TE OGH 1987/2/24 14ObA5/87

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Veröffentlicht am 24.02.1987
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Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr.Petrasch als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Kuderna und Dr.Maier sowie die fachkundigen Laienrichter Dr.Walter Schaffelhofer und Franz Erwin Niemitz als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Karl F***, Arbeiter, 4483 Hargelsberg, Firsching 61, vertreten durch Dr. Heinrich Ehmer, Kammer für Arbeiter und Angestellte für Oberösterreich in Linz, dieser vertreten durch Dr. Harry Zamponi, Rechtsanwalt in Linz, wider die beklagte Partei S*** Zucker Gesellschaft mbH, 1031 Wien, Am Heumarkt 13, vertreten durch Dr. Rudolf Krilyszyn, Rechtsanwalt in Wien, wegen 60.000 S sA, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes Linz als Berufungsgerichtes in arbeitsgerichtlichen Rechtsstreitigkeiten vom 25.Juni 1986, GZ 12 Cg 12/86-14, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Arbeitsgerichtes Linz vom 3.Dezember 1985, GZ 2 Cr 175/85-9, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Der Kläger ist schuldig, der beklagten Partei die mit 3.397,35 S (darin 308,85 S Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger ist im Produktionsbetrieb der beklagten Partei in Enns als sogenannter "ständiger Arbeiter" beschäftigt. Die beklagte Partei, die ihre Zentrale in Wien hat, verfügt über zwei weitere Produktionsbetriebe in Hohenau und Leopoldsdorf. Ihre Rechtsvorgängerin, die S*** Zuckerfabriken Gesellschaft mbH, hatte schon vor dem Jahre 1975 in ihrem Werk Hohenau eine Darlehensaktion in der Form eingeführt, daß sie Firmendarlehen mit einer Gesamtlaufzeit von zehn Jahren gewährte, die in den ersten sechs Jahren zinsenfrei und in den restlichen vier Jahren mit 2,5 % über der jeweiligen Bankrate zu verzinsen waren.

Nachdem das ursprüngliche Vorhaben, ein Arbeiterwohnhaus zu errichten, fallen gelassen worden war, ersuchte der Betriebsrat des Werkes Enns die Unternehmensleitung im Jahre 1975, eine ähnliche Darlehensaktion auch in Enns einzuführen. Mit einem an die Fabriksdirektion Enns gerichteten Schreiben vom 2.Oktober 1975 erklärte sich die Geschäftsführung der Rechtsvorgängerin der beklagten Partei zu einer Darlehensaktion zugunsten der ständigen Angestellten und Arbeiter (ab fünfjähriger Betriebszugehörigkeit) ua nach folgender Maßgabe bereit:

"Die Gesellschaft stellt zur Erleichterung der Errichtung und Verbesserung von Eigenheimen ein Darlehenskapital bis zu 3,000.000,- S zur Verfügung. Im Rahmen dieser Summe werden einzelnen Bewerbern Baudarlehen in der Höhe von maximal 60.000,- S auf acht Jahre zinsenfrei gewährt. Voraussetzung ist die Hinterlegung einer Schuld- und Pfandbestellungsurkunde, welche vom Darlehensnehmer und dessen Gattin zu unterfertigen ist. Die Rückzahlungen haben in acht gleichen Jahresraten zu erfolgen.

Über diesen Betrag von 60.000,- S hinaus können weitere 40.000 S in Anspruch genommen werden, welcher Betrag jedoch sofort beginnend mit 6 % p.a. kontokorrentmäßig verzinst wird. In diesem Falle ist das gesamte Baudarlehen von 100.000,- S ebenfalls innerhalb von acht Jahren rückzuzahlen.

