TE OGH 1987/1/27 11Os164/86

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 27.01.1987
beobachten
merken

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 27.Jänner 1987 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Piska als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kießwetter, Dr. Walenta, Dr. Schneider und Dr. Felzmann als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Kiss als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Franz H*** wegen des Verbrechens der Körperverletzung mit schweren Dauerfolgen nach den §§ 83 Abs 1, 84 Abs 1 und 2 Z 4, 85 Z 2 StGB und einer anderen strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung des Angeklagten sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Kreisgerichtes Krems als Schöffengericht vom 17. September 1986, GZ 10 b Vr 449/86-35, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Generalanwaltes Dr. Presslauer als Vertreter der Generalprokuratur und des Verteidigers Dr. Strizik, jedoch in Abwesenheit des Angeklagten zu Recht erkannt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung der Staatsanwaltschaft wird dahin Folge gegeben, daß die verhängte Strafe auf 2 (zwei) Jahre erhöht wird. Der Berufung des Angeklagten wird, soweit sie sich gegen die Maßnahme nach dem § 22 StGB richtet, nicht Folge gegeben; im übrigen wird der Angeklagte mit seiner Berufung auf diese Entscheidung verwiesen.

Gemäß dem § 390 a StPO fallen dem Angeklagten die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 19.Juli 1957 geborene, zuletzt beschäftigungslose Franz H*** des Verbrechens der schweren Körperverletzung (richtig: der Körperverletzung mit schweren Dauerfolgen) nach den §§ 83 Abs 1, 84 Abs 1 und Abs 2 Z 4, 85 Z 2 StGB (Punkt 1./ des Urteilssatzes) und des Vergehens des Widerstandes gegen die Staatsgewalt nach dem § 269 Abs 1 StGB (Punkt 2./ des Urteilssatzes) schuldig erkannt. Ihm liegt zur Last, am 14.Mai 1986 in Krems an der Donau vorsätzlich

1./ dem Gendarmen Friedrich R*** dadurch, daß er ihn wegen der Vollziehung seiner Aufgaben mit brennendem Benzin überschüttete, wodurch der Beamte zweitgradige Verbrennungen an der linken Ohrmuschel, linken Schulter und am linken Handrücken, sohin an sich schwere Verletzungen, verbunden mit einer 24 Tage übersteigenden Gesundheitsschädigung und Berufsunfähigkeit erlitt und wobei die Tat eine auffallende Verunstaltung des Verletzten zur Folge hatte, eine schwere Körperverletzung zugefügt und

2./ durch die zu 1. bezeichnete Handlung einen Beamten mit Gewalt an einer Amtshandlung, nämlich am Einschreiten gegen ihn, gehindert zu haben.

Der Angeklagte ficht dieses Urteil mit einer ausdrücklich auf die Z 5, 9 lit a und 10 des § 281 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde an, in welcher unbeschadet der Erklärung, die Verurteilung wegen Widerstandes gegen die Staatsgewalt unangefochten zu lassen, der Sache nach der gesamte (eine Tateinheit erfassende) Schuldspruch bekämpft wird.

Rechtliche Beurteilung

Zum erstgenannten Nichtigkeitsgrund reklamiert der Beschwerdeführer zunächst die unvollständige oder unzureichende Begründung der erstgerichtlichen Annahme, daß seine Alkoholisierung bei der Tatverübung den Grad der vollen Berauschung nicht erreicht habe. Die vom Beschwerdeführer aufgestellte Behauptung, das vom Erstgericht herangezogene Gutachten des Sachverständigen Univ.Prof. Dr. Gerhard K*** sei "nicht eindeutig" gewesen und habe jedenfalls eine der vollen Berauschung nahezu gleichkommende Alkoholisierung nicht ausschließen können, läßt aber den wesentlichen Kern dieses Beweisergebnisses unberücksichtigt. Der Sachverständige hob nämlich hervor, daß mangels einer Blutalkoholbestimmung und mangels verläßlicher Angaben über die Trinkmenge zwar keine exakte Grundlage für die rechnerische Ermittlung des Blutalkoholspiegels als Indikator des Trunkenheitsgrades vorlag, daß jedoch medizinische Schlußfolgerungen aus dem Verhalten des Angeklagten bei und nach der Tat gezogen werden könnten. Der Gutachter betonte in diesem Zusammenhang die Notwendigkeit, Zeugenaussagen über dieses Verhalten zu würdigen, und zeigte dazu auf, daß mit bestimmten von Zeugen angegebenen Verhaltensweisen des Angeklagten die Annahme einer vollen Berauschung unvereinbar wäre (S 239). Demgemäß kommt in dieser gutächtlichen Äußerung der vom Beschwerdeführer unterstellte medizinische Zweifel nicht zum Ausdruck, sondern bloß ein korrekter Hinweis auf das außerhalb der Sachverständigenkompetenz liegende Erfordernis, die Beweiskraft jener Zeugenaussagen zu beurteilen, welche sich für sachkundige Folgerungen eigneten. Soweit die Beschwerdeausführungen darauf hinauslaufen, daß ein Gutachten eines Sachverständigen für Medizin über das Vorliegen oder Fehlen einer vollen Berauschung nur dann verläßlich sei, wenn es auf einer Blutalkoholbestimmung beruhe, wird bloß eine unzulässige und daher unbeachtliche Kritik an der Bewertung des Beweismittels durch die Tatsacheninstanz vorgetragen.

