TE OGH 1987/2/18 1Ob45/86

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Veröffentlicht am 18.02.1987
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Schragel als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Schubert, Dr.Gamerith, Dr.Hofmann und Dr.Schlosser als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr.Hans-Werner S***, beeideter Buchprüfer und Steuerberater, Zell am See, Bahnhofstraße 2, vertreten durch Dr.Erich Meusburger, Rechtsanwalt in Salzburg, wider die beklagte Partei Dr.Werner T***, öffentlicher Notar i.R., Dornbirn, Marktstraße 37, vertreten durch Dr.Gernot Schreckeneder, Rechtsanwalt in Zell am See, wegen S 250.009,56 s.A. infolge Rekurses der beklagten Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgerichtes vom 4. September 1986, GZ. 2 R 107/86-14, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Salzburg vom 29. Jänner 1986, GZ.9 Cg 121/85-8, aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Dem Rekurs wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluß wird dahin abgeändert, daß die Entscheidung des Erstrichters wiederhergestellt wird. Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 25.627,15 bestimmten Kosten des Rechtsmittelverfahrens (hievon S 1.420,65 Umsatzsteuer und S 10.000,-- Barauslagen) binnen 14 Tagen zu bezahlen.

Text

Entscheidungsgründe:

Erwin G*** sen. ist am 6.April 1983 verstorben. In dem zu A 72/83 des Bezirksgerichtes Zell am See anhängigen Abhandlungsverfahrens wurde der Beklagte zum Gerichtskommissär bestellt. Das von ihm aufgenommene Hauptinventar wies Aktiven in der Höhe von S 3,015.809,84 und Passiven in der Höhe von S 3,476.565,28 aus, woraus sich eine Überschuldung des Nachlasses in der Höhe von S 460.755,44 ergab. Der Kläger meldete eine Wechselforderung in der Höhe von S 178.780,56 an, die unter die Passiven des Inventars aufgenommen wurde. Mit Einantwortungsurkunde vom 24.April 1984 wurde der Nachlaß dem erbl. Sohn Erwin G*** (jun.), der sich zum gesamten Nachlaß bedingt erbserklärt hatte, eingeantwortet. Nach Beendigung des Abhandlungsverfahrens wurde der Beklagte von Erwin G*** jun. und der W*** B*** reg.

Genossenschaft mbH beauftragt, einen Kaufvertrag über die Liegenschaft EZ 11 KG Zell am See, die Erwin G*** jun. als Alleinerbe erworben hatte, zu errichten, die Lastenfreistellung der Liegenschaft zu erwirken und den Kaufvertrag grundbücherlich durchzuführen. Der Beklagte erhielt aus dem Verkaufserlös der Liegenschaft, von Holzbezugsrechten und aus dem Realisat von Sparbüchern insgesamt S 2,955.297,47. Hievon wurden zur Lastenfreistellung der Liegenschaft S 934.328,-- an den R*** Salzburg, S 1,342.731,50 an die S***

S*** und S 135.765,-- an Dr.Josef H*** als Vertreter der O*** M***, eines weiteren Hypothekargläubigers, bezahlt; weiters wurden über Auftrag des Erwin G*** jun. an Klaus G*** zur Berichtigung seiner anerkannten Pflichtteilsforderung S 159.820,-- geleistet und die Kosten des Abhandlungsverfahrens, die Erbschaftssteuer und Schätzungskosten bezahlt. Der Restbetrag von S 181.813,50 wurde vom Beklagten an Rechtsanwalt Dr.Gernot S***, den Vertreter des Alleinerben Erwin G*** jun., überwiesen. Der Kläger hat während des Abhandlungsverfahrens mehrmals in der Kanzlei des Beklagten anfragen lassen, in welchem Stadium sich das Verlassenschaftsverfahren befindet und wann mit dessen Beendigung zu rechnen sei.

Der Kläger begehrt den Betrag von S 250.009,56 s.A. und führte zur Begründung aus (ON 3, S 1), der Beklagte sei vom Alleinerben Erwin G*** jun. bevollmächtigt worden, die Verteilung des Nachlasses an die Nachlaßgläubiger vorzunehmen. Diese Verteilung sei von ihm insofern unrichtig vorgenommen worden, als seine, des Klägers, Forderung nicht berücksichtigt worden sei. Der Beklagte wäre verpflichtet gewesen, dafür Sorge zu tragen, daß Verlassenschaftsgläubiger nicht durch die Auszahlung von Beträgen an den Erben zu Schaden kommen.

Der Beklagte beantragte Abweisung des Klagebegehrens. Die Befriedigung der Verlassenschaftsgläubiger sei ausschließlich Sache des Erben. Er sei nur mit der Abfassung eines Kaufvertrages, der Befriedigung der Pfandgläubiger zum Zwecke der Lastenfreistellung und einzelner anderer Gläubiger beauftragt worden; diesem Auftrag habe er entsprochen. Eine Verpflichtung, die Interessen des Klägers zu wahren, treffe ihn nicht.