Bewerbern, die von den erwähnten Baudarlehen von 60.000,- S bzw. zusätzlich 40.000,- S keinen Gebrauch machen, werden Darlehen in der Größenordnung von 30.000,- S für Öl- bzw. Elektroheizungen, Umstellungen von Koks- auf Ölheizungen oder für Zu- und Umbauten auf maximal vier Jahre gegen Vorlage der Rechnungen zinsenfrei gewährt. Sollte innerhalb der Rückzahlungsperiode von acht Jahren der Lohn eines Zuckerarbeiters um mehr als 60 % gestiegen sein, ist die Gesellschaft berechtigt, den zu diesem Zeitpunkt noch aushaftenden Schuldbetrag in dem Ausmaß zu erhöhen, das der Erhöhung des Zuckerarbeiterlohnes entspricht.

Genauere Auskünfte werden von der administrativen Abteilung der Fabrik Enns erteilt und die Bewerber werden je nach ihrer Anmeldung der Reihe nach berücksichtigt."

Mit Schreiben vom 4. Oktober 1984 brachte die Geschäftsführung der beklagten Partei dem Zentralbetriebsrat zur Kenntnis, daß sämtliche Bedingungen für die Vergabe von Personaldarlehen jedweder Art mit sofortiger Wirkung außer Kraft treten und daß jegliche Neuvergabe von Personaldarlehen ab sofort eingestellt wird. Zugleich verwies die Geschäftsführung auf Gespräche über eine mögliche zukünftige Neueinführung.

Mit der am 23.September 1985 eingebrachten Klage begehrt der Kläger, die Beklagte schuldig zu erkennen, ihm binnen 14 Tagen 60.000,- S als zinsenloses Darlehen, rückzahlbar in acht gleichen Jahresraten, zu bezahlen. Er brachte vor, daß er entsprechend der bisherigen Übung Anspruch auf ein zinsenloses Darlehen in dieser Höhe zur Fertigstellung seines Eigenheimes habe. Die Darlehen seien bisher an die der beklagten Partei vom Betriebsrat bekanntgegebenen Arbeitnehmer jährlich in der gewünschten Höhe ausbezahlt worden, wobei der Betriebsrat bereits die mögliche jährliche Darlehensgesamtsumme eruiert habe. Die Erklärung der beklagten Partei, die Gewährung der Darlehen einzustellen, sei vom Zentralbetriebsrat als rechtswidrig zurückgewiesen worden. Trotz Aufforderung verweigere die beklagte Partei die Gewährung des Darlehens.

Die beklagte Partei beantragte, das Klagebegehren abzuweisen, und wendete ein, daß der Kläger keinen Anspruch auf Zuzählung eines Dienstnehmerdarlehens erworben habe. Die Darlehensaktion sei einseitig durch die Firmenleitung der beklagten Partei eingeführt worden und sollte den Arbeitnehmern eine gewisse Hilfestellung beim Erwerb eines Hauses oder einer Wohnung geben. Es habe sich dabei um eine betriebliche Wohlfahrtseinrichtung im Sinne des § 95 ArbVG gehandelt, welche den Arbeitnehmern durch die Zinsenersparnis wohl einen Vorteil habe zukommen lassen, aber keinen Entgeltscharakter gehabt habe. Über diese Wohlfahrtseinrichtung sei keinerlei Betriebsvereinbarung geschlossen worden. Die beklagte Partei habe die Wohlfahrtseinrichtung aus Kostengründen zulässigerweise aufgelöst und bereits an verschiedene Dienstnehmer in den Werken Hohenau und Leopoldsdorf Darlehen zu neuen Bedingungen gewährt. Der Zentralbetriebsrat habe der Einstellung der Gewährung zinsenloser Darlehen zwar widersprochen, es aber unterlassen, die Auflösung der Wohlfahrtseinrichtung beim Einigungsamt anzufechten. In der Tagsatzung vom 16. Oktober 1985 verlangte der miterschienene Betriebsratsobmann des Werkes Enns "formell" die Auszahlung eines Darlehens an den Kläger zu den im Schreiben der beklagten Partei vom 2.Oktober 1975 angeführten Bedingungen. Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es traf folgende Feststellungen:

Eine schriftliche Vereinbarung über die Darlehensaktion wurde zwischen dem Betriebsrat und der Geschäftsführung nicht abgeschlossen. Die einzelnen Dienstnehmer des Produktionsbetriebes Enns erhielten das Schreiben der Rechtsvorgängerin der beklagten Partei vom 2.Oktober 1975 nicht. In welcher Form die Dienstnehmer von der Darlehensaktion Kenntnis erhielten, steht nicht fest. Die gewährten Darlehen wurden dem laufenden Betriebskapital entnommen; ein eigener Fonds wurde nicht geschaffen. Die Zentralbuchhaltung der beklagten Partei in Wien führte für jeden Darlehensnehmer unabhängig von der Lohnverrechnung ein eigenes Konto, auf dem Darlehensnehmer, Darlehenssumme, aushaftendes Kapital und jährliche Rückzahlungen sowie allfällige Zinsenbelastungen ersichtlich waren. Über die offenen Posten wurde der Buchhaltung in Enns eine EDV-Liste zur Verfügung gestellt; daneben gab es noch eine händisch geführte Liste.

Von der ursprünglichen Forderung nach Hinterlegung einer Schuld- und Pfandbestellungsurkunde ging die Unternehmensleitung bei Darlehen unter 100.000,- S kurz nach Einführung der Aktion wieder ab. Die Darlehenswerber wandten sich mit ihren Wünschen an den Betriebsrat und ließen sich in eine Liste eintragen. Diese Liste legte der Betriebsrat nach Prüfung der Dringlichkeit und Notwendigkeit des Darlehens der Betriebsleitung einmal jährlich mit dem Ersuchen um Gewährung der Darlehen vor. Die Betriebsleitung prüfte, ob die Bewerber die geforderten Voraussetzungen aufwiesen, und leitete die Liste an die Geschäftsleitung in Wien weiter, die ihrerseits nur mehr darauf achtete, daß der Rahmenbetrag von 3,000.000,- S nicht zu weit überschritten wurde. War dies der Fall, ging die Liste zurück an den Betriebsrat, der einige Bewerber auf die nächsten Jahre zurückstellte. Auf diese Korrektur nahm die Geschäftsleitung keinen Einfluß.

Während in den ersten Jahren der Darlehensaktion der Gesamtbetrag von 3,000.0000,- S einige Male erheblich überschritten wurde, wurde er ab dem Jahre 1982 im wesentlichen eingehalten. Nach Information über den voraussichtlichen Eingang an Rückzahlungen schlug der Betriebsrat nicht mehr Bewerber vor, als Rückzahlungsbeträge für die Neugewährung von Darlehen zur Verfügung standen. Die einzelnen Bewerber erfuhren von der Genehmigung der Darlehen durch den für sie zuständigen Betriebsrat. Die Auszahlung erfolgte durch das Werk Enns.

Da die Ertragslage schlechter wurde, gab es bei der beklagten Partei seit dem Jahre 1983 Überlegungen, die bestehenden Richtlinien für die Darlehensgewährung zu ändern. Es fanden darüber auch Gespräche mit dem Betriebsrat statt. Nach der Einstellung der Darlehensaktion nahmen lediglich die Dienstnehmer der Werke Hohenau und Leopoldsdorf Darlehen nach den neuen Bedingungen in Anspruch. Die von der Geschäftsleitung angebotene Neueinführung für die Vergabe von Firmendarlehen sieht zwar höhere Darlehensbeträge, aber eine Verzinsung von 2 % über der jeweiligen Bankrate vor. Der Kläger hatte bereits im Jahre 1975 um ein Darlehen in der Höhe von 100.000,- S angesucht und dieses auch erhalten. Noch vor Einstellung der Aktion ließ er sich beim Betriebsratsobmann wiederum als Darlehensbewerber eintragen. Die Bewerberliste wurde jedoch auf Grund der inzwischen bekanntgegebenen Einstellung nicht mehr an die beklagte Partei weitergeleitet. Ein daraufhin mit Schreiben vom 30. Juli 1985 gefordertes zinsenloses Darlehen zu den bisherigen Bedingungen lehnte die beklagte Partei ab.

