TE OGH 1986/12/16 14Ob207/86

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Veröffentlicht am 16.12.1986
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr.Petrasch als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Kuderna und Dr.Gamerith sowie die Beisitzer Dr.Stefan Seper und Dr.Willibald Aistleitner als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Josef S***, Kfz-Mechaniker, Leogang, Sonnberg 18, vertreten durch Dr.Anton Waltl, Rechtsanwalt in Zell am See, wider die beklagte Partei S*** B***-Gesellschaft mbH, in Linz, Salzburger Straße 323, vertreten durch Dr.Günther Pullmann, Rechtsanwalt in Salzburg, wegen restl. 204.888,93 S brutto sA, infolge Revision beider Parteien gegen das Urteil des Landesgerichtes Salzburg als Berufungsgerichtes in arbeitsgerichtlichen Rechtsstreitigkeiten vom 21. Juli 1986, GZ 31 Cg 44/85-15, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Arbeitsgerichtes Zell am See vom 3. Mai 1985, GZ Cr 119/84-9, teils bestätigt, teils abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Beiden Revisionen wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei hat dem Kläger an Kosten des Revisionsverfahrens 3.188,10 S (davon 257,10 S Umsatzsteuer und 360 S Barauslagen) binnen 14 Tagen zu bezahlen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Streitteile schlossen am 30.Dezember 1983 einen Dienstvertrag (Auslands-Personalvertrag Beilage B), wonach der Kläger für voraussichtlich zwei Jahre als Spezialist für den Untertagebau auf einer Kraftwerksbaustelle der beklagten Partei in Burundi arbeiten sollte. Auf das Arbeitsverhältnis findet vereinbarungsgemäß österreichisches Recht Anwendung. Der Dienstvertrag trat mit der Ausreise des Klägers am 15.Jänner 1984 in Kraft. Im Mai 1984 stellte der Betriebsarzt der beklagten Partei beim Kläger den Verdacht einer Lues-Infektion fest, den die in der Folge durchgeführte Blutuntersuchung bestätigte. Hierauf vereinbarten die Streitteile am 7.Juni 1984 die Aufhebung des Dienstverhältnisses des Klägers mit 10.Juni 1984. Mit Telegramm vom 13. Juli 1984 kündigte die beklagte Partei das Dienstverhältnis des Klägers vorsorglich "unter Beachtung der Frist des Angestelltengesetzes" zum 31.August 1984 auf.

Der Kläger behauptet, nach seinem Rückflug nach Österreich habe sich herausgestellt, daß er nicht geschlechtskrank sei. Er habe sich daher wieder zur Arbeit nach Burundi begeben wollen, doch habe sich die beklagte Partei auf den Standpunkt gestellt, daß die einvernehmliche Auflösung gültig sei. Sie sei jedoch wegen gemeinsamen Irrtums rechtsunwirksam. Der Bauleiter der beklagten Partei in Burundi habe dem Kläger verbindlich zugesagt, daß das Dienstverhältnis für den Fall, daß die Erkrankung nicht vorliege, fortgesetzt werde. Da auch die von der beklagten Partei zum 31. August 1984 ausgesprochene Kündigung unwirksam sei, könne der Kläger seine Monatsbezüge für die gesamte Dauer des vereinbarten Dienstverhältnisses fordern. Er begehrte zuletzt für die Zeit vom 11. Juni - 31.Dezember 1984 Zahlung des Gehalts in der unbestrittenen Höhe von 34.053 S monatlich (in diesem Betrag sind Auslandszulagen von 4.046 S und der Gegenwert von 3.500 S in Landeswährung enthalten) sowie das entgangene Überstundenentgelt von 30.030 S monatlich, zusammen sohin 427.220 S brutto sA.

Die beklagte Partei beantragte die Abweisung des Klagebegehrens und wendete ein, daß der Kläger für die Zeit ab 10.Juni 1984 keine Ansprüche gegen die beklagte Partei habe, weil sie den Irrtum, der zur einvernehmlichen Auflösung des Arbeitsverhältnisses führte, nicht veranlaßt habe. Die vorsichtshalber ausgesprochene Kündigung zum 31.August 1984 finde im Punkt 2 des Vertrages Deckung. Der Dienstvertrag sei auf unbestimmte Zeit geschlossen worden. Die im Gehalt enthaltenen Zulagen von 4.046 S und 3.500 S monatlich seien ein reiner Auslagenersatz.

Das Erstgericht sprach dem Kläger 204.888,93 S brutto sA zu und wies ein Mehrbegehren von 222.331,07 S brutto sA - insoweit unbekämpft - ab.

