TE OGH 1987/4/29 3Ob635/86

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Veröffentlicht am 29.04.1987
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr. Petrasch als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Hule, Dr. Warta, Dr. Klinger und Dr. Angst als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Siegrun D***, Angestellte, 1150 Wien, Lurichgasse 8/1/16, vertreten durch Dr. Richard Köhler, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei G*** UND BANK DER Ö*** S*** AG, 1030 Wien,

Beatrixgasse 27, vertreten durch Dr. Klaus Galle, Rechtsanwalt in Wien, wegen 56.663,64 S sA, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 15.Mai 1986, GZ 2 R 61/86-14, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Handelsgerichtes Wien vom 5. Dezember 1985, GZ 25 Cg 221/85-9, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben. Das Urteil des Berufungsgerichtes wird dahin abgeändert, daß das Urteil des Erstgerichtes wiederhergestellt wird.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei binnen 14 Tagen die mit 5.697,50 S bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens (darin 514,50 S Umsatzsteuer und 38 S Barauslagen) und die mit 8.397,35 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin 308,85 S Umsatzsteuer und 5.000 S Barauslagen) zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Für die am 22.4.1964 geborene Klägerin bestand bei der beklagten Partei ein Bausparvertrag. Mit Kündigungsschreiben vom 26.1.1982 wies der Vater der Klägerin, damals noch ihr gesetzlicher Vertreter, die beklagte Partei an, das fällig gewordene Guthaben auf das auf ihren Namen lautende Sparbuch Nr 19-106.442 bei der S*** DER STADT E*** zu überweisen. Dieses Sparbuch hatte der Vater der Klägerin am 3.11.1980 für Kredite einer W & Ch.M*** Gesellschaft mbH zugunsten der genannten Sparkasse verpfändet.

Mit rechtsfreundlichem Schreiben vom 17.3.1982 ersuchte der Vater der Klägerin die beklagte Partei, das Guthaben entgegen dem erwähnten Kündigungsschreiben nun an seine Rechtsanwälte zu überweisen.

Mit Schreiben vom 2.4.1982 teilte die beklagte Partei mit, daß sie diesem Ersuchen nicht mehr nachkommen könne, weil die Überweisung schon auf das ursprünglich bekanntgegebene Konto durchgeführt worden sei. Mit Schreiben vom 19.4.1982 ergänzte die beklagte Partei, daß die Überweisung am 23.3.1982 ausgeführt worden sei. Das am 19.3.1982 bei ihr eingelangte Schreiben vom 17.3.1982 habe aus technischen Gründen nicht mehr so rechtzeitig zugeordnet werden können, daß die beklagte Partei dem geänderten Auftrag noch vor dem 23.3.1982 entsprechen hätte können.

Die klagende Partei begehrt von der beklagten Partei die Zahlung des der Höhe nach nicht strittigen Betrages von 56.663,64 S samt Anhang mit der Begründung, die beklagte Partei habe dem Auftrag laut Schreiben vom 17.3.1982 nicht entsprochen, obwohl die Zeit vom 19.3.1982 bis 23.3.1982 zur Verfügung gestanden habe, und die klagende Partei deshalb geschädigt, weil wegen der hohen Verschuldung der erwähnten Gesellschaft mbH eine Auszahlung des Betrages durch die S*** DER STADT E*** nicht möglich sei. Die beklagte Partei beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Sie bestritt die Klagslegitimation, weil nicht festehe, daß der strittige Bausparvertrag dem Vermögen der Klägerin zuzurechnen sei. Weil in der am 23.3.1982 durchgeführten Überweisung als Begünstigte aber ohndedies die Klägerin angeführt worden sei, komme eine Vermischung mit Verbindlichkeiten dritter Personen bei der S*** DER STADT E*** kaum in Frage. Die Verpfändung des Sparbuches einer Minderjährigen zugunsten eines Dritten sei unwirksam, und die S*** DER STADT E*** sei auch nicht gutgläubig gewesen. Im Schreiben vom 17.3.1982 sei keine Vollmacht beigelegt gewesen. Der zuständige Sachbearbeiter habe es erst am Montag, den 22.3.1982, in Bearbeitung genommen und zunächst die beiden im Schreiben vom 17.3.1982 angeführten Bausparakten (einer betrifft die Klägerin, ein zweiter den Bruder der Klägerin) beischaffen müssen, was bis zum 23.3.1982 nicht mehr möglich gewesen sei, weil der Akt in einer anderen Abteilung der beklagten Partei bearbeitet worden und dort schon die Einspeisung in das Computer-Programm erfolgt sei. Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab.

Es traf im wesentlichen folgende Tatsachenfeststellungen:

Die Einzahlungen auf den strittigen Bausparvertrag der Klägerin erfolgten aus einem Sparbuch. Als der Vater der Klägerin deren Sparbuch Nr 19-106.442 zugunsten der S*** DER STADT E*** verpfändete, erklärte er dieses Sparbuch als sein Eigentum, welcher Erklärung der Angestellte dieser Sparkasse Glauben schenkte. Der Vater der Klägerin hatte mit dieser Sparkasse vereinbart, daß auch alle nachträglich vorgenommenen Einlagen auf das verpfändete Sparbuch von der Verpfändung umfaßt sein sollten.

