TE OGH 1987/1/22 8Ob654/86

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Veröffentlicht am 22.01.1987
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Stix als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Kralik, Dr.Vogel, Dr.Kropfitsch und Dr.Zehetner als Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1.) Ing. Manfred K***, Baumeister, 2340 Mödling, Managettagasse 36, und 2.) prot. Firma L*** Bauplanungsgesellschaft mbH, 1140 Wien, Hütteldorfer Straße 145, beide vertreten durch Dr.Felix Merey, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei W*** L*** UND W***

"V***", vertreten durch Dr.Helmut Payrits, Rechtsanwalt in Wien, wegen 134.000 S s.A. infolge Revision der klagenden Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 18. April 1986, GZ 13 R 299/85-14, womit infolge Berufung der klagenden Parteien das Urteil des Landesgerichtes für ZRS Wien vom 20. Juni 1985, GZ 51 Cg 129/84-9, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die Kläger sind zur ungeteilten Hand schuldig, dem Beklagten die mit 7.183,64 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin die Barauslagen von 960 S und die Umsatzsteuer von 565,79 S) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Mit dem Kaufvertrag vom 27. Mai 1982 (Beilage ./B) verkaufte der Beklagte die Liegenschaft EZ 687 KG Willendorf (Gerichtsbezirk Neunkirchen) mit Ausnahme der zu deren Gutsbestand auch gehörenden Grundstücke 189 Garten und 190 Wiese an die Zweitklägerin, wobei im Punkt 1. ein Verkauf "um den einvernehmlich festgelegten Kaufpreis von 1,708.300 S, das entspricht einem Kaufpreis von 100 S/m 2 " vereinbart wurde. Punkt 2. dieses Kaufvertrages lautet: "Das Kaufobjekt wird der kaufenden Partei vom Tage der Vertragserfüllung durch die kaufende Partei in den tatsächlichen Besitz und Genuß übergeben und zwar ohne Haftung für dessen Beschaffenheit, ein bestimmtes Flächenmaß oder eine besondere Eigenschaft und Erträgnis; Gefahr und Zufall sowie die hievon zu entrichtenden Steuern, Lasten und Abgaben hat die kaufende Partei von diesem Tag an zu tragen."

Mit dem Nachtrag zu diesem Kaufvertrag vom 23. Juni 1982 (Beilage ./C) wurde dieser Verkauf hinsichtlich einer ideellen Liegenschaftshälfte einvernehmlich aufgehoben und diese Liegenschaftshälfte mit gleichem Vertragsinhalt an den Erstkläger verkauft.

Die Kläger begehrten nunmehr von dem Beklagten die Bezahlung von 134.000 S s.A. Grundlage für die Ermittlung des Kaufpreises sei ein ihnen von dem Beklagten vorgelegtes Gutachten des Ing. Willibald L*** vom 15. August 1981 gewesen, worin das Ausmaß der verkauften Liegenschaft mit 17.083 m 2 angegeben worden sei. Davon ausgehend sei die Einigung auf den Kaufpreis von 1,708.300 S, also 100 S/m 2 , zustande gekommen. Bei Vermessung und Herstellung eines Teilungsplanes im Rahmen der Verwertung habe sich aber ergeben, daß die verkaufte Liegenschaft nur ein Ausmaß von 15.743 m 2 habe, also um 1,340 m 2 kleiner sei. Der Beklagte hafte für das der Vertragserrichtung zugrundegelegte Ausmaß im Rahmen seiner Gewährleistungspflicht. Die Kläger hätten sich überdies in einem von dem Beklagten veranlaßten Irrtum über das Ausmaß der erworbenen Liegenschaft befunden und deshalb mehr gezahlt, als sie unter Zugrundelegung des richtigen Ausmaßes zu zahlen verpflichtet gewesen wären; der Beklagte sei um 134.000 S bereichert.

