TE OGH 1987/1/13 14Ob198/86

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Veröffentlicht am 13.01.1987
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr. Petrasch als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kuderna und Dr. Gamerith sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Rupert Dollinger und Johann Friesenbichler als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Dr. Ernst D***, Angestellter, Salzburg, Stauffenstraße 16, vertreten durch Dr. Berndt Sedlazeck, Rechtsanwalt in Salzburg, wider die beklagte Partei S*** DER G*** W***, Wien 5.,

Wiedner Hauptstraße 84-86, vertreten durch Dr. Adolf Fiebich und Dr. Vera Kremslehner, Rechtsanwälte in Wien, wegen Feststellung (Streitwert S 574.126), infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes Salzburg als Berufungsgerichtes in arbeitsgerichlichen Rechtsstreitigkeiten vom 15. April 1985, GZ. 31 Cg 43/84-18, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Arbeitsgerichtes Salzburg vom 20. März 1984, GZ. Cr 341/83-12, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Der Kläger ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 16.072,65 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (davon S 1.461,15 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu bezahlen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger trat am 1. September 1962 in die Dienste der Pensionsversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft, der Rechtsvorgängerin der beklagten Partei. Mit 1. Jänner 1963 wurde er zum Stellvertreter des Leiters der Außenstelle Salzburg bestellt. Auf sein Dienstverhältnis findet nunmehr die Dienstordnung A für die Angestellten bei den Sozialversicherungsträgern Österreichs (im folgenden: DO.A) Anwendung. Seit 1. August 1979 ist der Kläger als ständiger Stellvertreter des leitenden Angestellten der Landesstelle Salzburg in die Gehaltsgruppe G Dienstklasse II (im folgenden kurz: G/II) eingereiht. Seit Beginn seines Dienstverhältnisses ist der Kläger alleiniger Rechtsreferent der Landesstelle Salzburg. Der Verwaltungsausschuß der beklagten Partei beschloß in der Sitzung vom 27. April 1983, den Kläger zusätzlich zu den genannten Funktionen mit Wirkung ab 1. Juli 1983 zum Leiter der Versicherungs- und Beitragsabteilung der Landesstelle Salzburg zu bestellen (Schreiben vom 28. April 1983).

Der Kläger begehrt die Feststellung, daß diese Bestellung inhaltlich eine nichtige Weisung der beklagten Partei sei, und brachte dazu vor, daß sein Aufgabenbereich mit der Bestellung zum Stellvertreter des Leiters der Außenstelle Salzburg per 1. Jänner 1963 endgültig festgelegt worden sei und in der Leitung des Rechtsreferates und den Aufgaben als Direktorstellvertreter bestehe. Zur Übernahme zusätzlicher Tätigkeiten sei er nicht verpflichtet, weshalb er der erteilten Weisung auch nur unter Protest Folge geleistet habe.

Die beklagte Partei beantragte die Abweisung des Klagebegehrens und wendete ein, daß der abgeschlossene Dienstvertrag das Dienstverhältnis des Klägers nicht bis ins Einzelne bestimme. Entscheidend für den Inhalt des Dienstverhältnisses sei der Aufgabenbereich des Klägers auf Grund seiner jeweiligen tatsächlichen Verwendung. Der Kläger sei im Zuge von Einsparungsmaßnahmen zusätzlich zum Leiter der Versicherungs- und Beitragsabteilung bestellt worden. Dies sei ihm zumutbar, weil er bisher, was die Arbeitszeit betreffe, nicht ausgelastet gewesen und außerdem von früheren Aufgaben entbunden worden sei. Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt und traf folgende wesentliche Feststellungen:

