TE OGH 1987/2/19 13Os4/87

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Veröffentlicht am 19.02.1987
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 19.Februar 1987 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Harbich als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Müller, Dr. Felzmann, Dr. Brustbauer und Dr. Kuch als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Schopper als Schriftführers in der Strafsache gegen Heinrich B*** wegen des Verbrechens des Menschenhandels nach § 217 Abs. 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Kreisgerichts Steyr als Schöffengerichts vom 2.Juli 1986, GZ. 7 a Vr 104/86-34, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Über die Berufung wird in einem Gerichtstag zur öffentlichen Verhandlung entschieden werden.

Text

Gründe:

Der am 30.Mai 1954 geborene Heinrich B*** wurde des Verbrechens des Menschenhandels nach § 217 Abs. 1 StGB schuldig erkannt, weil er zwischen dem 1.September 1985 und dem 14.April 1986 in Steyr gewerbsmäßig als Geschäftsführer des Nachtlokals "L*** S***" die thailändischen Staatsangehörigen Pensri P***, Chaweewan P*** und Supat C*** der Unzucht in einem anderen Staat als in dem, dessen Staatsangehörigkeit sie besaßen und in dem sie ihren gewöhnlichen Aufenthalt hatten, zugeführt hat, indem er ihnen, nachdem er sie für die Dauer eines Jahres als Tänzerinnen angeworben und zur Einreise nach Österreich bewogen hatte, fortlaufend Gelegenheit bot, in einem dafür besonders eingerichteten Separee mit Lokalbesuchern gegen Entgelt Unzucht zu treiben, und ihnen durch die zusätzliche Verdienstmöglichkeit entsprechenden Anreiz schuf.

Nach den Urteilsfeststellungen warb der Angeklagte Heinrich B*** die drei Thailänderinnen, von denen wenigstens eine bereits in Bangkok der Prostitution nachgegangen war, über den Inhaber eines dortigen Bade- und Massagesalons an, um sie ein Jahr lang in seinem Nachtlokal als Nackttänzerinnen und Animierdamen anzustellen. Darüber hinaus sollten sie nach seiner Absicht durch Ausübung der Prostitution in den Separees seines Lokals unmittelbar (vermöge seiner Beteiligung an den Einkünften aus diesem Gewerbe) wie auch mittelbar (durch Belebung des stagnierenden Nachtlokalgeschäfts) sein Einkommen mehren.

Im Auftrag des Angeklagten reiste der bei ihm beschäftigte Helmut A*** nach Bangkok, wo er namens des Angeklagten den drei Thailänderinnen bei der Erledigung der Reiseformalitäten behilflich war und ihnen den Flug nach Österreich bezahlte.

Nach deren Ankunft in Österreich bezog der Angeklagte - wie von vornherein beabsichtigt - aus der von ihnen in seinem Lokal ausgeübten Prostitution einen Teil seines Einkommens, indem er von dem Betrag von 1.700 S, welchen die am Geschlechtsverkehr mit einer "Tänzerin" interessierten Kunden dafür und für eine kleine Flasche Sekt schon vor dem Betreten des Separees dem Kellner zu bezahlen hatten, der betreffenden Prostituierten nur jeweils bis zu 700 S sowie einen prozentuellen Anteil vom Wert des konsumierten Sekts überließ.

Rechtliche Beurteilung

Dieses Urteil bekämpft der Angeklagte mit einer auf § 281 Abs. 1 Z. 5 und 9 lit. a StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde. Die einleitenden Ausführungen der Mängelrüge erweisen sich als eine unzulässige Anfechtung der Beweiswürdigung. Es wird auf die angebliche Glaubwürdigkeit der leugnenden Verantwortung des Beschwerdeführers sowie auf die geringe Zahl der nachgewiesenen Fälle von Unzuchtshandlungen der Thailänderinnen mit Gästen hingewiesen sowie die Vermutung geäußert, die Belastungszeugen K***, H*** und S*** könnten auf Grund ihrer

Verbindungen zur Konkurrenz falsch ausgesagt haben. Schließlich werden die eindeutigen körperlichen Annäherungsversuche der Thailänderinnen an Gäste als in der Nachtlokalszene übliches Gehaben hingestellt.