Die unter dem inhaltlichen Gesichtspunkt einer weiteren Unvollständigkeit der erstgerichtlichen Entscheidungsgründe als erörterungsbedürftig bezeichneten Angaben (vor der Gendarmerie), laut welchen der Angeklagte anläßlich einer Begegnung nach der Tat wegen seiner Alkoholisierung beim Gehen getorkelt und beim Stehen gewankt haben soll, stammen nicht - wie in der Beschwerde behauptet wird - vom Zeugen Robert H***, der auch keine ähnliche Aussage deponierte (S 115, 117; ON 23), sondern vom Zeugen Thomas W*** (S 89 f; siehe auch S 145 ff, 234 ff). Bei diesem Einwand wird verkannt, daß das Erstgericht - welches ohnehin von einer erheblichen Alkoholisierung des Angeklagten bei Begehung der Tat ausging (S 253) - nicht verpflichtet war, sich mit jedem Verfahrenshinweis auf eine mögliche Berauschung des Täters schlechthin besonders auseinanderzusetzen, sondern nur mit solchen Umständen, welche eine allfällige Volltrunkenheit nahelegen und damit die Zurechnungsfähigkeit des Täters in Zweifel setzen konnten. Ein derartiger Gehalt war jedoch den in Rede stehenden Angaben des Thomas W***, dessen weitere Schilderung des Vorfalls als Nachweis für das Erinnerungsvermögen und ein situationsangepaßtes Verhalten des Angeklagten gewertet wurde (S 258), nicht zu entnehmen, weil der Zeuge die Frage nach dem Trunkenheitsgrad mit einem Hinweis auf die Schwierigkeit dieser Beurteilung beantwortete und sich im übrigen auf die Mitteilung seiner Wahrnehmungen beschränkte, wonach der Angeklagte damals zwar deutliche Alkoholisierungszeichen aufwies, aber rasch laufen konnte und örtlich gut orientiert war. Das Schöffengericht mußte daher auf diese mit der Negierung eines Vollrausches und demgemäß mit der Annahme damaliger Zurechnungsfähigkeit des Angeklagten im Einklang stehenden Angaben des Zeugen Thomas W*** nicht gesondert eingehen.

Ebensowenig berechtigt ist der Beschwerdevorwurf einer unzureichenden Begründung der Feststellung, daß es sich bei der Tat um eine gezielte, vom Verletzungsvorsatz getragene Attacke des Angeklagten auf den Gendarmeriebeamten Friedrich R*** und nicht bloß um ein reflexartiges Wegschleudern eines ungewollt in Brand gesetzten Kanisters gehandelt habe. Erstere Annahme wurde vom Erstgericht unter Verwertung der Angaben der Zeugen Gerfried S***, Friedrich R***, Inge U***, Ulrike F***, Thomas W***, Thomas S*** und Robert H*** logisch und empirisch einwandfrei begründet. Dabei durften auch die vom Beschwerdeführer für unpräzis erachteten Aussagen der Zeugen W*** und S***, welche nicht die eigentliche Angriffshandlung (Entzünden und Schütten von Benzin), sondern im engen zeitlichen Konnex stattgefundene Manipulationen des Angeklagten betrafen - nämlich eine Vorwärtsbewegung mit dem Benzinkanister (Zeuge W***) und die Handhabung eines Feuerzeuges vor der Brandentstehung (Zeuge S***) -, ohne Verstoß gegen die Denkgesetze in die Würdigung einbezogen werden. Der in der Beschwerde mit dem Einwand fehlender Exaktheit von Zeugenaussagen ersichtlich angesprochene Umstand, daß die Zeugen keine unmittelbaren Beobachtungen über das innere Vorhaben des Angeklagten bei der Tat deponierten, vermag die Tragfähigkeit der Beweisergebnisse nicht zu beeinträchtigen, weil es in der Natur der Sache liegt, daß subjektive Elemente in der Regel direkter Wahrnehmung entzogen sind und aus äußeren Umständen abgeleitet werden müssen. Inwieweit die Aussage der Zeugin Ulrike F*** keine "präzisen Angaben" über den Tathergang enthalten soll, ist nicht näher konkretisiert und auch nicht ersichtlich, denn von der Zeugin wurde im Gegenteil unter Betonung der Genauigkeit ihrer Wahrnehmung geschildert, daß der Angeklagte beim Einschreiten des Gendarmeriebeamten mit der rechten Hand ein Feuerzeug zur linken Hand führte, in der er den Kanister hielt, und daß sich daraufhin eine Stichflamme im Nahebereich (des Angeklagten und des Beamten) entzündete (S 234).

