TE OGH 1987/2/12 8Ob4/87

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Veröffentlicht am 12.02.1987
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Stix als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kralik, Dr. Vogel, Dr. Kropfitsch und Dr. Zehetner als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Manfred S***, Rentner, Ennstalerstraße 7, 8720 Knittelfeld, vertreten durch Dr. Max Siebenhofer, Rechtsanwalt in Judenburg, wider die beklagten Parteien

1.) Ewald S***, Schweißer, Billrothstraße 21, 8720 Knittelfeld, und 2.) Z*** K***, Versicherungs AG, Schwarzenbergplatz 15, 1010 Wien, beide vertreten durch Dr. Kurt Konopatsch, Rechtsanwalt in Leoben, wegen 983.151,43 S s.A. und Feststellung (Gesamtstreitwert 1,083.151,43 S) (Revisionsstreitwert 270.007,47 S) infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgerichtes vom 23. September 1986, GZ 6 R 108/86-60, womit infolge Berufung der beklagten Parteien das Urteil des Kreisgerichtes Leoben vom 24. Juni 1985, GZ 8 Cg 164/84-42, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, den beklagten Parteien zur ungeteilten Hand die mit 12.514,-- S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin 1.920,-- S an Barauslagen und 936,-- S an Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Am Abend des 4. Dezember 1982 fuhr der Erstbeklagte nach einer durchzechten Nacht mit dem Kläger und Erich P*** von Knittelfeld nach Unzmarkt. Dort hielten sie sich im Gasthaus E*** auf. Auf der Heimfahrt kam es zwischen dem Erstbeklagten, der mit seinem bei der Zweitbeklagten haftpflichtversicherten PKW (St 517.587) fuhr und dem von Redzo B*** gelenkten PKW Mercedes St 705.446 zu mehreren "problematischen" Überholmanövern. Nachdem beide Fahrzeuglenker mit ihren Fahrzeugen stehen geblieben waren und die Fahrt fortgesetzt hatten, kam es zu einem weiteren Überholmanöver, in dessen Verlauf der PKW des Erstbeklagten infolge Einhaltung eines zu knappen Seitenabstandes den Kraftwagen B***'S streifte, ins Schleudern geriet, von der Fahrbahn abkam und in einen Acker stürzte. Dabei wurde der Kläger schwer verletzt. Wegen dieses Vorfalles wurde der Erstbeklagte des Vergehens der Gefährdung der körperlichen Sicherheit nach § 88 Abs 3 und 4 zweiter Fall StGB rechtskräftig verurteilt. Die Privatbeteiligten, darunter der Kläger, wurden mit ihren Ersatzansprüchen auf den Zivilrechtsweg verwiesen (Protokolls- und Urteilsvermerk des Kreisgerichtes Leoben vom 25. April 1983, 12 E Vr 222/83-15).

Mit der am 27. April 1984 erhobenen Klage begehrte der Kläger von den Beklagten aus dem Titel des Schadenersatzes aus diesem Verkehrsunfall nach Ausdehnung und Einschränkung des Klagebegehrens die Bezahlung eines Betrages von 983.151,43 S s.A. (vgl. AS 221, 229), und zwar unter anderem für Schmerzengeld unter Bedachtnahme auf eine zwischenweilige Zahlung von 150.000 S den Betrag von restlichen 650.000 S. Außerdem stellte er unter Hinweis auf die strafgerichtliche Verurteilung des Erstbeklagten -'von dessen alleinigem Verschulden an dem Verkehrsunfall ausgehend - ein mit 100.000 S bewertetes Feststellungsbegehren.

