TE OGH 1987/4/23 8Ob529/87

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Veröffentlicht am 23.04.1987
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Stix als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kralik, Dr. Vogel, Dr. Kropfitsch und Dr. Zehetner als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Firma

M*** O*** S*** D*** M*** B*** & CO, Via Lenin 111/113, 41012 Carpi, Provinz Modena, Italien, vertreten durch Dr. Walter Papis, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Karl P***, Kaufmann, Bergheim, Lengenfelden 175, vertreten durch Dr. Gerhard Zenz, Rechtsanwalt in Mondsee, wegen Lit. 7,102.000,-- s.A., infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgerichtes vom 1. Dezember 1986, GZ 6 R 144/86-16, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landes- als Handelsgerichtes Salzburg vom 13. Mai 1986, GZ 13 Cg 459/85-12, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Der Beklagte ist schuldig, der Klägerin die mit S 3.858,-- bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin die Umsatzsteuer von S 1.286,--) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Begründung:

Die Klägerin begehrte vom Beklagten die Bezahlung des Betrages von Lit 7,102.000,-- s.A. Der Beklagte schulde den Klagebetrag als Restkaufpreis für die von ihm bei der Klägerin in Italien bestellte und am 22. April 1985 gelieferte Textilware. Der Beklagte verweigere die Zahlung wegen einer verspäteten und überdies unbegründeten Mängelrüge. Die Bestellung habe ausdrücklich auf sogenannte Stockware gelautet, der Beklagte habe von jeder Position des Lagers bestellt. Es sei keine Vereinbarung darüber getroffen worden, daß alle Farbsortierungen und alle Größen in gleicher Menge geliefert werden sollten. Für den Beklagten habe kein Anlaß zum Rücktritt vom Vertrag bestanden; wenn überhaupt, habe er höchstens einen Preisminderungsanspruch. Entgegenkommenderweise sei die Klägerin zur Gewährung eines 5 %igen Rabatts an den Beklagten bereit gewesen. Der Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Er habe bei der Klägerin unter anderem T-Shirts in den Größen XS, S, M und L, und zwar nach genauen Mengenangaben und Farben sortiert, bestellt. Nach der Kontrolle der gelieferten Ware habe er feststellen müssen, daß die vereinbarte Sortierung nicht vorgenommen worden war. Er habe diesen Umstand umgehend gerügt, insbesondere daß von der bestellten Größe M nur vereinzelt Artikel in der Lieferung enthalten gewesen seien und nicht die von ihm bestellte Menge. Stattdessen seien von anderen Größen mehr Stückzahlen als bestellt geliefert worden. Er habe der Klägerin angeboten, die Ware bei Gewährung eines 10 %igen Nachlasses zu behalten, andernfalls habe er die Rücksendung in Aussicht gestellt. Von der die Interessen der Klägerin in diesem Geschäftsfall vertretenden Firma S*** sei ihm mitgeteilt worden, daß für die Nichtsortierung der Ware ein Rabatt in Höhe von 5 % eingeräumt werde. Damit sei er allerdings nicht einverstanden gewesen, sondern habe auf einem 10 %igen Rabatt auf den Warenpreis bestanden, bei Nichtgewährung bis 4. Juni 1985 habe er die Rücksendung der abgelehnten Ware angekündigt. Da die verlangte Zusage nicht fristgerecht bei ihm eingelangt sei, habe er die Ware einer Spedition zur Rücksendung übergeben. Am 27. Juni 1985 habe sich die Vertreterin der Klägerin, die Firma S***, mit der Rücksendung der nicht übernommenen Ware einverstanden erklärt. Im Gegensatz dazu habe er später die Mitteilung erhalten, daß die Klägerin die vereinbarungsgemäß von ihm rückgesendete Ware nicht übernehme. Wahrscheinlich sei deshalb die Ware inzwischen versteigert worden. Die Klägerin habe demnach auch gegen ihre Schadensminderungspflicht verstoßen und müsse sich überdies im Fall einer Versteigerung den an sie ausbezahlten Erlös anrechnen lassen. Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es stellte folgenden Sachverhalt fest:

Auf Vermittlung des Paul N*** kam es zwischen dem Generalvertreter der Klägerin in Österreich Nicola M*** und dem Beklagten, der an italienischer Ware interessiert war, zu ersten Kontakten. M*** ist Handelsvertreter der Firma S*** österreichisch-italienische Handelsgesellschaft L. R*** & CO OHG in Innsbruck. In der ersten Aprilwoche 1985 fuhren M***, N***, der Beklagte und ein weiterer Begleiter des Beklagten nach Italien zu mehreren Firmen in Carpi und unter anderem auch zur Klägerin. Es wurden dort Textilwaren besichtigt; es handelte sich dabei um Stockware, also um prompt lieferbare, auf Lager befindliche und zum Teil auch verpackte Ware. Überdies waren es Restposten der Klägerin. Der Beklagte und seine Begleiter ließen sich verschiedene Muster zeigen; sodann bestellte der Beklagte nach Stückanzahl, Markenbezeichnung, Modellnummer und Einigung über die Preise. Die einzelnen Positionen wurden aufgrund der Lagerliste in dem Bestellschein vermerkt. Eine Kontrolle in Form eines Nachzählens war infolge des Umfanges der Lieferung nicht möglich. Auf dem Bestellschein wurde aber festgehalten, wieviel Stück welcher Ware zu welchem Preis vom Beklagten bestellt wurden; auch wurden die verschiedenen Farben vermerkt; an Größen wurden auf dem Bestellschein eingerahmt "XS, S, M und L", wobei bei der Größe L der Zusatz poco (wenig) hinzugefügt wurde. Ein Teil der Ware war bereits verpackt, die übrige Ware wurde gemäß der Bezeichnung im Bestellschein verpackt. Etwa 10 bis 12 Tage nach der Bestellung am 2. April 1985 wurde die Ware vom Beklagten persönlich abgeholt. Bei der Kontrolle der Ware durch das Lagerpersonal des Beklagten wurde festgestellt, daß bei den Artikeln Größe XS 60 %, bei S 30 %, bei M nur 10 % und bei L überhaupt nichts ausgeliefert wurde; außerdem wurde festgestellt, daß zwar die Gesamtstückzahl mit der bestellten Menge ident war, bei einzelnen Positionen aber erhebliche Abweichungen von der bestellten zur gelieferten Stückzahl gegeben waren. Nachdem sich der Beklagte mit Paul N***, den er nicht sofort erreichen konnte, weil dieser unterwegs war, ins Einvernehmen gesetzt und dieser ihm geraten hatte, er solle die Lieferung reklamieren, rief der Beklagte etwa 8 bis 14 Tage nach Kenntnis der festgestellten Mängel Nicola M*** an, bemängelte die Lieferung und erklärte, daß er die Ware in dieser Form nicht annehmen werde. Er erklärte sich allerdings bereit, die Ware bei Einräumung eines 10 %igen Rabatts zu behalten. M*** setzte sich daraufhin mit der Klägerin in Verbindung und teilte dem Beklagten am 13. Mai 1985 mit, daß die Klägerin einverstanden sei, daß der Beklagte sich die fehlenden 3 Stück "Rody" bei Überweisung der Rechnung in Abzug bringen könne; was die Größeneinteilung der Artikel anlange, habe die Klägerin bekanntgegeben, daß diese Art von T-Shirts in "M" fast nicht erzeugt werde, weil sie nur für Jugendliche geeignet sei. Es wurde auch mitgeteilt, daß die Klägerin bereit sei, auf die gelieferten 600 Stück einen Rabatt von 5 % einzuräumen. Mit Schreiben vom 4. Juni 1985 teilte der Beklagte der Klägerin mit, daß er am 7. Juni 1985 1197 Stück T-Shirts retournieren werde, wobei er als Begründung auf die Mitteilung an M*** verwies und seine Bemängelung noch einmal zusammenfaßte. Es wurde auch das Schreiben der Firma S*** vom 13. Mai 1985 zitiert und ausgeführt, daß die eingeräumte Preisreduktion von 5 % nicht ausreichend sei. Weiters wurde angeführt, daß M*** in diesem Sinn informiert worden sei und daß dann, wenn nicht bis zum 4. Juni 1985 die gewünschte Preisreduktion genehmigt werde, die Ware zurückgeschickt werde. Die Übersendung des Differenzbetrages in Höhe von Lit. 4,273.500,-- wurde für die nächsten Tage in Aussicht gestellt. Zwischenzeitig kam es zu mehreren Gesprächen zwischen dem Beklagten und M***, in denen dieser zusicherte, sich bei der Klägerin für die Rücknahme der Waren einzusetzen. In einem Fernschreiben vom 5. Juni teilte die Firma S*** dem Beklagten mit, daß die Klägerin die Angelegenheit dringend erledigen wolle und einen 10 %igen Rabatt einräume. Darauf erwiderte der Beklagte, daß er bis zum vereinbarten Termin 4. Juni 1985 zugewartet habe, und da keine Rückantwort eingetroffen sei, den Auftrag zur Rücksendung der Ware bereits erteilt habe. In ihrem Fernschreiben vom 27. Juni 1985 urgierte die Firma S*** gegenüber dem Beklagten neben anderen Fragen, insbesondere Zahlungskonditionen bezüglich weiterer italienischer Lieferanten, in Punkt 5 die Überweisung des offenen Betrages abzüglich der Rücksendung noch diese Woche. Am 4. Juni 1985 erfolgte die Rücksendung der beanstandeten Ware durch die Firma L*** ab Salzbug Hauptbahnhof nach Carpi. Die Klägerin verweigerte aber die Übernahme dieser Ware, wovon auch der Beklagte verständigt wurde. In ihrem Fernschreiben vom 26. Juni 1985, teilte die Firma S*** der Klägerin mit, daß sie gegenüber dem Beklagten bestätigt hätte, daß die Klägerin die gelieferte Ware nicht behält; der Beklagte habe versichert, daß er innerhalb einer Woche die offenen Rechnungen bezahlen werde. Es wurde ersucht, die Rücklieferung nicht anzunehmen und die Ware an den Beklagen zurückzuschicken. Am 10. Juli 1985 übermittelte die Klägerin an den Beklagten ein Fernschreiben mit dem Inhalt, daß sie erfahren habe, daß 10 Kartons Waren an sie gesendet wurden. Es handle sich dabei um ein nicht abgesprochenes Vorgehen, das sie zurückweise. Mit Fernschreiben vom 17. Juli beauftragte die Klägerin dann M***, durch einen Rechtsanwalt eine Klage einzubringen. Nach weiteren Gesprächen mit M*** bestätigte der Beklagte der Firma S*** am 23. Juli 1985, daß, wie vereinbart, für den Differenzbetrag von Lit 7,182.000,-- Ware unter der Bedingung übernommen werde, daß die in Carpi lagernde Retoursendung folgelos für den Beklagten übernommen werde. Darauf teilte die Firma S*** am 6. Dezember dem Beklagten mit, daß sie alles versucht habe, die Angelegenheit zu regeln, daß aber die Bemühungen der M*** vergeblich gewesen seien. Für den Kontokorrentkredit der Klägerin bei der Banca Popolare dell` Emiglia kommt seit Mai 1985 ein durchschnittlicher Zinssatz von 19,25 % zur Anwendung. Rechtlich führte das Erstgericht aus, daß die Parteien eine Rechtswahl zur Anwendung österreichischen Rechtes getroffen hätten. Der zwischen den Parteien abgeschlossene Kaufvertrag beziehe sich auf eine Gattungsschuld, bei welcher im Zweifel Handelsgut mittlerer Art und Güte zu leisten sei. Dies bedeute, abgesehen von der Größe L, von der bereits bei der Bestellung klar gewesen sei, daß nur mehr wenige Stücke ausgeliefert werden könnten, daß von den anderen Größen die Auslieferung etwa gleich großer Stückzahlen zur ordnungsgemäßen Vertragserfüllung erforderlich gewesen wäre. Wegen der festgestellten erheblichen Abweichungen der Lieferung von der vorgenommenen Bestellung sei von einer nicht ordnungsgemäßen Leistung auszugehen. Es liege daher eine Nichterfüllung des Vertrages durch die Klägerin vor, deren Rechtsfolgen nicht nach Gewährleistungsgrundsätzen sondern nach der allgemeinen Bestimmung des § 918 ABGB zu beurteilen sei. Bei der der Nichterfüllung des Vertrages gleichzustellenden Lieferung eines Aliuds und bei Fehlen der bedungenen Eigenschaften, wie im vorliegenden Fall, sei der Beklagte zum Vertragsrücktritt berechtigt gewesen. Auf die Rechtzeitigkeit der Mängelrüge sei es nicht angekommen. Die Rücksendung der beanstandeten Ware durch den Beklagten an die Klägerin sei daher mit Recht vorgenommen worden.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin Folge und änderte die erstgerichtliche Entscheidung dahin ab, daß es dem Klagebegehren stattgab. Es erklärte die Revision gemäß § 502 Abs 4 Z 1 ZPO für zulässig, weil zur Frage, ob im Rabattangebot des Verkäufers auf eine Mängelrüge des Käufers ein schlüssiger Verzicht auf die Geltendmachung der Verspätung einer Mängelrüge zu sehen ist, eine oberstgerichtliche Judikatur nicht vorliege. Das Gericht zweiter Instanz verwies auf die ausdrückliche Rechtswahl der Parteien, wonach österreichisches Sachrecht Anwendung zu finden habe und führte im einzelnen aus:

Gemäß § 4 Abs 4 und 6 HVG habe der Beklagte die Anzeige von Mängeln, die Erklärung, daß eine Ware zur Verfügung gestellt wird, und andere Erklärungen, durch welche er seine Rechte wahrte, auch gegenüber dem Handelsvertreter - hier gegenüber Nicola M*** bzw. der Firma S*** - abgeben können. Der Handelsvertreter sei aber weder zur Rücknahme der bemängelten Ware und zur Zusage einer Ersatzlieferung, noch zur Stellungnahme zu Stornierungserklärungen des Kunden oder zur Anerkennung der von diesem geltend gemachten Rechte berechtigt. Eine Erweiterung der Vertretungsrechte des Handelsvertreters könnte wohl durch das Vertrauen auf einen vom Geschäftsherrn herbeigeführten äußeren Tatbestand im Sinne einer Anscheinsvollmacht eintreten; doch fehle es hier an einem solchen Verhalten der Klägerin, das den Beklagten zur Annahme veranlassen hätte können, Nicola M*** oder die Firma S*** seien zur selbständigen Regelung der Mängelrüge für die Klägerin bevollmächtigt gewesen. Das zwischen den Streitteilen geschlossene Rechtsgeschäft sei ein Kaufvertrag, sodaß die Vorschriften der §§ 377, 378 HGB anzuwenden sind. Danach habe der Käufer die Ware unverzüglich nach Ablieferung durch den Verkäufer, soweit dies nach ordnungsgemäßem Geschäftsgang tunlich ist, zu untersuchen und wenn sich ein Mangel zeigt, dem Verkäufer unverzüglich Anzeige zu erstatten. Unterläßt der Käufer die Anzeige, so gelte die Ware als genehmigt, außer es handelt sich um einen bei der Untersuchung nicht erkennbaren Mangel. Diese Vorschriften fänden auch dann Anwendung, wenn eine andere als die bedungene Ware oder eine andere als die bedungene Menge von Waren geliefert wird, sofern die gelieferte Ware nicht offensichtlich von der Bestellung so erheblich abweiche, daß der Verkäufer die Genehmigung des Käufers als ausgeschlossen betrachten mußte. Daß die Abweichung `er gelieferten T-Shirts von der Bestellung nicht so groß war, daß deren Annahme als Erfüllung geradezu ausgeschlossen werden konnte, ergebe sich aus der Größensortierung der Stückzahlen, die sich in der Summe wieder ausglich, weiters aus dem Umstand, daß der Beklagte nicht von vornherein die Annahme der Lieferung als Erfüllung schlechthin ablehnte, sondern bei Gewährung eines zusätzlichen Rabatts von 10 % bereit gewesen wäre, die gelieferten T-Shirts als Erfüllung seiner Bestellung zu behalten. Der Beklagte wäre daher gemäß § 377, 378 HGB zur sofortigen Rüge der hinsichtlich der gelieferten Größen und Mengen einzelner Artikel mangelhaften Lieferung verpflichtet gewesen, und zwar bei sonstigem Verlust aller Gewährleistungsansprüche und aller sonstigen aus dem Mangel der Ware abgeleiteten Rechte, die sich auf die Verletzung des Vertrags und die Beschaffenheit der Ware gründen. Schon eine geringe, bei objektiv ordnungsgemäßem Geschäftsgang vermeidbare Nachlässigkeit löse die Rechtsfolgen des Verlustes aller Gewährleistungs- oder Schadenersatzansprüche aus. Der Beklagte habe die Lieferung aber erst 8 bis 14 Tage nach Kenntnis des festgestellten Mangels gegenüber dem Vertreter der Klägerin Nicola M*** bemängelt. Dies könne nicht mehr als unverzüglich angesehen werden, zumal es sich hier keinesfalls um einen komplizierten Sachverhalt handelte, sondern es ausschließlich darum ging, inwieweit die gelieferten T-Shirts in bezug auf Artikel, Größen und Farben von der Bestellung abwichen. Von einem schlüssigen Verzicht auf den Einwand der verspäteten Mängelrüge könne im vorliegenden Fall nicht gesprochen werden. Die Klägerin habe weder die Verbesserung des gerügten Mangels versprochen noch gar einen Versuch der Mängelbehebung gemacht. Im Verhandeln über die Mängelrüge zwecks gütlicher Beilegung sei aber im allgemeinen kein Verzicht auf den Einwand der verspäteten Mängelrüge zu erblicken. Das Angebot, einen Nachlaß von 5 % auf 600 Stück T-Shirts zu gewähren, könne nicht dahin ausgelegt werden, daß damit ein Verzicht auf den Einwand der verspäteten Mängelrüge ausgesprochen sein sollte.