Als rechtskundiger Sachbearbeiter bedient sich der Kläger teils des zentralen Textbüros, das Klagen und andere Schriftsätze für ihn vorbereitet, teils der Schreibkräfte aus anderen Abteilungen. Dem Kläger sind keine Juristen untergeordnet. Er hat in Leistungsstreitigkeiten die Verhandlungen vorzubereiten und zu verrichten und Bescheide zu erlassen. Er berät ferner einzelne Abteilungen in den an ihn herangetragenen Rechtsfragen. Der Arbeitsanfall in Rechtsangelegenheiten stieg seit 1974 zahlenmäßig insbesondere durch die Zusammenlegung der Meisterkrankenkasse mit der Gewerblichen Selbständigenversicherung, aber auch dadurch, daß Pensionsangelegenheiten erst dann mit der Hauptabteilung 2 in Wien zu klären sind, nachdem der zuständige Rechtsreferent einer Landesstelle um Rat gefragt wurde. 1979 wurde der Kläger auch zum Kontaktmann der Ärztekammer Salzburg bestellt. Er berät an vielen Nachmittagen (Sprechtagen) die Ärzteschaft.

Diese juristische Tätigkeit setzte der Kläger nach Bestellung zum Direktorstellvertreter der beklagten Partei am 1. August 1979 fort. In dieser Eigenschaft hat der Kläger den Leiter der Landesstelle während dessen Verhinderungen (Dienstreisen, Urlaube, Krankheiten, sonstige Abwesenheiten) in personellen und formellen Aufgaben zu vertreten, zB Begrüßung des Personals, Abzeichnung und Durchsicht von Zeiterfassungsformularen, Überwachung von verwaltungstechnischen Dingen (Beaufsichtigung von Handwerkern etc.), Durchsicht der Chefpost, Aussprache in dienstlichen Angelegenheiten mit Mitarbeitern.

Auf Grund der Entscheidung des Obersten Gerichtshofes vom 2. März 1976, 4 Ob 8/76 steht fest, daß der Kläger bei Beginn seiner Tätigkeit sondervertraglich mit der Leistung des Rechtsreferates betraut und in der Folge stets als solcher Leiter behandelt und bezeichnet wurde. Seit 12. Jänner 1981 existieren in vier Landesstellen (Wien, Niederösterreich, Oberösterreich und Steiermark) Rechtsabteilungen, in den übrigen 5 Landesstellen, darunter auch in Salzburg, sind die Rechtsangelegenheiten im Rahmen der Landesstellenleitung von Rechtsreferenten zu bearbeiten. Die Geschäfte der Rechtsabteilungen und der Rechtsreferenten sind gleichartig: Einwendungen zu Klagen in Leistungsstreitsachen vor Schiedsgerichten der Sozialversicherung, Vorlage an den Landeshauptmann bei Einsprüchen in Verwaltungssachen, Intervention in Verfahren in Verwaltungssachen, in Leistungsstreitsachen erster Instanz und vor den ordentlichen Gerichten, bescheidmäßige Feststellung in Verwaltungssachen, Bearbeitung von Rechtsfragen im Zusammenhang mit den der Landesstelle obliegenden Sachbearbeitungsaufgaben, erforderlichenfalls Vorlage an die Hauptstelle, Durchführung der Regreßverfahren in der Krankenversicherung, Mitwirkung in Regreßverfahren bei der Pensionsversicherung und Geltendmachung von Ersatzansprüchen. Der Umfang der anfallenden Geschäfte ist in den Landesstellen verschieden groß. Teils macht er unter Einrichtung einer Rechtsabteilung die Beschäftigung einer Mehrzahl von Juristen notwendig, teils finden die Landesstellen mit einem Rechtsreferenten das Auslangen.

Im provisorischen Dienstpostenplan der beklagten Partei vom 12. Jänner 1981 ist pro Landesstelle unter anderen je ein Dienstposten vorgesehen:

a) für den Stellvertreter des leitenden Angestellten in G/II, wobei diese Stellvertreter jeweils eine Abteilung zu führen haben,

b) für den Leiter der Versicherungs- und Beitragsabteilung in F/III und

c) für den juristischen Sachbearbeiter, der unmittelbar dem Leiter der Landesstelle unterstellt ist, in E/III.

