TE OGH 1987/4/8 1Ob510/87

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Veröffentlicht am 08.04.1987
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schragel als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schubert, Dr. Gamerith, Dr. Hofmann und Dr. Schlosser als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. Walter P***, Rechtsanwalt, Wien 1., Mahlerstraße 7, als Masseverwalter im Konkurs der Firma W*** Gesellschaft mbH wider die beklagte Partei V*** UND A*** FÜR L*** F*** & L***

Gesellschaft mbH, Wien 23., Liesinger Flurgasse 3, vertreten durch Dr. Andreas Puletz und Dr. Franz Stadler, Rechtsanwälte in Wien, wegen S 3,646.000,-- samt Anhang infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 26. September 1986, GZ 3 R 75/86-18, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Handelsgerichtes Wien vom 12. Dezember 1985, GZ 13 Cg 6/85-13, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben. Die Urteile der Vorinstanzen werden aufgehoben, die Rechtssache wird an das Prozeßgericht erster Instanz zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen. Die Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Prozeßkosten.

Text

Begründung:

Die Firma W*** G*** MBH (im folgenden: Gemeinschuldnerin) war Eigentümerin der Liegenschaft EZ 358 KG Möllersdorf. Diese Liegenschaft war mit einer Höchstbetragshypothek von S 10,2 Mio zugunsten des Bankhauses F*** & CO AG belastet. Der Kläger als Masseverwalter im Konkurs der Gemeinschuldnerin sollte mit Genehmigung des Gläubigerausschusses versuchen, diese Liegenschaft freihändig zu veräußern. Nach einem Schätzungsgutachten betrug der Wert der Liegenschaft S 6,346.000. Am 14. Jänner 1983 kam es zwischen den Streitteilen zu Verkaufsgesprächen. Dabei teilte der Kläger den Geschäftsführern der beklagten Partei mit, daß ihn die von ihnen angeführten tatsächlichen und rechtlichen Schwierigkeiten bei Ankauf der Liegenschaft nicht interessierten, der Verkauf werde seitens der Konkursmasse ohne Gewährleistung erfolgen. Mit Schreiben vom 19. Jänner 1983 stellte die beklagte Partei an den Kläger ein Anbot zum Kauf der Liegenschaft EZ 358 KG Möllersdorf zum Barkaufpreis von S 3,8 Mio; sie erklärte, mit diesem Anbot vier Wochen im Wort zu bleiben. Da das Bankhaus F*** & CO AG, dem der Kläger das Anbot übermittelt hatte, innerhalb der Frist von vier Wochen dem Verkauf nicht zustimmte, kam es nicht zum Vertragsabschluß. Nach der Ablehnung des Anbotes der beklagten Partei durch die Bank erklärte der Kläger einem der einzelvertretungsbefugten Geschäftsführer der beklagten Partei, daß die beklagte Partei direkt mit dem Bankhaus F*** & CO AG verhandeln solle, da sich dieses bei einem brauchbaren Anbot ohnedies mit dem Kläger in Verbindung setzen werde. Der Kläger teilte auch Dr. Erich H*** vom Bankhaus F*** & CO AG mit, daß dieser mit den Interessenten direkt verhandeln und den Kläger bei einem für die Bank als Hypothekargläubigerin akzeptablen Anbot verständigen solle. In der Folge kam es zu Gesprächen zwischen der beklagten Partei und dem Bankhaus F*** & CO AG. Das letzte dieser Gespräche wurde am 23. März 1983 zwischen Dr. Erich H*** und dem Geschäftsführer der beklagten Partei Dkfm. Hartmann S*** geführt. Dabei wurde über verschiedene Varianten des Kaufpreises und der Finanzierung gesprochen. Eine Variante sah Barzahlung beim Verkaufsabschluß vor, eine ging von Zahlung nach drei oder vier Monaten aus, eine weitere von einem geringsten Schätzwert von S 6,343.000, das Zahlungsziel sollte dann aber zinsenfrei bis ins Jahr 1984 reichen, was eine Reduktion des Betrages von S 6,343.000 bedeutet hätte. Bei sofortiger Barzahlung wurde von der beklagten Partei S 5,3 Mio vorgeschlagen. Dr. Erich H*** übernahm es, gegenüber seinem Gesprächspartner