Gegen die Entscheidung des Gerichtes zweiter Instanz richtet sich die Revision des Beklagten aus den Anfechtungsgründen des § 503 Abs 1 Z 1 und 4 ZPO mit dem Antrag, das angefochtene Urteil dahin abzuändern, daß die Entscheidung des Erstgerichtes wiederhergestellt werde; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die Klägerin beantragt in der Revisionsbeantwortung, die Revision zurückzuweisen oder ihr nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist unzulässig.

a) Der Beklagte behauptet zunächst, daß das Urteil des Berufungsgerichtes nichtig sei, weil seine Überprüfung wegen seiner mangelhaften und widersprüchlichen Fassung nicht mit Sicherheit vorgenommen werden könne. Diese Ausführungen sind jedoch nicht stichhältig. Das Berufungsgericht hat die Beurteilung des festgestellten Sachverhaltes - wie sich aus seiner gerafft wiedergegebenen rechtlichen Beurteilung ergibt - in einwandfrei nachvollziehbarer Weise vorgenommen. Der Beklagte vermag in seiner Nichtigkeitsrüge nicht darzutun, inwieweit das Berufungsgericht durch eine angeblich widersprüchliche Beurteilung der Erklärungen M*** bzw. der Firma S*** Rechtsfragen des materiellen Rechtes oder des Verfahrensrechtes, denen erhebliche Bedeutung im Sinne des § 502 Abs 4 Z 1 ZPO zukommt, unrichtig gelöst hätte.