Das Schreiben vom 17.3.1982 langte bei der beklagten Partei am Freitag, dem 19.3.1982 ein. Die fehlende Vollmacht war für den zuständigen Sachbearbeiter kein Anlaß, an der Bevollmächtigung zu zweifeln. Die Sache erschien ihm nicht besonders dringlich, zumal er sich noch erinnern konnte, daß die ursprüngliche Anweisung ohnedies zugunsten eines Kontos der Klägerin verfügt worden war. Er nahm mangels Anführung des wirklichen Grundes (die angeführte Gesellschaft mbH ging in Liquidation, was zur Sperre unter anderem auch des verpfändeten Sparbuchs der Klägerin führte, weshalb der Vater der Klägerin seine Rechtsvertreter beauftragte, dafür zu sorgen, daß das Guthaben an die Klägerin ausgezahlt werde) einen banalen Grund, zB eine Wohnungsänderung an. Am Montag, dem 22.3.1982 erhielt er den angeforderten Akt, aus dem sich aber ergab, daß noch ein zweiter Akt dazu gehörte, ohne den er nicht entscheiden konnte. Er ordnete daher die dringende Beischaffung des zweiten Aktes an. In der Zeit vom 19. bis 23.3.1982 erkundigte er sich nicht darüber, wie weit die Durchführung des ursprünglichen Überweisungsauftrages bereits fortgeschritten war. Ein Stoppen der mit Hilfe eines Computers veranlaßten Überweisung wäre "nicht allzu leicht" möglich gewesen.

Die S*** DER STADT E*** lehnte später gegenüber dem Vertreter der Klägerin eine Herausgabe des Klagsbetrages zugunsten der Klägerin ab, und verrechnete den Betrag zugunsten der Kredite, für die das Sparbuch der Klägerin verpfändet war. Die Klägerin selbst hat sich noch nicht an diese Sparkasse gewandt. In rechtlicher Hinsicht war das Erstgericht der Auffassung, daß mangels gutgläubigen Pfandrechtserwerbes durch die S*** DER STADT E*** für die Klägerin aus der Verletzung von Vertragspflichten durch die beklagte Partei kein Schaden entstanden sei.

Das Berufungsgericht änderte das Urteil des Erstgerichtes im Sinne des Klagebegehrens ab und sprach aus, daß die Revision zulässig sei.

Das Berufungsgericht übernahm die Feststellungen des Erstgerichtes, gelangte aber zu folgender abweichenden rechtlichen Beurteilung: Weil die Klage nicht ausschließlich auf Schadenersatz, sondern auch auf Vertragserfüllung gestützt sei, müsse die beklagte Partei die Zahlung beweisen. Die Überweisung auf ein bestimmtes Sparbuch sei nur an Zahlungs Statt erfolgt und habe nur solange als Zahlung gegolten, als der Auftrag der Klägerin nicht widerrufen gewesen sei. Dieser Widerruf habe die beklagte Partei nicht zusätzlich belastet. Eine Vereinbarung über eine bestimmte Zahlungsart habe die beklagte Partei nicht behauptet. Wenn die beklagte Partei den neuen Auftrag nicht sofort bearbeiten konnte, hätte sie zunächst sofort mit der Ausführung des alten Auftrages innehalten müssen. Die beklagte Partei habe nicht den Beweis erbracht, ohne ihr Verschulden an der Erfüllung des Vertrages gehindert gewesen zu sein.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision der beklagten Partei ist zulässig, weil der Rechtsfrage, ab wann eine Bank den Widerruf eines Überweisungsauftrages zu beachten hat, erhebliche Bedeutung im Sinne des § 502 Abs 4 Z 1 ZPO zukommt; sie ist auch berechtigt. Eine Bank hat ebenso wie den Überweisungsauftrag gemäß § 1020 ABGB auch dessen Widerruf sofort und strikt zu beachten, sobald ihr dieser zugekommen ist (Stanzl in Klang2 IV/1,863 f). Im vorliegenden Fall liegt aber nicht der Normalfall eines vom Kunden der Bank erteilten Auftrages auf Überweisung eine Geldbetrages an einen Dritten vor, bei dem jeder Fehler und jede Verzögerung erfahrungsgemäß einen Schaden befürchten lassen. Vielmehr handelte es sich bloß um die Auszahlung der angesparten Beträge an den Bausparer. Diese Abwicklung ist in der Regel nicht dringend. Es steht in einem solchen Fall keine besondere Sorgfaltspflicht der Bank gegenüber ihrem Kunden im Vordergrund, sicherzustellen, daß ein Dritter rechtzeitig den ihm zugedachten Geldbetrag oder umgekehrt kein Dritter einen ihm nicht zugedachten Geldbetrag erhält, sondern hier geht es nur darum, daß die Bank das Guthaben ihres Kunden richtig errechnet und diesem ausfolgt. Die klagende Partei bzw. ihr damaliger gesetzlicher Vertreter hätten deshalb die beklagte Partei ausdrücklich auf die Wichtigkeit und vor allem auf die besondere Dringlichkeit der verfügten Umdisposinierung im Widerrufsschreiben vom 17.3.1982 hinweisen müssen (vgl Schinnerer-Avancini, Bankverträge3 I 247 f). Nur dann könnten von einer Bank ein sofortiges Handeln und auch ungewöhnliche Maßnahmen wie ein sofortiges Stoppen einer Computereingabe verlangt werden. Ohne einen solchen Hinweis durfte hingegen die beklagte Partei das Widerrufsschreiben der üblichen Erledigung unterziehen, welche nach den Feststellungen der Vorinstanzen stattfand, mag diese im Ergebnis dann auch etwas zu spät gekommen sein.

Die beklagte Partei ist damit nicht verpflichtet, der klagenden Partei den ihr zustehenden Betrag aus dem Bausparvertrag ein zweitesmal auszufolgen oder ihr Schadenersatz zu leisten. Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 41 und 50 ZPO.

Anmerkung

E11559

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1987:0030OB00635.86.0429.000

Dokumentnummer

JJT_19870429_OGH0002_0030OB00635_8600000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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