Der vom Beschwerdeführer behauptete Widerspruch in den Angaben des Belastungszeugen Josef B*** ist nicht gegeben: Wissen und Absicht des Angeklagten von bezw. auf sexuelle(n) Handlungen der Thailänderinnen schließen einander begrifflich keineswegs aus. Daß sich der Nichtigkeitswerber aber auf die bloße Gestattung solcher Handlungen beschränkt habe, hat der Zeuge B*** nicht gesagt; das diesbezügliche Beschwerdevorbringen ist daher aktenwidrig. Die Hinweise des Rechtsmittelwerbers in diesem Zusammenhang auf seine leugnende Verantwortung und auf die angebliche Fragwürdigkeit der Verwertung des Wortlauts einer nur mittelbar aus der Aussage des Zeugen B*** (Seite 63, verlesen in der Hauptverhandlung - Seite 275) hervorgehenden Äußerung des Angeklagten über den Zweck der Beschäftigung der Thailänderinnen (Seite 296) stellen weitere unzulässige Angriffe auf die Beweiswürdigung des Schöffensenats dar.

Der vom Beschwerdeführer vermißten Erörterung der Aussagen der Zeugen K*** und H*** über seine Klagen in bezug auf den Geschäftsgang im Jahr 1985 und in den ersten Monaten des Jahrs 1986 (Seiten 268, 270) bedurfte es nicht, weil ein allfälliger schlechter Geschäftsgang während der erwähnten Zeit keine Rückschlüsse auf sein Vorhaben bei der Anwerbung und der Beschäftigung der Thailänderinnen zuläßt, sondern höchstens besagen könnte, daß sich seine finanziellen Erwartungen eben nicht erfüllt haben. Letztere Frage betrifft aber keine im Sinn des § 281 Abs. 1 Z. 5 StPO "entscheidende Tatsache".

Mit dem Einwand, im Nachtlokalgeschäft bestehe die Übung der Kellner, im vorhinein zu kassieren und die Gäste - auch während des Aufenthalts im Separee - durch wiederholte Nachfrage zu weiteren Bestellungen zu veranlassen, trifft der Nichtigkeitswerber nicht den Kern der Urteilsbegründung (Seite 293 f.): Weder der Umstand, daß vor dem Betreten des Separees kassiert wurde noch die Tatsache, daß der Kellner die Kunden auch im Separee aufsuchte, dienen im Urteil als Indiz für die Annahme eines von vornherein auf die Ausübung der Prostitution ausgerichteten Betriebs; maßgebend hiefür war vielmehr, daß der Kellner (für den Angeklagten) in solchen Fällen auch das Geld für den Geschlechtsverkehr schon im vorhinein kassierte und nach Ablauf einer halben Stunde den Kunden im Separee darauf aufmerksam machte, daß "die Zeit um" sei.

Die Annahme, daß alle drei Thailänderinnen vom Angeklagten für die Prostitution in Österreich angeworben und dieser zugeführt worden waren, ist denkrichtig mit der gleichzeitigen Auswahl und Anwerbung der gesamten Gruppe begründet worden (Seite 306). Die hieraus gefolgerte Einheitlichkeit des vom Beschwerdeführer hiebei verfolgten Vorhabens steht weder mit den Denkgesetzen noch mit der Lebenserfahrung im Widerspruch. Zudem wird in den Entscheidungsgründen - auch insoweit in Übereinstimmung mit dem Akteninhalt - darauf hingewiesen, daß alle drei Thailänderinnen beim Aufsuchen des Separees beobachtet worden sind (Seite 306 in Verbindung mit Seiten 52, 63, 82).

Diese zusätzliche Begründung übergeht der Beschwerdeführer, wenn er behauptet, für eine geschlechtliche Aktivität der Thailänderin C*** mit einem Gast in einem Separee läge überhaupt kein Beweis vor; die Nichtigkeitsbeschwerde wird daher in diesem Umfang nicht zu gesetzmäßiger Darstellung gebracht.

Gleiches gilt für das einleitende Vorbringen in der Rechtsrüge (Z. 9 lit. a), nach dem Ergebnis des Beweisverfahrens unter Einschluß der Verantwortung des Angeklagten seien nur drei bis vier Einzelakte geschlechtlicher Betätigung seitens der Thailänderinnen im Nachtlokal vorgefallen, die mangels eines Vorsatzes (Absicht) auf wiederkehrende Begehung zwecks Verschaffung einer fortlaufenden Einnahme nicht als gewerbsmäßige Ausübung der Unzucht anzusehen seien. Hiebei weicht der Beschwerdeführer nämlich von jener (wiederholt getroffenen) Urteilsfeststellung ab, derzufolge die Thailänderinnen im Nachtlokal des Angeklagten die Prostitution - also die gewerbsmäßige Unzucht (Dokumentation zum StGB, S. 198) - ausgeübt und sich nicht nur gelegentlich zu Unzuchthandlungen bereitgefunden haben (Seiten 289, 290, 292, 293, 298, 305, 307).