b) Das Berufungsgericht erklärte die Revision deshalb für zulässig, weil es die Auffassung vertrat, daß es eine erhebliche Frage des materiellen Rechtes im Sinne des § 502 Abs 4 Z 1 ZPO sei, ob im festgestellten Rabattangebot der Klägerin ein schlüssiger Verzicht auf die Geltendmachung der Verspätung der erhobenen Mängelrüge des Beklagten erblickt werden müsse. Das Gericht zweiter Instanz hat in diesem Zusammenhang jedoch ohnedies darauf Bedacht genommen, daß auf die Einrede der Verspätung der Mängelrüge grundsätzlich schlüssig verzichtet werden kann; es ist dabei der ständigen Rechtsprechung gefolgt, daß ein solcher Verzicht nur anzunehmen ist, wenn der Schuldner unter Bedachtnahme auf die im redlichen Verkehr geltenden Gewohnheiten und Gebräuche, insbesondere wegen Nichtgeltendmachung des Anspruches während eines längeren Zeitraums, aus der Untätigkeit des Gläubigers den zweifelsfreien Schluß ziehen durfte und auch zog, der Gläubiger habe auf seinen Anspruch ernstlich verzichtet (SZ 41/123; RZ 1972, 14;

EvBl 1981/125 ua). Dabei kommt es aber immer auf die Umstände des Einzelfalles an (Hämmerle-Wünsch, Handelsrecht 3 , 182;

EvBl 1981/125 ua). Ob das Angebot des Preisnachlasses durch die Klägerin für den Fall einer gütlichen Beilegung des Reklamationsfalles unter Berücksichtigung der gegenseitigen Erklärungen der Streitteile bzw. ihrer Vertreter in der festgestellten zeitlichen Aufeinanderfolge schon den Schluß zuließ, daß die Klägerin auf die Frage der Rechtzeitigkeit der Rüge keinen Wert mehr gelegt und diese Haltung mit ihrem Rabattangebot eindeutig zum Ausdruck gebracht hat oder nicht, ist eine Auslegungsfrage, die nur unter Bedachtnahme auf die besonderen Umstände des konkreten Falles beantwortet werden kann. Inwiefern dies über den vorliegenden Fall hinaus auch für andere Rechtsstreitigkeiten bedeutsam werden könnte - in welchem Fall ihr im Sinne der § 502 Abs 4 Z 1, § 503 Abs 2 ZPO "erhebliche Bedeutung" zugebilligt werden müßte (siehe dazu den Bericht des Justizausschusses über die Regierungsvorlage einer Zivilverfahrens-Novelle 1981, 1337 BlgNR 15.GP 19; 4 Ob 318/84 ua) -, ist nicht zu erkennen und auch der Revision nicht zu entnehmen.

Wenn daher das Berufungsgericht aufgrund der gesamten Umstände des Falles zur Einsicht gelangte, daß von einem schlüssigen Verzicht der Klägerin auf die Geltendmachung der Verspätung der Mängelrüge im von den Beklagten angestrebten Sinn nicht gesprochen werden kann, ist dies somit hier nicht mehr revisibel; ungeachtet des gegenteiligen Ausspruches des Berufungsgerichtes

(§ 508 a Abs 1 ZPO) mußte die Revision daher gemäß § 502 Abs 4 Z 1, § 503 Abs 2 ZPO als unzulässig zurückgewiesen

werden.

Der Kostenausspruch beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.

Anmerkung

E11017

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1987:0080OB00529.87.0423.000

Dokumentnummer

JJT_19870423_OGH0002_0080OB00529_8700000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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