TE Vwgh Erkenntnis 2005/8/30 2003/01/0134

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Veröffentlicht am 30.08.2005
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
41/02 Staatsbürgerschaft;

Norm

B-VG Art130 Abs2;
StbG 1985 §10;
StbG 1985 §11;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Gruber und die Hofräte Dr. Blaschek, Dr. Nowakowski, Dr. Pelant und Mag. Nedwed als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Matt, über die Beschwerde des A O in M, vertreten durch Mag. Dr. Helmut Blum, Rechtsanwalt in 4020 Linz, Mozartstraße 11/6, gegen den Bescheid der Oberösterreichischen Landesregierung vom 27. Jänner 2003, Zl. Gem(Stb)-414036/9-2003- Gru, betreffend Verleihung der Staatsbürgerschaft und Erstreckung derselben, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Oberösterreich hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der am 20. Juni 1970 in der Türkei geborene Beschwerdeführer beantragte mit Eingabe vom 26. Juli 2001 die Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft und die Erstreckung der Verleihung auf seine Ehegattin und die minderjährigen Kinder Aleyna, Emir und Mert.

Mit Bescheid vom 27. Jänner 2003 wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers "gemäß §§ 10 und 11 in Verbindung mit §§ 16, 17 und 18 des Staatsbürgerschaftsgesetzes 1985 (StbG)" ab.

Diese Entscheidung begründete die belangte Behörde im Wesentlichen damit, der Beschwerdeführer lebe seit 31. Oktober 1991 in Österreich und verdiene seinen Lebensunterhalt für sich und die Familie als Hilfsarbeiter bei einem näher bezeichneten Maschinenbauunternehmen in Ennsdorf. Er sei am 3. April 1991 vom Bezirksgericht Zürich (in der Schweiz) "wegen wiederholter Zuwiderhandlungen gegen das Betäubungsmittelgesetz und wegen des untauglichen Versuchs der Hehlerei (begangen von 1990 bis 15. März 1993 (gemeint wohl: 1991() zu einer bedingten Freiheitsstrafe von 18 Monaten unter Setzung einer Probezeit von drei Jahren rechtskräftig verurteilt worden".

Nachdem ihm die beabsichtigte Abweisung seines Antrages bekannt gegeben worden sei, habe der Beschwerdeführer (mit näher bezeichneten Eingaben) vorgebracht, dass das Urteil des Bezirksgerichtes Zürich im Jahre 1994 aus dem Strafregister gelöscht worden sei; diese Verurteilung sei auch bereits getilgt. In Österreich führe er einen (langjährigen) einwandfreien Aufenthalt; er sei gewillt und in der Lage, sich in Österreich rechtskonform zu verhalten und die Rechtsvorschriften einzuhalten. Er sei in Österreich "bestens integriert", verheiratet, habe zwei Kinder und seine Gattin sei schwanger. Die finanzielle Situation sei in Ordnung, er gehe einer geregelten Beschäftigung nach. Am 6. Dezember 2002 habe der Beschwerdeführer die Geburtsurkunde seines dritten Kindes vorgelegt.

Der Beschwerdeführer erfülle - so die belangte Behörde im Rahmen ihrer Erwägungen - die Verleihungsvoraussetzungen des § 10 StbG. Die Geburt mehrerer Kinder in Österreich stelle hinsichtlich des Integrationsgrades "eine Faktizität" dar; ein zwingender Hinweis auf eine gelungene Integration in Österreich sei darin nicht zu erkennen. Vor dem Hintergrund des § 11 StbG komme eine Verleihung der Staatsbürgerschaft an den Beschwerdeführer nicht in Betracht. Es sei davon auszugehen, dass "eine Integration des Antragstellers im Wesentlichen gelungen ist". Dessen ungeachtet sei aber sein Antrag abzuweisen. Die Verleihung der Staatsbürgerschaft an "ehemalige Straftäter" widerspreche jedenfalls den öffentlichen Interessen und dem allgemeinen Wohl. Dies müsse auch gelten, wenn die erlittene Verurteilung im Ausland erfolgt sei. Die der Verurteilung zu Grunde liegenden Straftaten seien keine "Kavaliersdelikte", sie seien auch in Österreich strafbar. Der Beschwerdeführer sei zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von 18 Monaten verurteilt worden, also "dem Sechsfachen der in Österreich tolerierten Höchstgrenze". § 11 StbG gehe von einer materiellen Betrachtung des bisherigen Verhaltens des Staatsbürgerschaftswerbers aus; es seien daher hinsichtlich der Persönlichkeitsprüfung auch getilgte Verurteilungen ins Kalkül zu ziehen. Angesichts der "erlittenen Verurteilungen" sei das öffentliche Interesse und das allgemeine Wohl auch darin zu suchen, "unter welchen Umständen des bisherigen Verhaltens die Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft in Frage kommt oder nicht". Es müsse "differenziert werden, ob die Entscheidung der Behörde auch von der allgemeinen Meinung getragen wäre". Eine Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft an den Beschwerdeführer würde keinesfalls "allgemeines Verständnis finden".

Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde, zu der die belangte Behörde eine Gegenschrift erstattete, hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:

Die belangte Behörde ging davon aus, dass der Verleihung der Staatsbürgerschaft an den Beschwerdeführer nach § 10 Abs. 1 StbG kein Verleihungshindernis entgegenstehe, dass sie jedoch das ihr bei Vorliegen aller Verleihungsvoraussetzungen eingeräumte Ermessen im Hinblick auf § 11 StbG angesichts der 1991 in der Schweiz erlittenen, 1994 aus dem Strafregister gelöschten und bereits getilgten Verurteilung nicht zu Gunsten des Beschwerdeführers üben könne.

Bei der Beurteilung nach § 11 StbG kommt es auf den Stand des Integrationsprozesses im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides (das war vorliegend am 5. Februar 2003) an (vgl. das hg. Erkenntnis vom 28. Jänner 2005, Zl. 2002/01/0464, und die darin angegebene Judikatur).

Die belangte Behörde stellt ausdrücklich fest, dass die Integration des Beschwerdeführers in Österreich "gelungen ist". Von daher und angesichts des im angefochtenen Bescheid wiedergegebenen Sachverhaltes betreffend die Integration des Beschwerdeführers in Österreich ist die Ermessensübung der belangten Behörde rechtswidrig. Der im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides (5. Februar 2003) nahezu zwölf Jahre zurückliegenden, im Strafregister seit 1994 gelöschten und bereits getilgten Verurteilung des Beschwerdeführers, die er (vor Begründung seines Hauptwohnsitzes im Bundesgebiet) in der Schweiz erlitten hatte, kann nämlich - zumal die belangte Behörde bezüglich der zugrunde liegenden Tathandlungen keine näheren Feststellungen getroffen hat - im gegebenen Zusammenhang kein maßgebliches Gewicht mehr zukommen. Dass eine Verleihung der Staatsbürgerschaft an ehemalige Straftäter jedenfalls den öffentlichen Interessen und dem allgemeinen Wohl widerstreite, trifft nicht zu.

Nach dem Gesagten hat die belangte Behörde bei ihrer Ermessensübung die Rechtslage verkannt. Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003.

Wien, am 30. August 2005

Schlagworte

Ermessen VwRallg8

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2005:2003010134.X00

Im RIS seit

21.09.2005
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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