TE OGH 1987/4/27 1Ob12/87

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Veröffentlicht am 27.04.1987
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schragel als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schubert, Dr. Hofmann, Dr. Schlosser und Dr. Kodek als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei G*** S*** A***, Graz, Andreas-Hofer-Platz 15, vertreten durch Dr. Leopold Mittelbach, Rechtsanwalt in Graz, wider die beklagte Partei Waldemar R***, Kaufmann, Graz, Sackstraße 25, vertreten durch Dr. Guido Held, Rechtsanwalt in Graz, wegen S 24.282,17 s.A., infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz als Berufungsgerichtes vom 19. Jänner 1987, GZ 4 R 420/86-17, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Bezirksgerichtes für Zivilrechtssachen Graz vom 15. Mai 1986, GZ 28 C 859/85-10, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 2.719,20 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (hievon S 247,20 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu bezahlen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Beklagte ist Eigentümer der Liegenschaften Graz, Sackstraße 25, und Kaiser-Franz-Josef-Kai 22. Die Liegenschaft Sackstraße 25 wird von der klagenden Partei auf Grund eines mit dem Beklagten abgeschlossenen Vertrages mit Trinkwasser versorgt. Am 25. November 1979 schloß der Beklagte mit der G***-H***, G*** A*** G*** FÜR W*** UND

S*** MBH Graz (im folgenden: G***), einen Betreuungsvertrag betreffend die Errichtung eines Wohnhauses auf der Liegenschaft Kaiser-Franz-Josef-Kai 22. Die G*** betraute mit der Bauführung die F*** E*** Gesellschaft mbH. Da für die Baustätte Wasser benötigt wurde, beauftragte die F*** E*** Gesellschaft mbH ein Installationsunternehmen mit der Herstellung und Verlegung eines Wasseranschlusses vom Hause Sackstraße 25 zur Liegenschaft Kaiser-Franz-Josef-Kai 22. Dem mit der Ausführung der Arbeit betreuten Monteur war die Fließrichtung des Wassers nicht bekannt, so daß er den der Feststellung des Wasserverbrauchs dienenden Subzähler irrtümlich vor dem Hauptzähler statt nach dem Hauptzähler anbrachte. Die Anbringung von Subzählern erfolgt nicht durch die klagende Partei, mit der nur Rücksprache zu nehmen ist. Am 3. Februar 1981 stellte die G*** bei der klagenden Partei den Antrag auf Wasserversorgung in Ansehung der Liegenschaft Kaiser-Franz-Josef-Kai 22; der Antrag wurde angenommen.

§ 41 der dem Vertrag zugrundegelegten "Allgemeinen

Versorgungs- und Lieferbedingungen für Wasser aus dem Versorgungsnetz der G*** S*** A***" sieht vor:

"1.) Wird Wasser entgegen den Bestimmungen dieser Allgemeinen Versorgungs- und Lieferbedingungen oder unter Umgehung oder vor Anbringung des Wasserzählers entnommen, so ist die G*** S*** AG berechtigt, einen Vergütungsbetrag nach den jeweils geltenden höchsten Tarifsätzen zu verrechnen, der sich unter Zugrundelegung einer für den betreffenden Fall in Frage kommenden Benützungsdauer ergibt, in der aber mindestens eine tägliche Benützung der gesamten vorhandenen Verbrauchsanlage bis zu zwölf Stunden während der Dauer des unberechtigten Verbrauches angenommen wird. Der nach den vorstehenden Grundsätzen zu leistende Betrag ist keine Konventionalstrafe im Sinne des § 1336 ABGB und unterliegt nicht dem richterlichen Mäßigungsrecht.

2.) Ist die Dauer des unberechtigten Wasserbezuges nicht feststellbar, so wird die nach den vorstehenden Grundsätzen ermittelte Verbrauchsmenge jedoch mindestens für ein halbes Jahr verrechnet."