Rechtlich beurteilte das Erstgericht den Sachverhalt dahin, daß über die Darlehensaktion mangels Schriftlichkeit keine Betriebsvereinbarung abgeschlossen worden sei (§ 29 ArbVG). Es sei daher zu prüfen, ob es sich bei der Aktion der beklagten Partei um eine betriebliche Wohlfahrtseinrichtung im Sinne des § 95 ArbVG, die einen einzelvertraglichen Anspruch der Dienstnehmer auf diese Leistung ausschließe, oder um einen einzelvertraglichen Entgeltanspruch handle. Berücksichtige man einerseits, daß schon der geringste Grad einer Institutionalisierung der Wohlfahrtsmaßnahme, so etwa die bloße Verwaltung von Budgetposten, dem Begriff der Wohlfahrts"einrichtung" entspreche und es andererseits für einen gewissen generellen und dauernden Charakter genüge, daß die Maßnahmen eine regelmäßig wiederkehrende, den Dienstnehmern zugutekommende Begünstigung darstellen, so sei hier vom Vorliegen einer betrieblichen Wohlfahrtseinrichtung im Sinne des § 95 ArbVG auszugehen. Der Betriebsrat habe durch die Auswahl der Bewerber, die Vorprüfung, Anmeldung und Verständigung der Begünstigten zum Teil an der Verwaltung mitgewirkt. Ein Mitspracherecht über die Auflösung der Wohlfahrtseinrichtung im Sinne des § 95 Abs. 3 Z 2 ArbVG komme ihm aber nicht zu, weil eine Betriebsvereinbarung fehle und eine Beteiligung des Betriebsratsfonds oder der Arbeitnehmer nicht behauptet wurde.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers nicht Folge. Es verhandelte die Rechtssache gemäß § 25 Abs. 1 Z 3 ArbGG von neuem und traf dieselben Feststellungen wie das Erstgericht. Es vertrat ebenso wie dieses die Rechtsansicht, daß die Darlehensaktion der beklagten Partei als eine betriebliche Wohlfahrtseinrichtung im Sinne des § 95 Abs. 1 ArbVG anzusehen sei. Die beklagte Partei habe einen Budgetposten von 3,000.000,- S zur Verfügung gestellt, die Vergabe der Darlehen sei im Zusammenwirken mit dem Betriebsrat erfolgt und die Rückzahlung der Darlehen sei über eigene, von der Zentralbuchhaltung geführte Darlehenskonten abgewickelt worden. Damit sei das geforderte Mindestmaß an Institutionalisierung erfüllt. Eine Betriebsvereinbarung sei gemäß § 95 Abs. 2 ArbVG nicht zwingend vorgeschrieben. Nach § 95 Abs. 3 ArbVG könne eine Wohlfahrtseinrichtung vom Betriebsinhaber wieder aufgelöst werden. Da der Betriebsrat die Einstellung der Gewährung zinsenfreier Darlehen nicht angefochten habe, sei die Auflösung rechtswirksam geworden.

Gegen einen Entgeltcharakter der Gewährung der Darlehen spreche, daß der Darlehensrahmen auf 3,000.000,- S beschränkt und die Auswahl der Darlehensnehmer in das - wenn auch nicht ausgeübte - Ermessen der beklagten Partei gestellt gewesen sei. Es habe sich nicht um eine Gegenleistung für die Arbeitsleistung der Dienstnehmer gehandelt. Für einen einzelvertraglichen Anspruch des Klägers auf Gewährung eines Darlehens seien keine Anhaltspunkte aufzufinden, daß sich die Beklagte über den Umfang einer - einseitig auflösbaren - Wohlfahrtseinrichtung hinaus ihren Arbeitnehmern und insbesondere dem Kläger gegenüber verpflichten wollte, als zusätzliches Entgelt zinsenfreie Darlehen zu gewähren. Der Kläger könne sich daher auch nicht auf eine betriebliche Übung berufen. Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision des Klägers aus dem Grunde der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, die Urteile der Vorinstanzen dahin abzuändern, daß dem Klagebegehren stattgegeben werde. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt. Die beklagte Partei beantragte in ihrer Revisionsbeantwortung, der Revision keine Folge zu geben.