Anläßlich der Bestellung zum Direktorstellvertreter am 1. August 1979 wurde dem Kläger von der beklagten Partei nicht mitgeteilt, daß er zusätzlich zum Leiter einer Organisationseinheit bestellt werden müsse. Im April 1983 wurde dem Kläger eröffnet, daß er als Nachfolger des zu pensionierenden Abteilungsleiters der Abteilung "Beitrag und Versicherung" vorgesehen sei. Der Kläger äußerte dagegen Bedenken, wurde aber dennoch, wie eingangs festgestellt, zum Leiter dieser Abteilung bestellt. Mit Schreiben vom 30. Juni 1983 wurde der Kläger wegen dieser Bestellung von der Bearbeitung der Regreßangelegenheiten der Krankenversicherung entbunden, die Anordnung zur Erteilung allgemeiner Auskünfte in Leistungsangelegenheiten widerrufen und mit dieser Aufgabe eine andere Stelle betraut. Trotzdem kommt es immer wieder vor, daß der Kläger Auskünfte erteilt und daß Anwälte und andere freiberuflich Tätige seinen Rat einholen.

Als Leiter der Beitrags- und Versicherungsabteilung hat der Kläger 16 Mitarbeiter unter sich. Er hat einen Stellvertreter, der auch Aufgaben als Gruppenleiter durchführt, ferner einen Gruppenleiter-Stellvertreter, der Prüferfunktionen hat, und einen weiteren Prüfer. In unterster Stufe dieser Abteilung sind die Beitragssachbearbeiter und zwei Exekutionssachbearbeiter tätig. Hauptaufgabe ist die Bearbeitung von EDV-gestalteten Leistungs- und Beitragsabläufen, doch fallen auch "Randrechtsprobleme" an. Das Erstgericht war der Ansicht, daß der Kläger als Leiter des Rechtsreferates der Landesstelle Salzburg Leiter einer Organisationseinheit sei. Dadurch, daß die beklagte Partei manche Organisationseinheiten als Rechtsabteilungen, andere nur als Rechtsreferat bezeichne, obwohl in allen eine gleichartige Arbeit geleistet werde, und dadurch, daß sie im Dienstpostenplan die stellvertretende Leitung der Landesstelle mit einer zusätzlichen Abteilungsleitung fest verbindet, habe sie die Rechtsreferate und damit den Kläger unsachlich und willkürlich schlechter gestellt, weil er als stellvertretender Leiter der Landesstelle und bloßer Leiter eines Rechtsreferates zum Unterschied von einem Leiter einer Rechtsabteilung eine zusätzliche Abteilung übernehmen müsse. Die Dienstanweisung vom 28. April 1983 verstoße außerdem gegen den den Arbeitsbereich des Klägers regelnden Arbeitsvertrag und ändere ihn einseitig ab. Sie sei schon aus vertragsrechtlichen Gründen nicht rechtswirksam. Ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates könne nicht vertragsändernd wirken, so daß die Frage der Mitwirkung des Betriebsrates bei der Einführung von leistungsbezogenen Entgelten nicht zu prüfen sei.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der beklagten Partei Folge und änderte das Ersturteil dahin ab, daß es das Klagebegehren abwies. Es sprach aus, daß der von der Abänderung betroffene Wert des Streitgegenstandes S 2.000 übersteigt.

Das Berufungsgericht verhandelte die Rechtssache gemäß § 25 Abs. 1 Z 3 ArbGG von neuem, traf dieselben Feststellungen wie das Erstgericht und ergänzte diese wie folgt:

Ab 1. Jänner 1967 wirkte der Kläger auch im Pensionsreferat mit. Es ist nicht erwiesen, daß der Kläger durch seine Tätigkeit als Direktorstellvertreter, die Bearbeitung der Rechtsangelegenheiten und die Leitung der Versicherungsund Beitragsabteilung überlastet ist.

Das Berufungsgericht sah die Gründe, auf die der Kläger die Nichtigkeit der angefochtenen Bestellung zum Leiter der Versicherungs- und Beitragsabteilung stützt, nicht als gegeben an. Änderungen des privatrechtlichen Dienstverhältnisses des Klägers könnten nur durch Vertragsänderungen oder vertragskonforme Weisungen erfolgen. Die Weisung sei ein einseitiges Rechtsgeschäft, das die Rechtslage gestalte und die Arbeitspflicht des Arbeitnehmers konkretisiere. Dementsprechend knüpfe die DO.A die Einreihung eines Angestellten auch nicht an Dienstposten, sondern an die "dauernde Verwendung" des Angestellten an und kenne die Überlagerung von Tätigkeiten aus verschiedenen Aufgabenbereichen. Vom Grundsatz der festen Dienstposten sei die DO.A nicht beherrscht. Ein Verstoß gegen die DO.A infolge Vereinigung der Leitung einer Abteilung mit der Tätigkeit eines juristischen Sachbearbeiters oder eines Referatsleiters liege daher nicht vor.

Ein Verstoß gegen den provisorischen Dienstpostenplan könne schon nach dem eigenen Vorbringen des Klägers nicht gegeben sein. Der Dienstpostenplan habe überdies nur im Verhältnis zwischen der beklagten Partei und dem Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger Rechtswirkungen, nicht jedoch auch im Rahmen des Dienstverhältnisses eines Dienstnehmers der beklagten Partei. Mit der Zuweisung der Leitung einer weiteren Abteilung habe die beklagte Partei auch kein leistungsbezogenes Entgelt eingeführt. Der Arbeitnehmer schulde in der Regel nicht einen bestimmten Arbeitserfolg; vielmehr sei er verpflichtet, seine geistigen und körperlichen Fähigkeiten aufzuwenden und dem Dienstgeber seine Arbeitskraft zu Verfügung zu stellen. Er schulde der beklagten Partei auch dann, wenn er als Direktorstellvertreter und Rechtsreferent die Leitung einer zusätzlichen Abteilung übernehmen müsse, gewissenhafte und pünktliche Dienstverrichtung unter entsprechender Verteilung seiner Arbeitskraft auf die entsprechenden Bereiche. Damit verstoße die bekämpfte Weisung nicht gegen § 96 ArbVG. Auch eine Verletzung des § 101 ArbVG liege nicht vor. Die Zuteilung einer zusätzlichen Abteilungsleitung an den Kläger verstoße auch nicht gegen den Dienstvertrag. Soweit aus den Umständen bei Abschluß des Arbeitsvertrages nicht eindeutig hervorgehe, daß sich der Arbeitnehmer nur zu den tatsächlich verrichteten Arbeiten verpflichtet habe, sei allein die Verkehrssitte dafür maßgebend, welche anderen Arbeiten er gegebenenfalls zu übernehmen habe. Im Zweifel dürfe der Arbeitgeber davon ausgehen, daß die Verpflichtung alles umfasse, was ein mit den übernommenen Aufgaben Betrauter gewöhnlich leiste oder auch sonst noch zu leisten bereit sei. Das Weisungsrecht des Dienstgebers dürfe hinsichtlich der Verwendung des Dienstnehmers gerade bei unkündbaren Dienstverhältnissen nicht zu eng umgrenzt werden. Die Rechtfertigung dafür liege darin, daß der Arbeitgeber bei unkündbaren Dienstverhältnissen das Rechtsinstrument der Kündigung zur Anpassung des von ihm benötigten Produktionsfaktors Arbeit an die laufenden wechselnden Bedürfnisse zum Vorteil des Arbeitnehmers, der damit eine gewisse Versorgung erhalte, aus der Hand gebe. Die Gegenleistung des Arbeitnehmers könne nur in der erhöhten Anpassung seiner Arbeitsbereitschaft an die wechselnden Erfordernisse des Betriebes liegen. Aus der seinerzeitigen Betrauung des Klägers mit der Leitung des Rechtsreferates ergebe sich nicht, daß er nur zu Arbeiten in diesem Rahmen verpflichtet sei. Nach redlicher Verkehrsübung könnte eine derartige Einschränkung der Arbeitspflicht nur angenommen werden, wenn sie ausdrücklich und unzweifelhaft vereinbart worden wäre. Bei einem auf Dauer angelegten Arbeitsverhältnis sei eine gewisse Anpassung des Arbeitsinhalts an die geänderten Erfordernisse unumgänglich.

