TE OGH 1987/4/28 5Ob543/87

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Veröffentlicht am 28.04.1987
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Marold als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr. Griehsler, Dr. Jensik, Dr. Klinger und Dr. Kodek als Richter in der Rechtssache der klagenden und gefährdeten Parteien 1.) Anton P***, Altwarenhändler, Seeboden, Tangern 1, 2.) Roswitha P***, Hausfrau, ebendort, beide vertreten durch Dr. Hans Rogen, Rechtsanwalt in Spittal/Drau, wider die Beklagte und Gegnerin der gefährdeten Parteien Walpurga L***, Altwarenhändlerin, Klagenfurt, Stadelweg 20, vertreten durch Dr. Franz Müller-Strobl, Rechtsanwalt in Klagenfurt, wegen Aufhebung eines Unterbestandvertrages und Räumung infolge Revisionsrekurses der klagenden und gefährdeten Parteien gegen den Beschluß des Landesgerichtes Klagenfurt als Rekursgerichtes vom 23. Jänner 1987, GZ 1 R 615/86-20, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Klagenfurt vom 3. Oktober 1986, 7 C 609/85-15, abgeändert wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben. Der angefochtene Beschluß wird aufgehoben. Dem Rekursgericht wird eine neue Entscheidung über den Rekurs der Beklagten und Gegnerin der gefährdeten Parteien aufgetragen.

Die Kläger und gefährdeten Parteien haben die Kosten ihres Revisionsrekurses vorläufig selbst zu tragen. Die Kosten der Beklagten und Gegnerin der gefährdeten Parteien für die Revisionsrekursbeantwortung sind weitere Kosten des Rekursverfahrens.

Text

Begründung:

Die Kläger haben mit notariellem Pachtvertrag vom 15. September 1977 eine rund 4500 m 2 große Fläche des Grundstückes 954 der Liegenschaft EZ 377 KG St. Ruprecht bis 15. Februar 1993 in Bestand genommen. Diese Fläche wurde zunächst als Lagerplatz im Rahmen der von den Klägern betriebenen Autoverwertung verwendet. Mit notariellem Pachtvertrag vom 19. August 1980 wurde dann diese Fläche von den Klägern für die Zeit vom 15. Dezember 1980 bis zum 15. Februar 1993 an die Beklagte gleichfalls für Zwecke der Autoverwertung in Unterbestand gegeben. Die Beklagte ist im Besitz einer eigenen Gewerbeberechtigung. Die übrigen erforderlichen behördlichen Genehmigungen gingen laut Pachtvertrag vom 19. August 1980 (Punkt 3 Abs 3) auf die Beklagte über. Mit der am 26. September 1985 beim Erstgericht eingelangten Klage streben die Kläger die Aufhebung des Bestandvertrages mit der Beklagten nach § 1118 ABGB an. Sie begehren von der Beklagten die Räumung der von ihr in Bestand genommenen Grundfläche und deren geräumte Übergabe an sie, weil Mietzinsrückstände bestünden und die Beklagte einen erheblich nachteiligen Gebrauch vom Bestandobjekt mache. Sie beachte eine Reihe von (beispielsweise aufgezählten) Vorschreibungen im Betriebsanlagengenehmigungsbescheid des Magistrates der Landeshauptstadt Klagenfurt nicht, wodurch es dazu komme, daß die verpachtete Grundfläche sowie das Grundwasser durch Öl, Treibstoffe und Batterieflüssigkeit verunreinigt und verschlammt würden.

Mit der Klage verbanden die Kläger den Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung, mittels welcher der Beklagten jede weitere Tätigkeit, d.h. jede Demontagearbeit an Kraftfahrzeugen außerhalb der hiefür auf der in Bestand genommenen Fläche vorgesehenen Demontagefläche und ohne Funktionsfähigkeit des Ölabscheiders und soweit die im Bescheid des Magistrates der Landeshauptstadt Klagenfurt vom 21. Juni 1978 ausgesprochenen Auflagen nicht eingehalten werden, ab sofort untersagt werden möge. Wenn die Beklagte ihre Tätigkeit wie bisher fortsetze, werde die Rückstellung der Bestandsache in dem Zustand, in dem sie ihr übergeben worden sei, nicht mehr möglich sein. Überdies würden den Klägern dadurch ein unwiederbringlicher Schaden in Millionenhöhe (Schadenersatzansprüche des Grundeigentümers und der Anrainer, Sanierungskosten) drohen.