Somit hält die Mängelrüge insgesamt einer Überprüfung nicht stand.

In gleicher Weise versagt das abschließende materiellrechtliche Beschwerdevorbringen, mit welchem sachlich ein Feststellungsmangel in bezug auf die fahrlässige Herbeiführung des strafsatzerhöhenden schweren Verletzungserfolges (§ 7 Abs 2 StGB) reklamiert wird, weil die Auswirkungen der Alkoholisierung des Angeklagten auf die subjektive Vorhersehbarkeit der Tatfolgen nicht beachtet worden seien. Denn bei der nach den individuellen Fähigkeiten des Täters vorzunehmenden Beurteilung der subjektiven Zurechenbarkeit einer qualifizierenden Tatfolge hat richtigerweise eine durch Alkoholmißbrauch bedingte Beeinträchtigung im emotionellen Bereich - auf welche sich der Beschwerdeführer berufen will - außer Betracht zu bleiben (SSt. 53/76).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher zu verwerfen.

Das Schöffengericht verhängte über Franz H*** nach dem § 85 StGB unter Anwendung des § 28 Abs 1 StGB eine Freiheitsstrafe in der Dauer von eineinhalb Jahren und ordnete gemäß dem § 22 Abs 1 StGB die Unterbringung des Genannten in einer Anstalt für entwöhnungsbedürftige Rechtsbrecher an.

Bei der Strafbemessung wertete es die einschlägigen Verurteilungen als erschwerend und berücksichtigte demgegenüber die - wenn auch selbstverschuldete - heftige Gemütsbewegung des Angeklagten zur Tatzeit als mildernd.

Während die Staatsanwaltschaft mit ihrer Berufung eine Straferhöhung begehrt, strebt Franz H*** die Herabsetzung der Freiheitsstrafe sowie die Ausschaltung der Maßnahme nach dem § 22 StGB an.

Nur der Berufung der Staatsanwaltschaft kommt Berechtigung zu. Insbesonders wenn man bedenkt, daß der Angeklagte bereits mehrfach wegen Gewalttätigkeitsdelikten, darunter auch gegen Exekutivbeamte, vorbestraft ist und der lediglich seine Pflicht erfüllende Gendarmeriebeamte Friedrich R*** im vorliegenden Fall gegen die folgenschwere Tat keinerlei Vorsicht üben konnte, erscheint im Sinn der zutreffenden Ausführungen der Anklagebehörde eine Erhöhung der Freiheitsstrafe erforderlich, um den Unrechts- und Schuldgehalt der Verfehlungen des Angeklagten voll zu erfassen. Der Angeklagte war mit seiner gegen das Ausmaß der Freiheitsstrafe gerichteten Berufung auf diese Entscheidung zu verweisen.

Eine Überprüfung der Aktenlage ergibt auch, daß das Schöffengericht sämtliche für die Maßnahme nach dem § 22 StGB erforderlichen Kriterien richtig beurteilte. Die vom Angeklagten vertretene Auffassung, daß die Strafdauer ausreiche, um bei ihm eine Entwöhnung herbeizuführen, läßt außer Betracht, daß die Unterbringung in einer Anstalt für entwöhnungsbedürftige Rechtsbrecher stets vor der Freiheitsstrafe zu vollziehen und die Zeit der Anstaltsunterbringung auf die Freiheitsstrafe anzurechnen ist (§ 24 Abs 1 StGB).

Der Berufung des Angeklagten war somit auch in dieser Richtung der Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die bezogene Gesetzesstelle.

Anmerkung

E10243

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1987:0110OS00164.86.0127.000

Dokumentnummer

JJT_19870127_OGH0002_0110OS00164_8600000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten