) Die Versetzung ist mit Bescheid zu verfügen; in diesem ist festzustellen, ob der Beamte die für die Versetzung maßgebenden Gründe gemäß §§141a, 145b oder 152c BDG 1979 zu vertreten hat oder nicht. Eine Berufung gegen diesen Bescheid hat keine aufschiebende Wirkung. Der vom Beamten zuletzt innegehabte Arbeitsplatz darf bis zur Rechtskraft des Bescheides nicht auf Dauer besetzt werden.

(8) Im Fall der Versetzung an einen anderen Dienstort ist dem Beamten eine angemessene Übersiedlungsfrist zu gewähren."

"Verwendungsänderung

§40.(1) Wird der Beamte von seiner bisherigen unbefristeten oder befristeten Verwendung abberufen, so ist ihm gleichzeitig, wenn dies jedoch aus Rücksichten des Dienstes nicht möglich ist, spätestens zwei Monate nach der Abberufung eine neue Verwendung in seiner Dienststelle zuzuweisen. §112 wird hiedurch nicht berührt.

(2) Die Abberufung des Beamten von seiner bisherigen Verwendung ist einer Versetzung gleichzuhalten, wenn

1. die neue Verwendung der bisherigen Verwendung des Beamten nicht mindestens gleichwertig ist oder

2. durch die neue Verwendung eine Verschlechterung für die Beförderung des Beamten in eine höhere Dienstklasse oder Dienststufe zu erwarten ist oder

3. dem Beamten keine neue Verwendung zugewiesen wird.

(3) Die neue Verwendung ist der bisherigen Verwendung gleichwertig, wenn sie innerhalb derselben Verwendungsgruppe derselben Funktions- oder Dienstzulagengruppe zugeordnet ist.

(4) ..."

2.1. Eine Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz kann nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (zB VfSlg. 10.413/1985, 11.682/1988) nur vorliegen, wenn der angefochtene Bescheid auf einer dem Gleichheitsgebot widersprechenden Rechtsgrundlage beruht, wenn die Behörde den angewendeten Rechtsvorschriften fälschlicherweise einen gleichheitswidrigen Inhalt unterstellte oder wenn sie bei der Erlassung des Bescheides Willkür übte.

2.2. Da der Verfassungsgerichtshof gegen die den angefochtenen Bescheid tragenden Rechtsvorschriften (so insbesondere gegen §38 BDG) keine verfassungsrechtlichen Bedenken hegt (vgl. VfSlg. 14.573/1996, S 52; ferner VfSlg. 14.658/1996, 14.854/1997 uva.) und die Bescheidbegründung keinen Anhaltspunkt für die Annahme liefert, dass die Berufungskommission dem BDG einen verfassungswidrigen Inhalt beigemessen hätte, könnte der Beschwerdeführer durch den bekämpften Bescheid im genannten Grundrecht nur verletzt worden sein, wenn der Berufungskommission Willkür zum Vorwurf zu machen wäre.

2.3. Darüber, welche Umstände gegeben sein müssen, damit einer Behörde Willkür anzulasten ist, lässt sich keine allgemeine Aussage treffen. Ob Willkür vorliegt, kann nur dem Gesamtbild des Verhaltens der Behörde im einzelnen Fall entnommen werden (zB VfSlg. 5491/1967, 6404/1971, 6471/1971, 8808/1980, 14.573/1996 uva.).

Ein willkürliches Verhalten der Behörde, das in die Verfassungssphäre eingreift, liegt ua. in einer gehäuften Verkennung der Rechtslage, aber auch im Unterlassen jeglicher Ermittlungstätigkeit in einem entscheidenden Punkt oder dem Unterlassen eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens überhaupt, insbesondere in Verbindung mit einem Ignorieren des Parteivorbringens und einem leichtfertigen Abgehen vom Inhalt der Akten oder dem Außerachtlassen des konkreten Sachverhaltes (zB VfSlg. 8808/1980 und die dort angeführte Rechtspr.; VfSlg. 10.338/1985, 11.213/1987). Auch eine denkunmögliche Gesetzesanwendung kann Willkür indizieren (VfSlg. 9561/1992, 14.814/1997).

2.4. Keiner dieser Mängel liegt aber hier vor. Weder hat sich für den Verfassungsgerichtshof ergeben, dass das Ermittlungsverfahren an einem in die Verfassungssphäre reichenden Mangel leide, noch kann von einem gehäuften Verkennen der Rechtslage oder gar von denkunmöglicher Gesetzesanwendung die Rede sein.

Die Rechtsmeinung der belangten Behörde, dass der Beschwerdeführer in der Wahrnehmung der ihm übertragenen Aufgaben dadurch behindert sein könnte, dass - neben anderen Gründen wie beispielsweise fehlender Führungsqualifikation und fehlender sozialer Kompetenz - insbesondere durch sein Verhalten bei Behandlung näher bezeichneter Steuerfälle die notwendige Vertrauensbasis zwischen ihm und den übrigen Mitarbeitern im Finanzamt, den mit ihm zusammenarbeitenden Bediensteten der Großbetriebsprüfung Salzburg, seinen Vorgesetzten und letztlich auch der Öffentlichkeit nachhaltig gestört sei und insofern ein wichtiges dienstliches Interesse an einer Versetzung gegeben sei, ist als vertretbar zu qualifizieren.