Anläßlich der Auswechslung des Wassermessers am 28. Jänner 1983 wurde festgestellt, daß vor dem Wasserzähler eine Verbrauchsleitung mit einem getrennten Wasserzähler angebracht war. Durch den obigen Wasserzähler wurde der gesamte Wasserverbrauch von 86 m3 erfaßt. Der m3-Preis, den die klagende Partei im Zeitpunkt der Entnahme verrechnete, betrug S 7,94 inklusive Umsatzsteuer.

Die klagende Partei begehrt vom Beklagten gestützt auf § 41 ihrer Allgemeinen Versorgungs- und Lieferbedingungen, für die unberechtigte Wasserentnahme den Betrag von S 24.965,01 s.A. Sie brachte vor, der Beklagte habe, ohne mit ihr das Einvernehmen zu pflegen, auf dem Grundstück Sackstraße 25 vor dem dort errichteten Wasserzähler widerrechtlich eine Verbrauchsleitung zum Grundstück Kaiser-Franz-Josef-Kai 22 gelegt, so daß der tatsächliche Wasserverbrauch des Beklagten nicht festgestellt werden könne. Für den fiktiven Wasserverbrauch von 3145 m3 (0,4 Liter pro Sekunde durch 12 Stunden an 182 Tagen) schulde der Beklagte den Klagsbetrag. Der Beklagte beantragte Abweisung des Klagebegehrens. Der klagenden Partei sei die Bauführung auf seiner Liegenschaft und der damit verbundene Wasserbedarf bekannt gewesen, der Anschluß sei nicht von ihm, sondern im Auftrag der F*** E*** Gesellschaft mbH durch einen Installateur vorgenommen worden.

Der Erstrichter gab dem Klagebegehren statt. Gemäß § 41 der Bedingungen der klagenden Partei stehe der eingeklagte Betrag auch dann zu, wenn der tatsächliche Wasserverbrauch, wie im vorliegenden Fall, feststellbar und der klagenden Partei daher ein Schaden nicht erwachsen sei.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Beklagten teilweise Folge. Es bestätigte das angefochtene Urteil in Ansehung des Teilbetrages von S 628,84 s.A. und wies das darüber hinausgehende Mehrbegehren ab. Das Berufungsgericht erklärte die Revision für zulässig. Im Vorbringen des Beklagten sei allgemein der Einwand der Sittenwidrigkeit enthalten. Das Beharren der klagenden Partei auf Zahlung des Vergütungsbetrages gemäß § 41 ihrer Allgemeinen Lieferbedingungen verstoße unter den konkreten Umständen gegen die guten Sitten. Die Bestimmung erscheine generell insoferne unbedenklich, als darin ein Berechnungsmodell für den Fall vertragswidriger Wasserentnahme aufgestellt werde; die Bestimmung sei aber nur anwendbar, wenn keine Anhaltspunkte dafür bestehen, welche Wassermenge entnommen wurde oder wenn die entnommene Wassermenge zweifelhaft bleibt. Sittenwidrig sei es, wenn sich die klagende Partei in einem Fall, in dem feststeht, wieviel Wasser abgeleitet wurde, auf diese Bestimmung berufe. Im vorliegenden Fall bestehe über das Ausmaß der Wasserentnahme, die zudem irrtümlich erfolgt sei, kein Zweifel. Zu einem ähnlichen Ergebnis gelange man, wenn die vorgenannte Bestimmung als Vereinbarung einer Konventionalstrafe verstanden werde. Der Ausschluß des richterlichen Mäßigungsrechtes sei unwirksam. Demnach sei die Mäßigung auf den Betrag des wirklich eingetretenen Schadens, den Wert des entnommenen Wassers, gerechtfertigt.

Rechtliche Beurteilung

Der gegen das Urteil des Berufungsgerichtes erhobenen Revision der klagenden Partei kommt Berechtigung nicht zu.

