TE OGH 1987/3/10 2Ob13/87

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Veröffentlicht am 10.03.1987
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Scheiderbauer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Kralik, Dr.Melber, Dr.Huber und Dr.Egermann als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Sadik SEN, Schneider, derzeit ohne Beschäftigung, 1120 Wien, Bischoffgasse 16/15, vertreten durch Dr.Franz Bixner jun., Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagten Parteien 1. Celal ALP, Schneider, Diefenbachgasse 10-12/10/9, 1150 Wien,

2. V*** DER Ö*** B***,

Versicherungs-AG, Untere Donaustraße 47, 1020 Wien, beide vertreten durch Dr.Otto Hellwich, Rechtsanwalt in Wien, wegen 979.000 S sA, infolge Revisionsrekurses der klagenden Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Wien als Rekursgerichtes vom 29. Dezember 1986, GZ. 15 R 238/86-7, womit der Beschluß des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien vom 9.September 1986, GZ. 24 Cg 730/86-4, abgeändert wurde folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung:

Dr.Otto Hellwich erstattete namens beider beklagter Parteien die Klagebeantwortung. Hinsichtlich der zweitbeklagten Partei berief er sich auf eine erteilte Vollmacht (§ 30 Abs 2 ZPO), hinsichtlich des Erstbeklagten ersuchte er um Zulassung gemäß § 38 ZPO gegen Beibringung der Vollmacht bis zur ersten Streitverhandlung. Dies sei zur Vermeidung von Nachteilen für den Erstbeklagten erforderlich. Der Beklagtenvertreter habe von der Zweitbeklagten den Auftrag erhalten, beide Beklagten zu vertreten. Ein Schreiben an den Erstbeklagten um Erteilung der Vollmacht sei bisher unbeantwortet geblieben,

Das Erstgericht entsprach dem Antrag auf Zulassung gemäß § 38 ZPO nicht und wies die namens des Erstbeklagten erstattete Klagebeantwortung zurück. Die einstweilige Zulassung als Bevollmächtigter setze eine erfolgte Bevollmächtigung voraus. Eine solche sei nach dem Vorbringen nicht gegeben.

Das Rekursgericht änderte den Beschluß des Erstgerichtes dahin ab, daß Dr.Otto Hellwich hinsichtlich des Erstbeklagten gemäß § 38 ZPO gegen Beibringung der Vollmacht oder Berufung auf deren Erteilung bis zur ersten Streitverhandlung zugelassen und der Beschluß auf diesbezügliche Zurückweisung der Klagebeantwortung behoben werde. Wer, ohne die Bevollmächtigung nachweisen zu können, für eine Partei im Prozeß einschreite, könne zur Vornahme einzelner dringlicher Prozeßhandlungen nach Ermessen des Gerichtes zugelassen werden. Dies betreffe sowohl Personen, die zwar bevollmächtigt seien, aber beim Einschreiten die Vollmacht nicht urkundlich nachzuweisen vermögen, als auch Personen, die ohne Auftrag der Partei zu deren Nutzen einschreiten (Geschäftsführer ohne Auftrag). Im Hinblick auf die Vorschrift des § 30 Abs 2 ZPO sei eine vorläufige Zulassung gemäß § 38 ZPO für Rechtsanwälte nur dann notwendig und möglich, wenn sie überhaupt noch keine Vollmacht erhalten haben, also "Geschäftsführer ohne Auftrag" seien (Fasching, Zivilprozeßrecht, Rdz 434). Der Einschreiter habe somit im Gegensatz zur Auffassung des Erstgerichtes nicht ein Hindernis für seine vorläufige Zulassung behauptet, sondern deren zwingende Voraussetzung.

Der gegen den Beschluß des Rekursgerichtes erhobene Rekurs des Klägers ist nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurswerber vertritt die Ansicht, aus dem Wortlaut des § 38 Abs 1 ZPO (".... aber ohne die erfolgte Bevollmächtigung nachweisen zu können") ergebe sich zweifelsfrei, daß für die Anwendung dieser Bestimmung eine erteilte Vollmacht, die nur momentan nicht nachgewiesen werden könne, erforderlich sei. Die gegenteilige Judikatur von Gerichtshöfen zweiter Instanz, die aus der Zeit vor dem Zweiten Weltkrieg stamme, widerspreche dem Gesetz. Entgegen diesen Ausführungen entspricht die vom Rekursgericht vertretene Ansicht nicht nur der neueren Lehre (Fasching, Kommentar I 295; Fasching, Zivilprozeßrecht, Rdz 434; Holzhammer, Österreichisches Zivilprozeßrecht 2 100), sondern auch der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes (JBl 1962, 560, 7 Ob 706/77). Danach kann nicht nur ein Vertreter, der die bereits erteilte Vollmacht derzeit nicht nachweisen kann, gemäß § 38 ZPO einstweilen als Bevollmächtigter zugelassen werden, sondern auch derjenige, der noch keine Vollmacht besitzt. Es besteht keinerlei Anlaß, von dieser Rechtsprechung abzugehen.

Dem Revisionsrekurs war daher ein Erfolg zu versagen. Die Kostenentscheidung hatte zu entfallen, weil keine Kosten verzeichnet wurden.

Anmerkung

E10311

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1987:0020OB00013.87.0310.000

Dokumentnummer

JJT_19870310_OGH0002_0020OB00013_8700000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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