Der Revision kommt keine Berechtigung zu.

Rechtliche Beurteilung

Nach dem Arbeitsverfassungesetz liegt sowohl die Errichtung als auch grundsätzlich die Auflösung einer Wohlfahrtseinrichtung im Ermessen des Betriebsinhabers (Strasser, ArbR 2 II, 292), während jene freiwilligen Sozialleistungen, die nicht den Wohlfahrtseinrichtungen zuzurechnen sind, ihren ursprünglich freiwilligen Charakter verlieren und insofern Verpflichtungscharakter annehmen können, als sie auf konkludente Weise (§ 863 ABGB) Inhalt des Einzelvertrages werden (Eypeltauer,

Die Mitwirkung des Betriebsrates an betrieblichen Wohlfahrtseinrichtungen, DRdA 1986, 103). Es kommt daher im vorliegenden Fall wesentlich darauf an, ob die beklagte Partei durch ihre, nach dem Inkrafttreten des Arbeitsverfassungsgesetzes eingeführte Darlehensaktion eine betriebs- und unternehmenseigene Wohlfahrtseinrichtung im Sinne des § 95 ArbVG schuf, oder mit ihrem Schreiben vom 2.Oktober 1975 lediglich eine Offerte erstellte bzw. eine Vertragsschablone mit Offertcharakter vorlegte (Strasser, ArbVG-Komm 169 f; Floretta-Strasser, BRG-Komm 242 f), die durch schlüssige Zustimmung der Arbeitnehmer der beklagten Partei zum Inhalt auch des Einzelvertrages des Klägers wurde (Rummel in Rummel,

ABGB Rz 23 zu § 863; Arb. 9427; Arb. 9579; Arb. 9812 = DRdA 1981/3

= ZAS 1980/21; Arb. 9832; SZ 46/9; 52/76).

In der Revision vertritt der Kläger den Standpunkt, daß sich die beklagte Partei vorerst in ihrem Schreiben an die Werksleitung Enns ausdrücklich und in der Folge durch fast zehnjährige Übung den Arbeitnehmern gegenüber zur Gewährung zinsenfreier Darlehen verpflichtet habe. Da eine ausdrückliche Bezeichnung der Aktion als "Wohlfahrtseinrichtung" ebenso fehlt wie eine Betriebsvereinbarung darüber, ist vorerst zu prüfen, wie die Belegschaft dieses Verhalten der beklagten Partei objektiv nach den Grundsätzen des redlichen Verkehrs verstehen durfte (Gschnitzer in Klang 2 IV/1, 73 f; Koziol-Welser, Grundriß 7 I, 109 f; MGA ABGB 32 § 863 E 1 ff). Dabei kommt es aber nicht auf die Bezeichnung, sondern auf den Inhalt und die Ausgestaltung der Maßnahme an.

