TE OGH 1987/4/29 3Ob92/87

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Veröffentlicht am 29.04.1987
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr. Petrasch als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Hule, Dr. Warta, Dr. Klinger und Dr. Angst als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Franz M***, Angestellter, Linz, Chr.Coulin-Straße 13, vertreten durch Dr. Wolfgang Moringer ua, Rechtsanwälte in Linz, wider die beklagte Partei Dr. Irene K***, Hauseigentümerin, Linz, Chr.Coulin-Straße 13, vertreten durch Dr. Günther Quass, Rechtsanwalt in Linz, wegen Unzulässigkeit einer Exekution, infolge außerordentlicher Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes Linz als Berufungsgerichtes vom 9. Dezember 1986, GZ 13 R 909/86-10, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Linz vom 12. August 1986, GZ 15 C 7/86-5, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei binnen 14 Tagen die mit 3.397,35 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin 308,85 S Umsatzsteuer) zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Im Verfahren 11 C 101/86 neu 8 C 16/87 des Bezirksgerichtes Linz begehrte die jetzt beklagte Partei vom jetzigen Kläger die Räumung eines Geschäftslokales in Linz mit der Begründung, der Mietvertrag sei infolge Nichtzahlung des Mietzinses gemäß § 1118 ABGB aufgehoben worden. Diese Klage und die Ladung zur ersten Tagsatzung am 25.4.1986 wurde dem Kläger eigenhändig am 3.4.1986 zugestellt. Er erschien nicht zur ersten Tagsatzung, worauf über Antrag der jetzt beklagten Partei gegen ihn ein der Klage stattgebendes Versäumungsurteil erging.

Dieses Versäumungsurteil wurde für den Kläger beim zuständigen Postamt am 29.4.1986 (einem Dienstag) hinterlegt und eine Verständigung hievon ins Hausbrieffach eingelegt. Das Zustellstück wurde vom 29.4.1986 bis 19.5.1986 (dritter auf den 29.4.1986 folgenden Montag, Pfingstmontag) zur Abholung bereitgehalten und am 20.5.1986 als nicht behoben an das Prozeßgericht zurückgesandt. Am 2.6.1986 bestätigte das Erstgericht die Rechtskraft und Vollstreckbarkeit des Versäumungsurteiles.

Am 10.6.1986 stellte die jetzt beklagte Partei als betreibende Partei beim Titelgericht den Antrag auf Bewilligung der Räumungsexekution sowie auf Bewilligung der Fahrnisexekution zur Hereinbringung der Prozeß- und Exekutionskosten. Das Erstgericht (Titelgericht) bewilligte diesen Antrag.

Die Fahrnisexekution wurde vom Erstgericht als Exekutionsgericht zu 15 E 3865/86 weitergeführt. Am 26.6.1986 scheiterte ein Vollzugsversuch mangels pfändbarer Gegenstände. An diesem Tag wurde dem jetzigen Kläger und Verpflichteten die Exekutionsbewilligung zugestellt. Ein Rechtsmittel gegen die Exekutionsbewilligung brachte der Verpflichtete nicht ein, wohl aber stellte er einerseits beim Prozeßgericht einen Antrag auf Zustellung des Versäumungsurteiles und brachte andererseits die vorliegende Impugnationsklage ein. Der Kläger machte geltend, die Zustellung des Versäumungsurteiles durch postamtliche Hinterlegung sei unwirksam, weil er vom 26.4.1986 bis 15.5.1986 einen Urlaub in Traunkirchen verbracht habe und daher ortsabwesend gewesen sei.

Die beklagte Partei beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab.

Das Berufungsgericht bestätigte das Urteil des Erstgerichtes und sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes 60.000 S, nicht aber 300.000 S übersteigt und die Revision nicht zulässig sei. Beide Vorinstanzen gingen von der Tatsachenfeststellung aus, daß sich der Kläger zwar vom 26.4.1986 bis "Ende" Mai 1986 auf Urlaub in Traunkirchen aufgehalten habe, daß er aber zumindest am 14.5.1986 (einem Mittwoch) von 9,30 Uhr bis 9,40 Uhr (aus Anlaß eines anderen Exekutionsvollzuges) in seiner Wohnung in Linz gewesen sei, ohne allerdings in den Briefkasten hineinzusehen.