Der Erstrichter wies das Klagebegehren ab. Er stellte fest, der Beklagte habe dem Kläger nicht zugesagt, für die Berichtigung seiner Forderung Sorge tragen zu wollen. Er habe auch den vom Kläger erstellten Rechnungsabschluß 1983, dem zu entnehmen war, daß dem Kläger noch eine Kostenforderung zustehe, nicht erhalten. Mit der Verteilung des Nachlasses sei der Beklagte nicht beauftragt worden. Der Kläger stütze den Schadenersatzanspruch nicht auf die Tätigkeit des Beklagten als Gerichtskommissär, sondern auf seine Tätigkeit im Auftrage des Alleinerben Erwin G*** jun. nach der Einantwortung. Erwin G*** jun. habe dem Beklagten einen Auftrag, die Forderung des Klägers zu befriedigen, nicht erteilt. Aus dem Vollmachtsverhältnis zwischen dem Beklagten und Erwin G*** jun. ergebe sich keine Sorgfaltspflicht zugunsten anderer Gläubiger, insbesondere nicht zugunsten des Klägers. Für die Befriedigung seiner Forderung Sorge zu tragen, sei ausschließlich Sache des Klägers gewesen, nicht des Beklagten.

Das Berufungsgericht gab der gegen dieses Urteil erhobenen Berufung des Klägers Folge, hob es unter Beisetzung eines Rechtskraftvorbehalts auf und verwies die Sache zur Ergänzung des Verfahrens und neuen Entscheidung an das Erstgericht zurück. Dem Beklagten sei aus seiner Tätigkeit als Gerichtskommissär bekannt gewesen, daß eine Gläubigermehrheit vorhanden und die Überschuldung des Nachlasses gegeben sei. In Kenntnis dieses Umstandes habe er als Bevollmächtigter des bedingt erbserklärten Erben Erwin G*** jun. eine Verteilung vorgenommen, bei der der Kläger als Verlassenschaftsgläubiger nicht berücksichtigt worden sei. Der Kläger habe als Verlassenschaftsgläubiger darauf vertrauen können, daß der Beklagte auf Grund seiner vormaligen Tätigkeit als Gerichtskommissär im Abhandlungsverfahren darauf Bedacht nehmen werde, ihn vor Nachteilen zu schützen und für seine rechtliche Sicherheit zu sorgen. Darüber hinaus hätte der Beklagte gemäß § 5 Abs.3 NO die Mitwirkung an dem ihm von Erwin G*** jun. aufgetragenen Geschäft ablehnen müssen. Danach sei dem Notar die Mitwirkung an verdächtigen Geschäften verboten; den Notar treffe die Verpflichtung, die Wahrung des Gesetzes über den Parteiwillen zu stellen, vorausschauend künftigen Meinungsverschiedenheiten vorzubeugen und Übervorteilungen von Parteien zu vermeiden. Der bloße Verdacht der Verkürzung eines berechtigten Gläubigers hätte ihn veranlassen müssen, die Mitwirkung an dem ihm aufgetragenen Geschäft abzulehnen. Für den Beklagten hätte sich der begründete Verdacht ergeben müssen, daß durch die Befriedigung einzelner Gläubiger der Kläger benachteiligt werden könne. Gegebenenfalls hätte er Erwin G*** jun. belehren müssen, daß dessen Verteilungsauftrag rechtswidrig sei.

Rechtliche Beurteilung

Dem Rekurs des Beklagten kommt Berechtigung zu.

Der Kläger gründet das Klagebegehren darauf, daß der Beklagte von Erwin G*** jun. beauftragt worden sei, Vermögenswerte an die Gläubiger zu verteilen, der Beklagte habe aber eine "unrichtige Verteilung" vorgenommen; jedenfalls hätte ihn die Verpflichtung getroffen zu verhindern, daß Gläubiger durch "Auszahlung des Überschusses" an den Erben zu Schaden kommen. Der Erstrichter hat nicht als erwiesen erachtet, daß der Beklagte von Erwin G*** jun. mit der Verteilung des Nachlasses und der Befriedigung aller Nachlaßgläubiger, also auch des Klägers, beauftragt worden sei. Der Kläger hat diese Feststellung in der Berufung bekämpft, das Berufungsgericht hat die Ausführungen zum Berufungsgrund der unrichtigen Beweiswürdigung nicht erledigt. Es nimmt an, daß der Kläger eine "Verteilung" vorgenommen habe, seinen Ausführungen ist aber nicht zu entnehmen, daß es einen Auftrag des Erwin G*** jun., auch die Forderung des Klägers zu befriedigen, angenommen hätte. Selbst wenn man aber einen solchen Auftrag des Erwin G*** jun. unterstellt, kommt dem Klagebegehren Berechtigung nicht zu. Soweit die Ausführungen des Klägers dahin zu verstehen sind, daß ihm aus einem solchen Auftrag des Erwin G*** jun. ein direkter Leistungsanspruch (§ 881 ABGB) entstanden sei, ist ihnen zu entgegnen, daß der Dritte aus einem Überweisungsauftrag keine Rechte erwirbt (SZ 52/183); durch einen solchen Auftrag soll nur die Verbindlichkeit des Auftraggebers gegenüber dem Dritten getilgt, nicht aber die Rechtsstellung des Dritten verbessert werden. Bei eigenem Interesse des Vertragspartners an der Leistung an den Dritten liegt nur ein unechter Vertrag zugunsten des Dritten vor (EvBl.1984/21). Nicht einmal die Erfüllungsübernahme begründet ein Recht des Dritten auf Leistung gegen den Erfüllungsübernehmer (EvBl.1984/21; Larenz, Schuldrecht 13 I 205).