Die Beklagten wendeten ein Mitverschulden des Klägers im Ausmaß von 50 % ein, anerkannten dementsprechend das Feststellungsbegehren im Ausmaß von 50 % und für Schmerzengeld in der Höhe von 300.000 S den Betrag von 150.000 S und beantragten im übrigen die Abweisung des Feststellungs- und Leistungsmehrbegehrens. Den Mitverschuldenseinwand begründeten die Beklagten damit, daß der Erstbeklagte nach Verlassen des Gasthauses zur Zeit des Antrittes der Fahrt stark alkoholisiert gewesen sei (Blutalkoholgehalt von mehr als 2 %o). Da der Kläger mit dem Erstbeklagten gemeinsam gezecht habe, sei ihm dieser Alkoholisierungsgrad bei Fahrtantritt bekannt gewesen. Darüber hinaus hätte sowohl der Kläger als auch der zweite Beifahrer, Erich P***, den Erstbeklagten während der Annäherung an die spätere Unfallsstelle dauernd zu riskanten Überholanövern animiert; der Erstbeklagte habe sich zufolge seiner Alkoholisierung zu riskanten Überholmanövern tatsächlich provozieren lassen. Der Kläger erwiderte hierauf, er sei zur Zeit des Antrittes der gemeinsamen Fahrt in Knittelfeld ebenso wie der Erstbeklagte vollkommen nüchtern gewesen. Da er im Gasthaus in Unzmarkt mit einem Dritten Karten gespielt habe, während sich der Erstbeklagte an der Theke aufgehalten habe, habe er nicht sehen können, ob der Erstbeklagte alkoholische Getränke zu sich genommen habe. Es sei nicht richtig, daß er den Erstbeklagten zu einem riskanten Überholmanöver angestiftet habe.

Das Erstgericht sprach die Beklagten - von einer Verschuldensteilung im Verhältnis 3 : 1 zu Lasten des Erstbeklagten ausgehend - zur ungeteilten Hand schuldig, dem Kläger den Betrag von 646.708,47 S s.A. (darin ein Schmerzengeld von 800.000 S abzüglich der während des Verfahrens bezahlten 150.000 S) zu bezahlen und wies das Leistungsmehrbegehren von 336.442,96 S s.A. ab. Außerdem stellte das Erstgericht fest, daß die beklagten Parteien dem Kläger zu 75 % für alle Schäden aus dem gegenständlichen Verkehrsunfall haften, die Zweitbeklagte jedoch nur nach Maßgabe des von ihr mit dem Erstbeklagten über den unfallsgegenständlichen PKW abgeschlossenen Versicherungsvertrages; das darüber hinausgehende Feststellungsmehrbegehren wies es ab.

Das Gericht zweiter Instanz gab der gegen dieses Urteil erhobenen Berufung des Klägers keine Folge, erkannte jedoch die von den Beklagten erhobene Berufung als teilweise berechtigt und änderte die erstinstanzliche Entscheidung dahin ab, daß es dem Kläger unter Einbeziehung des unbekämpften und des bestätigten Teiles 477.808,47 S samt Anhang zusprach, das Mehrbegehren von 505.342,96 S samt Anhang abwies und die Haftung der Beklagten zu 75 % für alle Schäden aus dem gegenständlichen Verkehrsunfall, jene der Zweitbeklagten jedoch nur nach Maßgabe des von ihr mit dem Erstbeklagten abgeschlossenen Versicherungsvertrages unter Abweisung des Feststellungsmehrbegehrens feststellte (6 R 170/85-50). Der Oberste Gerichtshof gab den von beiden Teilen erhobenen Revisionen teilweise Folge. Er hob das Urteil des Berufungsgerichtes, das in Ansehung des Zuspruches von 329.401,14 S samt Anhang und der Stattgebung des Feststellungsbegehrens im Ausmaß der Feststellung der Haftung der Beklagten für 2/3 aller zukünftigen Schäden des Klägers aus dem vorliegenden Verkehrsunfall und hinsichtlich der Abweisung des Teilbegehrens von 53.120,75 S samt Anhang als unangefochten unberührt geblieben war, dahin ab, daß dem Kläger unter Einbeziehung der unangefochten gebliebenen und bestätigten Teile als Teilurteil der Betrag von 496.067,81 S s.A. zugesprochen, das Mehrbegehren von 153.120,75 S s.A. abgewiesen und dem Feststellungsbegehren im Umfang einer Haftung der beklagten Parteien zu 2/3 für alle Schäden aus dem gegenständlichen Verkehrsunfall stattgegeben wurde.

