TE Vwgh Erkenntnis 2005/9/7 2003/08/0132

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Veröffentlicht am 07.09.2005
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Index

32/02 Steuern vom Einkommen und Ertrag;
60/03 Kollektives Arbeitsrecht;
66/02 Andere Sozialversicherungsgesetze;

Norm

ArbVG §110 Abs3;
EStG 1988 §22;
EStG 1988 §23;
GSVG 1978 §2 Abs1 Z4;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bernard und die Hofräte Dr. Müller, Dr. Köller, Dr. Moritz und Dr. Lehofer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Müller, über die Beschwerde des H in W, vertreten durch Freimüller/Noll/Obereder/Pilz & Partner, Rechtsanwälte GmbH in 1080 Wien, Alserstraße 21, gegen den Bescheid des Bundesministers für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz vom 20. Mai 2003, Zl. 223.100/1-6/03, betreffend Pflichtversicherung in der Kranken- und Pensionsversicherung nach dem GSVG (mitbeteiligte Partei:

Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft in 1051 Wien, Wiedner Hauptstraße 84), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund (Bundesministerin für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz) Aufwendungen in der Höhe von EUR 41,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid (berichtigt durch Bescheid der belangten Behörde vom 13. Juni 2003, Zl. 223.100/2-3/03) hat die belangte Behörde festgestellt, dass der Beschwerdeführer vom 1. Jänner 1998 bis 31. Dezember 2000 der Pflichtversicherung in der Pensionsversicherung und vom 1. Jänner 2000 bis 31. Dezember 2000 der Pflichtversicherung in der Krankenversicherung "auf Grund seiner Tätigkeit als Aufsichtsrat" gemäß § 2 Abs. 1 Z. 4 GSVG unterlag. Begründend führte die belangte Behörde aus, dass der Beschwerdeführer zumindest seit 1. Jänner 1998 "als Aufsichtsrat" tätig sei. Gleichzeitig stehe er in einem Dienstverhältnis zu den ÖBB. Aus seiner Aufsichtsratstätigkeit habe er in den Jahren 1998, 1999 und 2000 Einkünfte nach § 22 EStG 1988, die die in Betracht kommende Versicherungsgrenze nach § 4 Abs. 1 Z. 6 GSVG jedenfalls überstiegen hätten, erzielt. Der Einkommensteuerbescheid 1998 des Beschwerdeführers weise Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit in Höhe von S 105.800,--, der Einkommensteuerbescheid 1999 Einkünfte in Höhe von S 114.200,--, und der Einkommensteuerbescheid 2000 Einkünfte in Höhe von S 97.046,-- auf. Dieser aus den Verwaltungs- und Versicherungsakten festgestellte Sachverhalt sei unbestritten; strittig sei dessen rechtliche Beurteilung. Eine Pflichtversicherung nach § 2 Abs. 1 Z. 4 GSVG auf Grund der Tätigkeit als Aufsichtsrat bestehe bei Überschreiten der Versicherungsgrenze, da Einkünfte auf Grund dieser Tätigkeit unter § 22 EStG 1988 fielen. Ein Aufsichtsrat sei in der Regel nebenberuflich tätig und erhalte für seine Leistungen eine Aufwandsentschädigung. Es handle sich dabei um Einkommen im Sinne des Einkommensteuergesetzes, das entsprechend versteuert werden müsse. Da in der Regel zur Ausübung der Tätigkeit eines Aufsichtsrates außer der Einbringung seiner speziellen Kenntnisse und seiner Erfahrung keine Betriebsmittel notwendig seien, sie aber dennoch als selbständige Tätigkeit im Sinne des § 22 Z. 2 EStG 1988 zu qualifizieren sei, sei auch die Versicherungspflicht des Beschwerdeführers auf Grund seiner Aufsichtsratstätigkeit gemäß § 2 Abs. 1 Z. 4 GSVG festzustellen gewesen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die Rechtswidrigkeit seines Inhaltes sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde mit dem Antrag, ihn kostenpflichtig aufzuheben.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und nahm von der Erstattung einer Gegenschrift Abstand. Die mitbeteiligte Partei hat sich am Verfahren nicht beteiligt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Der mit dem Arbeits- und Sozialrechts-Änderungsgesetz 1997 (ASRÄG 1997), BGBl. I Nr. 139/1997, (das unter Art. 8 die 22. Novelle zum GSVG enthält) und der 23. Novelle zum gewerblichen Sozialversicherungsgesetz, BGBl. I Nr. 139/1998, eingefügte, am 1. Jänner 1998 in Kraft getretene (§ 273 Abs. 1 Z. 1 GSVG bzw. § 276 Abs. 1 Z. 5 leg. cit.) § 2 Abs. 1 Z. 4 GSVG (mit Ausnahme des hier nicht in Betracht kommenden, mit 1. Jänner 2000 außer Kraft getretenen letzten Satzes) lautet wie folgt:

"§ 2. (1) Auf Grund dieses Bundesgesetzes sind, soweit es sich um natürliche Personen handelt, in der Krankenversicherung und in der Pensionsversicherung nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen pflichtversichert:

.....

4. selbständig erwerbstätige Personen, die auf Grund einer betrieblichen Tätigkeit Einkünfte im Sinne der §§ 22 Z. 1 bis 3 und 5 und (oder) 23 des Einkommensteuergesetzes 1988 (EStG 1988) BGBl. Nr. 400, erzielen, wenn auf Grund dieser betrieblichen Tätigkeit nicht bereits Pflichtversicherung nach diesem Bundesgesetz oder einem anderen Bundesgesetz in dem (den) entsprechenden Versicherungszweig(en) eingetreten ist. Solange ein rechtskräftiger Einkommensteuerbescheid oder ein sonstiger maßgeblicher Einkommensnachweis nicht vorliegt, ist die Pflichtversicherung nur dann festzustellen, wenn der Versicherte erklärt, dass seine Einkünfte aus sämtlichen der Pflichtversicherung nach diesem Bundesgesetz unterliegenden Tätigkeiten im Kalenderjahr die in Betracht kommende Versicherungsgrenze (§ 4 Abs. 1 Z. 5 oder Z. 6) übersteigen werden. In allen anderen Fällen ist der Eintritt der Pflichtversicherung erst nach Vorliegen des rechtskräftigen Einkommensteuerbescheides oder eines sonstigen maßgeblichen Einkommensnachweises im Nachhinein festzustellen."

Gemäß § 22 Z. 2 EStG 1988 sind Einkünfte aus (sonstiger) selbständiger Arbeit u.a. "Einkünfte aus einer vermögensverwaltenden Tätigkeit (z.B. für die Tätigkeit als Hausverwalter oder als Aufsichtsratsmitglied)".

Im Beschwerdefall ist nicht strittig, dass der Beschwerdeführer im verfahrensgegenständlichen Zeitraum der Jahre 1998 bis 2000 die in den Einkommensteuerbescheiden als "Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit" ausgewiesenen Einkünfte auf Grund seiner Tätigkeit als Aufsichtsratsmitglied bezogen hat, wobei diese Einkünfte nach den vorgelegten Verwaltungsakten überwiegend aus der Tätigkeit als Mitglied des Aufsichtsrates der Österreichischen Bundesbahnen resultierten; in geringerem Umfang wurden Einkünfte auch aus der Funktion als Aufsichtsratsmitglied in einer gemeinnützigen Bau-, Wohn- und Siedlungsgenossenschaft sowie eines Versicherungsvereines auf Gegenseitigkeit bezogen.

2. Der Beschwerdeführer wendet sich zunächst gegen die Ansicht der belangten Behörde, dass die Aufsichtsratstätigkeit eine betriebliche Tätigkeit darstelle. Der Verwaltungsgerichtshof hat sich mit der Bedeutung des Begriffs "betriebliche Tätigkeit" in § 2 Abs. 1 Z. 4 GSVG in seinem Erkenntnis vom 18. Dezember 2003, Zl. 2000/08/0068, auf dessen Begründung gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird, eingehend auseinander gesetzt und ist zum Ergebnis gekommen, dass der Gesetzgeber damit am Betriebsbegriff des Einkommensteuerrechtes anknüpfen wollte. Mit diesem Begriff wird die betriebliche/berufliche Tätigkeit gegenüber privaten Tätigkeiten abgegrenzt. Die Frage der Betriebsmittelausstattung spielt hiebei keine entscheidende Rolle. Die Tätigkeit als Aufsichtsrat ist in diesem Sinne eine "betriebliche", weil sie sich als Teilnahme am allgemeinen Wirtschaftsleben darstellt und keinesfalls der Privatsphäre einer Person angehört.

