TE OGH 1987/4/30 6Ob540/87

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Veröffentlicht am 30.04.1987
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Samsegger als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Melber, Dr. Schlosser, Mag. Engelmaier und Dr. Redl als weitere Richter in der Sachwalterschaftssache betreffend Josef R***, Pensionist, 4090 Engelhartszell 14, infolge Revisionsrekurses des zum Sachwalter bestellten einstweiligen Sachwalters nach § 238 Abs 1 und 2 AußStrG Helmut S***, Kraftfahrer, 4090 Engelhartszell, Oberranna 3, gegen den Beschluß des Kreisgerichtes Ried im Innkreis als Rekursgerichtes vom 25.November 1986, GZ R 341/86-23, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Engelhartszell vom 31.Juli 1986, GZ SW 8/86-12, teilweise abgeändert wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluß und die ergänzende Vernehmung des Sachverständigen Prim.Doz.Dr.Dieter K*** durch das Rekursgericht am 25. November 1986 werden als nichtig aufgehoben. Die Sachwalterschaftssache wird an das Rekursgericht zur neuen Entscheidung nach Ergänzung des Verfahrens gemäß den §§ 239 bis 242 und 250 AußStrG zurückverwiesen.

Text

Begründung:

Helmut S*** wurde mit rechtskräftig gewordenem erstgerichtlichem Beschluß vom 13. Juni 1986, ON 8, zum einstweiligen Sachwalter für das Verfahren nach § 238 Abs 1 AußStrG und zur Besorgung aller sonstigen dringenden Angelegenheiten nach Abs 2 der zitierten Gesetzesstelle bestellt.

Zur mündlichen Verhandlung vom 23. Juli 1986 wurden nach § 240 AußStrG der Betroffene und der einstweilige Sachwalter geladen, die dazu auch erschienen, entgegen § 241 Abs 1 AußStrG jedoch nicht die Mutter des Betroffenen beigezogen. In der mündlichen Verhandlung nahm der Sachverständige Prim.Doz.Dr. Dieter K*** einen Befund auf und trug sein Gutachten vor. Daß in der mündlichen Verhandlung entsprechend der zwingenden Vorschrift des § 241 Abs 1 AußStrG alle für die Entscheidung erheblichen Umstände vorgetragen wurden, ist dem Protokoll ebensowenig zu entnehmen wie die im § 242 leg. cit. zwingend vorgeschriebene Erörterung der Ergebnisse der Beweisaufnahme in der mündlichen Verhandlung. Die Beiziehung der Mutter des Betroffenen, der Vortrag der für die Entscheidung erheblichen Umstände und die Erörterung der Ergebnisse der Beweisaufnahme in der mündlichen Verhandlung wären deshalb besonders wichtig gewesen, weil der Betroffene bei seiner ersten Anhörung mehrfach erklärt und begründet hatte, daß und warum er seine Angelegenheiten ohne Gefahr eines Nachteiles für sich selbst besorgen könne und weil der Umfang der von ihm zu besorgenden Angelegenheiten und die allfällige Hilfe im Rahmen seiner Familie, insbesondere durch die Mutter, nicht näher geklärt waren, weshalb der ärztliche Sachverständige in seinem kurzen Befund und in seinem kurzen Gutachten darauf nicht näher eingehen konnte. Das Erstgericht bestellte dem Betroffenen gemäß § 273 ABGB Helmut S*** zum Sachwalter zur Besorgung aller Angelegenheiten, weil der Betroffene an paranoider Schizophrenie leide. Dieser Beschluß wurde dem Betroffenen und dem zum Sachwalter bestellten einstweiligen Sachwalter zugestellt und vom Betroffenen mit Rekurs angefochten, weil er nicht mehr an einer psychischen Krankheit leide und alle seine Angelegenheiten selbst besorgen könne. Der Vorsitzende des Rekurssenates beraumte am 31.Oktober 1986 eine mündliche Verhandlung auf den 25.November 1986 an und verfügte die Ladung des Betroffenen, des zum Sachwalter bestellten einstweiligen Sachwalters und des schon vom Erstgericht beigezogenen ärztlichen Sachverständigen. Diese Ladungsverfügung wurde jedoch von der Geschäftsabteilung nicht abgefertigt, was vom Rekurssenat erst kurz vor dem Verhandlungstermin wahrgenommen wurde. Weil sich der Sachverständige im Gerichtsgebäude aufhielt, wurde er vom Rekurssenat vernommen, wobei er sein in erster Instanz erstattetes Gutachten ergänzte und auch dahin abänderte, dem Betroffenen seien Rechtsgeschäfte, die in keinem Zusammenhang mit seinen Wahnvorstellungen stünden, durchaus zuzumuten, so daß der Sachwalter nicht mit der Besorgung aller Angelegenheiten betraut werden müßte. Nunmehr gab das Rekursgericht dem Rekurs des Betroffenen teilweise Folge und änderte den erstgerichtlichen Beschluß dahin ab, daß es dem Betroffenen gemäß § 273 Abs 3 Z 2 ABGB Helmut S*** zum Sachwalter für jene Angelegenheiten bestellte, die in Verbindung mit der notwendigen Medikamenteneinnahme, einer Einweisung in eine psychiatrische Heil- und Pflegeanstalt und einer anschließenden Anhaltung stehen.

