TE OGH 1987/2/12 8Ob670/86

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Veröffentlicht am 12.02.1987
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Stix als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kralik, Dr. Vogel, Dr. Kropfitsch und Dr. Zehetner als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. Brigitte K***, Ärtzin, 2331 Vösendorf, Klausengasse 3-5/3/12, vertreten durch Dr. Gottfried Korn, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Margareta G***, Angestellte, 1130 Wien, Anatourgasse 35, vertreten durch Dr. Josef Wegrostek, Rechtsanwalt in Wien, wegen Feststellung (Streitwert S 500.000,--) infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 26.Mai 1986, GZ 15 R 109/86-12, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes f. ZRS Wien vom 24. Februar 1986, GZ 52 Cg 39/85-7, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben.

Das angefochtene Urteil wird aufgehoben; die Rechtssache wird zur neuerlichen Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Die Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Kosten des Berufungsverfahrens.

Text

Begründung:

Die Klägerin, der mit Beschluß des Bezirksgerichtes Mödling vom 27. Dezember 1984, 1 A 377/83-51, die Klägerrolle zugewiesen worden war, begehrte gegenüber der Beklagten die Feststellung, daß das schriftliche Testament vom 8.September 1977 (richtig 18. September 1977) des am 16.September 1983 verstorbenen Roman R*** ungültig sei und daß der Klägerin aufgrund des mündlichen Testamentes vom 12.September 1982 das Erbrecht zur Hälfte des gesamten Nachlasses des Verstorbenen zustehe.

Die Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Es sei der Wunsch des Erblassers gewesen, daß sie aufgrund des schriftlichen Testamentes vom 18.September 1977 Erbin bleibe. Ein rechtswirksames mündliches Testament sei nicht errichtet worden. Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es ging von folgenden Feststellungen aus:

Roman R*** verfaßte am 7.September 1971 ein eigenhändig geschriebenes und unterschriebenes Testament, in welchem er seine Zwillingsschwester Eva Maria T*** als Universalerbin vorbehaltlich des Pflichtteiles zugunsten seines Sohnes Roman R*** aus der geschiedenen Ehe mit Heide R*** einsetzte. Der Inhalt dieses Testamentes wurde in der Familie, das heißt in Gegenwart der Eva Maria T***, deren Gatten Alexander, des Erblassers und der Beklagten besprochen. Am 18.September 1977, als die Lebensgemeinschaft zwischen Roman R*** und der Beklagten noch aufrecht war, errichtete dieser nun zugunsten der Beklagten ein eigenhändig geschriebenes und unterschriebenes Testament. Zwischenzeitlich hatte Roman R*** die Klägerin kennengelernt, welche spätestens im Sommer 1982 zu ihm nach Hennersdorf in das Haus, welches er mit seiner Zwillingsschwester bewohnte, zog. Am 12. September 1982 fanden die Feierlichkeiten zur goldenen Hochzeit der Eltern des Roman R*** statt. Nach der Feier in der Kirche fuhren Roman R*** und seine Angehörigen in den Prater, wo eine Tafel im Lusthaus für den engsten Familienkreis vorbereitet war. Zuerst saßen die 4 Geschwister an der Tafel gegenüber ihren Eltern. "Da es eher selten vorkam, daß alle vier Geschwister auf einmal versammelt waren, unterhielten sie sich miteinander". Sie standen dabei etwas abseits von der Tafel vor dem Buffet. Roman R*** erzählte von seinem Urlaub und den beobachteten Unfällen. Unter diesem Eindruck erklärte er gesprächsweise, es solle für den Fall, daß ihm etwas zustößt, alles der Klägerin gehören und sie sollten für die Klägerin sorgen.

Diese Erklärung erfolgte gesprächsweise - wenn auch in ernstem Ton - und war bestimmt. Die Zeugen Karl Rainer R***, Rudolf R*** und Eva Maria T*** hatten der Erklärung zugehört, wobei die Zeugin T*** Roman R*** noch aufmerksam machte, daß er dies schriftlich fixieren sollte.

Den drei Geschwistern war nicht bewußt, Zeugen der Errichtung eines mündlichen Testamentes zu sein.

Nach dem Tod des Erblassers führte Eva Maria T*** ein Telefonat mit der Beklagten, in welchem sie diese vom Begräbnistermin verständigte und außerdem wissen wollte, ob ein anderes als das am 7.September 1971 errichtete Testament existiere, von welchem Zeitpunkt dieses Testament stamme und welchen Inhalt es habe. Sie teilte der Beklagten weiters ihre Sorgen mit, daß, falls das zu ihren Gunsten verfaßte Testament als das ältere nicht gültig sei, nun doch des Erblassers Sohn aus einer geschiedenen Ehe mit Heide R*** Erbe sei. Der Beklagten gegenüber erwähnte T*** kein mündliches Testament. Roman R*** blieb auch nach Auflösung der Lebensgemeinschaft mit der Beklagten befreundet, auch als sie Wolfgang G*** heiratete.

Anläßlich der am 28.Oktober 1983 erfolgten Todfallsaufnahme wurden lediglich ein bei den Rechtsanwälten Dr. O***/Dr. S*** hinterlegtes Testament und eine letztwillige Anordnung zugunsten der ehemaligen Lebensgefährtin erwähnt. Am 10.November 1983 wurde das schriftliche Testament vom 18.September 1977 zugunsten der Beklagten kundgemacht. Anläßlich der Schätzung vom 15.Dezember 1983 gab Eva Maria T*** dem Notar gegenüber an, daß ein mündliches Testament vom 12.September 1982 existiere, und nannte vier Zeugen, darunter Ing. Gert G***, ihren Lebensgefährten.

