TE OGH 1987/1/29 7Ob60/86

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Veröffentlicht am 29.01.1987
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Flick als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Wurz, Dr. Hule, Dr. Warta und Dr. Egermann als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Jicchak E***, Juwelier, Wien 1., Goldschmiedgasse 5, vertreten durch Dr. Franz J. Salzer und Dr. Gunter Granner, Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagte Partei W*** A*** Versicherungs-AG, Wien 13., Hietzinger Kai 101-105, vertreten durch Dr. Otto Philp und Dr. Gottfried Zandl, Rechtsanwälte in Wien, wegen S 500.000,-- s.A. infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 26. September 1986, GZ. 3 R 119/86-24, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Handelsgerichtes Wien vom 25. April 1986, GZ. 28 Cg 589/84-19, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 16.834,65 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin S 1.443,15 an USt. und S 960,-- an Barauslagen) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger begehrt die Zahlung von S 500.000,-- s.A. oder - als Eventualbegehren - die Feststellung, daß ihm die beklagte Partei aus der Einbruchsdiebstahlsversicherungs-Polizze Nr. 30.1001680 vom 4.9.1974 für den Schadensfall vom 13.7.1984 hafte. Der Kläger sei seit 1974 bei der beklagten Partei gegen Einbruch versichert. Am 13.7.1984 hätten unbekannte Täter in der Zeit zwischen 13 und 14 Uhr in den Verkaufsraum seines Geschäftslokales eingebrochen und Juwelen und Goldwaren im Wert von S 950.000,-- gestohlen. Die beklagte Partei habe mit Schreiben vom 10.8.1984 den Eintritt in den Schadensfall unter Berufung auf die "Besonderen Bedingungen Nr. 5.000" abgelehnt, weil sich zur Tatzeit keine Person in den versicherten Räumlichkeiten aufgehalten habe. Die Klausel 5.000, deren Inhalt vom Versicherungsantrag abweiche, sei dem Kläger erst nach dem Schadensfall übermittelt worden. Sie sei nicht Vertragsinhalt geworden, weil die beklagte Partei in der Polizze nicht auf die Abweichung vom Versicherungsantrag hingewiesen habe. Die Übersendung von Geschäftsbedingungen allein ersetze nicht den im § 5 Abs.2 VersVG genannten besonderen Hinweis. Der Schlußsatz der Klausel 5.000 widerspreche darüber hinaus der Übung des redlichen Verkehrs, da das versicherte Geschäftslokal nur aus einem sehr kleinen Raum bestehe, so daß ein Einbruch bei Anwesenheit einer Person unmöglich wäre. Der im Verfahren erhobene Einwand der beklagten Partei, der Kläger habe seine Aufklärungspflicht über den Schadensfall verletzt, sei nicht berechtigt. Der Kläger habe die Fragen der beklagten Partei über die Schadenshöhe nur schwer beantworten können, weil er die gestohlene Ware zum Teil schon vor vielen Jahren gekauft habe und die Fakturen erst habe heraussuchen müssen. Die beklagte Partei habe ungeachtet ihres Schreibens vom 10.8.1984 und der am 5.11.1984 erfolgten qualifizierten Ablehnung (§ 12 Abs.3 VersVG) weitere Tätigkeiten zur Feststellung des Wertes der einzelnen Schmuckgegenstände entfaltet.

Die beklagte Partei beantragt die Abweisung der Klage und wendet ein, dem mit dem Kläger abgeschlossenen Vertrag seien die Allgemeinen Einbruchsdiebstahls-Versicherungsbedingungen (AEB) und die Besonderen Bedingungen Nr. 5.000 zugrundegelegt worden. Die Besonderen Bedingungen - auf die schon im Antrag hingewiesen worden sei - seien dem Kläger mit der Polizze übersandt worden. Die Übersendung stelle auch einen Hinweis iS des § 5 Abs.2 VersVG dar. Zum Zeitpunkt des Einbruchs sei keine Person im Geschäftslokal anwesend gewesen. Da ausschließlich nicht in versperrten Behältnissen aufbewahrte Schmuckgegenstände gestohlen worden seien, bestehe kein Versicherungsschutz. Darüber hinaus sei die beklagte Partei wegen vorsätzlicher Verletzung der Aufklärungspflicht von der Verpflichtung zur Leistung frei. Sie habe zum Zweck der Festlegung des Schadens einen Sachverständigen bestellt, der am 10.10.1984 beim Kläger vorgesprochen und um Einsicht in die Aufzeichnungen über die Warenbestände ersucht habe. Der Kläger habe erklärt, derartige Aufzeichnungen seien seine Privatsache, weshalb er sie dem Sachverständigen nicht zur Verfügung stellen wolle. Über weitere Fragen habe der Kläger erklärt, nichts mehr zu antworten und keine Auskunft zu geben.