Es treffe auch nicht zu, daß die Leitung einer Organisationseinheit für den Kläger als Direktorstellvertreter eine minderwertige Arbeit sei. Der Kläger sei als Rechtsreferent so wie der Leiter eines eigenen Rechtsreferates einzustufen. Dem sei die Leitung einer weiteren Abteilung gleichwertig. Auch der Gleichbehandlungsgrundsatz sei nicht verletzt. Der Kläger sei zwar nach dem Urteil 4 Ob 8/76 vom 2. März 1976 besoldungsrechtlich als Referatsleiter einzustufen, doch bedeute dies keinen Eingriff in die interne Organisation der beklagten Partei. Diese Einstufung habe nicht die Fiktion einer bestehenden Rechtsabteilung bewirkt. Im Ergebnis sei der Kläger nicht schlechter gestellt als die sonstigen Stellvertreter des Leiters einer Landesstelle, die neben ihrer Stellvertretertätigkeit regelmäßig eine Abteilung zu führen hätten. Die Unterscheidung zwischen Rechtsreferaten und Rechtsabteilungen sei infolge der Zahl der anfallenden Aufgaben sachlich gerechtfertigt. Auch aus § 37 Abs 1 F/III Z 1 DO.A ergebe sich, daß dem Leiter einer Organisationseinheit auch mehrere Aufgaben zur verantwortlichen Führung übertragen werden könnten. Diese Bestimmung der DO.A erwähne im Punkt 1.7 Rechtsangelegenheiten und im Punkt 1.13.2 das Melde- und Versicherungswesen oder Beitragswesen für den Bereich einer Landesstelle der Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft.

Eine Verschlechterung der Arbeitsbedingungen des Klägers sei nicht eingetreten, weil feststehe, daß er bisher nicht ausgelastet gewesen und jetzt nicht überlastet sei.

Rechtliche Beurteilung

Die gegen das Urteil des Berufungsgerichtes wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung und Aktenwidrigkeit erhobene Revision des Klägers ist nicht berechtigt.

Der Revisionsgrund der Aktenwidrigkeit liegt nicht vor (§ 510 Abs 3 ZPO).

Der Kläger stützt seine Revision vor allem auf die rechtliche Beurteilung des Obersten Gerichtshofes in der Entscheidung vom 2. März 1976, 4 Ob 8/76, aus der er ableitet, daß er nicht zusätzlich zum Leiter der Versicherungs- und Beitragsabteilung bestellt werden durfte, weil er auf Grund einzeldienstvertraglicher Vereinbarung schon vom Anfang des Dienstverhältnisses an mit der Leitung des (damaligen) Rechtsreferats ausdrücklich betraut und in der Folge stets als Leiter dieses Referats behandelt und bezeichnet wurde. Der damalige Rechtsstreit ging aber nur um die Frage, ob der Kläger nach dem dortigen Standpunkt der beklagten Partei als hochqualifizierter Einzelreferent in die Gehaltsgruppe E/III oder nach seiner Ansicht als "Leiter des Referates Rechtsangelegenheiten", also als Leiter einer Organisationseinheit, in die Gehaltsgruppe F/II einzustufen war, obwohl im keine Angestellten untergeordnet waren. Der Vorentscheidung ist lediglich zu entnehmen, daß dem Kläger kraft einzelvertraglicher Vereinbarung ein Anspruch auf Einstufung gleich einem Leiter eines Referates oder einer gleichwertigen Organisationseinheit zuerkannt wurde. Besoldungsrechtlich ist er damit wie der Leiter einer Organisationseinheit zu behandeln. Zur Rechtsfrage, ob die beklagte Partei berechtigt war, den Kläger zusätzlich zum Leiter der Versicherungs- und Beitragsabteilung zu bestellen, ist der Vorentscheidung nichts zu entnehmen.