Im übrigen, also hinsichtlich eines Leistungsbegehrens von 333.962,87 S s.A. und des auf Feststellung der Haftung der Beklagten für ein weiteres Drittel aller künftigen Schäden des Klägers gerichteten Feststellungsmehrbegehrens sowie im Kostenpunkt wurde das Urteil des Berufungsgerichtes aufgehoben. In diesem Umfang wurde die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen (8 Ob 15/86). Da in dieser Entscheidung über die einzelnen vom Kläger geltend gemachten Teilersatzbegehren - von der Frage des Ausmaßes des Mitverschuldens des Klägers abgesehen - der Höhe nach endgültig abgesprochen wurde, betraf die Aufhebung der berufungsgerichtlichen Entscheidung lediglich die Frage, ob dem Kläger im Rahmen des ihm gemachten Mitverschuldensvorwurfes ein 2/3 übersteigendes Mitverschulden anzulasten ist. Dem Berufungsgericht wurde daher aufgetragen, im fortgesetzten Verfahren auf die in den Berufungen erhobenen Beweis- und Verfahrensrügen einzugehen und sodann neuerlich über die beiden Berufungen zu entscheiden.

Im zweiten Rechtsgang gab das Gericht zweiter Instanz der Berufung des Klägers nicht Folge, jener der Beklagten jedoch teilweise dahin, daß es in Abänderung des erstgerichtlichen Urteils unter Ausschluß des durch das Teilurteil des Obersten Gerichtshofes (8 Ob 15/86) rechtskräftig gewordenen Anspruchsteiles und unter Einbeziehung des bestätigten Teiles die Beklagten zur ungeteilten Hand schuldig erkannte, dem Kläger binnen 14 Tagen einen weiteren Betrag von 88.955,40 S s.A. zu bezahlen und die Haftung der Beklagten zur ungeteilten Hand zu einem weiteren Zwölftel für alle Schäden aus dem vorliegenden Verkehrsunfall, jene der Zweitbeklagten jedoch nur nach Maßgabe des von ihr mit dem Erstbeklagten abgeschlossenen Versicherungsvertrages feststellte und das Leistungsmehrbegehren von 245.007,47 S s.A. sowie das Feststellungsmehrbegehren hinsichtlich der Haftung der Beklagten für künftige Schäden zu einem weiteren Viertel abwies. Schließlich sprach es aus, daß sowohl der von der Bestätigung als auch der von der Abänderung betroffene Wert des Streitgegenstandes, über den es entschieden habe, zusammen mit dem in einem Geldbetrag bestehenden Teil insgesamt jeweils 300.000 S übersteigt.

Das Berufungsgericht nahm in der fortgesetzten Berufungsverhandlung über die strittig gebliebene Frage eines allfälligen Mitverschuldens des Klägers eine teilweise Beweiswiederholung vor und traf über den vom Erstgericht festgestellten und als unbedenklich übernommenen Sachverhalt hinaus noch zusätzliche Feststellungen, die sich insgesamt zusammenfassen lassen wie folgt:

Am 4. Dezember 1982 kam der Erstbeklagte um etwa 6 Uhr früh alkoholisiert nach Hause. Er blieb den ganzen Tag über daheim. Zum Mittagessen trank er ein Bein. Gegen 19 Uhr fuhr der fast nüchterne Erstbeklagte mit dem nüchternen Kläger und dem Zeugen Erich P*** zum Gasthaus E*** in Unzmarkt. Während der Fahrt oder schon vorher erzählte er seinen Begleitern, daß er in der vorangegangenen Nacht an einer Betriebsfeier teilgenommen, viel Alkohol konsumiert habe und erst in der Früh heimgebracht worden sei. In diesem Gasthaus hielten sich die drei etwa 2 1/2 bis drei Stunden auf; sie spielten zuerst Karten. In Gegenwart des Klägers trank der Erstbeklagte zwei Mischungen und später ein Spezialbier. Da in diesem Lokal ein Krampuskränzchen stattfand, blieb der Erstbeklagte nicht immer bei den beiden anderen, sondern tanzte und stellte sich mit anderen Personen an die Theke, wo er noch zwei "Rüscherl" (einfacher Kognak mit Coca Cola vermischt) trank. In Gegenwart des Erstbeklagten trank der Kläger zwei Mischungen. Bei diesen Mengen handelt es sich um die Mindestkonsumation an alkoholischen Getränken. Beim Verlassen des Lokals waren nämlich alle drei Personen beträchtlich alkoholisiert; der Kläger und Erich P*** gingen voraus, der Erstbeklagte folgte dann nach, da er vorher noch das WC aufgesucht hatte. Beim Erstbeklagten machten sich wie auch sonst die Auswirkungen des Alkohols dadurch bemerkbar, daß er lustig war und mehr als üblich sprach. Diese Anzeichen konnte auch der Kläger wahrnehmen. Auf der Heimfahrt überholte der Erstbeklagte mehrmals und schnitt die überholten Fahrzeuge. Dies machte er auch bei dem von Redzo B*** gelenkten Auto. Beim Überholvorgang klatschte und winkte der Kläger, schnitt Grimassen und streckte er die Zunge heraus. Nachdem Redzo B*** dem PKW des Erstbeklagten abermals vorgefahren war, hielt er an und schaltete die Warnblinkanlage ein, worauf auch der Erstbeklagte stehenblieb; auf die Frage B***'S, der sich zum stehenden Fahrzeug des Erstbeklagten begeben hatte, was er denn mache, erwiderte dieser, dies gehe ihn nichts an. Während des Sprechens fiel dem Erstbeklagten eine Zigarette aus dem Mund auf das Hemd, er zitterte auch. Im Zusammenhang mit dem starken Alkoholgeruch und der bekundeten Fahrweise nahm Redzo B*** eine starke Alkoholisierung des Erstbeklagten an. Daß der Kläger den Erstbeklagten zu riskanten Überholmanövern angestiftet oder angeeifert hat, konnte nicht festgestellt werden. Die um 0,15 Uhr erfolgte Blutabnahme ergab beim Erstbeklagten einen Blutalkoholwert von 2 %o. Unter Berücksichtigung des Umstandes, daß der letzte Alkoholkonsum knapp nach 22 Uhr stattgefunden und der Unfall sich etwa eine halbe Stunde später ereignet hatte, hatte der Erstbeklagte zum Unfallszeitpunkt einen Blutalkoholgehalt von 2,1 bis 2,2 %o. Eine Person, die geistig und psychisch normal reagiert und normal veranlagt ist, ist bei einem Blutalkoholwert von 2 %o als beträchtlich bis schwer alkoholisiert zu bezeichnen. Dies wirkt sich in erster Linie auf die Verhaltensweise und auf das Gehen und das Sprechen aus. Wenn sich zwei Personen schon einige Zeit im Lokal aufhalten und die eine Person nüchtern bleibt und die andere dann etwa 2 %o aufgrund des genossenen Alkohols hat, so ist es für die nüchterne Person ohne weiters erkennbar, daß die einen Blutalkoholgehalt von 2 %o aufweisende Person nicht mehr nüchtern ist. Der Genuß von einem Spezialbier, zwei Mischungen und zwei "Rüscherl" (zwei kleine Kognaks mit Coca Cola) ergibt einen theoretischen Blutalkoholwert von 0,9 bis 1,1 %o, unter Berücksichtigung der Abbauzeit überhaupt nur einen Promillegrad von 0,8 %o. Am Abend des Unfallstages hatte der Erstbeklagte noch einen Restalkoholgehalt von etwa 1 %o.

Im Zuge der Beweiswürdigung führte das Berufungsgericht noch aus, im Hinblick auf die nicht unbeträchtliche Alkoholisierung der Insassen des Fahrzeuges des Erstbeklagten, die sich insbesondere im Verhalten des Klägers während der Rückfahrt manifestiert habe, sei die Schlußfolgerung gerechtfertigt, daß es sich bei der festgestellten Menge des konsumierten Alkohols um eine Mindestmenge handelt, zumal der Erstbeklagte und Erich P*** offensichtlich bestrebt gewesen seien, die Alkoholisierung des Erstgenannten herunterzuspielen.