Dkfm. Hartmut S*** die von der beklagten Partei stammenden Variantenvorschläge mit dem Vorstand der Bank und dem Kläger zu besprechen. Über andere die Liegenschaft betreffende Probleme (Versorgungseinrichtungen der Produktionshalle, Trink- und Nutzwasserversorgung, Trafostation, Zugang und Zufahrt zur Halle) wurde nicht gesprochen. Dr. Erich H*** suchte am 30. März 1983 den Kläger in seiner Kanzlei auf. Er teilte dem Kläger mit, er hätte ein verbindliches Anbot der beklagten Partei über S 6,346.000. Von dieser Summe sollten 10 % sofort bei Abschluß des Kaufvertrages gezahlt werden, der Rest in drei zinsenlosen Raten zu je 30 % der Kaufsumme, zahlbar Ende 1983, Mitte 1984 und Ende 1984. Der Kläger erklärte, daß er mit diesem Kaufpreis vorbehaltlich der Zustimmung des Gläubigerausschusses einverstanden sei. Er wies gleichzeitig darauf hin, daß die in sechs bis acht Wochen erwartete Zustimmung des Gläubigerausschusses als sicher gelten könne und der Vorbehalt daher nur formaler Natur sei. Der Kläger bat Dr. Erich H***, mit der beklagten Partei noch Kontakt aufzunehmen, damit die beklagte Partei ein schriftliches Anbot als Unterlage für die Gläubigerausschußsitzung unterbreite. Dr. Erich H*** informierte Ende März 1983 die beklagte Partei, daß der Kläger vorbehaltlich der Zustimmung des Gläubigerausschusses mit der Variante 3 der beklagten Partei also der zinsenlosen Zahlung des Betrages von S 6,436.000 in Teilbeträgen bis Ende 1984, einverstanden sei, das Ganze aber noch sechs bis acht Wochen bis zur nächsten Gläubigerausschußsitzung in Anspruch nehmen werde. Einige Tage vor der Ausschußsitzung vergewisserte sich der Kläger bei Dr. Erich H***, daß im Sinne seines Ersuchens an die beklagte Partei herangetreten worden sei. Dr. Erich H*** erklärte dem Kläger, daß die beklagte Partei ihm zugesagt habe, daß er ein entsprechendes Anbot bekäme. Mit Schreiben vom 18. April 1983 schickte die beklagte Partei vom Kläger erhaltene Unterlagen über die Liegenschaft EZ 358 KG Möllersdorf zurück. In diesem Schreiben teilte sie dem Kläger weiters mit: "Der zuletzt gültige Preis von S 6,400.000 erscheint uns angesichts der Schwierigkeiten, welche für eine Benützung dieses Objektes, die in der letzten Zeit aufgetaucht sind, als wesentlich überhöht. Die Halle ist schlecht isoliert, die Abwasserprobleme sind ungeklärt und die Probleme mit dem Straßenanschluß und dem E-Anschluß sind mit dem Nachbarn Herrn Baumeister K*** nicht erfolgreich zu klären. Wir sehen uns daher nicht in der Lage, unsere mündlichen und schriftlichen Angebote weiterhin aufrecht zu halten." Der Kläger, der sich auf den Standpunkt stellte, der Kaufvertrag sei bereits gültig abgeschlossen, ließ sich zum Abschluß des Vertrages die Zustimmung des Gläubigerausschusses erteilen, setzte der beklagten Partei gemäß § 918 ABGB eine Nachfrist und trat vom Vertrag zurück. Über Antrag des Klägers fand zu E 149/82 des Bezirksgerichtes Baden gemäß § 119 KO die kridamäßige Versteigerung der Liegenschaft EZ 358 KG Möllersdorf statt. Am 26. September 1983 wurde diese Liegenschaft dem Bankhaus F*** & CO AG um das Meistbot von S 2,7 Mio zugeschlagen. Im Meistbotsverteilungsverfahren meldeten das Bankhaus F*** & CO AG die aushaftende Forderung mit einem höheren Betrag als der einverleibten Höchstbetragshypothek an.

Der Kläger begehrt den Zuspruch des Betrages von S 3,646.000 samt Anhang. Die beklagte Partei habe über das Bankhaus F*** & CO AG dem Kläger den Abschluß des Kaufvertrages zu einem Kaufpreis von S 6,346.000 angeboten. Der Kläger habe dieses Anbot vorbehaltlich der Genehmigung durch den Gläubigerausschuß angenommen. Diese Genehmigung sei erfolgt. Der Ausfall bei der Versteigerung stelle den durch den Vertragsbruch der beklagten Partei bewirkten Schaden der Masse dar.