Der Revisionswerber geht nicht von den getroffenen Feststellungen aus, wenn er darlegt, es könne sich bei der Darlehensaktion der beklagten Partei schon deshalb um keine Wohlfahrtseinrichtung im Sinne des Arbeitsverfassungsgesetzes handeln, weil es bei dieser Einrichtung an jeder Organisation und Möglichkeit zur Verwaltung gefehlt habe; vielmehr sei eine mit Gehaltsvorschüssen vergleichbare Wohlfahrtsmaßnahme im Rahmen der normalen Betriebsorganisation erbracht worden. Diesen Ausführungen ist entgegenzuhalten, daß die beklagte Partei ihren Arbeitnehmern im Werk Enns einseitig und freiwillig - wenn auch auf Wunsch des Betriebsrates - eine Budgetpost von 3 Mio S, die nur am Anfang der Aktion überschritten werden durfte, zu Darlehenszwecken, gewidmet der Wohnraumbeschaffung, Wohnraumverbesserung und dergleichen, zur Verfügung stellte. Schon die Evidenzhaltung der Darlehensnehmer, der aushaftenden Beträge und der jährlichen Rückzahlungen samt allfälliger Zinsenbelastung auf separierten Konten erforderte jenes Mindestmaß an Institutionalisierung und innerer Organisation, das dem Begriff der "Einrichtung" entspricht. Eine eigene Organisationseinheit war dazu nicht notwendig (Strasser Komm.z.ArbVG 513; ähnl. ders. Arbeitsrecht 2 II 292). Über die offenen Posten wurde der Buchhaltung im Produktionsbetrieb Enns eine EDV-Liste zur Verfügung gestellt. Daneben gab es noch von Hand geführte Listen. Die Betriebsleitung prüfte, ob die Darlehenswerber die geforderten Voraussetzungen aufwiesen, und die Geschäftsleitung achtete auf die Einhaltung des Budgetrahmens. Wurde dieser zu weit überschritten, ging die Bewerberliste zur Selektion an den Betriebsrat zurück. Es gab somit auf dem Gebiet der Verwaltung sowohl Entscheidungen generellen als auch individuellen Inhalts (Eypeltauer aaO 110). Ebenso kann nicht bezweifelt werden, daß die Maßnahme der beklagten Partei einen auf Dauer angelegten Charakter aufwies (Strasser Komm.z.ArbVG, 513). Dieser ergibt sich nicht nur aus den langen Rückzahlungsfristen, sondern auch daraus, daß aus den rückfließenden Beträgen wieder Darlehen ausbezahlt wurden.

Im Rahmen der von der beklagten Partei geleisteten finanziellen und organisatorischen Ausstattung der Darlehensaktion kam dem Betriebsrat ein maßgebliches Mitwirkungsrecht an der Vergabe der einzelnen Darlehen und somit ein Recht auf Teilnahme an der Verwaltung über das gesetzlich geforderte Ausmaß hinaus (Floretta-Strasser, Kurzkomm.z.ArbVG, § 95 Anm. 3; Strasser, Komm.z.ArbVG 514) im Sinne des § 95 Abs. 1 ArbVG zu. Die in der Revision aufgestellte Behauptung, der Betriebsrat habe gar keine Möglichkeit zur Mitwirkung gehabt, entspricht nicht den Feststellungen. Nach diesen nahm der Betriebsrat vielmehr die Darlehenswünsche entgegen und trug diese in eine Liste ein. Er prüfte die Dringlichkeit und Notwendigkeit eines Darlehens. Erst nach dieser Prüfung leitete der Betriebsrat die Liste an die Betriebsleitung weiter, die ihrerseits noch einmal prüfte, ob die geforderten Voraussetzungen zutrafen. Erst dann kam es zu einer Weiterleitung an die Unternehmensleitung, die eine Reduzierung der Bewerber fordern konnte. Auch wenn es der Betriebsrat unterließ, Art und Umfang der Teilnahme mit der beklagten Partei durch eine (erzwingbare) Betriebsvereinbarung zu regeln, ändert dies nichts daran, daß der Betriebsrat entscheidend daran mitwirkte, wer von der Belegschaft ein Darlehen erhalten sollte.