Nach ständiger Rechtsprechung erfolgt die Prüfung einer Vereinbarung auf ihre Sittenwidrigkeit nur dann, wenn sich der andere Teil darauf beruft (GesRZ 1978, 131; SZ 46/69; EvBl. 1961/95), eine ausdrückliche Berufung auf die Sittenwidrigkeit ist aber nicht erforderlich (GesRZ 1981, 131; RZ 1965, 46; Krejci in Rummel, ABGB, Rz 248 zu § 879). Es mag fraglich sein, ob dem dürftigen Vorbringen des Beklagten in erster Instanz die Berufung auf Sittenwidrigkeit der Anwendung des § 41 der Allgemeinen Versorgungs- und Lieferbedingungen der klagenden Partei entnommen werden kann, doch kommt es hierauf nicht an.

Es ist dem Berufungsgericht darin beizupflichten, daß die Regelung des § 41 der Allgemeinen Versorgungs- und Lieferbedingungen der klagenden Partei als Vereinbarung einer Konventionalstrafe für den Fall eines den Versorgungs- und Lieferbedingungen zuwider erfolgten Wasserbezuges, insbesondere unter Umgehung oder vor Anbringung des Wasserzählers, zu verstehen ist. Da es bei der Beurteilung dieser Bestimmung allein auf deren Rechtsnatur ankommt, steht dem auch die Vortragsbestimmung, daß der zu leistende Betrag keine Konventionalstrafe sei, nicht entgegen. Die Konventionalstrafe verfällt in Ermangelung einer anderen vertraglichen Vereinbarung nur, wenn die Leistungsstörung oder die sonstige Verletzung vertraglicher Pflichten nach schadenersatzrechtlichen Grundsätzen zu vertreten ist (SZ 54/4; SZ 52/83; EvBl. 1977/83; EvBl. 1973/278;

JBl. 1950, 241; Reischauer in Rummel, ABGB, Rz 9 zu § 1336 ABGB;

Koziol-Welser, Grundriß7 I 191; Ehrenzweig-Mayrhofer, System3 II/1, 216 f). Es kann nicht zweifelhaft sein, daß dem vom Installationsunternehmen mit der Ausführung der Ausschlußarbeit beauftragten Monteur ein Verschulden anzulasten ist, wenn er die Fließrichtung des Wassers verkannte und deshalb den Zähler vor dem bereits vorhandenen Hauptzähler anbrachte. Für die dadurch verursachte Vertragsverletzung hat der Beklagte, der sich des Monteurs zur Verfolgung seiner Interessen bediente, einzustehen (Reischauer a.a.O. Rz 8 und 10 zu § 1313 a ABGB;

Ehrenzweig-Mayrhofer a.a.O. 217). Die Vertragsstrafe unterliegt aber gemäß § 1336 ABGB der richterlichen Mäßigung. Dieses Mäßigungsrecht ist zwingender Natur, ein Verzicht im vorhinein, zB bei Vertragsabschluß oder - wie hier - in Allgemeinen Geschäftsbedingungen ist ungültig (SZ 54/4; JBl. 1976, 487;

Reischauer a.a.O. Rz 12 zu § 1336; Koziol-Welser a.a.O. 192;

Ehrenzweig-Mayrhofer a.a.O. 218). Der wirklich eingetretene Schaden bildet die Untergrenze der Mäßigung (SZ 54/4, RZ 1976/90; SZ 42/57;

Ehrenzweig-Mayrhofer a.a.O. 219; Wolff in Klang Komm.2 VI 189). Die Höhe der Vertragsstrafe ist vor allem dann unbillig, wenn der eingetretene Schaden unverhältnismäßig niedriger ist als das Pauschale. Dies trifft hier zu, weil der Wert des tatsächlich unberechtigt entnommenen Wassers mit S 628,84 festgestellt wurde. Dazu kommt, daß dem Beklagten persönlich an der Vertragsverletzung kein Verschulden trifft und Ursache der unzulässigen Wasserentnahme nur ein Irrtum war. Diese Umstände rechtfertigen die Mäßigung auf den Betrag von S 628,84, so daß der Revision der Erfolg zu versagen ist.

Anmerkung

E14820

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1987:0010OB00012.87.0427.000

Dokumentnummer

JJT_19870427_OGH0002_0010OB00012_8700000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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