TE OGH 1987/3/24 4Ob332/87

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Veröffentlicht am 24.03.1987
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Resch als Vorsitzenden und durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Prof. Dr. Friedl sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kuderna, Dr. Gamerith und Dr. Maier als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Friedrich G***, Kaufmann, Graz, Wienerstraße 331, vertreten durch Dr. Josef Friedrich, Rechtsanwalt in Graz, wider die beklagte Partei E G M Elektro-Geräte-Möbel Import- und Handelsgesellschaft m.b.H., Wien 13., Lilienberggasse 13, vertreten durch Dr. Walter Prunbauer und Dr. Friedrich Prunbauer, Rechtsanwälte in Wien, wegen Unterlassung und Urteilsveröffentlichung (Streitwert im Provisorialverfahren S 320.000,--) infolge Revisionsrekurses der beklagten Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Graz als Rekursgerichtes vom 17. Juni 1986, GZ. 4 R 89/86-20, womit der Beschluß des Landesgerichtes für ZRS Graz vom 2. Mai 1986, GZ. 15 Cg 46/86-14, teilweise abgeändert wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Soweit sich der außerordentliche Revisionsrekurs gegen den aufhebenden Teil des angefochtenen Beschlusses (lit. a des Sicherungsbegehrens) wendet, wird er zurückgewiesen; im übrigen (lit. b des Sicherungsbegehrens) wird ihm nicht Folge gegeben. Die Beklagte hat die Kosten ihres Revisionsrekurses endgültig, der Kläger die Kosten seiner Revisionsrekursbeantwortung vorläufig selbst zu tragen.

Text

Begründung:

Die beklagte GmbH betreibt den Einzelhandel mit Elektrogeräten. Anläßlich der Eröffnung einer neuen Zweigniederlassung in Graz, Wiener Straße 54, veröffentlichte sie Ende Jänner 1986 (ua) in der "Neuen Kronen-Zeitung" ("Steirer Krone") und in der "Kleinen Zeitung", Ausgabe Graz, eine Reihe von Großinseraten, welche neben einem Hinweis auf diese "Neueröffnung" verschiedene "Angebote zu Super-Tiefstpreisen" enthielten (Beilagen D, D 1, E, G, H, J). Am unteren Rand dieser Anzeigen waren die Adressen aller Niederlassungen der Beklagten - "Wien 23., Altmannsdorfer Straße 158; Wien 21., Angererstraße 2-6, Linz, Unionstraße 39; Graz, Wiener Straße 54" - samt den entsprechenden Telefonnummern angeführt. Ein weiteres, ähnlich gestaltetes Inserat der Beklagten im "Kurier" vom 26. Jänner 1986 (Beilage F) unterschied sich von dieser Anzeigenserie vor allem durch das Fehlen einer Bezugnahme auf die Neueröffnung der Grazer Niederlassung; es enthielt darüber hinaus anstelle des Hinweises auf "Angebote zu Super-Tiefstpreisen" die - gleichfalls blickfangartig hervorgehobene - Ankündigung eines "Räumungsverkaufs zu Super-Tiefstpreisen" in Verbindung mit der - wesentlich kleiner gedruckten - Zeitangabe "18. 1. - 8. 2. 86". Zur Sicherung eines inhaltsgleichen, auf § 2 UWG gestützten Unterlassungsanspruches beantragt der klagende Mitbewerber, der Beklagten mit einstweiliger Verfügung im geschäftlichen Verkehr (ua) zu untersagen,

"a) Elektrowaren zu 'Tiefstpreisen' bzw. 'Super-Tiefstpreisen' oder mit einer gleichsinnigen Bezeichnung im Einzelhandel anzubieten, wenn der Kläger für Elektrowaren gleicher Type bzw. gleicher Ausstattung, Leistung und Wertigkeit niedrigere Preise, zumindest jedoch nicht höhere Preise als die von der Beklagten angebotenen, anbietet bzw. begehrt,

b) einen Räumungsverkauf für Elektrowaren in Ansehung einer in Graz gelegenen Betriebsstätte anzukündigen, wenn tatsächlich in dieser Betriebsstätte kein Räumungsverkauf stattfindet bzw. stattfinden soll".

Die Werbung der Beklagten mit "Super-Tiefstpreisen" sei deshalb unrichtig, weil Elektrogeräte derselben Ausstattung, Leistung und Wertigkeit im Unternehmen des Klägers billiger angeboten würden. Der in Beilage F angekündigte "Räumungsverkauf" habe zumindest in der Grazer Niederlassung der Beklagten nie stattgefunden. Die Beklagte hat sich gegen das Sicherungsbegehren ausgesprochen. Die Ankündigung von "Super-Tiefstpreisen" sei eine für jedermann sogleich als nicht ernst gemeint erkennbare reklamehafte Übertreibung gewesen; im übrigen habe es sich tatsächlich um "Tiefstpreise" gehandelt, die zur Zeit der Veröffentlichung der Inserate von keinem anderen Grazer Elektrohändler unterboten worden seien. Der im "Kurier" vom 26. Jänner 1986 enthaltene, objektiv unrichtige Hinweis auf einen "Räumungsverkauf" beruhe auf einem Irrtum der mit der Einschaltung der Inserate beauftragten Werbeagentur. Er habe schon deshalb niemanden irreführen können, weil die Beklagte zwar keinen "Räumungsverkauf", wohl aber eine "Eröffnungs-Preissenkungsaktion" durchgeführt und in deren Rahmen ihre Waren gleichfalls zu besonders vorteilhaften Bedingungen angeboten habe.