Das Rekursgericht erklärte, es habe "im Rahmen der Ergänzung des Verfahrens gemäß § 250 AußStrG von amtswegen den Sachverständigen .... ergänzend befragt", und traf nach dem ergänzenden Gutachten Feststellungen über die psychische Krankheit des Betroffenen und das dadurch bedingte Ausmaß der Behinderung bei den von ihm zu besorgenden Angelegenheiten.

Die Entscheidung des Rekursgerichtes wurde dem Betroffenen und dem zum Sachwalter bestellten einstweiligen Sachwalter zugestellt. Während der Betroffene die Entscheidung der zweiten Instanz unbekämpft ließ, bekämpft sie der zum Sachwalter bestellte einstweilige Sachwalter in seinem (Revisions-) Rekurs mit dem Antrag, die erstgerichtliche Entscheidung wiederherzustellen, allenfalls nach § 273 a (Abs 1 Satz 2) ABGB zusätzlich zu bestimmen, daß der Betroffene über sein Einkommen, soweit es für seinen Lebensunterhalt notwendig ist, frei verfügen könne. Nach Meinung des Rekurswerbers könne der Betroffene seine komplizierten Angelegenheiten nicht ohne einen Sachwalter besorgen. Die vom Rekursgericht beschlossene Beschränkung der vom Sachwalter zu besorgenden Angelegenheiten auf einen noch dazu nicht deutlich bestimmten Kreis derselben entspräche nicht dem Wohl des Betroffenen und überfordere auch den bestellten Sachwalter. Weiters rügt der Rechtsmittelwerber als Mangel des Rekursverfahrens, daß sich das Rekursgericht keinen persönlichen Eindruck vom Betroffenen verschafft habe, dem einstweiligen Sachwalter und dem Betroffenen die Möglichkeit genommen worden sei, sich an der ergänzenden Beweisaufnahme zu beteiligen, und daß der ärztliche Sachverständige sein ergänzendes Gutachten ohne neuerliche Untersuchung des Betroffenen erstattet habe.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs des einstweiligen Sachwalters nach § 238 Abs 1 AußStrG ist nach den §§ 14 Abs 1 und 249 Abs 2 AußStrG zulässig (vgl. Maurer, Sachwalterrecht in der Praxis Anm. 5 zu § 238 AußStrG, Anm. 2, 3, 5 und 6 zu § 249 AußStrG); er ist auch berechtigt.