Der Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Das genaue Flächenausmaß der verkauften Liegenschaft sei für den Kaufpreis nicht entscheidend oder wesentlich gewesen; der vereinbarte Kaufpreis habe dem objektiven Wert der veräußerten Liegenschaft entsprochen. Kaufgegenstand sei unabhängig vom genauen Flächenausmaß, für das gemäß Punkt 2. des Kaufvertrages keine Haftung übernommen wurde, die den Käufern in der Natur bekannte Liegenschaft gewesen, für die schließlich ein Kaufpreis von ca. 1,700.000 S in Aussicht genommen wurde. Die genaue Festlegung des Kaufpreises sei zwar unter Bezugnahme auf das ursprünglich angenommene Ausmaß der Liegenschaft, aber im Bewußtsein der Vertragspartner erfolgt, daß es sich hiebei nur um ein ungefähres Flächenausmaß handelte; das Ausmaß der Liegenschaft sei also nicht wirklich wertbildend gewesen. Ein Gewährleistungsfall liege nicht vor, weil die Gewährleistung für ein bestimmtes Flächenausmaß ausdrücklich ausgeschlossen wurde. Es sei aber auch kein beachtlicher Geschäftsirrtum gegeben, weil Vertragsinhalt kein bestimmtes Flächenausmaß gewesen sei; es liege höchstens ein unbeachtlicher Motivirrtum vor; die Kläger hätten im übrigen auch nie ein bestimmtes Flächenausmaß als Motiv für ihren Kauf angegeben. Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es traf nachstehende Feststellungen:

Die dem Vertrag vorangehenden Verhandlungen wurden vom Geschäftsführer der Zweitklägerin, Rechtsanwalt Dr. Ernst M***, und dem Sekretär des Beklagten Kurt R*** geführt. Dr. M*** zeigte sich an der Liegenschaft interessiert und bekam von dem Beklagten das Gutachten Ing. L*** (Beilage ./D) zugeschickt, in dem die Fläche des Grundstückes mit 17.083 m 2 angegeben wurde. Dr. M*** erhielt vom Beklagten einen Schlüssel und nahm allein eine Besichtigung des Grundstückes vor. In den Vertragsverhandlungen äußerte Kurt R*** zunächst eine Preisvorstellung von 2,8 Mio. S, was aber dem Vertreter der Käufer zu hoch war. Im übrigen erklärte R***, über den endgültigen Vertragsabschluß müsse der geschäftsführende Obmann Adalbert B*** entscheiden. Dr. M*** führte mit diesem ein kurzes Telefongespräch, worauf er den Kaufvertrag aufsetzte. Adalbert B*** berichtete den Gremien des Beklagten über den ihm von Dr. M*** zugesandten Kaufvertrag und ließ sich die Vollmacht zum Vertragsabschluß erteilen. Der Vertrag samt Nachtrag wurde schließlich von Kurt R*** und Adalbert B*** für den Beklagten und von Dr. M*** als Bevollmächtigten der Klägerin (gemeint Zweitklägerin) unterzeichnet.

