TE OGH 1987/3/5 7Ob10/87

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Veröffentlicht am 05.03.1987
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Flick als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Kuderna, Dr.Wurz, Dr.Warta und Dr.Egermann als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. Heinrich S*** KG, Wien 9., Spittelauer Lände 13, vertreten durch Dr. Johannes Patzak, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei E*** N*** B*** Versicherungs-AG, Wien 9.,

Roßauer Lände 47-49, vertreten durch Dr.Otto Philp und Dr.Gottfried Zandl, Rechtsanwälte in Wien, wegen 204.000 S sA, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 28.November 1986, GZ 3 R 78/86-15, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Handelsgerichtes Wien vom 18.Februar 1986, GZ 31 Cg 293/85-11, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 7.928,25 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin 720,75 S Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin ist bei der Beklagten unter anderem gegen Haftpflicht versichert. Dem Versicherungsvertrag wurden die Allgemeinen und die Ergänzenden Allgemeinen Bedingungen für die Haftpflichtversicherung (AHVB 1978 und EHVB 1978) zugrundegelegt.

Art. 7.9.2 der AHVB 1978 lautet:

"Die Versicherung erstreckt sich nicht auf Schadenersatzverpflichtungen wegen Schäden an beweglichen Sachen, die bei oder infolge ihrer Benützung, Beförderung, Bearbeitung oder einer sonstigen Tätigkeit an oder mit ihnen entstehen."

Die Klägerin hatte im Auftrag der Firma F*** Plakatierungsaktionen durchzuführen. Zu diesem Zweck wurden ihr von der Firma F*** die Plakate zur Verfügung gestellt. Aus einem Versehen erfolgte die Plakatierung auftragswidrig auf eine Weise, die den Werbeeffekt der Plakate wesentlich beeinträchtigte. Im Auftrage der Firma F*** mußte die Klägerin daher die bereits angebrachten Plakate entfernen, wobei diese zerstört wurden. Für die nochmalige Affichierung wurden der Klägerin von der Auftraggeberin neue Plakate zur Verfügung gestellt. Für diese neuen Plakate mußte die Klägerin der Auftragsfirma 204.000 S zahlen, die sie nunmehr von der Beklagten aufgrund der bestehenden Betriebshaftpflichtversicherung ersetzt verlangt.

Die beiden Vorinstanzen haben das Klagebegehren abgewiesen, wobei das Berufungsgericht die Revision für zulässig erklärt hat. Rechtlich stützten beide Vorinstanzen ihre Klagsabweisung unter anderem auf die bereits erwähnte Bestimmung des Art. 7.9.2 der AKHB 1978. Im Gegensatz zum Erstgericht vertrat das Berufungsgericht darüber hinaus auch noch die Rechtsansicht, bei den begehrten Kosten handle es sich um solche, die im Rahmen der Vertragserfüllung aufgelaufen seien, weshalb diesbezüglich keine versicherungsrechtliche Deckung bestehe.

Rechtliche Beurteilung

Die von der Klägerin gegen die Entscheidung des Berufungsgerichtes wegen § 503 Abs. 1 Z 4 ZPO erhobene Revision ist nicht gerechtfertigt.

Der Oberste Gerichtshof teilt allerdings nicht die Rechtsansicht des Berufungsgerichtes, bei den eingeklagten Kosten handle es sich um solche, denen kein Schadenersatzanspruch zugrunde liege. Die Klägerin hatte den Auftrag erhalten, ihr zur Verfügung gestelltes Material auf eine bestimmte Weise für eine Plakatierungsaktion zu verwenden. Infolge rechtswidrigen und schuldhaften Vorgehens der Klägerin war die Affichierung des Materials auftragswidrig erfolgt. Dies erforderte eine Beseitigung des bereits angebrachten Materials, die nur unter dessen Zerstörung möglich war. Aus diesem Grunde mußte der Klägerin von der Auftragsfirma weiteres Material zur Verfügung gestellt werden. Infolge der auftragswidrigen Verwendung des zur Verfügung gestellten Materials und der damit verbundenen Zerstörung hatte die Auftragsfirma selbstverständlich gegen die Klägerin den Anspruch auf Ersatz des durch deren Verschulden zerstörten Materials. Dieser Fall ist vergleichbar mit jenem, bei dem das zur Verfügung gestellte Material, etwa bei einer Lagerung beim beauftragten Unternehmer durch Unachtsamkeit zerstört worden wäre. Auch in einem solchen Fall müßte die Klägerin der Auftragsfirma das Material ersetzen. In beiden Fällen handelt es sich eindeutig um einen Schadenersatzanspruch. Damit ist jedoch für die Klägerin nichts gewonnen.