Die beklagte Partei wendete ein, zu einer Einigung über den Kaufpreis sei es nicht gekommen. Eine solche Annäherung über den Kaufpreis wäre erst Voraussetzung für weitere Gespräche über die mit der Liegenschaft verbundenen Probleme gewesen. Der Hypothekargläubiger habe auch kein Mandat des Klägers zum Verkauf der Liegenschaft gehabt. Die Gespräche mit dem Bankhaus F*** & CO AG seien nur vorbereitender Art gewesen, sie hätten dazu gedient festzustellen, ob ein Verkaufsgespräch überhaupt sinnvoll wäre. Selbst wenn eine Einigung über den Kaufpreis bestanden hätte, wäre ein Vertrag noch nicht zustandegekommen, da dann erst in Gesprächen mit dem Kläger alle die Liegenschaft betreffenden, die Versorgung der Produktionshalle erfassenden Fragen hätten geklärt werden müssen.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Da die beklagte Partei mit dem Eigentümer der Nachbarliegenschaften zu keiner erfolgreichen Klärung gekommen sei, sei nicht anzunehmen, daß sie mit den Vorschlägen über die verschiedenen Zahlungsvarianten den Abschluß eines Kaufvertrages habe bewirken wollen. Die beklagte Partei habe offenbar zuerst eine Klärung der Frage des Liegenschaftspreises herbeiführen wollen, um dann nach Verhandlungen mit dem Nachbarn zu entscheiden, ob die Liegenschaft von ihr nun gekauft werde oder nicht. Ein gültiger Vertrag zwischen den Streitteilen sei nicht zustandegekommen, weil es auf Seiten der beklagten Partei bei den Zahlungsvorschlägen am Abschlußwillen gemangelt habe. Da die Frage der Lösung der Probleme, mit denen die Liegenschaft EZ 358 KG Möllersdorf behaftet gewesen sei, auch dem Kläger gegenüber beim ersten Kontakt der Streitteile aufgeworfen worden seien, könne der Kläger auch nach redlicher Verkehrsübung nicht annehmen, daß ohne die Klärung all dieser Fragen mit dem Nachbarn die beklagte Partei mit den Zahlungsvarianten stillschweigend ihren Abschlußwillen kundzutun beabsichtigt habe. Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers nicht Folge. Ein Verkauf der Liegenschaft sei ohne Zustimmung der Bank als Pfandgläubigerin nicht möglich gewesen. Dies sei dem Kläger und der beklagten Partei von Anfang an bewußt gewesen. Da der Kläger nur unter Ausschluß der Gewährleistung habe verkaufen wollen, habe ihm auch klar sein müssen, daß die beklagte Partei sich nur dann zu einem Kauf werde entschließen können, wenn sie eine Lösung der Versorgungsprobleme durch Einigung mit dem Nachbarn oder durch andere Maßnahmen finde. Dabei sei es auch für den Kläger offensichtlich gewesen, daß die beklagte Partei erst dann endgültig entscheiden könne, wieviel sie für die Herbeiführung einer Einigung mit dem Nachbarn investieren wolle, wenn festgestanden sei, zu welchem Kaufpreis die Bank zustimme, denn für den Kaufentschluß der beklagten Partei habe doch nur deren gesamte wirtschaftliche Aufwendungen im Zusammenhang mit dem Erwerb der Liegenschaft maßgeblich sein können. Je mehr die beklagte Partei den Kaufpreis gegenüber der Bank herabdrücken konnte, desto mehr Spielraum wäre ihr für eine Einigung mit dem Nachbarn geblieben. Entscheidend sei daher, ob der Kläger in der gegebenen Situation aus dem Verhalten der beklagten Partei auf deren Abschlußwillen habe schließen können, sodaß kein vernünftiger Grund daran zu zweifeln übrig blieb. Die Einigung der beklagten Partei mit der Bank über die Höhe des Kaufpreises habe für den Kläger aber kein hinreichender Grund zur Annahme sein können, die beklagte Partei habe die Schwierigkeiten der Versorgungsanlagen bereinigt. Sonst lägen aber keine Umstände vor, aus denen der Kläger dies hätte erschließen können. Die Einigung über den Kaufpreis sei unter dem Gesichtspunkt zu sehen, daß es nun doch gelungen sei, die Zustimmung der Bank zu einem Verkauf unter dem Schätzwert zu erreichen. Die Erklärung der beklagten Partei gegenüber der Bank, sie sei bereit, die Liegenschaft um einen bestimmten Kaufpreis zu erwerben, bedeute daher nur eine Einigung über den Kaufpreis, die Ankündigung der Bereitschaft, ein Anbot unter Zugrundelegung dieses Kaufpreises zu stellen, nicht aber bereits die schlüssige Erklärung des Abschlußwillens. Aus dem Stillschweigen der beklagten Partei auf die Mitteilung des Dr. Erich H***, der Kläger sei vorbehaltlich der Zustimmung des Gläubigerausschusses mit der zinsenlosen Zahlung des Betrages von S 6,436.000 in Teilbeträgen bis Ende 1984 einverstanden, lasse sich für den Standpunkt des Klägers nichts gewinnen. Dr. Erich H*** habe der beklagten Partei nämlich nicht mitgeteilt, er nehme deren Kaufanbot an, der Kläger betrachte den Kaufvertrag als abgeschlossen. Die beklagte Partei habe nur erkennen können, der Kläger sei bereit, zu dem vorgeschlagenen Preis zu verkaufen. Ein Kaufvertrag sei daher mangels erklärten Abschlußwillens der beklagten Partei nicht zustande gekommen.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision des Klägers ist berechtigt.