Es traf folgende wesentliche Feststellungen.

Der Vertrag zwischen den Streitteilen kam durch Vermittlung des Ing. Johann K***, eines Bauleiters der beklagten Partei, zustande, dem der Kläger sein Interesse an einer Auslandsarbeit mitgeteilt hatte. Ing. Johann K*** sagte dem Kläger, daß er auf einer Baustelle der beklagten Partei in Burundi arbeiten könne, die noch mindestens ein bis zwei Jahre betrieben werden würde, und daß er dort mit Überstunden 40.000 S bis 50.000 S mtl. verdienen werde. Ing. Johann K*** brachte dem Kläger den "Auslands-Personalvertrag Beilage B" mit. Der Kläger las den gesamten Vertrag samt Anlage 1, also auch die Bestimmungen über die Probezeit und die Kündigung durch. Es war ihm bewußt, daß die beklagte Partei den Vertrag aufkündigen könne, doch meinte er, daß er auf eine Vertragsdauer von 24 Monaten gebunden sei.

Der "Auslands-Personalvertrag" enthält ua folgende wesentliche

Bestimmungen:

"§ 2

Vertragsdauer

Der Dienstvertrag tritt mit der Ausreise in Kraft.

............

Der Einsatz ist für die Dauer der in Anlage 1 festgesetzten Monate vorgesehen, längstens jedoch bis zur Erfüllung der übertragenen Aufgabe.

Probezeit

Die ersten 6 Monate der Einsatzzeit gelten als Probezeit.

Während der Probezeit haben sowohl der Arbeitgeber als auch der

Arbeitnehmer das Recht, das Arbeitsverhältnis mit 1-monatiger Frist

zum Monatsende zu kündigen.

........

Ordentliche Kündigung

Arbeitgeber und Arbeitnehmer haben das Recht, diesen Vertrag mit

einer Frsit von 6 Wochen zum Quartalsende zu kündigen...........

§ 4

Vorzeitige Vertragsbeendigung aus sonstigen Gründen

...........

2. Wird von einem vom Arbeitgeber bestimmten Arzt festgestellt,

daß der Gesundheitszustand des Arbeitnehmers ein weiteres Verbleiben

am Arbeitsort nicht gestattet, so haben sowohl der Arbeitgeber als

auch der Arbeitnehmer das Recht, den Vertrag mit sofortiger Wirkung

zu lösen."

Die Anlage 1 zum Auslands-Personalvertrag enthält ua den Vermerk:

"1. Voraussichtliche Vertragsdauer gem. § 2:

24 Monate

........"

Im April 1984 trat beim Kläger auf Grund einer Lymphknotenschwellung ein sogenannter "Ausfluß" auf, worauf er sich zum Betriebsarzt der beklagten Partei Dr. K*** begab und ihm sein Leiden schilderte. Der Arzt fragte den Kläger nicht, ob er schon vorher geschlechtskrank gewesen sei, nahm ihm Blut ab und sandte es zur Untersuchung in ein Laboratorium der Hauptstadt Burundis ein. Der Kläger war 1978 an Lues erkrankt und deswegen bei Dr. Bernhard D*** in Zell am See 3 Wochen in Behandlung gewesen und in der Folge geheilt worden. Er teilte Dr. K*** aus eigenem diese frühere Erkrankung nicht mit, weil er es nicht für notwendig hielt. Etwa einen Monat später teilte der Betriebsarzt dem Kläger mit, daß er Syphilis habe. Da der Kläger zu dieser Zeit keine Beschwerden hatte, fragte er, ob er ohne Beschwerden überhaupt Syphilis haben könne. Der Betriebsarzt war sich über die tatsächliche Erkrankung des Klägers nicht ganz sicher, riet ihm aber auch wegen der Ansteckungsgefahr für andere Arbeiter, sofort in die Heimat zur Behandlung zu fahren. Schon vorher hatte der Betriebsarzt die Bauleitung vom positiven Test verständigt und auf die Notwendigkeit einer sofortigen gezielten Behandlung des Klägers verwiesen. Er empfahl der beklagten Partei wegen der Ansteckungsgefahr, den Kläger in seine Heimat zurückfliegen zu lassen. Der örtliche Oberbauleiter der Beklagten sagte zum Kläger, er könne ihn nach dem Arbeitsvertrag wegen Gefährdung der Gesundheit der Arbeitskollegen sofort entlassen. Bei diesem Gespräch kam es zur Unterfertigung der eingangs erwähnten Aufhebungsvereinbarung. Der Oberbauleiter sagte zum Kläger, daß er sofort wieder kommen könne, falls sich in Österreich herausstellen sollte, daß er nicht geschlechtskrank sei. Dann sei die Aufhebungsvereinbarung hinfällig. Wenn der Kläger die Auflösungserklärung nicht unterschreibe, werde er gekündigt oder entlassen.

