TE OGH 1987/4/7 5Ob533/87

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Veröffentlicht am 07.04.1987
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Marold als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Griehsler, Dr. Jensik, Dr. Zehetner und Dr. Klinger als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Firma W*** P***, Pelzindustrie Gesellschaft mbH & Co. KG, 6845 Hohenems, Kaiserin Elisabeth-Straße 10-12, vertreten durch Dr. Gerold Hirn und Dr. Burkhard Hirn, Rechtsanwälte in Feldkirch, wider die beklagte Partei Firma P*** BV Autoteppiche, Autoschonbezüge, NL-5753 PB Deurne, Industrieweg 7, vertreten durch Dr. Fritz Schuler, Rechtsanwalt in Bregenz, wegen S 2,449.665,80 samt Anhang, infolge der Revisionsrekurse beider Streitteile gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Innbruck als Rekursgerichtes vom 16. Jänner 1987, GZ 1 R 406, 407/86-20, womit der Beschluß des Landesgerichtes Feldkirch vom 23. Oktober 1986, GZ 8 Cg 151/86-13, teilweise abgeändert wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Der Revisionsrekurs der klagenden Partei wird zurückgewiesen. Die beklagte Partei hat die Kosten ihrer Revisionsrekursbeantwortung selbst zu tragen.

Dem Revisionsrekurs der beklagten Partei wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 15.874,65 bestimmten Kosten ihrer Revisionsrekursbeantwortung (darin enthalten S 1.443,15 an Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Begründung:

Mit der am 24. April 1986 beim Erstgericht eingelangten Klage begehrte die Klägerin von der Beklagten, welche ihren Sitz in den Niederlanden hat, den Betrag von S 2,449.665,80 für mehrere Lieferungen von Maßbezügen für Personenkraftwagen. Die Zuständigkeit des Erstgerichtes stützte die Klägerin auf § 87 a, § 88 Abs 1 und 2 und § 104 JN "sowie überhaupt auf die Bestimmungen der Jurisdiktionsnorm". Die Beklagte erhob unter anderem die Einrede der örtlichen Unzuständigkeit.

Das Erstgericht wies die Klage zurück, weil kein einziger der von der Klägerin geltend gemachten Zuständigkeitsgründe einer genauen Überprüfung standhalte.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs der Klägerin teilweise Folge und änderte den erstgerichtlichen Beschluß dahin ab, daß er unter Einbeziehung des bestätigten Teils zu lauten habe:

"Die Klage wird hinsichtlich der Teilforderung von

S 1,952.250,-- samt 12 % Zinsen seit 1. September 1985 wegen örtlicher Unzuständigkeit des Landesgerichtes Feldkirch zurückgewiesen.

Hinsichtlich der restlichen Klagsforderung von S 497.415,80 samt 12 % Zinsen seit 1. September 1985 wird hingegen die Einrede der örtlichen Unzuständigkeit verworfen."

Das Rekursgericht ging davon aus, daß hinsichtlich des offenen Betrages der Rechnungen vom 30. August 1985 bis zum 26. Oktober 1985 von insgesamt S 379.885,80 der Gerichtsstand nach § 87 a JN, hinsichtlich des offenen Betrages der Rechnungen vom 4. November 1985 von insgesamt S 117.530,-- der Gerichtsstand nach § 88 Abs 2 JN gegeben sei. Lediglich in Ansehung des offenen Betrages der Rechnungen vom 26. November 1985 über S 1,952.250,-- verneinte es gleich dem Erstgericht das Vorliegen aller geltend gemachten Gerichtsstände.

Gegen den bestätigenden Teil der rekursgerichtlichen Entscheidung richtet sich der Revisionsrekurs der Klägerin, gegen den abändernden Teil der Revisionsrekurs der Beklagten. Beide Streitteile beantragen in ihren Revisionsrekursbeantwortungen, dem Rechtsmittel der Gegenseite nicht Folge zu geben.

Der Revisionsrekurs der Klägerin ist gemäß § 528 Abs 1 Z 1 ZPO unzulässig. Die Beklagte hat die Kosten ihrer Revisionsrekursbeantwortung selbst zu tragen, weil sie auf die Unzulässigkeit des Revisionsrekurses nicht hingewiesen hat.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs der Beklagten ist nicht berechtigt. Die Beklagte führt, aus, der Gerichtsstand des § 87 a JN sei vom Rekursgericht deshalb zu Unrecht bejaht worden, weil die Klägerin weder behauptet noch urkundlich nachgewiesen habe, daß sie protokollierter Kaufmann sei, und die Beklagte Ausländerin sei. Der Gerichtsstand des § 88 Abs 2 JN sei deshalb nicht gegeben, weil die Beklagte nach den Feststellungen des Erstgerichtes die Rechnungen vom 4. November 1985 über den Gesamtbetrag von S 117.530,-- nicht nur wegen des Verlangens nach Barzahlung per Nachnahme, sondern hauptsächlich wegen Unrichtigkeit des Gesamtbetrages nicht angenommen, beanständet und mit Schreiben vom 8. November 1985 an die Klägerin zurückgeschickt habe. Dazu ist wie folgt Stellung zu nehmen:

