TE Vwgh Erkenntnis 2005/8/30 2003/01/0416

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Veröffentlicht am 30.08.2005
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
41/02 Staatsbürgerschaft;

Norm

AVG §69 Abs1 Z1;
AVG §69 Abs3;
StbG 1985 §20;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Gruber und die Hofräte Dr. Blaschek, Dr. Nowakowski, Dr. Pelant und Mag. Nedwed als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Matt, über die Beschwerde des N P in S, vertreten durch Dr. Peter Lechenauer und Dr. Margrit Swozil, Rechtsanwälte in 5020 Salzburg, Hubert-Sattler-Gasse 10, gegen den Bescheid der Salzburger Landesregierung vom 26. Juni 2003, Zl. 0/912-15798/16-2003, betreffend amtswegige Wiederaufnahme des Verfahrens über die Verleihung der Staatsbürgerschaft, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Land Salzburg Aufwendungen in der Höhe von EUR 332,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der 1972 in K M im damaligen Jugoslawien geborene Beschwerdeführer beantragte am 6. Dezember 2002 die Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft.

Mit Bescheid der Salzburger Landesregierung vom 11. Februar 2003 wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 20 iVm § 10 Abs. 1 Staatsbürgerschaftsgesetz 1985 (StbG) die Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft für den Fall zugesichert, dass "binnen zwei Jahren die vorgeschriebene Entlassung aus dem jugoslawischen Staatsverband nachgewiesen wird".

Der Beschwerdeführer legte danach (am 5. bzw. 8. Mai 2003) einen Bescheid, der seinem Wortlaut zufolge am 25. März 2003 vom Bundesministerium für Innere Angelegenheiten in Belgrad zu "155/03, Zahl 606-1-3535/03" ausgestellt worden sei, zum Nachweis vor, dass er "aus der jugoslawischen Staatsbürgerschaft und der Staatsbürgerschaft der Republik Serbien entlassen wird".

Mit Bescheid der Salzburger Landesregierung vom 18. Juni 2003 wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 10 Abs. 1 StbG die österreichische Staatsbürgerschaft mit Wirkung vom 18. Juni 2003 verliehen.

Mit dem vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid vom 26. Juni 2003 hat die Salzburger Landesregierung wie folgt entschieden:

"Das Verfahren über die Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft an N P, geb. 1972 in K M, Serbien und Montenegro, wird gemäß § 69 Abs. 1 Z. 1 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (AVG) iVm Abs. 3 leg. cit. von der Salzburger Landesregierung wieder aufgenommen.

Der Bescheid der Salzburger Landesregierung vom 18.6.2003, Zl. 0/912-15798/12-2003, über die Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft an Naim Peci tritt damit gemäß den §§ 69 und 70 AVG außer Kraft."

Die gemäß § 69 Abs. 1 Z 1 AVG verfügte Wiederaufnahme des Verfahrens begründete die belangte Behörde - bezogen auf die vom Beschwerdeführer vorgelegte Entlassungsbestätigung - damit, das Generalkonsulat von Serbien und Montenegro sei am 18. Juni 2003 ersucht worden, die Entlassungsbestätigung auf ihre Echtheit und Richtigkeit hin zu überprüfen. Das genannte Generalkonsulat habe (am 25. Juni 2003) mitgeteilt, dass nach der Verständigung des (angefragten) Ministeriums für Innere Angelegenheiten in Belgrad der bei der belangten Behörde vorgelegte Bescheid eine Fälschung sei. Die im vorgelegten Bescheid angeführte Bearbeitungsnummer existiere im Verzeichnis der Entlassungsbescheide für das Jahr 2003 nicht.

Seiner Ladung zum Parteiengehör für den 26. Juni 2003 habe der Beschwerdeführer unentschuldigt keine Folge geleistet. Er habe somit eine gefälschte Entlassungsbestätigung vorgelegt; es entspreche nicht den Tatsachen, dass er aus der serbischmontenegrinischen (bzw. jugoslawischen) Staatsbürgerschaft entlassen sei. Einem Fremden, der eine fremde Staatsbürgerschaft besitze, dürfe die Staatsbürgerschaft gemäß § 10 Abs. 3 StbG nicht verliehen werden, wenn er die für sein Ausscheiden aus seinem bisherigen Staatsverband erforderlichen Handlungen unterlasse, obwohl ihm diese möglich und zumutbar seien. Die vorgelegte gefälschte Entlassungsbestätigung erfülle den Tatbestand der Erschleichung durch Fälschung einer Urkunde. Wäre der belangten Behörde bekannt gewesen, dass die vorgelegte Entlassungsbestätigung eine Fälschung sei und der Beschwerdeführer (in Wahrheit) nicht aus dem serbisch-montenegrinischen Staatsverband ausgeschieden sei, so wäre die Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft nicht erfolgt. Der Beschwerdeführer habe die Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft durch die Vorlage einer gefälschten Urkunde gemäß § 69 Abs. 1 AVG erschlichen. Der Bescheid über die Verleihung der Staatsbürgerschaft vom 18. Juni 2003 sei daher aufzuheben. Damit trete das Verleihungsverfahren in das Stadium vor Erlassung des Verleihungsbescheides zurück.

Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde, zu der die belangte Behörde eine Gegenschrift erstattete, hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:

§ 69 Abs. 1 Z 1 und Abs. 3 AVG lauten:

"Wiederaufnahme des Verfahrens

§ 69. (1) Dem Antrag einer Partei auf Wiederaufnahme eines durch Bescheid abgeschlossenen Verfahrens ist stattzugeben, wenn ein Rechtsmittel gegen den Bescheid nicht oder nicht mehr zulässig ist und:

1. der Bescheid durch Fälschung einer Urkunde, falsches Zeugnis oder eine andere gerichtlich strafbare Handlung herbeigeführt oder sonst wie erschlichen worden ist oder

2. ...

...

(3) Unter den Voraussetzungen des Abs. 1 kann die Wiederaufnahme des Verfahrens auch von Amts wegen verfügt werden. Nach Ablauf von drei Jahren nach Erlassung des Bescheides kann die Wiederaufnahme auch von Amts wegen nur mehr aus den Gründen des Abs. 1 Z 1 stattfinden."

Der Beschwerdeführer hält - bezogen auf die von ihm vorgelegte Entlassungsbestätigung - dem angefochtenen Bescheid entgegen, die belangte Behörde habe "unzureichende Ermittlungen" hinsichtlich des Vorwurfes der Fälschung der Entlassungsbestätigung durchgeführt. Bei entsprechenden Ermittlungen hätte sie festgestellt, "dass der Beschwerdeführer eine dritte Person in Serbien-Montenegro mit der Beschaffung der o. a. Entlassungsbestätigung beauftragt hatte und wäre die Behörde dann nicht zu dem Ergebnis gelangt, der Beschwerdeführer hätte in Irreführungsabsicht gehandelt". Die vorgelegte Entlassungsbestätigung sei "jedenfalls nicht von ihm" gefälscht worden; er habe davon keine Kenntnis gehabt.

Auch ausgehend von diesem Vorbringen des Beschwerdeführers wird keine zur Aufhebung des angefochtenen Bescheides führende Rechtswidrigkeit dargetan.

Der Beschwerdeführer bestreitet nicht, dass die von ihm vorgelegte Entlassungsbestätigung zum Nachweis für sein Ausscheiden aus seinem bisherigen Staatsverband gefälscht ist (also darüber eine gefälschte Urkunde vorgelegt wurde). Der Bescheid der Salzburger Landesregierung vom 18. Juni 2003, mit dem die österreichische Staatsbürgerschaft verliehen wurde, ist demnach durch Fälschung einer Urkunde - eine strafbare Handlung im Sinne der §§ 223, 224 StGB - herbeigeführt worden. Die Wiederaufnahme des Verfahrens nach § 69 Abs. 1 Z 1 AVG setzt nicht voraus, dass die Person, zu deren Gunsten sich die gefälschte Urkunde ausgewirkt hat, diese Fälschung veranlasst oder hievon Kenntnis gehabt hat (vgl. Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze, Band I2 (1998), Seite 1488, E 104). Mit seinem Vorbringen, nicht er sondern eine andere Person habe die vorgelegte Entlassungsbestätigung gefälscht, zeigt der Beschwerdeführer daher keinen für den herangezogenen Wiederaufnahmegrund wesentlichen Gesichtspunkt auf. Auch mit seinem Vorbringen, er habe von der Fälschung keine Kenntnis gehabt und nicht in "Irreführungsabsicht" gehandelt, verkennt der Beschwerdeführer, dass der erste Tatbestand der Wiederaufnahme nach § 69 Abs. 1 Z 1 AVG auch erfüllt ist, wenn der Bescheid durch Fälschung einer Urkunde oder eine gerichtlich strafbare Handlung "herbeigeführt wurde". Darauf, ob der Beschwerdeführer in "Irreführungsabsicht" gehandelt hat und der Bescheid "erschlichen" wurde, kommt es daher nicht an.

Dem Beschwerdeführer ist überdies zu erwidern, dass er nicht behauptet, er habe bei der zuständigen Stelle in Jugoslawien jemals sein Ausscheiden aus seinem bisherigen Staatsverband beantragt. Wie er ohne eine Antragstellung die Entlassungsbestätigung auf rechtmäßigem Weg hätte erlangen können, vermag er nicht zu erklären. Die behauptete Beauftragung einer dritten Person mit der "Beschaffung der Entlassungsbestätigung" zeigt jedenfalls nicht auf, dass er einen Antrag gestellt habe, bzw. dass unter dem behaupteten "Beschaffungsvorgang" eine rechtmäßige Vorgangsweise zur Erlangung des Entlassungsbescheides zu verstehen ist. Dass er die Behörde über die Umstände der Erlangung ("Beschaffung") seiner Entlassungsbestätigung wahrheitsgemäß informiert habe oder hätte informieren wollen, behauptet der Beschwerdeführer auch selbst nicht.

Basierte der Bescheid über die Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft somit auf der durch die gefälschte Urkunde herbeigeführten objektiv unrichtigen Entscheidungsgrundlage, der Beschwerdeführer sei aus seinem bisherigen Staatsverband ausgeschieden, dann wurde dieser Verleihungsbescheid im Sinne des § 69 Abs. 1 Z 1 AVG aber durch eine gerichtlich strafbare Handlung herbeigeführt.

Darauf, ob zusätzlich die Angaben des Beschwerdeführers über seine Unbescholtenheit als Wiederaufnahmegrund herangezogen werden durften, braucht nicht weiter eingegangen zu werden.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz im Ausmaß des Begehrens beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003.

Wien, am 30. August 2005

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2005:2003010416.X00

Im RIS seit

23.09.2005
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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