Das Erstgericht wies das Haupt- und das Eventualbegehren ab und traf folgende Feststellungen:

Der Kläger, der ein Juweliergeschäft betreibt, hatte zunächst einen Versicherungsvertrag mit einer anderen Versicherungsgesellschaft abgeschlossen. Da mit diesem Vertrag nicht auch die in den Auslagen befindliche Ware, sondern nur der im Safe verwahrte Schmuck versichert war, suchte der Kläger nach einer Möglichkeit, dieses Risiko auszuschalten.

Am 11.7.1974 suchte Rudolf B***, der als Vermittler für die beklagte Partei tätig war, den Kläger wegen des Abschlusses einer Einbruchsdiebstahlsversicherung auf. Rudolf B*** beauftragte Erwin H*** mit der Aufnahme eines Versicherungsantrages. Dessen Aufgabe war es, die Versicherungssummen und allfällige Sicherungen der Versicherungsräumlichkeiten festzustellen. Es kann nicht ausgeschlossen werden, daß der Kläger den beiden Versicherungsangestellten mitgeteilt hat, er wolle insbesondere auch die Auslagen während der Mittagszeit versichern, da sich zu dieser Zeit niemand im Geschäft aufhalte, und daß ihm Deckung auch für dieses Risiko zugesagt wurde.

Der Kläger unterfertigte den Versicherungsantrag Beilage 3 am 12.7.1974. In einem handschriftlichen Anhang zum Antrag wird das versicherte Risiko in neun Postzahlen detailliert angeführt. In der Folge erhielt der Kläger die aus zwei Blättern bestehende Polizze Nr. 30/1001680 vom 4.9.1974. Blatt 1 bezeichnet unter anderem den Versicherungsnehmer und das Risiko, aufgelistet von Post 1 bis 7; unmittelbar darunter findet sich der Hinweis "Bes. Bedingungen Nr. (lt.Beilage) 5.000". Blatt 2 setzt mit Post 8 und 9 des Risikos fort. Die anschließenden letzten beiden Zeilen der Urkunde lauten: "Allg. Einbruchsdiebstahlsvers. Bed. (AEB) Fassung 1972 und Sondervereinbarg. f.d. Beraubungsvers.

gen.m.Erl.d.BM.f.Fin. Zl. 382.386-19/72" (Beilage A). Der Polizze angeschlossen waren die Besonderen Bedingungen Nr. 5.000. Diese beinhalten insgesamt 6 Besondere Bedingungen. Die Besondere Bedingung 8.127 lautet:

"Klausel E 27: Anwesenheitspflicht

Die unter Post.....angeführten Waren sind außerhalb von versperrten Behältnissen im Lokal und in den Schaufenstern bis zu einem Betrag von S .... gedeckt, sofern mindestens eine erwachsene Person anwesend ist."

Die Klausel ist handschriftlich ausgefüllt durch Anführung der Polizzennummer, der Postzahlen 3 und 5, sowie der Beträge von S 700.000,-- und S 150.000,--.

Der Kläger legte die Polizze ab.

Es kann nicht festgestellt werden, daß dem Kläger auch die AEB 1972 und die Allgemeinen Bedingungen für die Sachversicherung, Fassung 1971, zugesandt wurden.

Art. 8 der AEB lautet:

(1) Der Versicherungsnehmer hat nach Eintritt des Schadenfalles

.........

c) soweit es von ihm billigerweise verlangt werden kann, dem

Versicherer jede Untersuchung über die Ursache und Höhe des Schadens

und über den Umfang der Entschädigungspflicht zu gestatten, jede

hiezu dienliche Auskunft über Verlangen zu erteilen.... und Belege

beizubringen.

........

(2) Der Versicherungsnehmer hat alle schriftlichen und mündlichen Angaben im Zuge der Schadenerhebung dem Versicherer richtig und vollständig zu machen.

(3) Verletzt der Versicherungsnehmer eine der vorstehenden Obliegenheiten ...., so ist der Versicherer von der Verpflichtung zur Leistung frei, es sei denn, daß die Verletzung weder auf Vorsatz, noch auf grober Fahrlässigkeit beruht ....

Art. 10 der ABS lautet:

Begrenzung der Entschädigung, Unterversicherung

(1) .....

(2) Ist die Versicherungssumme niedriger als der Versicherungswert (Unterversicherung), wird der Schade nur nach dem Verhältnis der Versicherungssumme zum Versicherungswert ersetzt. Ob eine Unterversicherung vorliegt, ist für jede Post der Polizze gesondert festzustellen.