3. Wenn der Beschwerdeführer vorbringt, dass er "jedenfalls auch keine Einkünfte im Sinne des § 23 EStG" ins Verdienen gebracht habe, ist eine Relevanz für das vorliegende Verfahren nicht zu erkennen, zumal die belangte Behörde ausschließlich von Einkünften im Sinne des § 22 Z. 2 EStG 1988 ausgegangen ist. Auch das Vorbringen, dass ein Beamter, der von seiner Dienstbehörde als Aufsichtskommissär bestellt werde, als behördliches Organ tätig und als Organwalter den Weisungen seines Dienstgebers unterworfen sei und ihm daher die den im Rahmen des Gesellschaftsrechts tätig werdenden, "vom Dienstgeber entsendeten" Aufsichtsratsmitgliedern zukommende, im Gesellschaftsrecht begründete Selbständigkeit fehle, sodass seine Bezüge keine Aufsichtsratsvergütung darstellten, geht am entscheidungsrelevanten Sachverhalt vorbei. Beim Beschwerdeführer handelt es sich unstrittig nicht um ein behördliches Organ, das in seiner Aufsichtsratstätigkeit Weisungen unterworfen wäre.

4.1. Der Beschwerdeführer führt weiters aus, dass die rechtliche Qualität des entsandten Aufsichtsratsmitgliedes aus dem Kreis der Arbeitnehmer eine gänzlich andere sei als jene der Kapitalvertreter. Im Hinblick auf § 63 (gemeint wohl: 69) Bahn-Betriebsverfassungsgesetz (BBVG) und § 110 Arbeitsverfassungsgesetz (ArbVG) gelange auf die Rechtsstellung des Beschwerdeführers § 110 Abs. 3 ArbVG zur Anwendung, der wiederum bestimme, dass die Bestimmung des § 90 Abs. 1 zweiter Satz Aktiengesetz nicht zur Anwendung gelange. Die Rechtsstellung der Arbeitnehmer im Aufsichtsrat bestimme sich - im Gegensatz zur Ansicht der Behörde - nach anderen Kriterien als jene von sonstigen Aufsichtsratsmitgliedern im Sinne des Aktiengesetzes. Die Bestimmungen betreffend Wahl und Abberufung der Mitglieder des Aufsichtsrates kämen ebenso wenig zur Anwendung wie § 98 AktG (Gewährung von Vergütungen an die Mitglieder des Aufsichtsrates). Im Gegenzug sei, was den Sorgfaltsmaßstab für die Aufgabenerfüllung anlange, das Mandat der Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat auf die Interessenvertretung der Arbeitnehmer des Unternehmens ausgerichtet. Auch die Entlohnung sei gänzlich anders geartet: Bei den in den Aufsichtsrat entsandten Arbeitnehmern sei grundsätzlich von einer Ehrenamtlichkeit auszugehen. Arbeitnehmer im Aufsichtsrat hätten lediglich Anspruch auf Ersatz der angemessenen Barauslagen. Daraus ergebe sich eine wesensmäßige Unterschiedlichkeit der Bezüge der von der Personalvertretung entsandten Aufsichtsratsmitglieder zu den reinen Kapitalvertretern, auf welche die belangte Behörde nicht Rücksicht genommen habe. Der Beschwerdeführer als in den Aufsichtsrat entsandter Personalvertreter suche sich keinen Markt, um auf diesem Einkünfte lukrieren zu können, wie dies üblicherweise auch bei Aufsichtsräten der Fall sein möge. Die Aufsichtsratstätigkeit des Beschwerdeführers ergebe sich im vorliegenden Fall vielmehr aus einer gesetzlichen Regelung, die die Entsendung von Arbeitnehmern in den Aufsichtsrat "schlicht und einfach vorsieht". Die Tätigkeit des Beschwerdeführers sei gerade nicht eine freiwillige, zum Zwecke des Erwerbs eingenommene Position; vielmehr handle der Beschwerdeführer im Sinne der Belegschaftsvertretungstätigkeit; auf diesen Hauptzweck hätte die Behörde aber abstellen müssen, um eine richtige Entscheidung zu finden.