Das Erstgericht wies den Sicherungsantrag zu a) und b) ab. Das Angebot von "Super-Tiefstpreisen" in Verbindung mit dem Hinweis auf die Neueröffnung einer Niederlassung in Graz sei für jedermann als nicht ernst gemeinte, marktschreierische Anpreisung erkennbar und deshalb nicht zur Irreführung des angesprochenen Publikums geeignet gewesen. Der auf ein Verbot der Ankündigung eines "Räumungsverkaufes" gerichtete Antrag sei wegen Fehlens einer Wiederholungsgefahr abzuweisen gewesen.

Das Rekursgericht erkannte im Sinne des Sicherungsbegehrens zu

b) (Ankündigung eines "Räumungsverkaufes"); im übrigen, also in Ansehung des zu a) erhobenen Sicherungsantrages (Ankündigung von "Super-Tiefstpreisen"), hob es den Beschluß der ersten Instanz auf und verwies die Rechtssache insoweit zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung an das Erstgericht zurück. Zugleich sprach es aus, daß der Wert des von der Abänderung betroffenen Streitgegenstandes S 15.000, nicht aber S 300.000 übersteige und der Rekurs gegen diesen Teil der zweitinstanzlichen Entscheidung nach § 528 Abs. 2 iVm § 502 Abs. 4 Z 1 ZPO nicht zulässig sei. Durch die Berufung auf einen Irrtum - auch eines Dritten - könne die Vermutung der Wiederholungsgefahr nur dann widerlegt werden, wenn der Beklagte von sich aus alles getan habe, was seine Sinnesänderung nach außen klar erkennen lasse, also etwa den Fehler beseitigt und alles vorgekehrt habe, um eine Wiederholung eines gleichartigen Fehlers zu verhindern. Derartiges habe die Beklagte hier nicht einmal behauptet; sie habe weder ihrer Werbeagentur entsprechende Anweisungen gegeben und Sanktionen für den Wiederholungsfall angedroht, noch habe sie - etwa durch Veröffentlichung einer Berichtigung - den im Publikum entstandenen, objektiv unrichtigen Eindruck beseitigt, daß auch in ihrer Grazer Niederlassung ein "Räumungsverkauf" stattfinde. Auch das Beharren der Beklagten auf ihrer verfehlten Rechtsansicht stehe der Annahme eines Wegfalls der Wiederholungsgefahr entgegen. Da in der Grazer Filiale der Beklagten während des fraglichen Zeitraums ein "Räumungsverkauf" weder stattfinden sollte noch tatsächlich stattgefunden habe, sei die zu

b) beanstandete Ankündigung geeignet gewesen, die Leser der Zeitungsanzeige über eine günstige Einkaufsmöglichkeit in Irrtum zu führen und einen nicht unerheblichen Teil von ihnen zum Aufsuchen des Grazer Lokals der Beklagten zu veranlassen. Daß dort zwar kein "Räumungsverkauf", wohl aber ein "Verbilligungsaktion" anläßlich der Neueröffnung dieser Niederlassung stattfand, könne daran nichts ändern, zumal die Beklagte nicht bescheinigt habe, daß der Großteil des interessierten Publikums auf die Ankündigung einer Geschäftseröffnung in gleicher Weise reagiert hätte wie auf die beanstandete Ankündigung eines "Räumungsverkaufes". In Ansehung des zu a) erhobenen Sicherungsbegehrens (Verbot des Ankündigens von "Super-Tiefstpreisen") bedürfe es noch einer Verfahrensergänzung in erster Instanz.

Gegen den abändernden - und nach dem Inhalt der Rechtsmittelausführungen auch gegen den aufhebenden - Teil der Rekursentscheidung richtet sich der (außerordentliche) Revisionsrekurs der Beklagten mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluß im Sinne der Wiederherstellung des Beschlusses der ersten Instanz abzuändern.

Der Kläger, welchem gemäß § 508 a Abs. 2, § 528 Abs. 2 ZPO die Beantwortung dieses Rechtsmittels freigestellt wurde, beantragt, den außerordentlichen Revisionsrekurs "in allen Punkten als unzulässig zurückzuweisen", hilfsweise ihm nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

I. Soweit sich das Rechtsmittel der Beklagten gegen den aufhebenden Teil der Rekursentscheidung (lit. a des Sicherungsantrages) wendet, ist es wegen Fehlens eines Rechtskraftvorbehaltes nach § 527 Abs. 2 ZPO unzulässig und deshalb in diesem Umfang zurückzuweisen.