Das Erstgericht war der Ansicht, daß auch Punkt 2. des Kaufvertrages Vertragsinhalt sei; der Umstand, daß es sich dabei im wesentlichen um einen Vordruck handelte, könne daran nichts ändern. In dem genannten Vertragspunkt sei ausdrücklich festgehalten worden, daß für ein bestimmtes Flächenmaß der verkauften Liegenschaft nicht gehaftet werde. Die Punkte 1. und 2. des Kaufvertrages seien demnach so zu verstehen, daß ein m 2 -Preis von 100 S lediglich die Berechnungsgrundlage für den hinter den Vorstellungen des Beklagten zurückbleibenden Kaufpreis bilden sollte, ohne daß die Verkäuferseite hiedurch die Garantie für eine bestimmte Größe des Grundstückes übernommen habe. Aus einem Kalkulationsirrtum könne für die Kläger nichts gewonnen werden, weil in dem von ihrem Vertreter aufgesetzten Kaufvertrag ausdrücklich festgehalten wurde, daß für ein bestimmtes Flächenmaß nicht gehaftet werde, sodaß eine später etwa hervorkommende Differenz zwischen dem ursprünglich angenommenen Flächenmaß und den tatsächlichen Naturmaßen nicht zum Anlaß einer Auseinandersetzung werden könne.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Kläger nicht Folge, sondern bestätigte die erstgerichtliche Entscheidung. Es erklärte die Revision für zulässig, weil der Frage erhebliche Bedeutung zukomme, ob ein Gewährleistungsausschluß für eine bestimmte Beschaffenheit auch die Vertragsanpassung gemäß § 872 ABGB wegen eines diese Beschaffenheit betreffenden Irrtums ausschließt. Das Gericht zweiter Instanz wies in seiner rechtlichen Beurteilung darauf hin, daß im vorliegenden Fall nicht etwa eine erst durch Ausmessung und Teilung neu geschaffene Fläche in einem ganz bestimmten Ausmaß, sondern bestimmte, bereits bestehende und in der Natur eine Einheit bildende Grundstücke einer Liegenschaft um einen einvernehmlich festgelegten Kaufpreis von 1,708.300 S verkauft wurden. Der Ausschluß der Haftung für ein bestimmtes Flächenmaß des Kaufobjektes im Punkt 2) des Kaufvertrages sei durchaus sinnvoll gewesen, weil bei schon länger bestehenden Grundstücken die Flächen laut Kataster wiederholt nicht dem tatsächlichen Naturmaß entsprechen. Der Haftungsausschluß sei wirksam vereinbart worden, weil er der Kaufpreisvereinbarung und dem darin enthaltenen Hinweis auf ein Flächenausmaß nachfolgte. Der wirksame Gewährleistungsverzicht schließe eine Anfechtung des Vertrages wegen Irrtums grundsätzlich nicht aus; die Kläger begehrten jedoch keine Vertragsaufhebung wegen Irrtums, sondern die Anpassung des Kaufpreises der Liegenschaft an ihr angeblich geringeres Flächenausmaß. Damit werde eine angemessene Vergütung wegen Irrtums gemäß § 872 ABGB geltend gemacht. Einer solchen Vertragskorrektur stehe aber der vereinbarte Haftungsausschluß für das Flächenausmaß entgegen, weil sonst eine Preisminderung wegen Differenzen des Flächenausmaßes herbeigeführt würde, die durch den Verzicht auf eine solche Haftung gerade ausgeschlossen werden sollte und wurde. Der Beklagte wäre so zu einem anderen Vertragsinhalt, nämlich zu einem geringeren Kaufpreis, verhalten, um den er den Verkauf jedoch nicht abgeschlossen hätte. Bereicherungsgrundsätze kämen nicht zum Tragen, weil das Klagebegehren nicht auf Rückforderung einer grundlosen Leistung, sondern eines Kaufpreisteiles gerichtet ist. Gegen die Entscheidung des Gerichtes zweiter Instanz richtet sich die Revision der Kläger aus dem Anfechtungsgrund des § 503 Abs 1 Z 4 ZPO mit dem Antrag, das angefochtene Urteil dahin abzuändern, daß dem Klagebegehren stattgegeben werde; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Der Beklagte beantragt in der Revisionsbeantwortung, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht berechtigt.

Die Kläger stützen sich in ihrer Revision auf den Standpunkt, daß sie auf Gewährleistung nicht verzichtet hätten. Im übrigen schlöße selbst die Annahme eines solchen Verzichtes ihren Anspruch auf Vertragsanpassung durch angemessene Vergütung gemäß § 872 ABGB nicht aus. Dabei komme es im Ergebnis nicht darauf an, ob der Irrtum ein unwesentlicher oder wesentlicher war. Dazu war zu erwägen:

Wie das Berufungsgericht richtig erkannte, sind der Kaufvertrag der Parteien vom 27. Mai 1982 und dessen Nachtrag vom 23. Juni 1982 in ihrer Gesamtheit zu beurteilen; für beide Vertragstexte ist Punkt 2. des Kaufvertrages vom 27. Mai 1982 maßgebend, wonach der verkaufende Beklagte das Kaufobjekt ohne Haftung für ein bestimmtes Flächenmaß übergibt. Eine solche Vereinbarung ist als Verzicht auf Gewährleistung grundsätzlich zulässig; sie ist allerdings als Aufgabe von Rechten im Zweifel restriktiv (Reischauer in Rummel Rd 1 zu § 929 ABGB), jedenfalls aber nach der Übung des redlichen Verkehrs auszulegen (SZ 52/57; JBl 1983, 255 ua). Danach ergibt sich in Verbindung mit Punkt 1. des Kaufvertrages vom 27. Mai 1982, daß dessen Wortlaut, wonach der einvernehmlich festgelegte Kaufpreis von 1,708.300 S einem Kaufpreis von 100 S pro Quadratmeter entspricht, nicht als Fixierung der Kaufpreissumme nach der tatsächlichen Quadratmeteranzahl der Liegenschaft angesehen werden kann; denn der Vertreter der Zweitklägerin Dr. M*** war selbst auf der Liegenschaft und nahm die Besichtigung der Grundstücke in der Natur und demgemäß deren Beurteilung und Einschätzung nach deren natürlichen Grenzen und an Ort und Stelle erkennbaren Ausmaßen vor. Der dargestellte Text des Punktes 1. des Kaufvertrages vom 27. Mai 1982 gibt vielmehr nur die Vorstellung der Parteien wieder, in welcher Höhe sich der für die konkreten, in der Natur eine Einheit bildenden Grundstücke vereinbarte Preis von 1,708.300 S auf deren angenommene Quadratmeteranzahl errechnet. Daß die Quadratmeteranzahl der Liegenschaft genau 17.083 betragen müsse, wurde damit nicht zum Ausdruck gebracht, sondern vielmehr durch Punkt 2. des Kaufvertrages ausdrücklich klargestellt, daß für ein bestimmtes Flächenmaß der Liegenschaft nicht gehaftet und damit die Gewährleistung hiefür ausgeschlossen werde. Demnach scheiden auch Erwägungen dahin, daß die Gewährleistung nicht ausgeschlossen hätte werden können, weil eine bestimmte Eigenschaft der Sache, nämlich eine bestimmte Quadratmeteranzahl der Liegenschaft, zugesagt worden sei, aus. Im übrigen stammte der Vertragsentwurf des Kaufvertrages - worauf das Berufungsgericht zutreffend verweist - vom Vertreter der Käuferseite, sodaß nach der Übung des redlichen Verkehrs nicht angenommen werden kann, daß in dem von diesem aufgesetzten Punkt 2. des Vertrages ein Haftungsausschluß statuiert worden wäre, der nach Punkt 1. gar nicht möglich sein sollte.

