TE OGH 1987/3/3 5Ob171/86

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Veröffentlicht am 03.03.1987
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Marold als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr. Griehsler, Dr. Jensik, Dr. Zehetner und Dr. Klinger als Richter in der Mietrechtssache der Antragsteller 1) Silvia K***, Hausfrau, und

2) Josef S***, Arbeiter, beide wohnhaft in der Hasnerstraße 6, 4020 Linz, beide vertreten durch Wolfgang W***, Sekretär des Mieterschutzverbandes Österreichs, Landesleitung Oberösterreich, Museumstraße 5, 4020 Linz, wider die Antragsgegnerin Friedl P***-H***, Hauseigentümerin, Hasnerstraße 6, 4020 Linz, vertreten durch Dr. Walter Haslinger, Dr. Norbert Nagele jun. und Dr. Klaus Haslinger, Rechtsanwälte in Linz, infolge Revisionsrekurses der Antragsgegnerin gegen den Beschluß des Landesgerichtes Linz als Rekursgerichtes vom 26. August 1986, GZ 13 R 567/86-17, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Linz vom 23. Mai 1986, GZ 26 Msch 106/85-13, bestätigt wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden aufgehoben. Die Rechtssache wird zur Ergänzung des Verfahrens und neuerlichen Entscheidung in die erste Instanz zurückverwiesen. Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung:

Die Antragsteller haben mit dem Vertrag vom 1. November 1981 die in dem der Antragsgegnerin gehörigen Haus Hasnerstraße 6 in Linz im zweiten Stockwerk gelegene Garconniere und zwei weitere Zimmer mit insgesamt 66,5 m 2 Wohnnutzfläche für einen Mietzins von monatlich S 2.700,- gemietet. Die Garconniere war im Jahre 1974 aus einer sogenannten Bassenawohnung, deren Wasserentnahmestelle und WC sich außerhalb des Wohnverbandes befanden, unter Heranziehung finanzieller Mittel der Hauseigentümerin durch Installation eines WC, einer Gasetagenheizung, eines Waschbeckens und einer Badewanne - letzteres in der Küche - sowie durch Errichtung von Zwischenwänden, eines Estrichs und Verlegung von Spannteppichen hergestellt. Bei Übergabe des Mietgegenstandes wies die Küchendecke Sprünge und Farbabblätterungen größeren Umfanges und die Wohnzimmerdecke einige Farbabplatzungen auf und die Kastenstockfenster, die schon älterer Bauart sind, ermöglichten den Eintritt von Zugluft. Um das Eindringen kalter Luft zu vermeiden, legen die Antragsteller in den Wintermonaten Schaumstoffstreifen zwischen Innen- und Außenflügel dieser Fenster.

Die antragstellenden Mieter begehrten beim Magistrat der Stadt Linz die Entscheidung, daß es sich bei Garconniere um eine Wohnung der Ausstattungskategorie C und bei den beiden mitgemieteten 2 Wohnräumen um solche der Ausstattungskategorie D handle, für diese Objekte betrage ab Juli 1984 der ermäßigte Hauptmietzins S 718,74 bzw. S 306,99 und die Antragsgegnerin sei schuldig, die monatlich eingehobenen überhöhten Mietzinsbeträge von S 1.061,64 bzw. S 1.201,11 zurückzuzahlen.

Infolge Säumigkeit des angerufenen Magistrats begehrte die Antragsgegnerin die Entscheidung des Gerichtes.

Das Erstgericht erkannte mit Sachbeschluß unter Abweisung des Mehrbegehrens der Antragsteller, daß der gesetzlich zulässige Hauptmietzins für den gesamten Mietgegenstand, der zur Ausstattungskategorie C gehöre, ab 1. Juli 1984 monatlich S 1.216,95 zuzüglich 10 % Umsatzsteuer betrage.

Zur Begründung seiner Entscheidung führte das Erstgericht im wesentlichen an:

Wegen der in der Küche ohne Abtrennung installierten Badegelegenheit müsse die Wohnung, die mit Garconniere und den zwei mitgemieteten Wohnräumen eine Einheit darstelle, der Ausstattungskategorie C zugeordnet werden. Die Farbabblätterungen an der Decke der Küche und des Wohnzimmers hinderten zwar nicht den bedungenen Gebrauch dieser Wohnung, ließen aber die Qualifikation "ordnungsgemäßer Zustand" im Sinne des § 16 Abs 1 Z 5 und 6 MRG nicht zu. Ordnungsgemäß sei der Wohnungszustand nur, wenn die Benützung der Wohnung ohne Adaptierung oder Schönheitsreparatur im entsprechend angehobenen Standard möglich sei. Dies sei aber hier nicht der Fall gewesen, so daß der Herabsetzungsantrag der antragstellenden Mieter gemäß § 44 Abs 2 MRG berechtigt sei. Das Gericht zweiter Instanz bestätigte diese Entscheidung des Erstgerichtes und erklärte den weiteren Rekurs an den Obersten Gerichtshof für zulässig, weil es zur Frage des ordnungsgemäßen Zustandes der Wohnung im Sinne des § 16 Abs 1 Z 5 und 6 MRG keine höchstgerichtliche Rechtsprechung gebe.