Was zunächst den Gerichtsstand des § 87 a JN betrifft, so ist es zwar richtig, daß dieser nur von protokollierten Kaufleuten in Anspruch genommen werden kann. Es ist aber eine offenkundige Tatsache im Sinne des § 269 ZPO, die keines Beweises und nicht einmal einer Behauptung bedarf (Fasching, Lehrbuch, Rz 852), daß die Klägerin eine im Handelsregister des Erstgerichtes zu HRA 2182 eingetragene GesmbH & Co KG ist. Der Gerichtsstand des § 87 a JN kann auch ausländischen Kaufleuten gegenüber begründet werden (ebenso in bezug auf den Fakturengerichtsstand Fasching, Kommentar I 448 f, GlUNF 1995 und 6 Ob 706/84). Daß die übrigen Voraussetzungen des § 87 a JN hinsichtlich des Klageteilbetrages von S 379.885,80 nach den Feststellungen des Erstgerichtes gegeben sind, wird von der Beklagten nicht in Zweifel gezogen. Sie läßt auch (mit Recht) die von der erstgerichtlichen Rechtsansicht abweichende Rechtsauffassung des Rekursgerichtes unwidersprochen, daß diese Voraussetzungen nicht bei sonstiger Zurückweisung der Klage zur Gänze in bezug auf sämtliche in einer Klage geltend gemachten Warenforderungen zutreffen müssen.

Was sodann den Gerichtsstand des § 88 Abs 2 Jn anlangt, so hat das Erstgericht festgestellt, daß die Beklagte "die Rechnungen" der Klägerin nie unbeanstandet angenommen hat. Bereits die ersten Rechnungen der Klägerin vom 30. August 1985 wurden hinsichtlich der Preise bemängelt. Dies war auch in Ansehung der folgenden Rechnungen der Klägerin vom 11. und 23. September 1985 der Fall. Nach Erhalt der Rechnungen der Klägerin vom 27. September und 11. sowie 26. Oktober 1985 teilte die Beklagte der Klägerin unter anderem mit, es werde notwendig sein, endgültige Preisabmachungen zu treffen. Mit Fernschreiben vom 5. November 1985 stornierte die Beklagte schließlich alle ihre Aufträge, weil die Klägerin kein einziges Mal ihre Versprechungen gehalten habe und alle verrechneten Preise um 10 % zu hoch seien. Die Lieferung der Waren, die Gegenstand der Rechnungen der Klägerin vom 4. November 1985 über insgesamt S 117.530,-- waren, wurde von der Beklagten nicht mehr angenommen, weil der Spediteur Barzahlung per Nachnahme verlangte. Diese Rechnungen schickte die Beklagte der Klägerin mit Schreiben vom 8. November 1985 unter Hinweis darauf zurück, daß sie die betreffenden Waren nicht empfangen habe. In rechtlicher Beziehung führte das Erstgericht aus, daß der Fakturengerichtsstand auch hinsichtlich der Rechnungen vom 4. November 1985 mangels deren unbeanstandeter Annahme nicht zum Zuge komme. Das Rekursgericht war der Meinung, daß die in Rede stehenden Rechnungen nicht im Sinne des § 88 Abs 2 JN beanstandet worden seien, weil die bloße Zurückweisung der Ware wegen der darauf haftenden Nachnahme die Begründung des Fakturengerichtsstandes nicht ausschließen könne (Fasching, Kommentar I 451; ZBl. 1920/229). Der Oberste Gerichtshof pflichtet dem Rekursgericht darin bei, daß aufgrund der Tatsachenfeststellungen des Erstgerichtes keiner der Tatbestände vorliegt, die gemäß § 88 Abs 2 JN ungeachtet des (von den Vorinstanzen hier festgestellten) Zutreffens der sonstigen Voraussetzungen dieser Gesetzesstelle das Entstehen des Fakturengerichtsstandes verhindern: Daß auch die Rechnungen der Klägerin vom 4. November 1985 im allgemeinen oder in bezug auf die darin enthaltenen Gerichtsstandsvermerke beanstandet worden wären, wurde ebensowenig konkret festgestellt wie der Umstand, daß die Rechnungen ohne Bemerkung zurückgestellt oder die fakturierten Sendungen als nicht bestellt zurückgewiesen worden wären. Die Zurückstellung der Rechnungen mit der Bemerkung, daß die betreffenden Waren nicht empfangen worden seien, konnte im gegenständlichen Fall keine weitergehende Wirkung als die bloße Zurückweisung der Ware wegen der darauf haftenden Nachnahme entfalten, weil der mangelnde Empfang der Waren eben auf deren wegen der verlangten Nachnahme erfolgten Zurückweisung durch die Beklagte zurückzuführen war.

Dem Revisionsrekurs der Beklagten war daher ein Erfolg zu versagen.

Die Entscheidung über die Kosten der Revisionsrekursbeantwortung der Klägerin beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.

Anmerkung

E10730

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1987:0050OB00533.87.0407.000

Dokumentnummer

JJT_19870407_OGH0002_0050OB00533_8700000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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