Wie das Berufungsgericht richtig erkannte, können grundsätzlich die Regeln über Gewährleistung einerseits und über Irreführung bzw. Irrtum andererseits nebeneinander bestehen (Gschnitzer in Klang 2 IV/1, 516; Bydlinski, ebendort IV/2, 155 und die bei Anm. 181 zitierte Literatur und Judikatur, seither SZ 41/33; SZ 49/56 ua). Die Irrtumsregeln haben den Zweck, jenen Zustand herbeizuführen, der bei irrtumsfreiem Handeln bestünde. Im vorliegenden Fall kann davon ausgegangen werden, daß die Kläger ihren Irrtum - subjektiv - als einen unwesentlichen ansehen, begehren sie doch nicht die Aufhebung des Vertrages, sondern dessen Anpassung gemäß § 872 ABGB. An diesem Standpunkt halten sie auch in der Revision im wesentlichen fest. Sie können aber die Unwesentlichkeit ihrer Fehlvorstellung über die Quadratmeteranzahl der von ihnen gekauften Liegenschaft und damit die Vertragskorrektur nicht einseitig, sondern nur dann durchsetzen, wenn auch der Gegner im Zeitpunkt des Kontrahierens hypothetisch den Willen gehabt hätte, gegebenenfalls auch zu den Bedingungen, die der andere Teil nunmehr durchzusetzen bestrebt ist, abzuschließen (vgl. Iro, Versuch eines harmonischen Verständnisses der Bestimmungen über Willensmängel bei Verkehrsgeschäften, JBl 1974, 225, 231; SZ 48/112; SZ 50/35 ua). Davon kann aber im vorliegenden Fall nicht die Rede sein. Der Beklagte stand vielmehr immer auf dem Standpunkt, daß die Liegenschaft so verkauft und gekauft wurde, wie sie vom Vertreter der Kläger in der Natur besichtigt und als Kaufgegenstand akzeptiert wurde; der Kaufpreis habe dem objektiven Wert der veräußerten Liegenschaft entsprochen. Demgemäß kommt die von den Klägern angestrebte Vertragskorrektur nach § 872 ABGB durch Minderung des Kaufpreises der Liegenschaft im Sinne einer nachträglichen Bewertung nach dem hypothetisch angenommenen Quadratmeterpreis nach Irrtumsregeln nicht in Betracht. Dies ist aber nicht eine Folge des vereinbarten Haftungsausschlusses, sondern läßt bloß diesen im Lichte der Vertragsauslegung nach der Übung des redlichen Verkehrs dahin verstehen, daß die Quadratmeteranzahl der verkauften Liegenschaft für die Preisvorstellung des Beklagten nicht maßgeblich war und diesem daher auch nicht die Vertragsanpassung im Sinne des § 872 ABGB entgegen seiner Preisfestlegung aufgedrängt werden kann.

Der Revision der Kläger war somit der Erfolg zu versagen. Der Kostenausspruch beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.

Anmerkung

E10417

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1987:0080OB00654.86.0122.000

Dokumentnummer

JJT_19870122_OGH0002_0080OB00654_8600000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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