TE OGH 1987/4/27 1Ob534/87

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Veröffentlicht am 27.04.1987
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schragel als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schubert, Dr. Hofmann, Dr. Schlosser und Dr. Kodek als weitere Richter in der Pflegschaftssache mj. Gisela Claudia K***, geboren am 26. April 1975, infolge Revisionsrekurses des Vaters Robert K***, Bundesbahnbediensteter, Spittal an der Drau, Ponauerstraße 35, gegen den Beschluß des Landesgerichtes Klagenfurt als Rekursgerichtes vom 7. Jänner 1987, GZ 3 R 361/86-81, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Spittal an der Drau vom 22. Oktober 1986, GZ P 489/80-78 bestätigt wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Text

Begründung:

Die Ehe der Eltern ist aufrecht. Aus der Ehe entstammen die am 21. Dezember 1971 geborene Michaela und die am 26. April 1975 geborene Gisela Claudia. Gisela ist taubstumm. Die Eltern leben mit Ausnahme einer kurzen Zeitspanne im Jahr 1983 sei 1980 getrennt. Als der Vater aus der Ehewohnung fortzog, verblieben die Kinder bei der Mutter. Schon im Jahre 1981 erfolgte eine einvernehmliche Besuchsregelung. Nach dem Vergleich vom 22. April 1985 steht dem Vater das Besuchsrecht für die Tochter Gisela an jedem zweiten Samstag zwischen 9 und 17 Uhr zu. Das Kind, das schon im vorschulpflichtigen Alter während der Woche internatsmäßig in einem Sonderkinderheim untergebracht war, besucht nunmehr internatsmäßig die 4. Klasse der Sonderschule im Behindertenförderungszentrum des Landes Kärnten in Klagenfurt. Nur an den Wochenenden und in den Ferien befindet sie sich bei der Mutter. Am 25. September 1985 stellte der Vater fest, der mit einer anderen Frau in Lebensgemeinschaft wohnt, den Antrag, ihm das Sorgerecht für die mj. Gisela zuzuerkennen. Die Mutter sprach sich dagegen aus. Das Erstgericht wies den Antrag des Vaters ab und stellte fest, daß das Kind bei der Mutter in Pflege und Erziehung bleibe. Es könne nicht angenommen werden, daß das Wohl des Kindes bei der Mutter in irgendeiner Weise gefährdet werde. Alle Argumente des Vaters, die darauf abzielten, er wäre in der Lage, dem Kind bessere Verhältnisse zu bieten als die Mutter, seien insoweit rechtlich irrelevant, als sie übersähen, daß dies nicht ausreicht, um eine Trennung des Kindes von der Mutter als bisheriger Bezugsperson zu rechtfertigen. Die Behinderung des Kindes erhöhe die Bedeutung der Notwendigkeit kontinuierlicher Lebens- und Erziehungsverhältnisse. Aus dem eingeholten Sachverständigengutachten seien keine praktischen Anhaltspunkte zu entnehmen, die eine Entfernung des Kindes von der Mutter und die Übergabe in Pflege und Erziehung des Vaters im Sinne einer Verbesserung ihrer Entwicklungs- und Entfaltungsmöglichkeiten geboten erscheinen ließen. Dem Vater sei zuzubilligen, daß er in der Lage wäre, die Pflege und Erziehung des Kindes zu übernehmen und in seinem Haushalt auch für dessen Wohl zu sorgen. Da dies aber auch für die Mutter zutreffe, sei der Belassung des Kindes bei der Mutter der Vorrang zu geben.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Vaters nicht Folge. Für die Zuteilung der elterlichen Rechte und Pflichten sei in erster Linie das Wohl des Kindes maßgebend. Bei der erstmaligen Entscheidung über die Zuteilung der elterlichen Rechte und Pflichten seien die Umstände bei einem Elternteil denen beim anderen in ihrer Gesamtheit gegenüberzustellen. Von entscheidender Bedeutung sei, daß sich das Kind seit der Trennung der Eltern im Jahre 1980 zumindest an Wochenenden, Feiertagen und während der Ferien in Pflege und Erziehung der Mutter befinde, die auch die Betreuung des Kindes in schulischen Belangen wahrnehme. Der Grundsatz der Kontinuität von Pflege und Erziehung, eine der Grundbedingungen für eine erfolgreiche und damit dem Wohl des Kindes dienende Erziehung, könne auch für erstmalige Sorgerechtsentscheidungen nicht generell abgelehnt werden. Er müsse zumindest dort zum Tragen kommen, wo schon bisher eine Erziehungssituation bestanden habe, die nicht unbedingt geändert werden müsse. Sei ein Kind bereits längere Zeit nach Trennung der Eltern von einem Elternteil gut erzogen worden, müßten aus dem Gedanken der Kontinuität heraus bei der ersten Sorgerechtsentscheidung diesem Elternteil die Rechte und Pflichten des § 144 ABGB auch dann zugesprochen werden, wenn beim anderen Elternteil gleich gute Voraussetzungen für die Erziehung des Kindes gegeben wären. Dafür, daß die Verhältnisse beim Vater für das Wohl des Kindes entscheidend besser wären als bei der Mutter, habe das erstinstanzliche Verfahren keine Anhaltspunkte ergeben. Auch wenn eine Betreuung des Kindes durch einen Elternteil während der Woche derzeit durch die Unterbringung im Behindertenförderungszentrum nicht erforderlich sei, könne der Umstand, daß der Vater und seine Lebensgefährtin berufstätig seien, die Mutter aber keiner Beschäftigung nachgehe und sich zur Gänze der Betreuung der Kinder widmen könne, nicht völlig unbeachtet bleiben. Aus all diesen Gründen vermöge auch die zweifellos außerordentlich gute Beziehung des Kindes zum Vater eine Änderung der bestehenden Pflege- und Erziehungsverhältnisse nicht zu rechtfertigen.