Bei der rechtlichen Beurteilung der Frage des Mitverschuldens des Klägers an dem Unfall im Rahmen des von den Beklagten erhobenen Mitverschuldenseinwandes verwies das Berufungsgericht vorerst auf seine im ersten Rechtsgang ergangene Entscheidung sowie auf die Entscheidung des Obersten Gerichtshofes 8 Ob 15/86. Darüber hinaus vertrat es die Auffassung, daß der Erstbeklagte in Gegenwart des Klägers nachweislich zwar nur zwei Mischungen und ein Glas Spezialbier konsumiert habe, es habe dem Kläger jedoch klar sein müssen, daß der Erstbeklagte auch in der übrigen Zeit Alkohol konsumieren werde und bereits die Nacht vorher durchgezecht hatte. Die auffallende Heiterkeit bzw. Ausgelassenheit und die gesteigerte Sprechlust seien doch deutliche Anzeichen, die auf eine schwere und bereits die Fahrtüchtigkeit beeinträchtigende Alkoholisierung des Erstbeklagten hinwiesen. Der Kläger hätte erkennen müssen, daß der Erstbeklagte nicht nur beträchtlich alkoholisiert, sondern auch in seiner Fahrtüchtigkeit beeinträchtigt gewesen sei. Daß der Kläger dennoch mit dem Erstbeklagten mitgefahren sei, begründe ein Mitverschulden, das mit 25 % schuldangemessen erscheine, zumal den Beklagten der Nachweis, der Kläger habe den Lenker überdies zu riskanten Fahrmanövern angestiftet oder durch Beifall bestärkt, nicht gelungen sei. Wenn der Kläger auch infolge eigener Alkoholisierung die beeinträchtigte Fahrtüchtigkeit des Erstbeklagten nicht mehr ausreichend habe beurteilen können, so vermöge ihn dies nicht zu entlasten, denn nach der Sachlage habe er damit rechnen müssen, eine solche Beurteilung vornehmen zu müssen. Ausgehend von dieser Verschuldensteilung gelangte das Berufungsgericht zu der bereits wiedergegebenen Entscheidung. Gegen dieses Urteil des Gerichtes zweiter Instanz hinsichtlich der Abweisung eines Leistungsbegehrens von 245.007,47 S samt Anhang sowie des Feststellungsmehrbegehrens hinsichtlich der Haftung für ein weiteres Viertel aller künftigen Schäden des Klägers richtet sich die auf die Anfechtungsgründe des § 503 Abs 1 Z 2 und 4 ZPO gestützte Revision des Klägers mit dem Antrag, die Entscheidungen der Vorinstanzen im Sinne der vollinhaltlichen Stattgebung des Leistungs- und Feststellungsbegehrens abzuändern; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die Beklagten beantragten in ihrer Revisionsbeantwortung, der Revision keine Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist im Hinblick auf den Ausspruch des Berufungsgerichtes über den Wert des Streitgegenstandes zulässig, aber nicht berechtigt.

Vor Eingehen in die Ausführungen des Klägers in seiner Revision ist festzuhalten, daß den Beklagten der Nachweis des dem Kläger gemachten Vorwurfes, er habe den Erstbeklagten zu riskanten Überholmanövern animiert, letztlich nicht gelungen ist und im Revisionsverfahren des zweiten Rechtsganges dem Grunde nach nur mehr die Frage strittig ist, ob der Kläger aus den Umständen von der die Fahruntüchtigkeit beeinträchtigenden Alkoholisierung des Erstbeklagten hätte Kenntnis haben müssen. Gegen die Bejahung dieser Frage durch das Berufungsgericht wendet sich der Revisionswerber mit den unter beiden Anfechtungsgründen erstatteten Ausführungen. Da das Berufungsgericht Bedenken gegen die vom Erstgericht vorgenommene Beweiswürdigung hinsichtlich der im Revisionsverfahren strittig gebliebenen Frage des Mitverschuldens des Klägers hatte, nahm es eine teilweise Beweiswiederholung vor und gelangte damit zu eigenen Feststellungen. Von den dem reinen Tatsachenbereich zuzuordnenden Ausführungen bekämpft der Revisionswerber als durch die Aktenlage nicht gedeckt nur die Annahme des Berufungsgerichtes, daß es sich bei den festgestellten Alkoholmengen, die konsumiert worden seien, bloß um die Mindestkonsumation gehandelt habe, daß alle drei Personen beim Verlassen des Lokales beträchtlich alkoholisiert gewesen seien und der Erstbeklagte vom Berufungsgericht als "fast nüchtern" bezeichnet worden sei, als er am Abend vor dem Unfall gegen 19 Uhr mit dem Kläger und Erich P*** nach Unzmarkt gefahren sei, während er nach einer anderen Feststellung des Berufungsgerichtes zu dieser Zeit einen Blutalkoholrestwert von etwa 1 %o gehabt hätte. Die Feststellung des Berufungsgerichtes über die beträchtliche Alkoholisierung des Klägers und seiner zwei Begleiter nach Verlassen des Gasthauses stützte das Berufungsgericht ebenso wie die Annahme, daß die von den Beteiligten festgestellten Alkoholmengen lediglich der Mindestkonsum gewesen sei, insbesondere auf das Verhalten der Insassen des Fahrzeuges des Erstbeklagten während der Rückfahrt, die Alkoholisierung des Erstbeklagten selbst auch auf die Ergebnisse der Untersuchung des dem Erstbeklagten nach dem Unfall abgenommenen Blutes. Daß der Erstbeklagte am Abend vor dem Unfall fast nüchtern gewesen sei, ist - wie den Ausführungen des Berufungsgerichtes im Rahmen der Beweiswürdigung zu entnehmen ist - nicht als Tatsachenfeststellung im engeren Sinn, sondern bloß als Wertung aufzufassen, die auf die Einschätzung der als Zeugin vernommenen Frau des Erstbeklagten zurückgeht und die auch mit den Angaben Erich P***'S in Einklang zu bringen sind, aus denen sich ergibt, daß die Alkoholisierung des Erstbeklagten erkennbar war (vgl. Berufungsurteil S 10). Die in der Revision gerügten Feststellungen des Berufungsgerichtes finden somit im Verfahren ihre aktengemäße Deckung.