Am 13.7.1984 in der Mittagspause zwischen 13 und 14,45 Uhr drangen unbekannt gebliebene Täter durch Abbrechen des Schloßzylinders der Eingangstüre in das Juweliergeschäft des Klägers ein und stahlen Schmuck aus den Auslagen, dem Verkaufspult und der unversperrten kleineren Stahlkasse.

Es kann nicht festgestellt werden, welche Schmuckgegenstände gestohlen wurden.

Der Kläger zeigte den Schaden an und füllte am 16.7.1984 anläßlich eines Besuches des Schadensreferenten der beklagten Partei, Reinhard D***, eine Schadenmeldung aus. Der Versicherungsangestellte teilte dem Kläger mit, daß eine Schadenaufstellung und Inventuren gebraucht würden. Am 23.7.1984 erhielt die beklagte Partei vom Kläger eine 11 Seiten umfassende handschriftliche Schadenaufstellung mit einer Schadensumme von S 945.264,-- (Beilage F) und die Inventur zum 31.12.1983 (Beilage L). Am 27.7.1984 übersandte der Kläger eine weitere, drei Seiten umfassende Aufstellung betreffend Uhren, die vom Pult gestohlen wurden, mit einer Schadensumme von S 134.798,--. Am 10.8.1984 teilte die beklagte Partei dem Kläger mit, sie könne in den Schadenfall nicht eintreten, da Versicherungsschutz tagsüber hinsichtlich der in den Schaufenstern befindlichen Ware nur dann bestehe, wenn sich mindestens eine erwachsene Person in den Versicherungsräumlichkeiten aufhalte. Mit Schreiben vom 24.8.1984 übermittelte die beklagte Partei die Besonderen Bedingungen Nr. 5.000 dem damaligen Rechtsfreund des Klägers, Dr. B***, über dessen telefonisches Ersuchen. Dr. B*** sandte der beklagten Partei die Inventur zum 13.7.1984 (Beilage M) sowie ein zweites Mal die Inventur zum 31.12.1983.

Zu einem nicht bekannten Zeitpunkt wurde der Wirtschaftsprüfer Dr. Wolfgang H*** von der beklagten Partei mit Ermittlungen über die Schadenshöhe und darüber beauftragt, ob die erstellte Fehlbestandsinventur den Tatsachen entsprechen könne. Dr. H*** rief deshalb den Kläger an und teilte ihm mit, daß er in die Finanzbuchhaltung, die Belege und die Grund- und Hilfsaufzeichnungen Einsicht nehmen wolle.

Am 10.10.1984 besuchten Reinhard D*** und Dr. Wolfgang H*** den Kläger in dessen Geschäft. Dr. H*** fragte zunächst nach der Warenkartei. Der Kläger antwortete, daß eine solche oder sonstige detaillierte Aufstellung nicht vorhanden sei. Die Urschrift der Inventur sei vernichtet worden. Über Vorhalt, daß eine Spezifikation der einzelnen Gegenstände, wie sie in der Schadenaufstellung durchgeführt worden sei, ohne Warenkartei kaum vorstellbar sei, meinte der Kläger, er besitze ein gutes Gedächtnis, und beharrte darauf, daß keine Warenkartei existiere. Das Lehrmädchen gab über Befragen an, daß es am Montag oder Dienstag nach dem Diebstahl die Fehlbestandsinventur nach Diktat des Klägers aus dessen Aufzeichnungen niedergeschrieben habe. Über Vorhalt, daß es doch eine Warenkartei gebe, erklärte der Kläger, es handle sich dabei um private Aufzeichnungen, die auch Eintragungen enthielten, die den Sachverständigen nichts angingen. In weiterer Folge zeigte der Kläger einen Aktenordner vor, der nach seinen Angaben Aufzeichnungen über seine Warenbestände beinhaltete. Eine Einsicht in diese Aufzeichnungen wurde Dr. H*** verweigert. Dr. H*** fragte danach nach der Differenz zwischen dem Warenvorrat laut Inventur vom 31.12.1982 von S 4,178.525,-- und dem aus der Bilanz zum 31.12.1982 ersichtlichen Warenwert von S 3,632.525,--, zumal sich auf der Inventurreinschrift der Vermerk "Lager noch nicht abgewertet" befinde. Dr. H*** rief nun sogleich die Steuerberatungskanzlei des Klägers an, von der ihm Herr K*** mitteilte, es sei eine Aufstellung für diese Abwertung vorhanden, die er dem Sachverständigen zusenden werde. Der Kläger gab gesprächsweise bekannt, daß es sich bei einem großen Teil seines Lagers, also auch des gestohlenen, um sehr alte, zum Teil unverkäufliche Ware handle. Der Kläger war in der Folge auch nicht bereit, die Eingangsrechnungen für die gestohlene Ware zur Verfügung zu stellen. Als der Kläger sodann nach Verkaufsrechnungen gefragt wurde und danach, wie bei der Aufstellung der Fehlinventur zum 13.7.1984 festgestellt werden konnte, welche Ware sich in der Auslage und welche sich im Geschäft befunden habe, lehnte der Kläger jedes weitere Gespräch ab.

