TE OGH 1987/4/7 5Ob536/87

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Veröffentlicht am 07.04.1987
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Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Marold als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr. Griehsler, Dr. Jensik, Dr. Zehetner und Dr. Klinger als Richter in der Pflegschaftssache des am 16. September 1980 geborenen minderjährigen Kindes Christian M***, Am Kinoplatz 2, 9020 Klagenfurt, infolge Revisionsrekurses der Mutter Waltraud M***, Angestellte, Am Kinoplatz 2, 9020 Klagenfurt, vertreten durch Dr. Franz Müller-Strobl, Rechtsanwalt in Klagenfurt, gegen den Beschluß des Landesgerichtes Klagenfurt als Rekursgerichtes vom 27. Februar 1987, GZ 1 R 94/87-38, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Klagenfurt vom 13. Jänner 1987, GZ 1 P 415/83-35, bestätigt wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Text

Begründung:

Die Eltern des am 16. September 1980 geborenen jetzt sechsjährigen Knaben haben mit dem vom Pflegschaftsgericht genehmigten Vergleich vom 2. Dezember 1982, als ihre am 3. März 1980 geschlossene Ehe im Einvernehmen geschieden wurde, vereinbart, daß die aus den familienrechtlichen Beziehungen zwischen Eltern und minderjährigen Kindern erfließenden rein persönlichen Rechte und Pflichten künftig allein der Mutter zustehen sollen (§ 177 Abs. 1 und § 144 ABGB). Die Regelung des persönlichen Verkehrs des Vaters mit dem Kind behielten sie sich vor (§ 55 a Abs. 2 Satz 2 EheG). Auf Antrag und über den Rekurs des Vaters wurde der persönliche Verkehr mit dem Kind durch den Beschluß des Rekursgerichtes vom 8. Juni 1984 dahin geregelt, daß der Vater das Kind an jedem ersten und dritten Samstag im Monat von 10.00 Uhr bis 17.00 Uhr zu sich nehmen dürfe.

Als der Vater am 24. Juni 1986 beantragte, ihm den nun schon sechs Jahre alten Sohn im Sommer für vierzehn Tage zu überlassen, weil er mit dem Kind einen Urlaub verbringen wolle, trat die Mutter diesem Verlangen entschieden entgegen. Das Kind sei nicht daran gewöhnt, anderswo zu übernachten, und benötige eine besondere Verköstigung. Das vom Erstgericht zur Stellungnahme aufgeforderte Jugendamt riet, einen gemeinsamen Urlaubsaufenthalt im Sommer 1987 dadurch vorzubereiten, daß das Kind an mehreren Wochenenden beim Vater übernachte. Dann könne festgestellt werden, ob dies dem Kind nachteilig sei. Erst auf Grund dieses Vorschlages beantragte der Vater, das ihm eingeräumte Besuchsrecht auszudehnen und ihm das Kind an zwei Wochenenden im Monat von Samstag 10.00 Uhr bis Sonntag 17.00 bis 18.00 Uhr zu überlassen, damit das Jugendamt feststellen könne, ob sich das Übernachten beim Vater positiv auswirke, und ihm dann den Knaben vom 11. Juli 1987 bis zum 18. Juli 1987 zu einem gemeinsamen Urlaub zu übergeben.

Die Mutter widersetzte sich auch diesem Begehren des Vaters. Der Vater lebe in Graz, das Kind mit der Mutter in Klagenfurt. Der Knabe fahre zwar gern im Auto, doch müsse es eine Strapaze für das Kind bedeuten, wenn es zweimal im Monat von Klagenfurt nach Graz und zurück gebracht werde. Sie selbst habe keine Eltern gehabt und sei im Kinderdorf aufgewachsen. Sie wolle verhindern, daß das Kind hin und her gerissen werde. Sie habe das Kind an eine besondere Ernährungsweise gewöhnt, die sie von ihrem Arbeitsplatz als Schwester im Gesundheitszentrum Golfhotel in Dellach kenne. Der Sohn sei jetzt gesund.

Das Erstgericht räumte dem Vater ein Besuchsrecht an jedem ersten und dritten Wochenende im Monat von Samstag 10.00 Uhr bis Sonntag 18.00 Uhr ein. Es hatte auf Grund der vorgenommenen Ermittlungen keine Bedenken gegen die Ausweitung des persönlichen Verkehrs des Vaters mit dem gemeinsamen Kind, weil es gerechtfertigt sei, durch die Verlängerung der Besuchszeit und die Übernachtung beim Vater dessen Beziehung zu dem nun schon sechs Jahre alten Sohn zu fördern. Der Vater sei bereit, sich an die Ernährungswünsche der Mutter zu halten. Ein gesundes sechsjähriges Kind könne auch die Fahrten zwischen dem Wohnort der Mutter und dem des Vaters ohne Schaden in einem Kraftfahrzeug zurücklegen.