Auch mit dem Einwand des Angeklagten, sein Verhalten wäre weder als Anwerben noch als Zuführen im Sinn des § 217 Abs. 1 StGB anzusehen, weil hiefür weder die Bezahlung der Reisekosten und anderweitige Hilfestellung (insbesondere bei der Beschaffung der Visa) noch das Angebot oder das Inaussichtstellen einer Möglichkeit zur freiwilligen Ausübung der Prostitution genüge, läßt die Rechtsrüge eine prozeßordnungsgemäße Darstellung vermissen. Nach den in der Beschwerde ignorierten Urteilsfeststellungen hat der Angeklagte nämlich nicht nur im Weg eines einschlägigen ausländischen Etablissements auf die Ausländerinnen eingewirkt, um sie zur gewerbsmäßigen Prostitution in Österreich zu bewegen (Seite 288), und sie mithin angeworben (Leukauf-Steininger 2 § 217 StGB RN 5). Er hat darüber hinaus in der Folge zur Verwirklichung des kriminellen Unterfangens umfassend Vorschub geleistet, indem er Helmut A*** zur Erledigung der Einreiseformalitäten nach Bangkok sandte (Seiten 288 f.) und hierauf die Art der Prostitutionsausübung in seinem Lokal - einschließlich der Aufteilung des Schandlohns (Seite 292) - regelte sowie den Prostitutierten Anweisungen für die Verschleierung ihres Gewerbes vor der Polizei erteilte (Seite 295). Solcherart wirkte der Angeklagte mit Rat und Tat darauf hin, daß die drei Thailänderinnen in Österreich der gewerbsmäßigen Unzucht nachgehen konnten. Alle diese Feststellungen des Urteils übergeht der Rechtsmittelwerber mit seiner Rechtsrüge.

Damit hat er aber den Tatbestand des § 217 Abs. 1 StGB auch in der Begehungsform des Zuführens erfüllt, welches im Fall der §§ 215 und 217 StGB (anders als nach §§ 213, 214 StGB) kein unmittelbares Zustandebringen der persönlichen Annäherung zwischen den Unzuchtspartnern, d.h. keinen persönlichen Kontakt des Täters mit den Partnern, voraussetzt.

Der abschließenden Bezugnahme des Beschwerdeführers auf den Zweifelsgrundsatz (unter neuerlicher Wiederholung seiner leugnenden Verantwortung) ist zu erwidern, daß die Heranziehung dieses Grundsatzes (in dubio pro reo, in dubio mitius, praesumptio boni viri) das Aufzeigen von erheblichen Bedenken hinsichtlich entscheidender Tatsachen voraussetzt (vgl. §§ 281 Abs. 1 Z. 5, 362 Abs. 1 Z. 2 StPO), wovon aber, wie oben dargelegt, nicht gesprochen werden kann. Vielmehr ist das Gericht eindeutig von der in §§ 240 a Abs. 1, 258 Abs. 2, 305 Abs. 1 Ende und 325 Abs. 1 StPO vorgeschriebenen Überzeugung ausgegangen (vgl. 11 Os 191/72 u.a.). Da die Nichtigkeitsbeschwerde, soweit sie auf § 281 Abs. 1 Z. 5 StPO gestützt wird, zum Teil offenbar unbegründet, zum andern Teil nicht gesetzmäßig ausgeführt ist, soweit sie ferner den Grund der Z. 9 lit. a des § 281 Abs. 1 StPO releviert, zur Gänze nicht zu prozeßordnungsgemäßer Darstellung gebracht wird, war sie schon bei einer nichtöffentlichen Beratung teils gemäß § 285 d Abs. 1 Z. 2 StPO, teils gemäß § 285 d Abs. 1 Z. 1 StPO i.V.m.

§ 285 a Z. 2 StPO zurückzuweisen.

Für die Verhandlung und Entscheidung über die vom Angeklagten ebenfalls ergriffene Berufung wird ein Gerichtstag anberaumt werden (§ 296 Abs. 3 StPO).

Anmerkung

E10282

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1987:0130OS00004.87.0219.000

Dokumentnummer

JJT_19870219_OGH0002_0130OS00004_8700000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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