Dr. H*** telefonierte in der Folge mit dem Rechtsvertreter des Klägers, Dr. B***. Es wurde für den 17.10.1984 ein neuer Termin zur Bucheinsicht vereinbart. Auch bei diesem zweiten Treffen in Anwesenheit des Dr. B*** erhielt Dr. H*** keine bzw. nur kurze Einsicht in die Warenkartei. Dr. H*** erklärte, daß ihm dies nicht genüge und daß er den Ordner benötige. Er wolle beim Steuerberater des Klägers den Ordner in aller Ruhe mit den Belegen zusammen durchsehen. Der Kläger meinte, das wolle er nicht; es sei ihm nicht bekannt, ob der Steuerberater von dieser Kartei wisse. Dr. H*** gab sich dann vorläufig damit zufrieden, bestimmte teure Stücke in der Fehlbestandsliste anzukreuzen, von denen der Kläger die Belege und die Warenkartei zur stichprobenartigen Überprüfung beim Steuerberater hätte vorlegen sollen.

Mit Schreiben vom 2.11.1984 übersandte Dr. H*** an Dr. Arthur B*** eine Kopie der Fehlbestandsinventur mit etwa 30 angekreuzten Positionen.

Mit Schreiben vom 5.11.1984 lehnte die beklagte Partei unter Bezugnahme auf ihren Brief vom 10.8.1984 und ein Gespräch mit Dr. Arthur B*** vom 30.10.1984 die Deckung ab, weil sich zum Zeitpunkt des Diebstahls keine erwachsene Person in den versicherten Räumlichkeiten aufgehalten habe.

Dr. H*** wurde von der beklagten Partei nicht davon informiert, daß der Versicherungsanspruch abgelehnt worden sei; sein Auftrag wurde nicht zurückgenommen.

Am 12.12.1984 erschien Dr. H*** in der Kanzlei der Prüf-Treuhandgesellschaft mbH & Co OHG. Die ersten drei Stichproben ergaben einen höheren Warenwert, als die Rechnungssumme auf dem Eingangsbeleg ausmachte. Da ein Zusammenhang nicht ersichtlich war, ersuchte Dr. H*** um Aufklärung. Da keine Lösung gefunden werden konnte, ersuchte Dr. H***, die Unterlagen so vorzubereiten, daß der Zusammenhang leicht ersichtlich sei und die Bewertung erläutert werden könne. Belege übernahm Dr. H*** nicht.

Mit Schreiben vom 18.12.1984 übersandte die Prüf-Treuhandgesellschaft mbH & Co. OHG Dr. H*** einen Aktenvermerk über das Gespräch vom 12.12.1984 und gab bekannt, daß der Kläger bei einem am Vortag geführten Gespräch aufgeklärt habe, daß die Bewertung in der Schadensliste so erfolgt sei, daß aus dem Verkaufspreis zunächst die Mehrwertsteuer von 30 % herausgerechnet und die Hälfte des verbleibenden Betrages als Warenwert angesetzt worden sei. Die Unterlagen lägen zur Einsicht bereit, weshalb um Terminvereinbarung ersucht werde.

Auf dieses Schreiben reagierte Dr. H*** infolge des Weihnachtsurlaubes vom 20.12.1984 bis 6.1.1985 nicht. In der Folge erhielt er das Schreiben des Klägers vom 7.1.1985, mit dem dieser eine Fotokopie der Warenaufstellung und der Eingangsrechnungen übersandte (Beilagen III und IV).

Am 24.1.1985 gab der Kläger Dr. H*** auf dessen telefonische Anfrage bekannt, daß die ihm übermittelten Unterlagen nur einen Teil der Warenkartei darstellen. Dr. H*** ersuchte den Kläger in einem Schreiben vom gleichen Tag um Übersendung der vollständigen Warenkartei samt den Einkaufsbelegen, den Inventuren und den Losungserfassungen. Der Kläger antwortete auf dieses Schreiben nicht mehr.