Rechtliche Beurteilung

Der außerordentliche Revisionsrekurs des Vaters ist unzulässig. Aufgrund der bestätigenden Entscheidung des Rekursgerichtes ist der Revisionsrekurswerber auf die im § 16 AußStrG genannten Rekursgründe der offenbaren Gesetz- oder Aktenwidrigkeit und der Nullität beschränkt. Dem Inhalte nach macht er den Rekursgrund der offenbaren Gesetzwidrigkeit geltend, der aber nicht vorliegt. Eine offenbare Gesetzwidrigkeit liegt nur in jenen Fällen unrichtiger rechtlicher Beurteilung vor, in denen entweder ein Fall im Gesetz selbst ausdrücklich so klar gelöst ist, daß kein Zweifel über die Absicht des Gesetzgebers aufkommen kann und trotzdem eine damit im Widerspruch stehende Entscheidung gefällt wurde oder in denen das Gericht gegen ein Grundprinzip des Rechts wie etwa gegen das Wohl des Kindes verstoßen hat (EFSlg. 49.930, 49.931, 47.208, 44.648 uva). Eine Ermessensentscheidung begründet dann noch keine offenbare Gesetzwidrigkeit, wenn bei Wahrung des Kindeswohles die zu erstellende Prognose auch anders hätte ausfallen können (vgl. EFSlg. 47.225, 44.656).

Neuerungen können in einem außerordentlichen Revisionsrekurs nach § 16 AußStrG nicht erstattet werden (EFSlg. 49.921, 44.637 uva). Die in seinem Rechtsmittel geltend gemachten Neuerungen hat der Rekurswerber ohnedies bereits zum Anlaß genommen, einen weiteren Antrag nach § 177 Abs 2 ABGB zu stellen. Da die Mutter offenbar gleiches für sich will, wird sie anzuleiten sein, ebenfalls wieder einen solchen Antrag zu stellen.

Der Revisionsrekurs ist zurückzuweisen.

Anmerkung

E10464

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1987:0010OB00534.87.0427.000

Dokumentnummer

JJT_19870427_OGH0002_0010OB00534_8700000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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