Nach der Rückkehr nach Österreich begab sich der Kläger am 13. Juni 1984 in die Ordination des Hautarztes Dr. Bernhard D***, dem er von dem Untersuchungsergebnis in Burundi Mitteilung machte. Der Hautarzt veranlaßte eine Blutuntersuchung, die einen Zustand, wie er nach einer erfolgreich behandelten Lues typisch ist, ergab. Der Kläger war somit im Zeitpunkte der Blutabnahme in Burundi und der Blutabnahme bei seinem Hautarzt nicht an Lues erkrankt. Dies teilte der Klagevertreter der beklagten Partei mit Schreiben vom 27. Juni 1984 mit. Die Aufhebungsvereinbarung sei daher unwirksam, sein Mandant sei arbeitsbereit. Der Klagevertreter ersuchte um Mitteilung, ob sein Mandant den Rückflug nach Burundi antreten solle.

Daraufhin sprach die beklagte Partei ohne Aufgeben ihres Rechtsstandpunktes die bereits oben angeführte Kündigung zum 31. August 1984 aus.

Das Erstgericht war der Ansicht, daß die Aufhebungsvereinbarung vom 7.Juni 1984 infolge gemeinsamen Irrtums über das zum Inhalt dieses Vertrages gemachte Motiv der vermeintlichen Lueserkrankung des Klägers unwirksam sei. Die Kündigung eines mit einer Höchstdauer befristeten Arbeitsverhältnisses könne wirksam vereinbart werden. Da der Auslands-Personalvertrag im § 2 Kündigungsmöglichkeiten vorsehe, komme der Frage, ob das Arbeitsverhältnis zwischen den Streitteilen auf bestimmte oder unbestimnte Zeit abgeschlossen worden sei, keine Bedeutung zu. Die von der beklagten Partei am 13.Juli 1984 ausgesprochene Kündigung sei daher zulässig gewesen. Sie hätte aber auf Grund der gesetzlichen Bestimmungen erst zum 30.September 1984 ausgesprochen werden können. Da sich der Arbeitgeber bei der Kündigung auf die "im Gesetz vorgesehenen Richtlinien" berufen habe, sei seine Erklärung unmißverständlich dahin zu verstehen, daß er zum gesetzlich zulässigen Termin kündigen wollte. Die Möglichkeit, das Dienstverhältnis unter Einhaltung einer Kündigungsfrist von einem Monat zum Monatsende aufzukündigen, sehe zwar der Vertrag, nicht aber das Gesetz vor.

Der Kläger könne daher Entgeltansprüche bis 30.September 1984 geltend machen. Für Überstunden gebührten ihm monatlich durchschnittlich 25.825,80 S. Die dem Kläger gewährte Auslandszulage sei gemäß § 273 Abs. 1 ZPO um jenen Betrag zu kürzen, der den Charakter einer Aufwandsentschädigung habe. Unter Bedachtnahme auf die Tagesgebühren für Dienstreisen nach Burundi ergebe sich eine Kürzung um 4.000 S monatlich.

Das Berufungsgericht verhandelte die Rechtssache gemäß § 25 Abs. 1 Z 3 ArbGG von neuem. Es gab der Berufung der beklagten Partei teilweise Folge und änderte das angefochtene Urteil dahin ab, daß es dem Kläger 145.000 S brutto sA zusprach und (einschließlich der nicht bekämpften Abweisung in erster Instanz) ein Mehrbegehren von 282.220 S sA abwies.

Das Berufungsgericht war der Ansicht, daß die Streitteile die Beendigung des Dienstverhältnisses von einer sogenannten "uneigentlichen" Bedingung, nämlich dem Bestehen einer Geschlechtskrankheit beim Kläger, abhängig gemacht hätten. Sie hätten damit auf etwas Gegenwärtiges abgestellt, von dem sie nur nicht sicher gewußt hätten, ob es eingetreten sei oder nicht. Stelle sich aber als gewiß heraus, daß die Bedingung nicht vorliege, sei die Auflösungsvereinbarung hinfällig, ohne daß sie einer Anfechtung bedürfe.