Seine Entscheidung begründete das Rekursgericht im wesentlichen folgendermaßen:

Die behaupteten Verfahrensmängel und Aktenwidrigkeiten lägen nicht vor, die Beweiswürdigung und die darauf fußenden Tatsachenfeststellungen seien unbedenklich. Es sei von dem durch das Erstgericht festgestellten Sachverhalt auszugehen.

Der Begriff "ordnungsgemäßer Zustand" in § 16 Abs 1 Z 5 und 6 MRG drücke notwendigerweise einen besseren Erhaltungszustand aus als er in § 16 Abs 1 Z 1 bis 3 MRG für die Wohnungen der Kategorien A bis C mit dem Begriff "Brauchbarkeit" gefordert werde. Es müsse ein so hoher Standard verlangt werden, daß nicht einmal Schönheitsreparaturen erforderlich seien, wie Würth-Zingher in MRG 2 , Anmerkung 16 zu § 16 zutreffend ausführten. Ordnungsgemäß sei der Wohnungszustand nur, wenn sie sich bei Mietvertragsabschluß in einem solchen Zustand befinde, daß die sofortige Benützung im entsprechenden Standard ohne Adaptierung oder Schönheitsreparatur möglich ist. Zutreffend habe das Erstgericht einen derartigen Zustand der von den Antragstellern gemieteten Wohnung verneint. Die Ansicht der Antragsgegnerin, das Erstgericht hätte amtswegig prüfen müssen, ob die Voraussetzungen des § 16 Abs 1 Z 3 a MRG vorliegen, gehe ins Leere, weil Artikel IV Z 3 der Novelle 1985 klarstelle, daß die mit 1. Jänner 1986 in Kraft getretenen neuen bzw. geänderten Tatbestände für die Zulässigkeit des angemessenen Mietzinses nur auf Mietverträge anzuwenden sei, die nach dem 31. Dezember 1985 geschlossen wurden. Deshalb könnten sie einer erst nach diesem Zeitpunkt begehrten Ermäßigung nach § 44 MRG in Altverträgen nicht entgegenstehen (Würth-Zingher MRG `86 Anm. 3 zu Art IV Nov.`85 und Anm. 1 zu § 44 MRG). Die Entscheidung des Erstgerichtes sei frei von Rechtsirrtum.

Die Entscheidung des Gerichtes zweiter Instanz bekämpft die Antragsgegnerin mit Revisionsrekurs wegen Mangelhaftigkeit des Verfahrens, Aktenwidrigkeit und unrichtiger rechtlicher Beurteilung. Es wird der Hauptantrag gestellt, in Abänderung der angefochtenen Entscheidung die Anträge der beiden Mieter abzuweisen, und hilfsweise begehrt, die Entscheidung aufzuheben und die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Beschlußfassung in eine der beiden Vorinstanzen zurückzuverweisen.

Die Antragsteller haben in ihrer Rechtsmittelgegenschrift beantragt, diesem Rechtsmittel der Vermieterin nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist berechtigt.

Zunächst ist klarzustellen, daß das Rekursgericht zutreffend in Übereinstimmung mit Würth-Zingher in MRG `86 (Anm. 3 zu Art. IV Nov `85) die Anwendbarkeit des § 16 Abs 1 Z 3 a MRG auf den hier zur Entscheidung stehenden Fall verneint hat.