Auch der Inhalt der Maßnahme der beklagten Partei spricht nicht gegen die Einordnung der Aktion als betriebliche Wohlfahrtseinrichtung. Neben Werksküchen und Kantinen, Werksläden, Kindergärten, Sport- und Fitnesseinrichtungen, Werkskinos, Erholungs- und Urlaubsheimen, Zubringerbussen, Pensions- und Unterstützungskassen werden auch stets Werkswohnungen als Musterbeispiele für Wohlfahrtseinrichtungen genannt (Strasser, Arbeitsrecht 2 II 292; Schwarz-Löschnigg, Arbeitsrecht 497; Eypeltauer aaO, 106; Arb. 3455). Auch wenn über die Richtlinien für die Vergabe von Werkswohnungen der Abschluß einer eigenen Betriebsvereinbarung zulässig ist (§ 97 Abs. 1 Z 7 ArbVG), ändert dies nichts daran, daß Werkswohnungen nach wie vor im Rahmen einer Wohlfahrtseinrichtung vergeben werden können (Strasser Komm.z.ArbVG, 512 f). Das von der beklagten Partei zur Verfügung gestellte Darlehenskapital sollte aber gerade das von der Beklagten aufgelassene Vorhaben der Errichtung eines Arbeiterwohnhauses ersetzen und den Arbeitnehmern die Schaffung und Verbesserung von Wohnraum erleichtern. Die zinsenfreien Darlehen dienten also einem ähnlichen sozialen Zweck zum Wohl der Arbeitnehmer wie die Zur-Verfügungstellung von Werkswohnungen.

Erfolgte die Zuwendung geldwerter Vorteile an die Belegschaft aber im Rahmen einer Wohlfahrtseinrichtung im Sinne des Arbeitsverfassungsgesetzes, so kann die daraus erfließende Begünstigung entgegen der Ansicht des Revisionswerbers nicht als "Entgelt" für die Arbeitsleistung der Dienstnehmer angesehen werden (Krejci in Rummel, ABGB Rz 17 zu § 1152; Arb. 7335). Abgesehen davon, daß bei Bestehen einer im Arbeitsverfassungsgesetz geregelten Wohlfahrtseinrichtung nicht mehr davon ausgegangen werden kann, daß die beklagte Partei die Darlehen vorbehaltslos und mit der Absicht, sich für die Zukunft zu verpflichten, gewährt hätte, ist der Entgeltscharakter der Darlehensaktion auch aus anderen Gründen zu verneinen. Der Begriff des "Entgelts" umfaßt zwar jede Leistung, die der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber dafür bekommt, daß er diesem seine Arbeitskraft zur Verfügung stellt; es ist aber nach der Rechtsprechung eine gewisse Regelmäßigkeit der Zuwendung erforderlich (Arb. 7170, 9430, 9798, 9942). Eine Behauptung, die beklagte Partei hätte die zinsenlosen Darlehen an einen Arbeitnehmer mehr als einmal gewährt, fehlt. Die Anspruchsvoraussetzungen wurden im Einzelfall stets vom Betriebsrat und der Unternehmensleitung geprüft, und die tatsächliche Gewährung eines Darlehens war nicht von vorneherein vorhersehbar, weil es nach den Feststellungen auch zur vorläufigen Ablehnung der Anträge oder Zurückstellung der Darlehenswünsche kommen konnte.

Anhaltspunkte dafür, daß sich die beklagte Partei über die einseitig auflösbare Wohlfahrtseinrichtung hinaus durch zusätzliche Ankündigungen und Zusagen oder eine darüber hinausgehende betriebliche Übung (Spielbüchler, DRdA 1981, 46 f; Mayer-Maly, ZAS 1980, 180 f und Richardi in ZAS 1974, 163 ff) allen oder einzelnen Dienstnehmern gegenüber zur Gewährung zinsenloser Darlehen verpflichtet hätte, sind ebenfalls weder behauptet worden noch hervorgekommen. Die sich über viele Jahre erstreckende Dauer der Maßnahme war Voraussetzung für ihre Qualifikation als eine auf gewisse Dauer angelegte Wohlfahrtseinrichtung und kann ihr daher nicht entgegengehalten werden. Die Bezugnahme auf das Einkommen der Dienstnehmer für ihre Rückzahlungspflicht betrifft ebenfalls nur die soziale Seite der Maßnahme. Gewährte das Gesetz aber eine Auflösungsmöglichkeit, so bedurfte es keines weiteren Vorbehalts des Widerrufs.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 41 und 50 ZPO.

Anmerkung

E10345

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1987:014OBA00005.87.0224.000

Dokumentnummer

JJT_19870224_OGH0002_014OBA00005_8700000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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