Die Kündigung der beklagten Partei zum 31.August 1984 sei jedoch zulässig und wirksam gewesen. Eine sechsmonatige Probezeit und eine Kündigungsfrist von einem Monat könnten zwar nicht gültig vereinbart werden, doch sei die im § 2 des Vertrages enthaltene Vereinbarung, daß die Kündigungsfrist am Letzten eines Kalendermonats ende, gemäß § 20 Abs. 3 AngG wirksam. Da der Kläger die Kündigung am 13.Juli 1984 erhalten habe, lägen zwischen deren Zugang und dem 31.August 1984 mehr als 6 Wochen, sodaß die Kündigungsfrist des § 20 Abs. 2 AngG eingehalten worden sei. Die Zulässigkeit der hier für die ersten sechs Monate vereinbarten Kündigungsfrist von einem Monat richte sich nach den Verhältnissen im Zeitpunkt der Kündigung; diese sei innerhalb von 6 Monaten seit Dienstantritt (Ausreise: 15.Jänner 1985) erfolgt. Das Dienstverhältnis habe daher am 31.August 1984 geendet, weshalb das vom Erstgericht für September 1984 zugesprochene Entgelt von 30.053 S zuzüglich 25.825,80 S an durchschnittlichem Überstundenentgelt abzuweisen sei. Als Aufwandsentschädigung sei auch ein Teil der inländischen Tagesgebühren anzusehen, so daß von der restlichen Klagsforderung gemäß § 273 Abs. 2 ZPO ein weiterer Betrag von 4.010,13 S abzuziehen sei.

Rechtliche Beurteilung

Die gegen das Urteil des Berufungsgerichtes von beiden Parteien wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung und von der beklagten Partei auch wegen Aktenwidrigkeit erhobenen Revisionen sind nicht berechtigt.

1. Zur Revision der beklagten Partei:

Der Revisionsgrund der Aktenwidrigkeit liegt nicht vor (§ 510 Abs. 3 iVm § 23 ArbGG).

Die beklagte Partei behauptet, der Kläger habe ihren Irrtum über das Vorliegen einer - die Vertragsaufhebung

rechtfertigenden - Erkrankung dadurch veranlaßt, daß er dem untersuchenden Betriebsarzt von seiner früheren Lues-Erkrankung nichts mitgeteilt habe. Er könne daher den von ihm veranlaßten Irrtum gemäß § 871 ABGB nicht anfechten. Dem ist zu entgegnen, daß die Parteien nach den Feststellungen der Vorinstanzen schon damals mit der Möglichkeit rechneten, daß der in Burundi erhobene ärztliche Befund unrichtig sei. Auch der Betriebsarzt war sich über die tatsächliche Erkrankung des Klägers nicht völlig sicher. Die Parteien sind daher beim Abschluß der Aufhebungsvereinbarung von einer gemeinsamen Ungewißheit ausgegangen, und haben überdies der Möglichkeit, daß der Aufhebungsgrund nicht bestehe, von vorneherein dadurch Rechnung getragen, daß sie die Beendigung des Dienstverhältnisses von einer sogenannten "uneigentlichen" Bedingung abhängig machten, also einem Ereignis, das zwar schon eingetreten war, über das aber zwischen ihnen Ungewißheit bestand. Die Behebung dieser Ungewißheit machte die Aufhebungsvereinbarung von vornherein ungültig (Rummel in Rummel, ABGB, Rz 3 zu § 897; Koziol-Welser Grundriß 7 I 143; EvBl. 1966/350). Der Arbeitsvertrag zwischen den Streitteilen blieb somit aufrecht. Eine Anfechtung der Vereinbarung wegen Irrtums über die Erkrankung des Klägers war nicht erforderlich.

2. Zur Revision des Klägers:

Der Kläger ist der Ansicht, daß sein Dienstverhältnis durch die beklagte Partei zeitwidrig zum 31.August 1984 gelöst wurde; eine ordnungsgemäße Lösung wäre erst zum 30.September 1984 möglich gewesen, so daß ihm bis zu diesem Zeitpunkt (Ersatz-)Ansprüche zustünden. Die vom Kläger dafür vorgetragenen Gründe treffen nicht zu.

Zu erörtern ist zunächst, ob die Zulässigkeit der von den Streitteilen im § 2 des Auslands-Personalvertrages getroffenen Kündigungsvereinbarungen an den Bestimmungen des von den Vorinstanzen angewendeten Angestelltengesetzes zu messen ist. Beide Parteien gehen wohl in ihren rechtlichen Argumenten von der Anwendbarkeit des Angestelltengesetzes aus, behaupteten aber nicht, daß der Kläger zur Verrichtung höherer nicht kaufmännischer Dienste aufgenommen wurde oder die Anwendung des Angestelltengesetzes insgesamt (oder seiner Kündigungsbestimmungen) als lex contractus vereinbart war. Vielmehr brachte die Beklagte vor, daß der Kläger als Mechaniker beschäftigt wurde. Die beklagte Partei sprach allerdings die Kündigung des Dienstverhältnisses des Klägers zum 31. August 1984 "unter Beachtung der Frist des Angestelltengesetzes" aus. Dieser Zusatz könnte aber auch bloß eine unrichtige Wissenserklärung gewesen sein. Die Frage, ob die Kündigungsbestimmungen des ABGB oder des Angestelltengesetzes anzuwenden sind, kann aber, da das Endergebnis dasselbe ist, auf sich beruhen.