Der Mietvertrag der Parteien wurde vor dem Inkrafttreten des MRG unter dem Geltungsbereich des damals bestehenden Bestandrechtes geschlossen. Es war damals völlig herrschende Ansicht in Lehre und Rechtsprechung, daß § 1096 Abs 1 ABGB nachgiebiges und nicht zwingendes Recht beinhaltet, und an dieser Ansicht hat sich bis heute, auch unter dem Geltungsbereich des MRG, soweit dieses keine Sonderbestimmungen enthält, nichts geändert (vgl. Würth in Rummel, ABGB Rz 1 zu § 1096). Danach waren schon nach damaliger Ansicht offene, also bei Übernahme der Wohnung durch den Mieter in die Augen fallende Mängel spätestens zu diesem Zeitpunkt gegenüber dem Vermieter zu beanstanden, sonst wurde dies - entsprechend der Regel des § 928 Satz 1 erster Fall ABGB - als Gewährleistungsverzicht ausgelegt (vgl. Würth aaO Rz 2 mwN und Reischauer Anm. 1 zu § 928 ABGB bezüglich der Augenfälligkeit des Mangels). Diese Rechtsansicht wird auch der vom Gesetzgeber des MRG zum Ausdruck gebrachten unwiderlegbaren Annahme gerecht, daß der Mieter bei Abschluß des Mietvertrages wegen des ihn belastenden wirtschaftlichen Drucks (vgl. Würth-Zingher aaO Anm. 23 zu § 16 Abs 1 Z 7) in einem Zustand schutzwürdiger Schwächung der Willensfreiheit sei, weil ihn die Beanstandungspflicht nicht schon im Zeitpunkt des Vertragsschlusses, sondern erst in jenem der Übernahme des Mietgegenstandes trifft, und er in diesem Zeitpunkt bereits von der Sorge befreit ist, der Vermieter werde ihm diese Wohnung nicht in Bestand geben, so daß nun jede Schutzwürdigkeit wegen wirtschaftlicher Zwangslage des Mieters fehlt. § 1096 Abs 1 ABGB gibt dem Mieter vielmehr ausreichenden Schutz, seine Gewährleistungsansprüche durchzusetzen, ohne unbillige Nachteile in der eigenen Rechtsposition als Bestandnehmer zu riskieren. Es ist deshalb in der hier zur Entscheidung stehenden Sache vorerst festzustellen, ob die antragstellenden Mieter nach Abschluß des Mietvertrages, der ihre Rechtsposition gegenüber der Vermieterin endgültig und bindend festlegte, bei Übernahme der Wohnung die dabei in die Augen fallenden, dh. bei normaler, durchschnittlicher Sorgfalt eines Mieters ohne weiteres erkennbaren Mängel - hier jedenfalls also die Farbabblätterungen an den Decken der Küche und des Wohnzimmers, fraglich aber nach der Aktenlage die fehlende Abdichtung der Fenster, soferne diese überhaupt nach dem damaligen Stand der Bautechnik als mangelhaft zu bezeichnen ist - der Vermieterin gegenüber sofort beanstandet haben. Sollten sie dieser Rechtspflicht nicht nachgekommen sein, wäre ihr Antrag ohne weitere Erhebungen abzuweisen. Andernfalls wäre - da ja jetzt schon feststeht, daß die behaupteten Mängel von der Vermieterin bisher nicht behoben wurden - bezüglich der Fenster durch Sachverständigenbeweis, allenfalls auch

Lokalaugenschein - keinesfalls aber, wie dies durch das Erstgericht geschah, allein durch Aussagen von Zeugen und der Parteien, die ja nur über jetzt nicht mehr feststellbare Zustände Zeugnis ablegen können, während jetzt noch vorhandene Zustände durch Augenschein und/oder Befundaufnahme eines Sachverständigen zu ermitteln sind - Klarheit zu verschaffen, ob ihre Luftdurchlässigkeit das dem zur Zeit der Übergabe des Bestandgegenstandes maßgeblichen Stand der Bautechnik entsprechende Maß in beachtlicher Weise überschreitet bzw., falls seit damals eine Verschlechterung eintrat, damals überschritten hat. Es kann nämlich nicht schon jetzt auf Grund der Feststellungen der Vorinstanzen gesagt werden, daß die Fenster derart mangelhaft luftdicht sind bzw. waren, daß sie den ordnungsgemäßen Zustand der Wohnung im Sinne des § 16 Abs 1 Z 5 und 6 MRG vereitelt haben. Im wesentlichen Gleiches gilt auch bezüglich der Feststellungen über Art und Ausmaß der Farbabblätterungen in der Küche und im Wohnzimmer, denn diese können ebenfalls nur durch Augenschein und/oder Sachverständigenbefund, nicht aber durch Aussagen der Parteien oder von Zeugen allein festgestellt werden - diese Beweismittel sind nur für den jetzt nicht mehr feststellbaren seinerzeitigen Zustand zulässig, wenn dieser anders gewesen sein sollte als er heute ist. Diesbezüglich ist vor allem nach Art und Ausmaß der Abblätterungen festzustellen, ob es sich überhaupt um beachtliche Mängel handelt, dh. solche, die nach der zur Zeit der Übergabe des Bestandgegenstandes herrschenden allgemeinen Verkehrsauffassung nicht wegen ihrer Geringfügigkeit (sogenannte Bagatellschäden) ohnedies innerhalb der als zumutbar hinzunehmenden Toleranzgrenze des Zustandes der Wohnungsbemalung lagen, denn es hindert keinesfalls jeder kleine Schönheitsfehler die Ordnungsgemäßheit des Zustandes der Wohnung im Sinne des § 16 Abs 1 Z 5 und 6 MRG.

Aus diesen Erwägungen ist in Stattgebung des Revisionsrekurses der Antragsgegnerin die Rechtssache unter Aufhebung der Beschlüsse der Vorinstanzen zur Ergänzung des Verfahrens in der aufgezeigten Richtung und zur neuerlichen Entscheidung in die erste Instanz zurückzuverweisen.

Der Ausspruch über die Kosten des Rechtsmittelverfahrens beruht auf den §§ 37 Abs 3 Z 19 MRG und 50, 52 ZPO.

Anmerkung

E10365

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1987:0050OB00171.86.0303.000

Dokumentnummer

JJT_19870303_OGH0002_0050OB00171_8600000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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