Das Berufungsgericht nahm ganz allgemein eine Verpflichtung des Beklagten, den Kläger vor Nachteilen zu schützen, an, weil ihm auf Grund seiner vormaligen Tätigkeit als Gerichtskommissär im Abhandlungsverfahren bekannt gewesen sei, daß die Forderung des Klägers im Zeitpunkt der Ausfolgung des Erlöses an dritte Personen noch nicht befriedigt gewesen sei. Es berief sich zur Stützung dieser Ansicht auf die Entscheidungen MietSlg.33.225 und 32.229, denen jedoch anders gelagerte Sachverhalte zugrundelagen. In diesen Entscheidungen sprach der Oberste Gerichtshof aus, daß ein Notar bzw. Rechtsanwalt, der bei Errichtung bzw. Abwicklung von Verträgen für beide Vertragspartner tätig wird, auch die Interessen beider Vertragsteile zu wahren habe, selbst wenn er formell nur Bevollmächtigter eines Teiles ist; die Vertragspartner könnten darauf vertrauen, daß der von ihnen beauftragte Notar in besonderem Maße bedacht sein werde, sie vor Nachteilen zu schützen. Eine solche Verpflichtung zugunsten des Klägers ist jedoch aus einem von Erwin G*** jun. dem Beklagten erteilten Auftrag, Gläubiger zu befriedigen, nicht abzuleiten, schon gar nicht eine Haftung für eine spätere Leistungsunfähigkeit des Auftraggebers selbst, dem ein Restbetrag zugekommen ist. An dem zwischen Erwin G*** jun. und dem Beklagten abgeschlossenen Vertrag war der Kläger nicht beteiligt, er kann aus ihm daher auch keine Rechte ableiten. Für einen dem Beklagten fehlerhaft erteilten Auftrag träfe nur Erwin G*** jun. als Auftraggeber die Haftung. Dem Beklagten fällt auch kein Verstoß gegen die Bestimmung des § 5 Abs.3 NO zur Last. Nach dieser Bestimmung hat der Notar jede Mitwirkung an verdächtigen Geschäften abzulehnen. Damit werden dem Notar bei Übernahme und Durchführung von Vertretungsaufträgen insoweit Schranken gesetzt, als er bei Verdacht der Übervorteilung eines Dritten die Mitwirkung am Geschäft versagen muß (Wagner, Notariatsordnung 3 25). Kostner, Handkommentar 56, leitet daraus ab, daß der Notar für jeden durch die ordnungswidrige Mitwirkung entstandenen Schaden hafte. Selbst wenn diese Bestimmung auch als Schutzgesetz zugunsten dritter Personen verstanden und deren reines Vermögen in den Schutzbereich der Norm einbezogen wird, war doch das dem Beklagten aufgetragene Geschäft, die Verfassung eines Kaufvertrages über die EZ 11 KG Zell am See, die Lastenfreistellung der Liegenschaft, die Verbücherung des Eigentums des Käufers und allenfalls auch die Befriedigung von Verlassenschaftsgläubigern aus dem Verkaufserlös seiner Art nach kein bedenkliches Geschäft. Zur Auslegung dieser Bestimmung kann die nur die Amtsgeschäfte des Notars im Sinne des § 1 NO regelnde Bestimmung des § 34 NO herangezogen werden (Kostner, a.a.O. 56), die dem Notar die Vornahme solcher Amtshandlungen verbietet, "rücksichtlich deren sich der gegründete Verdacht ergibt, daß sie nur zum Scheine, zur Umgehung des Gesetzes oder zum Zwecke der widerrechtlichen Benachteiligung eines Dritten" geschlossen werden. Mit Recht wird dazu aber die Auffassung vertreten, daß der bloße Verdacht der Gläubigerbenachteiligung nicht ausreicht, um das Geschäft als bedenklich anzusehen und eine Nachforschungspflicht des Notars nicht besteht (Wagner a.a.O. 98).

Demzufolge ist spruchgemäß zu entscheiden.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO.

Anmerkung

E10299

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1987:0010OB00045.86.0218.000

Dokumentnummer

JJT_19870218_OGH0002_0010OB00045_8600000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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