Die mit dem Kläger über die Kündigung während der Probezeit und

die ordentliche Kündigung getroffenen Vereinbarungen waren, wenn er

als Arbeiter dem Dienstvertragsrecht des ABGB unterlag, günstiger

als die relativ zwingenden (§ 1164 Abs. 1 ABGB) Bestimmungen der

§§ 1159 - 1159 b ABGB, die bestenfalls eine mindestens vierwöchige

Kündigungsfrist (§ 1159 a ABGB) ohne Einhaltung eines

Kündigungstermins (Krejci in Rummel, ABGB, Rz 87 zu

§§ 1158 - 1159 c) vorsehen. Die ersten 6 Monate des

Dienstverhältnisses wurden als "Probezeit" vereinbart, während der

jeder Teil (vgl. § 1159 c ABGB) das Recht hatte, das

Arbeitsverhältnis mit einmonatiger Frist zum Monatsende zu kündigen.

Diese Vereinbarung verstieß nicht gegen § 1158 Abs. 2 ABGB, wonach

ein auf Probe vereinbartes Dienstverhältnis (nur) während des ersten

Monats von beiden Teilen jederzeit gelöst werden kann, weil die

Parteien die für ein derartiges Probedienstverhältnis

charakteristische jederzeitige Lösbarkeit gar nicht vereinbarten.

Vereinbart wurde vielmehr eine Kündigungsfrist von einem Monat

während der ersten 6 Monate des Dienstverhältnisses, deren rechtlich

unerhebliches Motiv die beiderseitige Erprobung war (vgl.

Arb. 10.184). Diese Vereinbarung einer einmonatigen Kündigungsfrist

in den ersten 6 Monaten des Dienstverhältnisses war für den Kläger

immer noch günstiger als die gesetzlichen Bestimmungen der

§§ 1159 - 1159 b ABGB.

Galt aber für den Kläger das Kündigungsrecht der Angestellten,

wovon beide Parteien in ihren Rechtsmittelschriften ausgehen, so war

die Vereinbarung, daß in den ersten sechs Monaten unter Einhaltung

einer einmonatigen Frist zum Monatsende gekündigt werden dürfe, zwar

gemäß § 20 Abs. 3 erster Halbsatz AngG in Ansehung der

Kündigungsfrist teilnichtig (Arb. 10.184), wohl aber die

Vereinbarung, daß die Kündigungsfrist am Letzten eines

Kalendermonats ende, gemäß § 20 Abs. 3 zweiter Halbsatz gültig. Da

das Arbeitsverhältnis erst am 15.Jänner 1984 begonnen hatte, konnte

die beklagte Partei am 13.Juli 1984 noch unter Einhaltung einer

Kündigungsfrist von 6 Wochen zum 31.August 1984 kündigen. Wie das

Berufungsgericht zutreffend erkannte, richtete sich die Dauer der einzuhaltenden Kündigungsfrist nach den Verhältnissen im Zeitpunkt der Kündigung (Arb. 6.689 = SZ 26/102; Arb. 10.184 ua). Für die Rechtswirkungen der "Probezeitvereinbarung" gilt nach dem Angestelltengesetz (dort § 19 Abs. 2) dasselbe, was bereits zu § 1158 Abs. 2 ABGB gesagt wurde. Eine Probedienstverhältnis im Sinne des § 19 Abs. 2 AngG wurde nicht vereinbart, sondern für die ersten sechs Monate die Erprobung zum rechtlich unverbindlichen Motiv der zulässigen Vereinbarung der Kündigungsmöglichkeit zum Monatsende gemacht.

Gegen die vom Berufungsgericht vorgenommene weitere Minderung der Aufwandsentschädigung, zu der die Revision keine rechtlich relevanten Äußerungen enthält, bestehen keine rechtlichen Bedenken. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 43 Abs. 1 und 50 ZPO.

Anmerkung

E09819

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1986:0140OB00207.86.1216.000

Dokumentnummer

JJT_19861216_OGH0002_0140OB00207_8600000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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