Beide Instanzen vertraten die Rechtsansicht, daß die postamtliche Hinterlegung im Sinne des § 17 Abs 1 ZustG erfolgen durfte, weil für den Zusteller kein Grund zur Annahme bestanden habe, daß sich der Empfänger nicht regelmäßig an der Abgabestelle aufhalte. Ohne die Rückkehr des Klägers während der Abholfrist wäre freilich die Zustellung im Sinne des § 17 Abs 3 ZustG unwirksam gewesen. Die festgestellte Anwesenheit an der Abgabestelle für 10 Minuten stelle aber eine Rückkehr an die Abgabestelle im Sinne des § 17 Abs 3 ZustG dar, sodaß die Zustellung an dem der Rückkehr folgenden Tag wirksam geworden sei.

Den Ausspruch über die Unzulässigkeit der Revision begründete das Berufungsgericht mit dem klaren Gesetzestext.

Der Kläger macht in seiner außerordentlichen Revision geltend, es fehle zur Auslegung des Begriffes der Rückkehr an die Abgabestelle an einer Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes. Die beklagte Partei beantragte in der ihr freigestellten Revisionsbeantwortung, die Revision des Klägers zurückzuweisen oder ihr nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig, weil eine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zur strittigen Rechtsfrage fehlt und die Formulierung des Gesetzes nicht so eindeutig ist, daß keine Auslegungsdifferenzen entstehen könnten. Sie ist aber nicht berechtigt.

Der erkennende Senat hält an der Rechtsprechung fest, daß der vom Kläger behauptete Zustellmangel auch mittels einer Klage nach § 36 Abs 1 Z 1 EO geltend gemacht werden kann, weil im vorliegenden Fall die Exekution vom Titelgericht bewilligt wurde (MietSlg 9.273; JBl 1980, 326).

Die Möglichkeit eines Wirksamwerdens einer Ersatzzustellung nach der Rückkehr des Empfängers an die Abgabestelle gemäß § 17 Abs 3 ZustG wird vom Obersten Gerichtshof bejaht. Nach dieser Bestimmung gelten zwar hinterlegte Sendungen nicht als zugestellt, wenn sich ergibt, daß der Empfänger ... wegen Abwesenheit von der Abgabestelle nicht rechtzeitig vom Zustellvorgang Kenntnis erlangen konnte, doch wird die Zustellung an dem der Rückkehr an die Abgabestelle folgenden Tag innerhalb der Abholfrist wirksam, an dem die hinterlegte Sendung behoben werden könnte. Eine ähnliche Bestimmung enthält § 16 Abs 5 ZustG für den Fall der zunächst nicht wirksamen Zustellung an einen Ersatzempfänger. Fraglich ist in diesem Zusammenhang, ob eine Hinterlegung selbst bei "rechtzeitiger" Rückkehr zur Abgabestelle wirksam werden kann, wenn der Empfänger von der Abgabestelle (längere Zeit) abwesend war, und ob diese "Abwesenheit" das Gegenteil des regelmäßigen Aufenthaltes an der Abgabestelle bedeuten soll.

Walter-Mayer, Zustellrecht 102 ff verweisen auf eine mögliche Verschlechterung der Rechtsposition des Empfängers im Vergleich zur früheren Rechtslage, bieten aber keine eigene Lösung; Hauer, ÖGZ 1983, 34 bezweifelt nur die Wirksamkeit einer Ersatzzustellung nach § 16 Abs 5 ZustG nach der Rückkehr des Empfängers von einer längeren Abwesenheit; der Verwaltungsgerichtshof hat hingegen in der in ZfVB 1985/3/1176 veröffentlichten Entscheidung den Standpunkt vertreten, durch eine längere Abwesenheit gehe der Charakter einer Wohnung als Abgabestelle im Sinn des § 4 ZustG verloren, sodaß die Zustellung auch nicht am Tage nach der Rückkehr zB von einem Urlaub wirksam werden könne. Die überwiegende Lehre bejaht jedoch die Wirksamkeit der Zustellung nach dem Schlußsatz des § 17 Abs 3 ZustG auch nach einer längeren Abwesenheit des Empfängers, wenn dieser noch während der Abholfrist an die Abgabestelle zurückkehrt (Szirba zur zit.VwGHE in ZfVB 1985, 597; Berchtold, Zustellgesetz 33 f, 37; König, ÖGZ 1983, 116; Schwaighofer, Anw 1983, 380).