Auf der Warenaufstellung Beilage G steht - außer auf deren Seite 1, die zwei Symbole nebeneinander anführt - jeweils nur ein Symbol pro Ware.

Die Schadenaufstellung Beilage F ist in einer Reihe von Details ausführlicher als die Warenaufstellung Beilage G.

In seiner rechtlichen Beurteilung führte das Erstgericht aus, dem zwischen den Parteien abgeschlossenen Einbruchsdiebstahl-Versicherungsvertrag lägen die AEB, Fassung 1972, zugrunde. Die Besonderen Bedingungen Nr. 5.000, die die Beklagte in der Polizze genannt habe, seien nicht Vertragsinhalt geworden, da die Beklagte nicht habe nachweisen können, daß sie vereinbart worden seien. Der Inhalt des Versicherungsscheins weiche daher vom Antrag und den getroffenen Vereinbarungen ab. Eine Genehmigung durch den Kläger sei nicht anzunehmen, weil der Versicherungsschein keinen besonderen Hinweis auf die Abweichung enthalten habe. Die Übersendung von Besonderen Bedingungen stelle diesen Hinweis nicht her. Die Tatsache, daß zum Zeitpunkt des Einbruchs keine erwachsene Person im Geschäftslokal des Klägers anwesend gewesen sei, begründe daher nicht die Leistungsfreiheit der Beklagten. Hingegen sei die vorsätzliche Verletzung der sich aus Artikel 8 AEB ergebenden Aufklärungspflicht erwiesen. Es wäre dem Kläger billigerweise zuzumuten gewesen, der beklagten Partei seine Warenverzeichnisse betreffend alle gestohlenen Waren zur Verfügung zu stellen. Er habe jedoch am 10.10.1984 wahrheitswidrig behauptet, daß bestimmte Unterlagen ("Warenkartei") nicht vorhanden seien und dann, als sich herausgestellt habe, daß sie doch existieren, diese nicht zur Verfügung gestellt. Wenn sich die beklagte Partei zunächst auch mit stichprobenartigen Überprüfungen zufriedengegeben habe, hätte der Kläger doch ihre weitere Forderung, ihr sämtliche Unterlagen, die ihre Leistungspflicht belegen, zur Verfügung zu stellen, erfüllen müssen. Der Kläger habe nicht behauptet, diese Obliegenheit bloß fahrlässig begangen zu haben. Darauf, daß die Beklagte die sich aus Art. 8 AEB iVm § 6 Abs.3 VersVG ergebende Leistungsfreiheit in ihrem Ablehnungsschreiben nicht genannt habe, komme es bei der rechtlichen Beurteilung nicht an. Auch die nach dem Ablehnungsschreiben erfolgten Vergleichsbemühungen im Sinne einer Schadensfeststellung seien nicht relevant. Der Kläger hätte auch nach der Ablehnung seines Anspruches durch die Beklagte die ihn aus dem Vertrag treffende Obliegenheit zu erfüllen gehabt, und zwar insbesondere deshalb, weil er diese Verpflichtung bis dahin nicht erfüllt habe. Das Berufungsgericht bestätigte die Entscheidung des Erstgerichtes und sprach aus, daß der Wert des vom Eventualbegehren umfaßten Streitgegenstandes S 300.000,-- übersteigt. Es übernahm die Feststellungen des Erstgerichtes und teilte dessen rechtliche Beurteilung. Der Hinweis auf die Geltung der AEB sei im Versicherungsantrag enthalten. Die Unterwerfung des Geschäftspartners unter die Allgemeinen Geschäftsbedingungen dürfe jedenfalls dann angenommen werden, wenn der Verwender von AGB deutlich auf seinen Wunsch nach ihrer Geltung hingewiesen und der Kunde die Möglichkeit gehabt habe, vom Inhalt der Geschäftsbedingungen Kenntnis zu nehmen. Tatsächliche volle Kenntnis des Inhalts sei nicht Geltungsvoraussetzung. Diese Voraussetzungen seien hier erfüllt. Auf die Übersendung eines Exemplares der Geschäftsbedingungen komme es bei der Geltungskontrolle nicht an, wenn die Möglichkeit bestanden habe, sich vom Inhalt Kenntnis zu verschaffen. Obliegenheiten seien auch noch nach Ablehnung des Entschädigungsanspruches und auch noch im Prozeß zu erfüllen, wenn der Versicherer zu erkennen gebe, daß er trotz der Ablehnung noch Wert auf die Erfüllung der Obliegenheiten lege und die Erfüllung zumutbar erscheine, bzw., wenn der Versicherer ohne Verstoß gegen Treu und Glauben trotz seiner Ablehnung die Obliegenheitserfüllung ausdrücklich fordere. Der Versicherte, dem gegenüber der Versicherer Leistungsfreiheit in Anspruch nehmen wolle, müsse immerhin damit rechnen, daß er mit seinem Begehren Erfolg habe, so daß für den Versicherer Verpflichtungen entstehen. Er könne nicht einerseits die vertragliche Verpflichtung des Versicherers in Anspruch nehmen und andererseits jegliche eigene Vertragspflicht leugnen. Der Kläger habe von der beklagten Partei die Leistung verlangt. Er hätte daher dem Verlangen nach Aufklärung konkreter Umstände nachkommen müssen. Diese Aufklärung sei dem Kläger zumutbar gewesen, weil er über die begehrten Unterlagen habe verfügen müssen. Es bestehe keine Pflicht des Versicherers, die Ablehnungsgründe im Ablehnungsschreiben anzuführen. Eine gegebene Begründung präjudiziere den Versicherer nicht. Es sei nicht erforderlich und ergebe sich nicht aus dem Wortlaut des § 6 VersVG, daß die beklagte Partei den Kläger auf die Folgen der Obliegenheitsverletzung hinweise, um leistungsfrei zu sein. Daß für den Kläger Zweifel am Inhalt des Verlangens des Dr. Wolfgang H*** nach einer "Warenkartei" hätten bestehen können, sei nicht richtig. Dr. H*** habe sich nach den Feststellungen auch nur vorläufig damit zufriedengegeben, bestimmte (teure) Stücke in der Fehlbestandsliste anzukreuzen, von denen der Kläger Belege und die Warenkartei zur stichprobenartigen Überprüfung beim Steuerberater hätte vorlegen sollen. Nach Einsicht in die vom Kläger vorgelegten Unterlagen aber habe der von der beklagten Partei bestellte Sachverständige die vollständige Warenkartei samt Einkaufsbelegen verlangt. Darauf habe der Kläger nicht mehr reagiert. Ein Vorbringen, warum ihm die Unterlassung der Aufklärung nicht zum Verschulden angerechnet werden könne, habe der Kläger nicht erstattet. Diesen Entlastungsbeweis könne der Kläger auch nicht mit dem Hinweis führen, einzelne Bestimmungen der AEB seien ihm nicht bekannt gewesen. Der Kläger habe daher die in Art. 8 lit.c AEB normierte Pflicht verletzt. Dies sei vorsätzlich geschehen. Durch die Annahme einer bloß grob fahrlässigen Obliegenheitsverletzung wäre für den Kläger nichts gewonnen, weil sein Verhalten auf den Umfang der der beklagten Partei obliegenden Leistung Einfluß gehabt hätte.