4.2. Zu diesem Vorbringen ist zunächst festzuhalten, dass die belangte Behörde nicht festgestellt hat, dass die Einkünfte aus der Tätigkeit als Aufsichtsratsmitglied nur aus der vom Beschwerdeführer ausschließlich angesprochenen Tätigkeit als Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat der ÖBB resultierten. Aus den im Verwaltungsakt einliegenden, vom Beschwerdeführer im Verwaltungsverfahren vorgelegten Bestätigungen ergibt sich vielmehr, dass Einkünfte auch aus der Mitgliedschaft in zwei weiteren Aufsichtsräten erzielt wurden, wobei diesbezüglich nicht vorgebracht wurde, dass eine Entsendung durch die jeweilige Arbeitnehmervertretung erfolgt wäre. Wie im Folgenden dargelegt wird, ist jedoch im Hinblick auf die Versicherungspflicht nach § 2 Abs. 1 Z. 4 GSVG eine Unterscheidung, ob Einkünfte aus der Mitgliedschaft im Aufsichtsrat aus einer Tätigkeit als Arbeitnehmervertreter oder als Kapitalvertreter resultieren, nicht erforderlich.

4.3. Gemäß § 69 Abs. 1 des im streitgegenständlichen Zeitraum noch geltenden Bahn-Betriebsverfassungsgesetzes (BBVG), BGBl. I Nr. 66/1997, der die Befugnisse der Arbeitnehmerschaft der Österreichischen Bundesbahnen regelt, findet u.a. das dritte Hauptstück des zweiten Teiles (mit Ausnahme der §§ 113 und 114) des ArbVG Anwendung. Zu den damit für anwendbar erklärten Bestimmungen zählt grundsätzlich auch der die Mitwirkung der Arbeitnehmer im Aufsichtsrat regelnde § 110 ArbVG, auf dessen Abs. 3 die Beschwerde ausführlich Bezug nimmt. § 110 Abs. 3 erster und zweiter Satz ArbVG lauten wie folgt:

"Die Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat üben ihre Funktion ehrenamtlich aus; sie haben Anspruch auf Ersatz der angemessenen Barauslagen. Auf sie finden die Bestimmungen der §§ 86 Abs. 1, 87, 90 Abs. 1 zweiter Satz und Abs. 2 und 98 des Aktiengesetzes 1965, BGBl. Nr. 98/1965, keine Anwendung."

§ 110 Abs. 1 bis 4 ArbVG regelt die Vertretung der Arbeitnehmer im Aufsichtsrat von Aktiengesellschaften; Abs. 5 leg. cit. ordnet an, dass diese Bestimmungen auch auf die Vertretung von Arbeitnehmern in Aufsichtsräten bestimmter anderer Gesellschaften sinngemäß anzuwenden sind. Für die in dieser Aufzählung nicht ausdrücklich genannten Österreichischen Bundesbahnen - im streitgegenständlichen Zeitraum gemäß § 1 Bundesbahngesetz, BGBl Nr. 825/1992, als Gesellschaft mit eigener Rechtspersönlichkeit eingerichtet, auf welche die Bestimmungen des GmbH-Gesetzes sinngemäß anzuwenden sind - legte

§ 7 Bundesbahngesetz besondere Regeln für den Aufsichtsrat fest. Dabei wurden insbesondere auch spezifische Bestimmungen betreffend die von der Arbeitnehmervertretung entsandten Mitglieder getroffen, wie sie für die in den Aufsichtsrat von Aktiengesellschaften entsandten Arbeitnehmervertreter in § 110 ArbVG enthalten sind.