Als Mangel des Berufungsverfahrens macht der Revisionswerber geltend, daß das Berufungsgericht - ebenso wie das Erstgericht - bei Beurteilung der Frage der Erkennbarkeit der Alkoholisierung des Erstbeklagten durch den Kläger das Gutachten des Sachverständigen Univ.Prof. Dr. Heinz M*** hätte berücksichtigen und dabei zu der Erkenntnis gelangen müssen, daß die aufsteigende Alkoholisierungsphase, sofern wieder getrunken werde, für die Umwelt nicht so deutlich bemerkbar sei, wie wenn eine nüchterne Person dieselbe Alkoholmenge zu sich nehme. Da das Berufungsgericht im Rahmen der Beweiswürdigung zu den Ergebnissen dieses Sachverständigenbeweises Stellung genommen hat und die Frage, ob und inwieweit aufgrund eines Sachverständigengutachtens Feststellungen getroffen werden können, in den der Überprüfung durch das Revisionsgericht entzogenen Bereich der Beweiswürdigung fällt, wird hier vom Revisionswerber ein das Berufungsverfahren betreffender Verfahrensmangel und damit der Anfechtungsgrund des § 503 Abs 1 Z 2 ZPO nicht zur Darstellung gebracht.

Wenn der Revisionswerber schließlich unter diesem Anfechtungsgrund meint, es sei auch im zweiten Rechtsgang offen geblieben, ob der Erstbeklagte sich infolge Alkoholisierung in seiner Fahrtüchtigkeit beeinträchtigt gesehen habe, und dem Kläger dies habe erkennbar sein müssen, so ist ihm zu entgegnen, daß es auf die erstgenannte Frage rechtlich überhaupt nicht ankommt und die zweite eine Rechtsfrage darstellt, die nur im Rahmen der Rechtsrüge überprüfbar ist.