Rechtlich war das Erstgericht der Ansicht, daß Roman R*** zwar am 12.September 1982 über das von den Zeugen erwähnte Thema ernst gesprochen, aber keine Testierabsicht gehabt habe. Dieses Gespräch sei ursprünglich von den Zeugen gar nicht als Testament aufgefaßt worden. Es fehle daher an der Voraussetzung der Gültigkeit eines mündlichen Testamentes im Sinne des § 585 ABGB.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin nicht Folge, bestätigte die erstgerichtliche Entscheidung und sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes S 300.000,-- übersteigt. Das Gericht zweiter Instanz verwarf die Mängelrüge der Klägerin, erachtete die Beweiswürdigung des Erstgerichtes als zutreffend und hielt für die Feststellung des Erstgerichtes entscheidend, wonach den Geschwistern des Erblassers nicht bewußt war, Zeugen der Errichtung eines mündlichen Testamentes zu sein. Diese Feststellung werde noch dadurch erhärtet, daß Eva Maria T*** Roman R*** empfahl, seinen Wunsch schriftlich festzulegen, also ein Testament zugunsten der Klägerin zu machen. Einer solchen Empfehlung zur Verfassung eines schriftlichen Testamentes hätte es nicht bedurft, wenn ohnehin ein mündliches Testament vorgelegen wäre. Die Rechtsansicht des Erstgerichtes, wonach die Voraussetzungen eines mündlichen Testamentes gemäß § 585 ABGB nicht vorliegen, sei nicht bekämpft worden.

Gegen die Entscheidung des Gerichtes zweiter Instanz richtet sich die Revision der Klägerin aus den Anfechtungsgründen des § 503 Abs 1 Z 2 und 4 ZPO mit dem Antrag, das angefochtene Urteil aufzuheben und dahin abzuändern, daß dem Klagebegehren stattgegeben werde; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt. Die Beklagte beantragt in der Revisionsbeantwortung, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist berechtigt.

Die Beklagte macht nach dem Wortlaut ihrer Anfechtungserklärung Mangelhaftigkeiten des berufungsgerichtlichen Verfahrens und unrichtige rechtliche Beurteilung geltend; nach dem Inhalt ihrer Ausführungen rügt sie auch, daß dem Berufungsgericht eine Aktenwidrigkeit unterlaufen sei: Das Gericht zweiter Instanz habe zu Unrecht angenommen, daß die Beklagte die rechtliche Beurteilung des Erstgerichtes nicht angefochten habe; ihre Berufung enthalte im Gegensatz dazu auch eine eindeutige Rechtsrüge.

Nach Lehre und ständiger Rechtsprechung genügt es sowohl für die Behandlung einer Revision als auch einer Berufung, daß sich aus den Ausführungen ergibt, welcher Revisions- bzw. Berufungsgrund behauptet wird (Fasching ErgBd. 112 f; EvBl 1957/208; SZ 52/144 ua). Die Prüfung ergibt, daß die Auffassung des Berufungsgerichtes, die Beklagte habe in der Berufung die rechtliche Beurteilung des Erstgerichtes nicht in beachtlicher Weise bekämpft, nicht geteilt werden kann. Aus den wenn auch unrichtig unter dem Berufungsgrund der unrichtigen Beweiswürdigung und Sachverhaltsfeststellung eingeordneten mit Judikaturzitaten versehenen Ausführungen der Berufung, wonach Testamentszeugen ... lediglich wissen müssen, daß die Anordnung den letzten Willen des Erblassers darstellt bzw. darstellen kann und es genüge, daß diese den letzten Willen "hören" können, ist mit hinreichender Deutlichkeit zu entnehmen, daß die Beklagte die oben dargestellte Rechtsansicht des Erstgerichtes zu § 585 ABGB bekämpft. Dies bringt sie anschließend mit den Worten zum Ausdruck, daß sie "diesen Umstand vorsichtshalber auch als unrichtige rechtliche Beurteilung rügt". Aufgrund dieser Rechtsrüge wäre das Berufungsgericht zur Überprüfung der rechtlichen Beurteilung des Erstgerichtes verpflichtet gewesen. Es hat die Überprüfung jedoch mit dem aktenwidrigen Hinweis darauf, daß die Rechtsansicht des Erstgerichtes, wonach die Voraussetzungen des mündlichen Testamentes gemäß § 585 ABGB nicht vorliegen, nicht bekämpft worden sei, unterlassen. Damit fehlt es im vorliegenden Fall an der beantragten Überprüfung der Rechtsansicht des Erstgerichtes durch das Berufungsgericht und als Folge davon an der Erledigung eines Sachantrages der Berufung durch das Gericht zweiter Instanz. Dies stellt einen von der Revision zutreffend geltend gemachten Mangel des Berufungsverfahrens dar, der eine Aufhebung der Entscheidung und die Rückverweisung der Rechtssache an das Berufungsgericht erforderlich macht, ohne daß auf die weiteren Revisionsausführungen einzugehen gewesen wäre.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 52 ZPO.

Anmerkung

E10419

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1987:0080OB00670.86.0212.000

Dokumentnummer

JJT_19870212_OGH0002_0080OB00670_8600000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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