Der Kläger behauptet, die beklagte Partei habe ein bindendes Kaufanbot gestellt, das er angenommen habe. Ein solches Anbot kann nur bei der Besprechung zwischen dem Geschäftsführer der beklagten Partei Dkfm. Hartmann S*** und Dr. Erich H*** vom Bankhaus F*** & CO AG am 23. März 1983 gestellt worden sein. Trotz Nichtanwesenheit des Klägers kann es zur Entgegennahme eines bindenden Anbots für den Kläger gekommen sein. Der Verkauf der Liegenschaft an die beklagte Partei war bis dahin nicht an der mangelnden Bereitschaft des Klägers zum Verkauf, zu dem er als Masseverwalter verpflichtet war, gescheitert, sondern daran, daß das Anbot der beklagten Partei dem Bankhaus F*** & CO AG, das der Lastenfreistellung zustimmen mußte, zu gering gewesen war. Es kam daher vor allem darauf an, daß die beklagte Partei ein Anbot stellte, das vom Bankhaus F*** & CO AG genehmigt wurde. Daher schlug der Kläger auch direkte Verhandlungen zwischen der beklagten Partei und dem Bankhaus vor, bei denen Dr. Erich H*** befugt war, für den Kläger ein die beklagte Partei bindendes Anbot entgegenzunehmen und ihm nach Genehmigung durch das Bankhaus weiterzuleiten. Bei der Besprechung am 23. März 1983 stellte die beklagte Partei nun sicher kein bestimmtes Anbot, sondern es wurde von mehreren Varianten gesprochen, ohne daß allerdings geklärt wäre, was diese Varianten bedeuten sollten. Es konnte sich gewiß um unverbindliche Vorbesprechungen gehandelt haben, die niemanden binden konnten; die Varianten konnten aber auch bedeuten, daß die beklagte Partei durchaus eine fixe Kaufabsicht hatte, aber mangels Wissens, womit das Bankhaus einverstanden sein würde, dem Bankhaus mehrere möglicherweise ohnehin nur optisch differierende Varianten, an die alle sie aber gebunden sein wollte, zur Auswahl stellte. Die Vereinbarung, die Varianten mit dem Vorstand des Bankhauses zu besprechen, konnte jedenfalls bedeuten, daß es allein dem Bankhaus überlassen war, welche Variante es akzeptierte. Dafür, daß die beklagte Partei an alle Varianten gebunden sein wollte oder es zumindest Dr. Erich H*** so verstanden hat, spricht jedenfalls dessen folgendes Verhalten, hat er doch, offenbar nach Einholung der Zustimmung des Vorstandes des Bankhauses zur Variante 3, dem Kläger ohne weitere Rücksprache mit der beklagten Partei mitgeteilt, er habe ein verbindliches Anbot der beklagten Partei im Sinne dieser Variante. Nur mit einem solchen Verständnis scheint auch das spätere Verhalten der beklagten Partei erklärbar, die die Mitteilung des Dr. Erich H***, der Kläger sei vorbehaltlich der Zustimmung des Gläubigerausschusses mit der Variante 3 einverstanden, widerspruchslos zur Kenntnis nahm und keineswegs etwa erstaunt antwortete, ein Einverständnis des Klägers oder eine Zustimmung des Gläubigerausschusses wäre zumindest verfrüht, weil doch noch gar kein bindendes Anbot vorliege. Die Zusage der beklagten Partei, noch ein schriftliches Anbot zu unterbreiten, müßte damit nicht in Widerspruch stehen; es kann vielmehr nur zur Erleichterung der Beratung des nicht näher informierten Gläubigerausschusses vorteilhaft gewesen sein, auch ein schriftliches Anbot zur Verfügung zu haben.