Dementsprechend vertritt der Kläger unter dem Anfechtungsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung auch den Standpunkt, daß die zweite Frage im vorliegenden Fall verneint werden müsse. Ausgehend von den Feststellungen des Berufungsgerichtes über die vom Erstbeklagten in Anwesenheit des Klägers konsumierten alkoholischen Getränke und dem Umstand, daß der Erstbeklagte am Abend "fast nicht alkoholisiert gewesen sei", hätte der Kläger nicht auf eine Alkoholbeeinträchtigung des Erstbeklagten schließen müssen. Auch wenn davon auszugehen sei, der Kläger habe wahrnehmen können, daß der Erstbeklagte lustig gewesen sei und mehr als üblich gesprochen habe, so habe doch nicht festgestellt werden können, daß sein Gang etwa schwankend oder seine Sprache beeinträchtigt gewesen wären. Lustig sein und mehr als üblich sprechen seien aber kein Anlaß zur Annahme einer die Fahrtüchtigkeit beeinträchtigenden Alkoholisierung. Der Revisionswerber übersieht bei diesen Ausführungen vor allem, daß sich hier die Frage der Erkennbarkeit einer die Fahrtüchtigkeit beeinträchtigenden Alkoholisierung des Erstbeklagten nicht allein auf Umstände beschränkt, die in die Zeit vor Antritt der Rückfahrt fallen, es muß vielmehr zumindest auch das Verhalten des Erstbeklagten während des ersten Abschnittes der Rückfahrt bis zum Anhalten anläßlich der Auseinandersetzung mit B*** in die Betrachtung einbezogen werden. Geht man aber davon aus, daß der Kläger von Anfang an, als er selbst noch nüchtern war, aus Erzählungen des Erstbeklagten von dessen durchzechter Nacht, seinem vielen Alkoholkonsum und dem Umstand Kenntnis hatte, daß dieser erst in der Früh nach Hause gebracht wurde, daß dem Erstbeklagten am Abend vor Antritt der Fahrt in das Gasthaus eine gewisse Alkoholisierung anmerkbar war, der Kläger mit dem Erstbeklagten 2 1/2 bis 3 Stunden an einem Krampuskränzchen in dem Gasthaus teilnahm, ihn weiter alkoholische Getränke konsumieren und auch mit anderen Personen an der Theke stehen sah und auch feststellen konnte, daß der ihm schon seit längerer Zeit bekannte Erstbeklagte mehr als üblich sprach, so hätte ihm jedenfalls nach Antritt der Rückfahrt aufgrund der wiederholt verkehrswidrigen Fahrweise des Erstbeklagten auffallen müssen, daß der Erstbeklagte alkoholisiert und dadurch in seiner Fahrtüchtigkeit beeinträchtigt ist, zumal das von den Vorinstanzen festgestellte Fahrverhalten des Erstbeklagten mit der Annahme, er sei sich seiner Verpflichtung und Verantwortung als Fahrzeuglenker bewußt, nicht zu vereinbaren ist. Dazu kommt noch, daß der Erstbeklagte wegen seines verkehrswidrigen Verhaltens in Anwesenheit des Klägers von B*** zur Rede gestellt wurde und dem Kläger dabei auch hätte auffallen müssen, daß dem Erstbeklagten während seines Gespräches mit B*** die Zigarette aus dem Mund und auf das Hemd fiel und der Erstbeklagte dabei auch zitterte. Unter diesen Umständen ist es nicht zweifelhaft, daß der Kläger bei gehöriger Aufmerksamkeit hätte erkennen können, daß der Erstbeklagte infolge Alkoholgenusses nicht mehr voll fahrtüchtig war. Daß der Kläger dies allenfalls infolge seiner eigenen Alkoholisierung nicht hinlänglich klar erkannt und es unterlassen hat, die notwendigen Konsequenzen daraus zu ziehen, kann ihn - wie das Berufungsgericht auch zutreffend erkannte - nicht entlasten, weil der Kläger sich von Anfang an dem Erstbeklagten als Fahrzeuglenker anvertraut hat und somit auch damit rechnen mußte, eine Beurteilung dessen Fahrtüchtigkeit auch anläßlich der Rückfahrt vornehmen zu müssen (ZVR 1980/155 ua.). Unter diesen Umständen kann keine Rede von Zweifeln sein, die zu Lasten der beklagten Parteien gehen müßten. Die Annahme eines Mitverschuldens des Klägers an dem Unfall durch die Vorinstanzen entspricht daher der Sach- und Rechtslage.

Daß die Vorinstanzen rechtsirrig zu einer unrichtigen Verschuldensteilung gelangt wären, wird vom Revisionswerber selbst nicht geltend gemacht und ist auch der Aktenlage nicht zu entnehmen. Damit erweist sich aber die Revision als unberechtigt, weshalb ihr der Erfolg versagt werden mußte.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf die §§ 41 und 50 ZPO.

Anmerkung

E10600

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1987:0080OB00004.87.0212.000

Dokumentnummer

JJT_19870212_OGH0002_0080OB00004_8700000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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