Die Ausführungen des Berufungsgerichtes zur arbeitsvertraglichen Seite dieser Rechtsfrage sind zutreffend. Eine ausdrückliche Vereinbarung, daß der Kläger ausschließlich als Leiter des Rechtsreferates (= einer Rechtsabteilung) verwendet werden dürfe, liegt nach den Feststellungen der Vorinstanzen nicht vor. Wenn aber aus den Umständen bei Abschluß des Arbeitsvertrages nicht eindeutig hervorgeht, daß sich ein Arbeitnehmer nur zu den dann tatsächlich verrichteten (oder im Dienstvertrag erwähnten) Arbeiten verpflichtet hat, ist allein die Verkehrssitte dafür maßgebend, welche anderen Arbeiten er allenfalls zu übernehmen hat. Im Zweifel darf der Arbeitgeber davon ausgehen, daß die Verpflichtung alles umfaßt, was ein mit den übernommenen Aufgaben Betrauter gewöhnlich auch sonst noch zu leisten bereit ist. Der Zuweisung neuer Aufgaben kann sich der Arbeitnehmer kaum jemals mit dem bloßen Hinweis entziehen, er habe solche bisher nicht verrichten müssen. Es ist zwischen den für die Auslegung der Vereinbarung über den Rahmen der Arbeitspflicht allein maßgeblichen Umständen bei Abschluß des Vertrages einerseits und den für die Ausfüllung des vereinbarten Rahmens bedeutsamen Umständen im Verlauf des Arbeitsverhältnisses andererseits zu unterscheiden. Hiebei ist nicht am Buchstaben zu haften, sondern auf den Sinn der Vereinbarung zu sehen, der nach redlicher Verkehrsübung in wechselndem Maß auch den Inhalt der Arbeitspflicht von den jeweils gegebenen Umständen abhängig machen kann. So muß etwa ein Abteilungsleiter vielleicht auch eine andere Abteilung übernehmen (Spielbüchler, E-Bespr, RdA 1980, 139 ff [140 f]). Das Weisungsrecht des Dienstgebers betreffend die Verwendung des Dienstnehmers darf gerade bei unkündbaren Dienstverhältnissen (- die zweite Instanz unterstellte die Unkündbarkeit des Klägers, die gemäß § 22 DO.A vorliegen dürfen, was der Revisionswerber nicht rügt -) nicht zu eng umgrenzt werden (Krejci in Rummel, ABGB, Rz 17 zu § 1153 ABGB). Wenn der Arbeitgeber aus wichtigen Gründen zu einer Umorganisation seines Betriebes genötigt ist und es ihm nicht zugemutet werden kann, den bisherigen Zustand unverändert aufrecht zu halten, muß der Arbeitnehmer im Rahmen einer weiteren Auslegung des Dienstvertrages auch andere, gleichwertige Dienste leisten (vgl. Arb. 8.480). Der vorliegende Fall ist dadurch gekennzeichnet, daß die dienst- und besoldungsrechtliche Stellung