Die Beklagte beantragte die Abweisung der Klage und wendete ein, daß nicht nur kein Mietzinsrückstand bestehe, sondern sie sogar eine Überzahlung geleistet habe. Es liege auch ein erheblich nachteiliger Gebrauch des Bestandobjektes nicht vor. Dieses befinde sich in demselben Zustand, in dem es die Beklagte übernommen habe. Zur beantragten einstweiligen Verfügung äußerte sich die Beklagte dahin, daß weder die Gefahr einer Bodenverschmutzung, die über das ortsübliche Maß hinausgehe, noch die Gefahr einer Beeinträchtigung des Grundwassers vorliege. Im übrigen habe die Beklagte das Pachtobjekt in dem derzeit gegebenen Zustand übernommen. Das Erstgericht erließ die beantragte einstweilige Verfügung. Es nahm folgenden Sachverhalt als bescheinigt an:

Nach dem Betriebsanlagengenehmigungsbescheid des Magistrates der Landeshauptstadt Klagenfurt vom 21. Juni 1978 sind bei der Gewerbeausübung zahlreiche Vorschreibungen zu beachten. So darf vor allem nur die Manipulationsfläche für die Demontage von Kraftfahrzeugen Verwendung finden; die Altölbehälter müssen in einer Betonwanne situiert werden; die Autoabstellplätze sind staubfrei zu befestigen und zu markieren; die Manipulationsfläche muß einen mineralöldichten Belag aufweisen und ist über einen ausreichend bemessenen Mineralölabscheider zu entwässern und dergleichen mehr. Die Gewerbeausübung der Beklagten entspricht in mehreren Punkten nicht den Auflagen des Betriebsanlagengenehmigungsbescheides. Dies betrifft sowohl das infolge des Verstellens der Manipulationsfläche nicht mögliche Abwracken von Fahrzeugen und den für das Grundwasser gefahrlosen Ausbau der mineralölhältigen Teile auf der Manipulationsfläche und damit verbunden die dadurch notwendigen Demontagen außerhalb derselben als auch die nicht ordnungsgemäße Lagerung von Altölfässern und die Lagerung der säurehältigen Altbatterien. Der Ölabscheider ist nicht aureichend bemessen. Durch die Lagerung der Fahrzeuge bzw. Fahrzeugteile bestehen Gefahren für das Grundwasser.

Rechtlich folgerte das Erstgericht, daß sowohl der Anspruch als auch die Gefährdung der Kläger ausreichend bescheinigt seien. Es sei vor allem zu befürchten, daß durch die weitere mißbräuchliche Benützung der Bestandsache für die Kläger ein unwiederbringlicher Schaden entstehe. Auf den Erlag einer Sicherheit könne verzichtet werden, weil die Beklagte nur verpflichtet werde, sich den behördlichen Vorschriften gemäß zu verhalten.

Das Rekursgericht wies den Antrag der Kläger auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung ab und sprach aus, daß der von der Abänderung betroffene Wert des Streitgegenstandes S 300.000,-- übersteigt. Es führte aus:

Auszugehen sei davon, daß die Kläger die Räumung des Bestandobjektes durch die Beklagte anstrebten und zur Sicherung ihres Hauptanspruches die Erlassung einer einstweiligen Verfügung dahin begehrten, daß der Beklagten die Weiterführung des Autoverwertungsbetriebes untersagt werde, wenn die Beklagte nicht bestimmte Maßnahmen setze, wobei diese Maßnahmen nur zum Teil im Spruch der einstweiligen Verfügung ihren Niederschlag fänden und zum Teil ohne nähere Spezifizierung auf den entsprechenden Bescheid der Verwaltungsbehörde verwiesen werde. Da die Beklagte nach den Behauptungen der Kläger ihren Verpflichtungen nicht nachkomme, verfolgten die Kläger mit der begehrten einstweiligen Verfügung offensichtlich den Zweck, daß die Beklagte ihren Autoverwertungsbetrieb einzustellen habe, wobei auf die wohl mißglückte Formulierung der einstweiligen Verfügung noch kurz zurückzukommen sein werde.