Daß es sich bei den zur Verfügung gestellten Plakaten um bewegliche Sachen handelt, kann wohl auch die Klägerin nicht bestreiten. Die Plakate waren zur Erfüllung eines abgeschlossenen Werkvertrages bestimmt, der darin bestand, daß die Klägerin die Plakate auftragsgemäß zu affichieren hatte. Die Erfüllung des Auftrages hatte also eine Bearbeitung dieser Plakate zum Gegenstand. Wenn demnach infolge mangelhafter Erfüllung des Auftrages die Folgen der Bearbeitung beseitigt werden mußten, so handelt es sich dabei um eine Tätigkeit, die an diesen Plakaten auszuführen war. Die Zerstörung der Plakate zwecks Ermöglichung der vertragsmäßigen Ausführung des Auftrages stellt demnach eine Bearbeitung bzw. eine sonstige Tätigkeit an den beweglichen Sachen dar. Aus diesem Grunde ist die Rechtsansicht der Vorinstanzen zu billigen, daß der vorliegende Ersatzanspruch gemäß Art. 7.9.2 AHVB 1978 von der Deckung durch die Haftpflichtversicherung ausgeschlossen ist. Entgegen den Ausführungen der Revision handelt es sich bei dem Klagsbetrag auch nicht um Rettungskosten im Sinne des Art. 5.5. AHVB 1978. In Frage käme hier überhaupt nur der erste Fall. Was Rettungskosten sind, ergibt sich aus § 63 Abs. 1 VersVG. Darunter werden Aufwendungen verstanden, die der Versicherungsnehmer gemäß § 62 VersVG macht. § 63 VersVG ist demnach ein notwendiges Gegenstück zur Obliegenheit des § 62. Wenn der Versicherungsfall eingetreten ist oder unmittelbar bevorsteht und der versicherte Schaden nur noch durch Aufwand von Kosten bekämpft werden kann, so haftet der Versicherer, weil wirtschaftlich der Schaden in der Höhe dieser Kosten nicht abgewendet, sondern nur verlagert worden ist (Prölss-Martin VVG 23 , 376 f). Nach § 62 Abs. 1 VersVG ist der Versicherungsnehmer verpflichtet, beim Eintritt des Versicherungsfalles nach Möglichkeit für die Abwendung und Minderung des Schadens zu sorgen und dabei die Weisungen des Versicherers zu befolgen. Unter die Rettungspflicht und demnach auch unter die Rettungskosten fallen demnach nur Aufwendungen, die der Abwehr jener Schäden dienen, die der Versicherer zu decken hätte. Im vorliegenden Fall war das Zerstören der Plakate erforderlich, um der Klägerin die Erfüllung ihres Auftrages zu ermöglichen. Auf die ordnungsgemäße Erfüllung des Auftrages hatte die Auftraggeberin aber einen Gewährleistungsanspruch. Hätte die Klägerin die Plakate nicht zerstört, hätte sie ihren vertraglichen Verpflichtungen nicht nachkommen können. Die Zerstörung der Plakate diente demnach der Erfüllung einer Gewährleistungspflicht. Nach Art. 7 1.1.1.-3 AHVB 1978 fallen jedoch unter die Versicherung nicht Ansprüche aus Gewährleistung für Mängel und Ansprüche, soweit sie aufgrund eines Vertrages oder einer besonderen Zusage über den Umfang der gesetzlichen Schadenersatzpflicht hinausgehen sowie die Erfüllung von Verträgen und die an die Stelle der Erfüllung tretende Ersatzleistung. Daraus ergibt sich aber, daß die von der Klägerin geleistete Zahlung für die Plakate kein Rettungsaufwand sein kann. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41 und 50 ZPO.

Anmerkung

E10579

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1987:0070OB00010.87.0305.000

Dokumentnummer

JJT_19870305_OGH0002_0070OB00010_8700000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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