Der Oberste Gerichtshof schließt sich dieser herrschenden Ansicht an. Im § 17 Abs 1 ZustG wird die Zulässigkeit der Hinterlegung nicht von der wirklichen Abwesenheit abhängig gemacht, sondern davon, ob der Zusteller Grund zur Annahme hatte, daß sich der Empfänger regelmäßig an der Abgabestelle aufhalte. Nach § 17 Abs 3 ZustG gilt die hinterlegte Sendung ungeachtet einer solchen berechtigten Annahme des Zustellers nicht als zugestellt, wenn der Empfänger wegen objektiv gegebener Abwesenheit von der Abgabestelle vom Zustellvorgang nicht rechtzeitig Kenntnis erlangen konnte. In diesem Fall etwa der Verkürzung einer Frist (vgl. SZ 57/34) oder eines bereits überholten Termins wird der Empfänger in angemessener Weise geschützt. Andernfalls wird die Zustellung nach dem Schlußsatz des § 17 Abs 3 ZustG mit dem auf die Rückkehr zur Abgabestelle folgenden Tag wirksam. Auch diese Rechtsfolge ist ausgewogen, weil der Empfänger nun regelmäßig die einfache Möglichkeit hat, das hinterlegte Schriftstück zu beheben. Wenn die Abholfrist schon abgelaufen ist, tritt die Rechtsfolge ohnehin nicht ein, besondere Zwischenfälle hingegen können zur Wiedereinsetzung führen. Nur in dem hier nicht gegebenen Fall des § 16 Abs 5 ZustG mag die Rechtsfolge der Wirksamkeit der Zustellung mit dem der Rückkehr an die Abgabestelle folgenden Tag wegen der Besonderheit, daß hier keine Befristung besteht und nach längerer Zeit eher mit einem Verlust der Sendung gerechnet werden muß, zu unangemessen nachteiligen Folgen für den Empfänger führen.

Der Meinung des Verwaltungsgerichtshofes, daß bei einer auch nur ein- oder zweiwöchigen Abwesenheit der Charakter einer Wohnung als Abgabestelle verloren gehe, vermag der Oberste Gerichtshof deshalb umsoweniger zu folgen, als das Wort "Rückkehr" nach seiner gewöhnlichen sprachlichen Bedeutung gerade dann angewendet wird, wenn eine längere Abwesenheit vorliegt (Duden, Das große Wörterbuch der deutschen Sprache V und Brockhaus-Wahrig, Deutsches Wörterbuch V; in diesem Sinn auch noch VwGH Slg 8517 A). Ob jedes noch so kurzfristige Aufsuchen der Abgabestelle schon eine "Rückkehr" an dieselbe bedeutet, kann im vorliegenden Fall offenbleiben, weil eine solche Rückkehr jedenfalls vorliegt, wenn der Empfänger bei einem Exekutionsvollzug mindestens zehn Minuten lang in der Wohnung anwesend ist und wenn ihm überdies wegen der vorhergegangenen Zustellung der Klage und der Ladung zur ersten Tagsatzung bekannt war, daß er mit der Zustellung eines Versäumungsurteiles im Zeitpunkt dieser Rückkehr zu rechnen hatte. Die hier festgestellte tatsächliche Abholfrist entsprach der gemäß § 245 PostO auch für die Beförderung von amtlichen Briefsendungen geltenden Bestimmung des § 186 PostO, wonach Postsendungen der vorliegenden Art bis zum dritten Montag, der dem Tag ihres Einlangens folgt, zur Abholung bereitzuhalten sind. Daß auf der Verständigung des Klägers über die Hinterlegung eines Schriftstückes (Form.1 der ZustellformularVO 1982) hier eine andere Abholfrist angegeben gewesen wäre, wurde nicht behauptet. Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 41 und 50 ZPO.

Anmerkung

E11111

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1987:0030OB00092.87.0429.000

Dokumentnummer

JJT_19870429_OGH0002_0030OB00092_8700000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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