Lehre und Rechtsprechung verträten zu § 378 EO die Auffassung, daß eine einstweilige Verfügung nur zur Sicherung eines konkret geltend gemachten Anspruches angeordnet werden könne und daß es ihr Zweck sei, die Vereitelung der Durchsetzung dieses Anspruches zu verhindern oder die gefährdete Partei gegen eine Veränderung des gegenwärtigen Zustandes zu schützen, die für sie mit einem drohenden und unwiederbringlichen Schaden verbunden wäre. Die Provisorialmaßnahme müsse aber immer im Rahmen des Hauptanspruches bleiben. Wenn auch bei der Prüfung der Frage, ob sich die einstweilige Verfügung im Rahmen des Anspruches halte, nicht engherzig vorzugehen sei (Heller-Berger-Stix 2696 f; SZ 42/80; MietSlg 34.862, 36.896), seien doch beispielsweise die Ansprüche des Bestandgebers auf Räumung eines Bestandobjektes und auf Unterlassung der Fortführung des darin aufgenommenen Gastgewerbebetriebes so verschieden, daß eine Sicherung des Räumungsanspruches durch das Unterlassungsgebot den Rahmen des erhobenen Hauptanspruches überschreite, sodaß ein mit der einstweiligen Verfügung angestrebtes Verbot der Betreibung des in dem zu räumenden Objekt geführten Gastwirtschaftsbetriebes nicht geeignet sei, den Räumungsanspruch zu sichern (MietSlg 34.862, 36.896).

Nichts anderes könne für den vorliegenden Fall gelten. Der Hauptanspruch der Kläger sei auf Räumung des Bestandobjektes gerichtet, der Provisorialanspruch auf Unterlassung der Fortführung des darauf betriebenen Autoverwertungsgewerbes. Die Verschiedenheit dieser Ansprüche führe auch hier zu dem Schluß, daß das Unterlassungsgebot sich nicht im Rahmen des erhobenen Hauptanspruches halte. Das Unterlassungsbegehren sei also durch das Räumungsbegehren nicht gedeckt (vgl. MietSlg 36.897), sodaß das Provisorialbegehren der Kläger aus diesem Grund der Abweisung verfallen müsse, ohne daß auf die weiteren, im Rekurs aufgeworfenen Fragen einzugehen wäre. Unerörtert könnte auch die in dieser Form wohl nicht exequierbare Fassung des Spruches der angestrebten einstweiligen Verfügung bleiben.

Gegen den Beschluß des Rekursgerichtes richtet sich der Revisionsrekurs der Kläger mit dem Antrag auf Wiederherstellung der vom Erstgericht erlassenen einstweiligen Verfügung. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die Beklagte beantragt in ihrer Revisionsrekursbeantwortung, dem Revisionsrekurs nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist im Hinblick auf den vom Obersten Gerichtshof grundsätzlich nicht überprüfbaren Ausspruch des Rekursgerichtes, daß der von der Abänderung betroffene Wert des Streitgegenstandes S 300.000,-- übersteigt, zulässig; er ist auch berechtigt.

Es ist zwar richtig, daß eine Provisorialmaßnahme immer im Rahmen des Hauptanspruches bleiben muß (SZ 27/329 uva). Schon das Rekursgericht hat aber zutreffend hervorgehoben, daß bei der Prüfung der Frage, ob sich die einstweilige Verfügung im Rahmen des Hauptanspruches hält, nicht engherzig vorzugehen ist (SZ 42/80 = MietSlg 21.916 ua). Dazu kommt im vorliegenden Fall, daß der von den Klägern erhobene Räumungsanspruch die Geltendmachung der Rückstellungspflicht der Beklagten nach § 1109 ABGB darstellt (siehe hiezu Würth in Rummel, ABGB, Rz 1 ff zu §§ 1109, 1110; zum Zustand, in dem ein Bestandobjekt zurückzustellen ist, insbesondere Rz 6 f). Bereits in der Entscheidung MietSlg 9437 wurde ausgesprochen, daß der Anspruch des Bestandgebers auf Rückstellung der Bestandsache dadurch gesichert werden kann, daß dem Bestandnehmer die weitere Benützung der Bestandsache verboten werde, wenn die Gefahr besteht, daß der Bestandnehmer infolge mißbräuchlicher Benützung der Bestandsache seiner Verpflichtung zu ihrer Rückstellung in dem Zustand, in welchem er sie erhalten hat, nicht nachkommen werde; dem Bestandnehmer kann daher, wenn der Rückstellungsanspruch des Bestandgebers gefährdet ist, die Benützung und damit allenfalls auch das Betreten der in Bestand genommenen Räume verboten werden. In der Entscheidung MietSlg 18.755, die in einem Verfahren erging, in dem der Bestandgeber seinen Anspruch auf vorzeitige Auflösung des Bestandverhältnisses wegen erheblich nachteiligen Gebrauches der Bestandsache geltend machte und demgemäß die Verpflichtung des Bestandnehmers zur Räumung der Liegenschaft begehrte, führte der Oberste Gerichtshof aus, daß der Bestandgeber Anspruch auf Rückstellung der Sache im vertragsmäßigen Zustand hat; wenn die Gefahr besteht, daß der Bestandnehmer durch mißbräuchliche Benützung der Bestandsache dieser Verpflichtung nicht nachkommen und die Sache verändern werde, ist daher eine einstweilige Verfügung nicht ausgeschlossen; es kann auch ein Verbot der Benützung und allenfalls auch des Betretens der Sache in Betracht kommen; Voraussetzung dafür ist die Bescheinigung, daß sich die Sache nicht mehr in vertragsmäßigem Zustand befinden werde. Damit stehen die Entscheidungen MietSlg 25.619 und 34.862 nicht im Widerspruch; in den diesen Entscheidungen zugrunde liegenden Fällen wurden bloß die Gefährdung des Räumungsanspruches im Sinne des § 381 Z 1 EO und die Voraussetzungen des § 381 Z 2 EO als nicht bescheinigt angesehen. Kann aber die Erlassung der von den Klägern beantragten einstweiligen Verfügung, mit der im übrigen nicht die Weiterführung des Autoverwertungsbetriebes untersagt, sondern bloß die Einhaltung der behördlichen Vorschreibungen erreicht werden soll, nicht schon deshalb abgelehnt werden, weil sich das angestrebte Unterlassungsgebot nicht im Rahmen des erhobenen Hauptanspruches hält, so ist es erforderlich, auf die weiteren Rekursausführungen der Beklagten einzugehen. Da das Schwergewicht dieser Ausführungen auf der Bekämpfung des vom Erstgericht als bescheinigt angenommenen Sachverhaltes liegt und der Oberste Gerichtshof auch im Provisorialverfahren nur Recht- und nicht auch Tatsacheninstanz ist (GR 1964, 7 uva, zuletzt etwa ÖBl 1983, 74 und 4 Ob 324/86), während das Rekursgericht in einem solchen Verfahren an die Beweiswürdigung des Erstgerichtes nicht gebunden ist, diese vielmehr, wenn sie bekämpft wird, zu überprüfen hat und auch ergänzende Feststellungen treffen kann (EvBl 1964/392 uva, zuletzt etwa ÖBl 1983, 74, 1 Ob 573/86, 4 Ob 322/86), war dem Revisionsrekurs Folge zu geben und spruchgemäß zu beschließen. Das Rekursgericht wird zu beurteilen haben, ob den Klägern die Bescheinigung des Anspruches sowie der Voraussetzungen des § 381 Z 1 oder 2 EO - die mit der ordnungsgemäßen Benützung der Bestandsache verbundene normale Abnützung ist allerdings keine die Verwirklichung des Herausgabeanspruches gefährdende Zustandsveränderung (vgl. SZ 23/177, EvBl 1968/284, 4 Ob 636/75, 4 Ob 580/79; vgl. auch Würth aaO Rz 6 f zu §§ 1109, 1110) - gelungen ist, und bejahendenfalls dem Spruch der beantragten einstweiligen Verfügung (aufgrund des Antragsvorbringens und der Ergebnisse des Bescheinigungsverfahrens) eine exequierbare Fassung zu geben haben. Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsrekurses beruht auf § 393 Abs 1 EO, die Entscheidung über die Kosten der Revisionsrekursbeantwortung auf §§ 78, 402 EO, 52 ZPO.

Anmerkung

E10960

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1987:0050OB00543.87.0428.000

Dokumentnummer

JJT_19870428_OGH0002_0050OB00543_8700000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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