Das Gericht zweiter Instanz hat das Verfahren nach den §§ 239 bis 242 AußStrG zu ergänzen oder neu durchzuführen, wenn der Betroffene dies beantragt oder das Gericht dies für erforderlich hält (§ 250 Abs 1 leg.cit).

Das Gericht zweiter Instanz darf die Feststellungen des Erstgerichtes nur insoweit ergänzen oder von diesen abweichen, als es das Verfahren ergänzt bzw. neu durchgeführt hat (Abs 2 der letztzitierten Gesetzesstelle).

Ist im Verfahren vor dem Gericht erster Instanz über eine für die Entscheidung maßgebliche Tatsache ein Beweis aufgenommen worden, so kann mit Zustimmung des Betroffenen das Beweisaufnahmeprotokoll verlesen und von einer erneuten Beweisaufnahme Abstand genommen werden (Abs 3 der letztzitierten Gesetzesstelle).

Nach den im § 250 Abs 1 AußStrG bezogenen Bestimmungen hat das Gericht die für seine Entscheidung erforderlichen Feststellungen auf der Grundlage einer mündlichen ..... Verhandlung zu treffen, auf die die Bestimmungen der Zivilprozeßordnung über die mündliche Verhandlung anzuwenden (§ 239 AußStrG) und zu der der Betroffene und sein Vertreter zu laden sind, wenn das persönliche Erscheinen des Betroffenen nicht unmöglich ist oder seinem Wohl abträglich wäre (§ 240 AußStrG). Bei dieser mündlichen Verhandlung sind die für die Feststellung des Gerichtes erforderlichen Beweise, nach Tunlichkeit unter Beiziehung von dem Betroffenen nahestehenden Personen, aufzunehmen, im übrigen sind die für die Entscheidung erheblichen Umstände vorzutragen (§ 241 Abs 1 AußStrG). Ein Sachwalter darf nur nach Beiziehung eines oder erforderlichenfalls mehrerer Sachverständiger bestellt werden, die ihr Gutachten in der mündlichen Verhandlung vorzutragen haben, während der Befund auch außerhalb derselben aufgenommen werden darf (§ 241 Abs 2). Die Ergebnisse der Beweisaufnahme sind in der mündlichen Verhandlung zu erörtern (§ 242 AußStrG).

Daraus folgt:

Da das Gericht zweiter Instanz eine Ergänzung des Verfahrens richtigerweise für erforderlich hielt, hätte es dies nur auf der Grundlage einer mündlichen Verhandlung tun dürfen, zu der jedenfalls der Betroffene und der einstweilige Sachwalter zu laden und bei der die Verfahrensergänzungen vorzunehmen gewesen wären. Dadurch, daß dem Betroffenen und seinem einstweiligen Sachwalter die verfügte Ladung zur mündlichen Verhandlung nicht zugestellt wurde und das Rekursgericht dessenungeachtet eine Tagsatzung durchführte, in der es das Verfahren durch Wiederholung der Vernehmung des ärztlichen Sachverständigen und sodann die Feststellungen des Erstgerichtes ergänzte, wurde dem Betroffenen und dem einstweiligen Sachwalter durch ungesetzliche Vorgangsweise die Möglichkeit genommen, vor dem Rekursgericht zu verhandeln. Diese schwere Verletzung des rechtlichen Gehörs macht die Entscheidung des Rekursgerichtes und die ergänzende Vernehmung des Sachverständigen am 25.November 1986 im Sinne des § 477 Abs 1 Z 4 ZPO nichtig (vgl. EFSlg 49.985, 47.256 ua).

Diese Verfahrensschritte des Rekursgerichtes waren daher als nichtig aufzuheben und die Sachwalterschaftssache an das Rekursgericht zur neuerlichen Entscheidung nach Ergänzung des Verfahrens gemäß den §§ 239 bis 242 und 250 AußStrG zurückzuverweisen.

Anmerkung

E10744

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1987:0060OB00540.87.0430.000

Dokumentnummer

JJT_19870430_OGH0002_0060OB00540_8700000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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