II. Im übrigen ist der Revisionsrekurs zwar zulässig, weil der Beantwortung der Frage, ob die unrichtige Ankündigung eines "Räumungsverkaufes" im Sinne des § 2 UWG zur Irreführung des angesprochenen Publikums geeignet ist, wenn stattdessen ein "Eröffnungsverkauf" zu gleichfalls stark reduzierten Preisen stattfindet, über den vorliegenden Rechtsstreit hinaus erhebliche Bedeutung für die Rechtseinheit, Rechtssicherheit und Rechtsentwicklung zukommt (§ 528 Abs. 2 iVm § 502 Abs. 4 Z 1 ZPO); er ist aber nicht berechtigt.

Der Rechtsmittelwerberin ist zuzugeben, daß die Beurteilung der Wirkung einer bestimmten Werbebehauptung auf die angesprochenen Verkehrskreise von der Rechtsprechung immer dann als Rechtsfrage behandelt wird, wenn dazu - wie hier - die Erfahrungssätze des täglichen Lebens genügen (SZ 47/31 = ÖBl. 1974, 117; SZ 49/70 = ÖBl. 1976, 101; ÖBl. 1977, 100; ÖBl. 1979, 73 uva, zuletzt insbesondere ÖBl. 1985, 105); auch unter diesem Gesichtspunkt erweist sich aber das vom Rekursgericht zu lit. b des Sicherungsbegehrens ausgesprochene Unterlassungsgebot als berechtigt:

Wie sich insbesondere auch aus § 1 Abs. 1 AusvG ergibt, läßt die Ankündigung eines "Räumungsverkaufes" erfahrungsgemäß auf die Absicht des betreffenden Unternehmers schließen, Waren in größerer Menge beschleunigt im Kleinverkauf abzusetzen; sie ist zugleich geeignet, bei den angesprochenen Kaufinteressenten den Eindruck zu erwecken, daß der Gewerbetreibende durch besondere Umstände genötigt sei, beschleunigt zu verkaufen, und deshalb seine Waren zu außerordentlich vorteilhaften Bedingungen oder Preisen anbiete. Ein so umfassender, gemäß § 2 AusvG an eine gewerbebehördliche Bewilligung gebundener Abverkauf großer Teile des gesamten Warenbestandes geht aber in jedem Fall weit über den von der Beklagten vor allem in den steirischen Tageszeitungen angekündigten "Eröffnungsverkauf" hinaus, bei welchem nur einige wenige, in den Anzeigen konkret angeführte Elektrogeräte anläßlich der Neueröffnung der Grazer Niederlassung zu "Super-Tiefstpreisen" angeboten wurden. Ein Kaufinteressent, der die Niederlassung der Beklagten in der Erwartung aufsucht, dort im Rahmen eines "Räumungsverkaufes" besonders preisgünstig einkaufen zu können, wird daher in dieser Erwartung ganz erheblich getäuscht werden, wenn er anstelle einer solchen Verkaufsveranstaltung ein auf ganz bestimmte Artikel beschränktes "Eröffnungsangebot" vorfindet. Unter diesen Umständen war aber die Ankündigung eines - tatsächlich gar nicht stattfindenden - "Räumungsverkaufes" durch die Beklagte sehr wohl geeignet, den Entschluß des angesprochenen Publikums, sich mit dem Angebot der Beklagten näher zu befassen und (auch) ihre Grazer Niederlassung aufzusuchen, maßgeblich zu beeinflussen und die Kaufinteressenten solcherart über eine vermeintlich besonders günstige Einkaufsmöglichkeit in Irrtum zu führen (§ 2 UWG). Daß ein dem beanstandeten Inserat (möglicherweise) zugrunde liegender Irrtum der Werbeagentur die Annahme einer Wiederholungsgefahr nach den Umständen des konkreten Falles nicht beseitigen kann, hat das Rekursgericht im Einklang mit der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes (ÖBl. 1973, 135; ÖBl. 1979, 80 ua) richtig erkannt. Da insoweit keine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung im Sinne des § 502 Abs. 4 Z 1 iVm § 528 Abs. 2 ZPO vorliegt, ist auf die gegenteiligen Rechtsmittelausführungen der Beklagten nicht weiter einzugehen.

Dem Revisionsrekurs war demnach insoweit, als er sich gegen das zu lit. b des Sicherungsbegehrens ausgesprochene Unterlassungsgebot richtet, nicht Folge zu geben und der angefochtene Beschluß in diesem Umfang zu bestätigen.

Die Kostenentscheidung beruht in Ansehung der Beklagten auf §§ 40, 50, 52 ZPO in Verbindung mit §§ 78, 402 Abs. 2 EO, in Ansehung des Klägers auf § 393 Abs. 1 EO.

Anmerkung

E10523

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1987:0040OB00332.87.0324.000

Dokumentnummer

JJT_19870324_OGH0002_0040OB00332_8700000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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