Das Beschwerdevorbringen, § 98 AktG über die Gewährung von Vergütungen an die Mitglieder des Aufsichtsrates finde auf Arbeitnehmervertreter keine Anwendung und es sei von Ehrenamtlichkeit auszugehen, lässt § 7 Abs. 8 Bundesbahngesetz, der eine angemessene Vergütung der Aufsichtsratsmitglieder vorsieht, ohne dabei zwischen Arbeitnehmervertretern und anderen Aufsichtsratsmitgliedern zu unterscheiden, außer Acht. Selbst wenn man jedoch dem Beschwerdeführer folgen und daher davon ausgehen wollte, dass Ehrenamtlichkeit vorlag und die für die Aufsichtratstätigkeit bezogenen Einkünfte ausschließlich dem Ersatz seiner Auslagen hätten dienen sollen, so steht doch auf Grund der Einkommensteuerbescheide fest, dass der Beschwerdeführer tatsächlich Einkünfte aus seiner Aufsichtsratstätigkeit bezogen hat, die - in einem die Versicherungsgrenzen übersteigenden Ausmaß - über den Ersatz seiner Auslagen (Betriebsausgaben) hinausgegangen sind. Allein der Umstand, dass § 110 Abs. 3 ArbVG die Tätigkeit des vom Betriebsrat entsandten Arbeitnehmervertreters im Allgemeinen als Ehrenamt qualifiziert, kann im Falle einer dennoch erfolgenden Vergütung, welche über die entstandenen Aufwendungen hinausgeht, nicht eine Ausnahme von der Versicherungspflicht begründen.

4.4. Für die Versicherungspflicht kann es (bei im Übrigen gleichem Sachverhalt, insbesondere die Zahlung von Vergütungen betreffend) nicht darauf ankommen, ob ein Aufsichtsratsmitglied von den Kapitalvertretern bestellt oder von der Arbeitnehmervertretung entsandt wird, zumal sich die Rechtsstellung der Aufsichtsratsmitglieder zwar im Hinblick auf den Bestellungs- und Abberufungsvorgang, nicht aber in der für die Versicherungspflicht entscheidenden Frage der selbständigen, die Geschäftsführung des Unternehmens überwachenden Tätigkeit im Aufsichtsrat wesentlich unterscheidet. Auch dass - wie dies die Beschwerde ausführt - das Mandat der Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat auf die Interessenvertretung der Arbeitnehmer des Unternehmens ausgerichtet ist, ändert nichts daran, dass mit wenigen Ausnahmen (vgl. im Anwendungsbereich des ArbVG dessen § 110 Abs. 3 zweiter bis fünfter Satz) die allgemeinen gesetzlichen Bestimmungen für die Tätigkeit von Aufsichtsratsmitgliedern, bzw. im konkreten Fall die besonderen Bestimmungen des Bundesbahngesetzes, auch auf Arbeitnehmervertreter anwendbar sind.

Die Unterschiede im Bestellungsvorgang vermögen einen für die Beurteilung der Tätigkeit als Aufsichtsratsmitglied in sozialversicherungsrechtlicher Hinsicht relevanten Unterschied nicht zu begründen. Abgesehen davon kann der Beschwerde nicht darin gefolgt werden, dass die Tätigkeit des Beschwerdeführers keine freiwillige gewesen sei, womit offenbar zum Ausdruck gebracht werden sollte, dass der Beschwerdeführer sich der von der Arbeitnehmervertretung beschlossenen Entsendung nicht hätte entziehen können. Dem ist entgegenzuhalten, dass die Entsendung in den Aufsichtsrat der Zustimmung des Entsendenden bedarf, wie dies etwa im Anwendungsbereich des ArbVG in § 7 der Verordnung über die Entsendung von Arbeitnehmervertretern in den Aufsichtsrat, BGBl. Nr. 343/1974 i.d.F. BGBl. Nr. 367/87, zum Ausdruck kommt, sich aber auch für die (bestellten oder entsandten) Mitglieder des Aufsichtsrates der Österreichischen Bundesbahnen schon aus dem jederzeit möglichen Rücktritt (§ 7 Abs. 5 Bundesbahngesetz) ableiten lässt.