Der Kläger bekämpft das Urteil des Berufungsgerichtes mit Revision aus dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung und beantragt, es dahin abzuändern, daß der Klage stattgegeben werde; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt. Die beklagte Partei beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht berechtigt.

Das Berufungsgericht ist entgegen der in der Revision vertretenen Ansicht zu Recht davon ausgegangen, daß es bei der Geltungskontrolle von AGB auf die Übersendung eines Exemplars dieser Bedingungen nicht ankommt. Gewiß gelten AGB regelmäßig nur, wenn ihre Geltung - ausdrücklich oder stillschweigend - vertraglich vereinbart wurde. Es genügt jedoch, wenn der Unternehmer vor Abschluß des Vertrages erklärt, nur zu seinen Allgemeinen Geschäftsbedingungen kontrahieren zu wollen, sich der Geschäftspartner daraufhin mit ihm einläßt und wenigstens die Möglichkeit hat, vom Inhalt dieser Bedingungen Kenntnis zu nehmen (Rummel in Rummel, ABGB, Rdz 2 zu § 864 a, 4 Ob 562/79 ua.). Nach dem Versicherungsantrag Beilage 3, zu dem ein Formular der beklagten Partei verwendet wurde, beantragte der Kläger ausdrücklich die Versicherung bestimmter Sachen "gemäß den Allgemeinen Einbruchsdiebstahlversicherungs-Bedingungen (AEB)". Zu einer entsprechenden Feststellung bestand jedoch für das Erstgericht kein Anlaß. Strittig im Verfahren vor dem Erstgericht war, ob die "Besonderen Bedingungen Nr. 5.000" Inhalt des Versicherungsvertrages geworden sind, nicht auch, ob die Anwendung der AEB zwischen den Parteien vertraglich vereinbart wurde. Es hat sich auch der Kläger selbst im Schriftsatz ON 8 ausdrücklich auf die AEB bezogen, ohne ihre Geltung zwischen den Streitteilen in Frage zu stellen. Nicht zu teilen vermag das Revisionsgericht die Meinung des Klägers, es habe für ihn keine zumutbare Möglichkeit bestanden, vom Inhalt der AEB - die ihm nicht zugemittelt worden seien - Kenntnis zu nehmen. Ganz abgesehen davon, daß nicht feststeht, ob die AEB dem Kläger nicht gemeinsam mit der Polizze übermittelt worden sind, sondern lediglich, daß nicht festgestellt werden kann, ob sie ihm übermittelt wurden, wäre es für den Kläger ein leichtes gewesen, die AEB von der beklagten Partei - etwa telefonisch - anzufordern. Die tatsächliche volle Kenntnis des Inhalts von AGB ist, worauf bereits das Berufungsgericht hingewiesen hat, nicht Geltungsvoraussetzung (JBl. 1979, 32).