des Klägers durch die von ihm bekämpfte Bestellung zum Leiter einer Organisationseinheit in ihrem bisherigen Umfang im wesentlichen nicht berührt wurde. Gegen die - offenbar zum Zweck seiner Entlastung vorgenommene Entbindung von einzelnen Aufgaben (Bearbeitung der Regreßangelegenheiten der Krankenversicherung; Erteilung allgemeiner Auskünfte) wendet sich der Kläger nicht. Er blieb weiterhin Direktorstellvertreter und alleiniger rechtskundiger Sachbearbeiter, wobei diese Funktion nach der zitierten Entscheidung des Obersten Gerichtshofes kraft sondervertraglicher Vereinbarung der Leitung einer Organisationseinheit gleichzuhalten ist. Die Veränderung seiner dienstrechtlichen Stellung bestand darin, daß er zusätzlich zum Leiter der Versicherungs- und Beitragsabteilung der Landesstelle Salzburg bestellt wurde. Diese zusätzliche Tätigkeit ist nach der Übung des redlichen Verkehrs als vom Inhalt des Arbeitsvertrages des Klägers umfaßt anzusehen. Sie ist der Tätigkeit des Klägers in Rechtsangelegenheiten gleichwertig, wie sich aus der Aufzählung der in F/III fallenden Aufgabenbereiche, die dem Leiter einer Organisationseinheit zur verantwortlichen Führung übertragen werden können, ergibt. In Punkt 1.7 sind dort "Rechtsangelegenheiten" und im Punkt 1.13.2 das "Melde- und Versicherungs- oder Beitragswesen für den Bereich einer Landesstelle der Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft" genannt. Damit ist es dem Kläger, was den Inhalt der ihm zusätzlich übertragenen Aufgaben betrifft, zumutbar, diese Agenden zu übernehmen, zumal er nicht behauptet, daß er auf Grund seiner Ausbildung als Jurist mit 20 Jahren Praxis in Sozialversicherungsangelegenheiten diese Funktion nicht ausüben könne. Daß dem Kläger mit diesen zusätzlichen Aufgaben keine minderwertige Tätigkeit zugemutet wird, ergibt sich auch daraus, daß die bekämpfte Bestellung gerade jenes Merkmal unstrittig aufweist (Leiter einer Organisationseinheit), das im Vorprozeß bei der Tätigkeit des Klägers als alleiniger rechtskundiger Sachbearbeiter zweifelhaft war und nur kraft einzelvertraglicher Vereinbarung als gegeben angenommen wurde (inzwischen ist der Kläger allerdings als bestellter ständiger Stellvertreter des leitenden Angestellten der Landesstelle Salzburg in G/II eingestuft worden, doch bestreitet er nicht, daß mit dieser höheren Funktion die Leitung einer Organisationseinheit verbunden sein darf.

Bei dieser Sachlage ist für die Frage, ob vom Kläger nach der Übung des redlichen Verkehrs auch die zusätzliche Leitung der Versicherungs- und Beitragsabteilung verlangt werden kann, nur mehr der weitere Umstand entscheidend, ob ihm dies nach dem Umfang seiner sonstigen Aufgaben zumutbar ist. Dazu hat das Beweisverfahren ergeben, daß er bisher nicht ausgelastet war und auch mit der zusätzlichen Leistung dieser Abteilung nicht überlastet ist. Soweit die Revision mehrmals von diesem Sachverhalt abweicht, ist sie nicht gesetzmäßig ausgeführt. Die angefochtene Bestellung zum Leiter einer (weiteren) Organisationseinheit widerspricht somit dem Arbeitsvertrag des Klägers nicht.

Sie verletzt aber auch keine Vorschriften des Arbeitsverfassungsrechts. Es kann keine Rede davon sein, daß in der bekämpften Maßnahme die Einführung eines leistungsbezogenen Entgelts im Sinne des § 96 Abs 1 Z 4 ArbVG liege. Darunter ist ein Entgelt zu verstehen, dessen Höhe sich im Gegensatz zum Zeitlohn nach der tatsächlich erbrachten Arbeitsleistung und nicht nach der vollbrachten Arbeitszeit richtet. Es wird dadurch ein besonderer Maßstab für die Höhe des Verdienstes vereinbart (Floretta-Strasser, KommzArbVG 532). Ein solcher Maßstab wurde hier nicht eingeführt. Die - unverändert gebliebenen - Bezüge des Klägers hängen der Höhe nach nicht von der Erbringung einer bestimmten Arbeitsleistung ab. Eine "Schmälerung" der Bezüge des Klägers ist nicht eingetreten. Nach § 1155 Abs 1 erster Halbsatz ABGB gebührt dem Dienstnehmer auch für Dienstleistungen, die nicht zustandegekommen sind, das Entgelt, wenn er zur Leistung bereit war und durch Umstände, die auf Seite des Dienstgebers liegen, daran verhindert worden ist". Der Dienstnehmer erhält also das Entgelt für die Zurverfügungstellung seiner Arbeitskraft auch dann (ungekürzt), wenn diese aus Gründen, die auf Seite des Dienstgebers liegen, nicht oder nur in einem geringeren Ausmaß in Anspruch genommen wird, als es nach dem Inhalt des Vertrages zulässig wäre. Auf eine solche "Unterbeschäftigung" erwächst aber dem Dienstnehmer kein Anspruch; er kann einer künftigen Inanspruchnahme seiner Arbeitskraft in einem Umfang, die der Vereinbarung entspricht oder gemäß § 1153 ABGB "angemessen" ist, nicht mit der Begründung entgegentreten, daß dadurch seine Entgelt- oder sonstigen Arbeitsbedingungen verschlechtert würden; insbesondere kann er nicht eine Anpassung seiner Bezüge an die günstigere Relation verlangen, die sich zwischen Arbeit und Entgelt während der Zeit der "Unterbeschäftigung" ergeben hatte. Damit ist aber das Argument der Revision, der Kläger müsse jetzt für den selben Gehalt "doppelte Arbeit" leisten, schon vom Ansatz her verfehlt. Ob in der bloßen Zuteilung weiterer Aufgaben (bei gleichbleibender dienst- und besoldungsrechtlicher Stellung) eine "Versetzung" im Sinne des § 101 ArbVG liegt (vgl zu diesem Begriff Floretta-Strasser aaO 590), kann dahingestellt bleiben, weil jedenfalls eine Verschlechterung der Entgelt- und sonstigen Arbeitsbedingungen des Klägers im Sinne der obigen Ausführungen nicht eingetreten ist.

Erlaubt es die Größe des Geschäftsanfalls nach den besonderen Umständen der Landesstelle, daß der Kläger bei Inanspruchnahme seiner Arbeitskraft in "angemessenem Umfang" sowohl die Rechtsangelegenheiten behandelt als auch die Organisationseinheit "Versicherungs- und Beitragswesen" leitet, so kann darin, daß die Stellvertreter der leitenden Angestellten der beklagten Partei in anderen Bundesländern neben der mit dieser Funktion verbundenen Tätigkeit nur eine Abteilung zu führen haben, keine Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes erkannt werden. Es ist dann auch gleichgültig, ob man annimmt, der Kläger habe zwei Organisationseinheiten zu leiten, oder nur eine und daneben die Rechtsangelegenheiten zu behandeln (die nur besoldungsrechtlich der Leitung der Organisationseinheit gleichzusetzen sind). Der Kläger hat auch nicht behauptet, daß bei allen anderen Landesstellen eine gleiche "Unterbeschäftigung" herrsche. Im übrigen schließt die DO.A, wie das Berufungsgericht zutreffend erkannte, nicht aus, daß dem Leiter einer Organisationseinheit mehrere Aufgabenbereiche zur verantwortlichen Führung übertragen werden können.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 41 und 50 ZPO.

Anmerkung

E10457

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1987:0140OB00198.86.0113.000

Dokumentnummer

JJT_19870113_OGH0002_0140OB00198_8600000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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