TE OGH 1987/4/30 7Ob583/87 (7Ob584/87)

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Veröffentlicht am 30.04.1987
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Wurz als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Warta, Dr. Egermann, Dr. Angst und Dr. Niederreiter als Richter in der Pflegschaftssache der mj. Kinder Katharina, geboren am 22. Mai 1970, Christine und Johanna, beide geboren am 18. September 1971, und Waltraud H***, geboren am 10. März 1976, infolge Rekurses der Mutter Christiana W***, Wien 17, Leopold Ernst-Gasse 26/15, gegen den Beschluß des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgerichtes vom 12. Februar 1987, GZ 47 R 67, 68/87-25, womit die Beschlüsse des Bezirksgerichtes Döbling vom 23. September 1986, GZ 2 P 43/86-13, und vom 22. Dezember 1986, GZ 2 P 43/86-22, als nichtig behoben wurden, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Rekurs wird Folge gegeben, der angefochtene Beschluß aufgehoben und dem Rekursgericht eine neue Entscheidung aufgetragen.

Text

Begründung:

Die Ehe der Eltern der mj. Kinder Katharina, Christine, Johanna und Waltraud H*** wurde mit Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien vom 31. Jänner 1986 aus dem überwiegenden Verschulden der Ehefrau, die ihren Mann im Mai 1985 verlassen hatte, geschieden. Die Kinder blieben in der Obhut des Vaters. Die Mutter beantragte, die elterlichen Rechte hinsichtlich der Kinder Katharina und Waltraud ihr zu übertragen; ferner beantragte sie ein Besuchsrecht. Diesen Anträgen hat das Erstgericht entsprochen.

Das Rekursgericht hob aus Anlaß der vom Vater gegen die Beschlüsse ON 13 und 22 erhobenen Rekurse diese Beschlüsse als nichtig auf. Das geistige und insbesondere das körperliche Wohl der Minderjährigen sei nach den Feststellungen des Erstgerichtes beim Vaters schwerstens gefährdet. Es liege deshalb ein Erziehungsnotstand vor, weshalb gemäß § 22 Abs. 1 Z 2 lit. a JGG der Jugendgerichtshof Wien zur Entscheidung berufen gewesen wäre. Der von der Mutter gegen diese Entscheidung erhobene Rekurs ist im Ergebnis berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Die Zuständigkeit des Jugendgerichtshofes iS des § 22 Abs. 1 Z 2 lit. a JGG setzt voraus, daß eine Entscheidung darüber zu treffen ist, ob eine konkrete Maßnahme im Zusammenhang mit einem Erziehungsnotstand erforderlich ist. Nur unter dieser Voraussetzung ist es sinnvoll und der erkennbaren Absicht des Gesetzes entsprechend, die auf die besonderen Möglichkeiten des Jugendgerichtshofes zur Behebung von Erziehungsnotständen gegründete besondere Zuständigkeit anzunehmen (vgl. EvBl. 1980/81). Im vorliegenden Fall ist Gegenstand des Verfahrens nicht die Frage, ob ein Erziehungsnotstand gegeben ist und ob deshalb Maßnahmen iS der §§ 26 ff JWG anzuordnen sind, sondern eine Entscheidung gemäß § 177 Abs. 2 ABGB darüber, welchem Elternteil die Rechte und Pflichten iS des § 144 ABGB hinsichtlich der mj. ehelichen Kinder nach Scheidung der Ehe der Eltern künftig allein zustehen, da die Eltern eine Vereinbarung darüber (§ 177 Abs. 1 ABGB) dem Gericht nicht unterbreitet haben. Für diese Entscheidung war die Zuständigkeit des Erstgerichtes gegeben. Der Oberste Gerichtshof vermag deshalb die Ansicht des Rekursgerichtes, die Entscheidungen des Erstgerichtes seien nach der - im Außerstreitverfahren analog heranzuziehenden - Bestimmung des § 477 Abs. 1 Z 3 ZPO nichtig, nicht zu teilen.

Anmerkung

E10762

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1987:0070OB00583.87.0430.000

Dokumentnummer

JJT_19870430_OGH0002_0070OB00583_8700000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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