Eines besonderen Hinweises im Versicherungsschein auf die Anwendung der AEB iS des § 5 Abs.2 VersVG bedurfte es nicht, weil bereits der Antrag ausdrücklich auf die "Versicherung...gemäß den AEB" gelautet hatte, eine Abweichung vom Antrag daher nicht vorlag. Wie der Kläger in seiner Revision selbst darlegt, vertreten Bruck-Möller, VersVG 8 I Rdz 36 zu § 6, die Ansicht, Obliegenheiten, die nach dem Eintritt des Versicherungsfalles zu erfüllen seien, verletze der Versicherungsnehmer dann nicht schuldhaft, wenn der Versicherer die Entschädigung ablehne, es sei denn, der Versicherer fordere ohne Verstoß gegen Treu und Glauben die Obliegenheitserfüllung trotz der Ablehnung ausdrücklich. Auch Prölss/Martin, VersVG 23 , 74 f, führen aus, Obliegenheiten seien nach Ablehnung des Versicherungsanspruches nicht mehr zu erfüllen (bzw. gebe es dann zumindest keine grob fahrlässige Verletzung mehr), falls nicht der Versicherer zu erkennen gebe, er lege trotz der Ablehnung noch Wert auf die Erfüllung der Obliegenheiten, und die Erfüllung zumutbar erscheint. In diesem Sinn vertritt auch das Revisionsgericht den Standpunkt (SZ 52/196 = VersR 1981, 1143 [vom Berufungsgericht unrichtig zitiert mit VersR 1981, 46]), der versicherte, demgegenüber der Versicherer Leistungsfreiheit in Anspruch nehmen will, der aber seinerseits die Erlangung einer Leistung des Versicherers anstrebt, sei nicht schlechthin von jeglicher Obliegenheit befreit. Immerhin müsse der Versicherte in einem derartigen Fall damit rechnen, daß er mit seinem Begehren Erfolg habe, und daß unter dieser Voraussetzung für den Versicherer Verpflichtungen entstehen. Der Versicherte könne nicht einerseits die vertragliche Verpflichtung des Versicherers in Anspruch nehmen, andererseits aber jegliche eigene Vertragspflicht leugnen. Ergebe sich daher aus den Umständen des Falles, daß der Versicherer nach wie vor ein Interesse an der Einhaltung gewisser Obliegenheiten habe, und könne dem Versicherungsnehmer eine solche Einhaltung ungeachtet der Ablehnung des Versicherungsschutzes auch zugemutet werden, könne man nicht schlechthin eine Befreiung von jeglicher Obliegenheit bejahen.

Die beklagte Partei hat vom Kläger die Erfüllung der in Art. 8 Abs.1 lit.c AEB statuierten Obliegenheit, dem Versicherer - soweit es vom Versicherungsnehmer billigerweise verlangt werden kann - jede Untersuchung über Ursache und Höhe des Schadens und über den Umfang der Entschädigungspflicht zu gestatten, jede hiezu dienliche Auskunft auf Verlangen zu erteilen und Belege beizubringen, auch noch nach Ablehnung des Entschädigungsanspruches gefordert, da der Sachverständige Dr. Wolfgang H*** über ihren Auftrag weiterhin mit Ermittlungen über die Schadenshöhe und darüber, ob die erstellte Fehlbestandsinventur den Tatsachen entsprechen könne, befaßt war. Daß die beklagte Partei damit gegen Treu und Glauben verstoßen habe oder daß ihm die Erfüllung der Auskunftspflicht unzumutbar gewesen wäre, hat der Kläger nicht geltend gemacht. Es kann auch kein Grund für eine derartige Annahme gefunden werden. Der Kläger meint vielmehr, die beklagte Partei hätte ihn auf das Bestehen der Obliegenheit und die mit ihrer Nichteinhaltung verbundenen Rechtsfolgen hinweisen müssen. Eine derartige Verpflichtung des Versicherers kann den Bestimmungen des § 6 VersVG nicht entnommen werden. Das Revisionsgericht vertritt deshalb die Ansicht, daß bei vorsätzlicher Obliegenheitsverletzung die Leistungsfreiheit jedenfalls eintritt (VersR 1979, 560). Auch die deutsche Rechtsprechung vertritt einen anderen Standpunkt nur im Fall einer vorsätzlichen, folgenlosen Verletzung der Auskunftspflicht. Die Leistungsfreiheit wegen möglicher Kausalität (also bei Mißlingen des dem Versicherungsnehmer obliegenden Kausalitätsgegenbeweises) hängt auch nach jener Rechtsprechung nicht von der Erfüllung eines Belehrungsgebotes ab (Prölss/Martin aaO 204 ff, insbes. 205 unten; VersR 1973, 317; VersR 1979, 366).