Zu der vom Beschwerdeführer aufgeworfenen Frage der Befangenheit des in erster Instanz tätig gewordenen Verhandlungsleiters sowie weiterer beteiligter Beamter genügt es, darauf hinzuweisen, dass die Mitwirkung eines befangenen Organes bei der Entscheidung der ersten Instanz durch eine Berufungsentscheidung, der dieser Mangel nicht anhaftet, gegenstandslos wird (vgl. VfSlg. 14.772/1997 mHa. Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes).

Wenn die belangte Behörde zu den zentralen Fragen, ob zwischen dem Beschwerdeführer und seinen Mitarbeitern sowie Vorgesetzten ein schwerwiegendes Spannungsverhältnis bestehe und - bejahenden Falles - ob dieser Umstand vom Beschwerdeführer iSd. §141a BDG zu vertreten sei, über die ohnedies schon umfangreiche behördliche Ermittlungstätigkeit hinaus keine weiteren vom Beschwerdeführer angebotenen Beweise aufnahm, so ersichtlich nur deshalb, weil alle als relevant erachteten Tatsachen für diese Behörde bereits offen zu Tage lagen, wie aus der Bescheidbegründung deutlich (genug) hervorgeht. Der Behörde kann insofern jedenfalls nicht vorgeworfen werden, Willkür geübt zu haben.

3. Der Beschwerdeführer ist jedoch auch mit seiner Behauptung, durch den angefochtenen Bescheid in seinem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein faires Verfahren iSd Art6 EMRK verletzt zu sein, nicht im Recht:

3.1. Nach ständiger Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes berühren Ansprüche und Verpflichtungen, die aus einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis resultieren, keine "civil rights"; somit unterliegen auch Verfahren, deren Zweck die Änderung dieser Ansprüche und Verpflichtungen durch Versetzung oder Verwendungsänderung eines Beamten ist, nicht den Anforderungen des Art6 Abs1 EMRK (vgl. zB VfSlg. 13.738/1994, 14.854/1997, 15.052/1997).

3.2. Da Zweck eines Versetzungsverfahrens nicht die Ahndung rechtswidrigen Verhaltens ist, unterliegt ein solches Verfahren auch nicht den in Art6 EMRK aufgestellten Anforderungen an ein Strafverfahren, mag eine Versetzungsentscheidung vom Betroffenen auch als belastend empfunden werden. Damit geht jedoch auch der vom Beschwerdeführer erhobene Vorwurf, die belangte Behörde habe Art6 Abs2 EMRK missachtet, ins Leere.

4. Der Beschwerdeführer wurde - entgegen seiner Meinung - auch nicht im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter verletzt. Die zuständige Behörde hat eine Sachentscheidung getroffen, ohne sich eine ihr nicht zustehende Zuständigkeit anzumaßen. Wie der Verfassungsgerichtshof schon in seinem Erkenntnis VfSlg. 8450/1978 (unter Bezugnahme auf VwSlg. 8230A/1972, wonach ein wichtiges dienstliches Interesse iSd. Vorgängerbestimmung des §67 Dienstpragmatik jedenfalls berührt werde, wenn ordnungsgemäß festgestellte Tatsachen den Schluss rechtfertigen, dass ein Beamter in seiner Verwendung die durch die Rechtsordnung umschriebenen Aufgaben nicht erfüllen will oder kann) ausführte, ist die Frage, ob eine Versetzung mit wichtigen dienstlichen Interessen begründet werden kann, unabhängig von der Frage zu sehen, ob das hiefür maßgebliche Verhalten des Beamten auch disziplinarrechtlichen Sanktionen unterliegt. Es kann daher eine die Versetzung rechtfertigende Dienstpflichtverletzung vorliegen, ohne dass eine disziplinäre Maßnahme getroffen wird.

5. Die getroffene behördliche Entscheidung weist somit keine in die Verfassungssphäre reichenden Mängel auf. Ob der bekämpften Entscheidung auch darüber hinaus eine in jeder Hinsicht richtige Gesetzesanwendung zu Grunde liegt - etwa was die Frage betrifft, ob die behördliche Entscheidung ausreichend mit Gründen versehen sei und ob die belangte Behörde den maßgeblichen Sachverhalt umfassend erhoben habe -, hat der Verfassungsgerichtshof nicht zu prüfen, und zwar auch nicht in jenem - hier vorliegenden - Fall, in dem eine Abtretung der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof nicht in Betracht kommt (vgl. VfSlg. 9541/1982 und die dort angeführte Vorjudikatur; VfSlg. 14.807/1997 uva.).

6. Der Beschwerdeführer wurde sohin aus den in der Beschwerde vorgetragenen Erwägungen weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in seinen Rechten verletzt.

Das Beschwerdeverfahren hat auch nicht ergeben, dass dies aus anderen, in der Beschwerde nicht dargelegten Gründen der Fall gewesen wäre.

Die Beschwerde war daher abzuweisen.

7. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VerfGG 1953 ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

Schlagworte

Dienstrecht, Disziplinarrecht, Versetzung, Befangenheit

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2001:B245.2001

Dokumentnummer

JFT_09989075_01B00245_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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