Die Bedeutung jeder rechtsgeschäftlichen Willenserklärung ist am Empfängerhorizont zu messen. Entscheidend ist der objektive Erklärungswert der Willensäußerung (ZAS 1986/8; RdW 1984, 317; Koziol-Welser 7 I 84; Rummel, ABGB, Rz 4 zu § 914; Gschnitzer in Klang 2 IV/1, 404). Nähme man an, daß die beklagte Partei ein bindendes Alternativanbot zum Abschluß eines Kaufvertrages an den zum Aushandeln und zur Entgegennahme solcher Anbote vom Kläger bevollmächtigten Dr. Erich H*** gestellt hätte, wäre der Revision zu folgen, daß aus einer solchen Erklärung objektiv nicht auf einen mangelnden Abschlußwillen der beklagten Partei geschlossen werden könnte: Der Kläger hatte zu Beginn der Vertragsverhandlungen, die in der Folge zu einem von ihm nicht angenommenen Anbot der beklagten Partei führte, klargestellt, daß ihn als Verkäufer die der beklagten Partei bekannten Schwierigkeiten tatsächlicher und rechtlicher Art beim Ankauf der Liegenschaft, insbesondere die Klärung der Rechtsverhältnisse mit dem Nachbarn, nicht interessierten, weil der Verkauf seitens der Masse ohne Gewährleistung erfolgen werde. Hätte die beklagte Partei dann mehr als zwei Monate später ein mehrere Varianten des Kaufpreises und dessen Bezahlung beinhaltendes Anbot über Dr. Erich H*** an den Kläger gerichtet, hätte dieser nach objektiven Maßstäben nur annehmen können, die beklagte Partei habe in der Zwischenzeit die von ihr selbst erwähnten Schwierigkeiten ausgeräumt und sei daher in der Lage zu beurteilen, unter welchen für sie wirtschaftlich realistischen Bedingungen sie in der Lage wäre, Kaufpreisanbote zu stellen; keineswegs konnte dann, ohne daß ein Vorbehalt gemacht worden wäre, der objektive Erklärungswert einer solchen rechtsgeschäftlichen Erklärung dahin verstanden werden, die Abklärung des Kaufpreises wäre für die beklagte Partei erst Voraussetzung dafür, nun mit dem Nachbarn in Verhandlungen zu treten und bei Erfolg solcher Verhandlungen den Abschluß eines Kaufvertrages anzubieten.

Die Sache ist aber noch nicht spruchreif, weil entgegen der Ansicht der Vorinstanzen aufgrund des vorliegenden Sachverhaltes nicht abschließend beurteilt werden kann, ob die beklagte Partei überhaupt ein Anbot abgab. Nicht jeder Vorschlag zu einem Vertragsabschluß ist bereits ein Antrag im Rechtssinn; Voraussetzung für die Annahme eines bindenden Antrages (eines Versprechens) ist eine einseitige empfangsbedürftige Willenserklärung, durch die der endgültige Willensentschluß kundgetan wird, den Vertrag wirklich schließen zu wollen (Gschnitzer in Klang 2 IV/1, 52 f); das Offert muß den Willen zur rechtlichen Bindungswirkung erkennen lassen (Soergel-Lange-Hefermehl 11 Rz 4 zu § 145 BGB; Kramer in Münchener Kommentar 2 Rz 5 zu § 145 BGB; Heinrichs in Palandt 46 138). Es bedarf genauer Feststellungen tatsächlicher Art, welche rechtsgeschäftlichen Erklärungen die beklagte Partei Dr. Erich H*** gegenüber am 23. März 1983 abgab, damit beurteilt werden kann, welchen objektiven Erklärungswert diese Erklärungen hatten. Dies wird im Zusammenhalt mit dem weiteren Verhalten der Beteiligten zu würdigen sein.

In dieser Richtung wird die Feststellungsgrundlage zu erweitern sein. Der Revision ist Folge zu geben, die Urteile der Vorinstanzen sind gemäß § 510 Abs 1 ZPO aufzuheben und die Rechtssache an das Prozeßgericht erster Instanz zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf § 52 ZPO.

Anmerkung

E10682

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1987:0010OB00510.87.0408.000

Dokumentnummer

JJT_19870408_OGH0002_0010OB00510_8700000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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