Sieht der Kläger in diesem Zusammenhang einen Verstoß gegen Treu

und Glauben in dem Umstand, daß die beklagte Partei

Leistungsfreiheit nicht wegen Verletzung der Auskunftspflicht,

sondern wegen Verletzung einer anderen, in den Besonderen

Bedingungen Nr. 5.000 enthaltenen Obliegenheit des Klägers geltend

gemacht habe, muß ihr entgegengehalten werden, daß eine Pflicht des

Versicherers, die Ablehnungsgründe anzuführen, nicht besteht, und

daß eine gegebene Begründung den Versicherer nicht präjudiziert

(Prölss/Martin aaO 123, VersR 1970, 826). Ein Verstoß gegen Treu und

Glauben kann in dem bezeichneten Umstand daher nicht gefunden werden.

Es kann dahingestellt bleiben, ob der Kläger seine

Aufklärungspflicht vorsätzlich verletzt hat. Hat der Versicherer die

objektive Verletzung der Obliegenheit durch den Versicherungsnehmer bewiesen, obliegt es diesem, mangelndes Verschulden oder einen geringeren Verschuldensgrad als grobe Fahrlässigkeit oder Vorsatz, sowie die fehlende Kausalität (§ 6 Abs.3, Satz 2, VersVG) zu beweisen (Prölss/Martin aaO 98 f). Vorsatz erfordert das Wollen der Obliegenheitsverletzung im Bewußtsein des Vorhandenseins der Verhaltensnorm (Prölss/Martin aaO 94, Bruck-Möller aaO 197). Ein Rechtsirrtum über die Existenz oder den Umfang der Obliegenheit schließt den Vorsatz aus. Doch liegt bedingter Vorsatz vor, wenn der Versicherungsnehmer bei seinem Verhalten in Kauf nimmt, daß es sich möglicherweise um eine Obliegenheitsverletzung handelt (Bruck-Möller aaO, SZ 50/60). Daß er das Bestehen der Aufklärungspflicht nicht gekannt habe - die Folgen der Obliegenheitsverletzung muß der Versicherungsnehmer nicht kennen (Prölss/Martin aaO 95) -, hat der Kläger nicht behauptet. Dies wurde auch nicht festgestellt. Selbst wenn man aber nicht einmal davon ausgehen wollte, daß der Kläger mit bedingtem Vorsatz gehandelt habe, also annehmen wollte, der Kläger habe die bestehende Aufklärungspflicht nicht nur gekannt, sondern er habe auch nicht in Kauf genommen, daß eine solche Pflicht möglicherweise bestehe, stellt es doch bereits eine grobe Fahrlässigkeit des Klägers dar, wenn er die AEB in einer im Hinblick auf die Eigenart des versicherten Risikos so naheliegenden Bestimmung nicht zur Kenntnis genommen haben sollte (Bruck-Möller aaO 198, Prölss/Martin aaO 97). Das Vorliegen einer grob fahrlässigen Verletzung der Aufklärungspflicht genügt aber für den Eintritt der Leistungsfreiheit der beklagten Partei, wenn die Verletzung auf den Umfang der der beklagten Partei obliegenden Leistung Einfluß gehabt hätte (§ 6 Abs.3, zweiter Satz, VersVG). Mit Recht haben deshalb die Vorinstanzen das Klagebegehren abgewiesen. Die Revision des Klägers erweist sich damit als unbegründet, so daß ihr ein Erfolg versagt bleiben mußte. Die Kostenentscheidung erfolgte nach den §§ 41, 50 ZPO.

Anmerkung

E10415

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1987:0070OB00060.86.0129.000

Dokumentnummer

JJT_19870129_OGH0002_0070OB00060_8600000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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