5. Wenn die Beschwerde schließlich ausführt, dass die belangte Behörde nicht geprüft habe, ob die Tätigkeit des Beschwerdeführers als Mitglied des Aufsichtsrates der Österreichischen Bundesbahnen für diesen bereits eine Pflichtversicherung nach einer anderen Rechtsvorschrift begründet hätte, ist ihr entgegenzuhalten, dass im Verwaltungsverfahren keine Anhaltspunkte für eine derartige Pflichtversicherung nach einem anderen Bundesgesetz hervorgekommen sind. Der Beschwerdeführer vermeint, dass für ihn als "bereits versicherten Dienstnehmer der ÖBB" gemäß § 472 ASVG zwingend das Beamten-, Kranken- und Unfallversicherungsgesetz (B-KUVG) zur Gänze anzuwenden sei. Er übersieht dabei jedoch, dass sich die Pflichtversicherung gemäß § 472 ASVG idF BGBl. I Nr. 138/1998 auf "Bedienstete" der Österreichischen Bundesbahnen bezieht, sohin auf Personen, die zu diesem Dienstgeber in einem Verhältnis abhängiger Beschäftigung stehen. Ein Mitglied des Aufsichtsrates steht jedoch in dieser Funktion zu dem Unternehmen, dessen Aufsichtsrat er angehört, nicht in einem Verhältnis persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit, sodass eine Pflichtversicherung in der Funktion als Aufsichtsratsmitglied nach dem B-KUVG i.V.m.

§ 472 ASVG nicht in Betracht kommt. Dies ergibt sich für die hier strittige Tätigkeit als Aufsichtsratsmitglied der Österreichischen Bundesbahnen im verfahrensgegenständlichen Zeitraum bereits aus § 7 Abs. 3 Bundesbahngesetz, wonach die Mitglieder des Aufsichtsrates ihre Funktion zum Wohl des Unternehmens unter Berücksichtigung der diesem durch die Gesetze übertragenen Aufgaben auszuüben haben. Sie sind bei ihrer Tätigkeit selbstverantwortlich und an keine Aufträge oder Weisungen gebunden (vgl. zu den im Anwendungsbereich des ArbVG entsandten Arbeitnehmervertretern Preiss in Cerny etal., Arbeitsverfassungsrecht, Band 3, 2. Aufl., S. 462f).

6. Auch die Ansicht des Beschwerdeführers, wonach die Tätigkeit als Aufsichtsratsmitglied "Ausfluss seiner Angestelltentätigkeit für die ÖBB" sei, kann nicht geteilt werden, da die Tätigkeit als Aufsichtsratsmitglied die Entsendung durch das zuständige Belegschaftsorgan (und die Annahme der Entsendung durch den Beschwerdeführer) voraussetzt und - ungeachtet des kraft ausdrücklicher gesetzlicher Anordnung bestehenden Unfallversicherungsschutzes gemäß § 91 Abs. 1 Z. 1 B-KUVG (vgl. auch § 176 Abs. 1 Z. 1 ASVG) - nicht zu den Dienstpflichten des Beschwerdeführers in seiner abhängigen Beschäftigung zu den ÖBB zählt.

7. Vor diesem Hintergrund kann der Verwaltungsgerichtshof nicht erkennen, dass die Tätigkeit eines Aufsichtsratsmitgliedes, welches von der Arbeitnehmervertretung entsandt wird, im Hinblick auf die aus der Tätigkeit im Aufsichtsrat erzielten Einkünfte in sozialversicherungsrechtlicher Hinsicht anders zu beurteilen wäre als die Tätigkeit eines Aufsichtsratsmitgliedes, welches von Kapitalvertretern bestellt oder entsandt wird.

8. Der Beschwerdeführer behauptet schließlich, dass die belangte Behörde den maßgeblichen Sachverhalt mangelhaft ermittelt hätte, da sie keine Erhebungen über die vom Beschwerdeführer ausgeübte Aufsichtsratstätigkeit durchgeführt habe und weder den Beschwerdeführer befragt noch eine Stellungnahme der ÖBB eingeholt habe. Abgesehen davon, dass die Beschwerde nicht darlegt, zu welcher anderen Beurteilung die belangte Behörde bei Durchführung dieser vom Beschwerdeführer beantragten bzw. angeregten Verfahrensschritte gekommen wäre, ist dazu festzuhalten, dass die konkrete Ausübung der Tätigkeit des Beschwerdeführers im Aufsichtsrat für die Frage, ob er Einkünfte im Sinne des § 22 Z. 2 EStG 1988 erzielt hat, nicht von Bedeutung ist und daher ein relevanter Verfahrensmangel nicht vorliegen kann.

9. Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich im Rahmen des gestellten Begehrens auf die §§ 47 ff VwGG i.V.m. der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333.

Wien, am 7. September 2005

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2005:2003080132.X00

Im RIS seit

21.10.2005
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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