Das von der Mutter angerufene Rekursgericht bestätigte und teilte die Ansicht des Erstgerichtes, es entspreche dem Wohl des Kindes, die Besuchskontakte auszubauen. Es sei kein Grund vorhanden, der gegen die neue Regelung spreche. Der Vater sei einsichtig und habe mit seinem Antrag nur den Vorschlag der Jugendwohlfahrtsbehörde aufgegriffen. Die Straßenverbindung zwischen Klagenfurt und Graz sei gut, das Kind fahre gern im Auto mit und werde durch die Autofahrten nicht unzumutbar belastet. Um dies zu beurteilen, bedürfe es nicht der von der Mutter im Rekurs beantragten Beiziehung eines Sachverständigen aus dem Fachgebiet der Heilpädagogik. Ob ein Bedürfnis bestehe, die Regelung abzuändern, wenn das Kind ab September 1987 die Schule besuchen werde, könne noch nicht beurteilt werden.

Die Mutter erhebt nun auch gegen den rekursgerichtlichen Beschluß Revisionsrekurs und meint, es komme in den Auswirkungen einer Nichtigkeit gleich, daß das Rekursgericht ihrem Antrag auf Einholung eines heilpädagogischen Gutachtens nicht nähertrat, weil sich daraus ergeben hätte, daß die Fahrten und die Übernachtung bei dem in Graz wohnenden Vater an zwei Wochenenden im Monat durch die längere Entfernung aus der gewohnten Umgebung zu einer Beunruhigung und Überforderung des Kindes führe und daß die Rückkehr des Kindes am Sonntag um 18.00 Uhr die erforderliche Entspannungs- und Vorbereitungszeit für den darauffolgenden Schultag nicht gewährleisten werde, wenn das Kind im Schuljahr 1987/1988 mit dem Besuch der Volksschule beginne.

Rechtliche Beurteilung

Nach § 16 Abs. 1 AußStrG findet gegen den bestätigenden Beschluß des Rekursgerichtes in den Gegenständen außer Streitsachen der Revisionsrekurs nur im Falle einer offenbaren Gesetz- oder Aktenwidrigkeit der Entscheidung oder einer begangenen Nichtigkeit statt. Keiner dieser Rechtsmittelgründe wird durch die Rechtsmittelwerberin aufgezeigt.

Als offenbare Gesetzwidrigkeit werden zwar auch Verstöße gegen Grundprinzipien des Rechts oder die gänzliche Außerachtlassung des im Pflegschaftsverfahren zu beachtenden Kindeswohls (§ 178 a ABGB;

EFSlg. 31.362) angesehen (EFSlg. 49.931; EFSlg. 49.932;

EFSlg. 47.208 uva.), doch macht die Mutter einen Verfahrensmangel geltend, der ihrer Ansicht nach das Gewicht einer Nichtigkeit erreicht. Ein solcher Verfahrensverstoß, der im Rahmen eines Revisionsrekurses nach § 16 Abs. 1 AußStrG wahrgenommen werden könnte, liegt aber nur vor, wenn die dem Gericht im Sinne des § 2 Abs. 2 Z 5 AußStrG obliegende Stoffsammlung so mangelhaft geblieben ist, daß dadurch das Wohl des Kindes vollkommen außer acht gelassen würde (EFSlg. 49.982; EFSlg. 47.255; EFSlg. 44.696 uva). Dies ist nicht der Fall, wenn die Tatsacheninstanzen nach der Erhebung aller Umstände selbständig beurteilten, ob aus der im Interesse des sechsjährigen Knaben liegenden der Vorbereitung eines gemeinsamen Urlaubs dienenden Erweiterung der für den persönlichen Verkehr des Vaters zu dem Kind (§ 148 Abs. 1 Satz 1 ABGB) zur Verfügung stehenden Zeit eine ernste Beeinträchtigung des Kindeswohls zu besorgen ist, die nicht durch die Erfüllung der Vater und Mutter obliegenden Pflicht abgewendet werden kann, die Liebe und Zuneigung des Kindes zu beiden Elternteilen zu fördern. Diese auch der Mutter, der die Erziehung des Kindes übertragen ist, zukommende Aufgabe, die Beziehung des Kindes zum Vater zu fördern, ist gerade nach dem Scheitern der Ehe der Eltern für das richtig verstandene Kindeswohl, die Charakterbildung und das seelische Gleichgewicht des Kindes besonders bedeutsam (EFSlg. 48.345; EFSlg. 43.231;

EFSlg. 43.225 uva.). Erfüllt die Mutter ihre Pflicht, wie dies von jedem Erziehungsberechtigten erwartet werden kann, sind ihre im Rechtsmittelverfahren geäußerten Befürchtungen nicht begründet. Es kann daher keine Rede sein, daß die Nichtbeiziehung des Sachverständigen aus dem Fache der Heilpädagogik einen dem Gewicht nach einer Nichtigkeit gleichkommenden Verfahrensmangel bildet, weil das Kind gesund und bisher durch die zwischen den Eltern bestehenden Meinungsunterschiede über die Besuchsrechtsausübung offenbar noch nicht psychisch beeinträchtigt ist und dies bei vernünftiger Gestaltung des persönlichen Verkehrs des Vaters mit seinem Sohn auch vermieden werden kann.

Ein die Anfechtung der bestätigenden Entscheidung nach § 16 Abs. 1 AußStrG eröffnender Rechtsmittelgrund steht der Mutter also nicht zur Verfügung, weil die Entscheidung der zweiten Instanz weder nichtig noch offenbar gesetzwidrig ist.

Ihr Revisionsrekurs ist daher zurückzuweisen.

Anmerkung

E10725

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1987:0050OB00536.87.0407.000

Dokumentnummer

JJT_19870407_OGH0002_0050OB00536_8700000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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