TE OGH 1987/5/8 5Ob528/87

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 08.05.1987
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Marold als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr.Griehsler, Dr.Jensik, Dr.Zehetner und Dr.Klinger als Richter in der Verlassenschaftssache nach dem am 9.Oktober 1986 verstorbenen in Drehersalpe 1, D-8979 Missen-Wiederhofen, Bundesrepublik Deutschland, wohnhaft gewesenen Landwirt Julius S***, infolge Revisionsrekurses der Tochter Sieglinde S***, Bedienung, Meckats 104/1/3, D-8999 Lindenberg-Heimenkirch, Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch Dr.Rainer Kinz, Rechtsanwalt in Bregenz, gegen den Beschluß des Landesgerichtes Feldkirch als Rekursgerichtes vom 17.Februar 1987, GZ 1 b R 20/87-17, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Bezau vom 29. Jänner 1987, GZ A 177/86-12, bestätigt wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Der Beschluß des Rekursgerichtes und die Einantwortungsurkunde des Erstgerichtes werden aufgehoben.

Die Rechtssache wird zur Ergänzung des Verfahrens und zu neuer Entscheidung an das Gericht erster Instanz zurückverwiesen.

Text

Begründung:

Der am 13. November 1910 geborene österreichische Staatsbürger Julius S*** war am 7.März 1974 zu L 10/67 des Bezirksgerichtes Bezau wegen Geisteskrankheit beschränkt entmündigt worden. Mit dem 1. Juli 1984 stand er daher nach Art. X Z 3 des Bundesgesetzes über die Sachwalterschaft für behinderte Personen BGBl. 1983/136 einer Person gleich, der ein Sachwalter nach § 273 Abs 3 Z 3 ABGB idF dieses Bundesgesetzes bestellt worden ist. Mit seinem Tod am 9. Oktober 1986 endete die Sachwalterschaft (§ 283 Abs 1 und § 249 ABGB).

Der Erblasser war Eigentümer eines landwirtschaftlichen Anwesens in Österreich. Er hinterließ drei ehelich geborene Kinder. In einem mit 16.Mai 1983 datierten eigenhändig geschriebenen und eigenhändig mit seinem Namen unterfertigten Testament setzte er die Tochter Sieglinde S*** als Alleinerbin ein. Der Erblasser hielt sich seit Jahren im Ausland auf.

Der mit der Abhandlung betraute Gerichtskommissär brachte den bei der Tagsatzung am 20.Jänner 1987 bei ihm persönlich erschienenen drei Töchtern die letztwillige Anordnung vom 16.Mai 1983 zur Kenntnis und stellte dazu fest, das Testament sei nach § 568 ABGB ungültig, weil Personen, denen ein Sachwalter nach § 273 ABGB bestellt ist, nur mündlich vor Gericht oder mündlich notariell testieren können, und daß daher die gesetzliche Erbfolge eintrete. Die drei Töchter gaben auf Grund des Gesetzes die unbedingte Erbserklärung zu je einem Drittel des Nachlasses ab, erstatteten das eidesstättige Vermögensbekenntnis und beantragten, ihnen den Nachlaß zu je einem Drittel einzuantworten.

Das Erstgericht nahm die unbedingten Erbserklärungen der drei Kinder an und erließ die Einantwortungsurkunde vom 29.Jänner 1987, GZ A 117/86-12, wonach die Erbschaft den drei Kindern zu je einem Drittel eingeantwortet wird.

Gegen diese ihr am 2.Februar 1987 zugestellte Einantwortungsurkunde erhob die Tochter Sieglinde S*** am 9. Februar 1987 Rekurs. Sie sei durch die unrichtige Rechtsbelehrung des Notars veranlaßt worden, sich nur auf Grund des Gesetzes zu einem Drittel des Nachlasses zum Erben zu erklären, gebe aber nun die unbedingte Erbserklärung zum ganzen Nachlaß auf Grund des Testaments vom 16.Mai 1983 ab. Die Vorschrift des § 568 ABGB sei auf das vor dem 1.Juli 1984 errichtete Testament nicht anzuwenden. Sie werde nach Zuteilung der Rollen für den Erbrechtsstreit den Beweis führen, daß der Erblasser zur Zeit seiner letztwilligen Anordnung testierfähig war.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs nicht Folge. Die Gültigkeit des Testamentes sei nach dem am Tag der Errichtung geltenden § 4 Abs 2 EntmO zu beurteilen, wonach der wegen Geisteskrankheit beschränkt Entmündigte nur mündlich vor Gericht testieren konnte. Für die Einhaltung dieser Formvorschrift sei der wahre Geisteszustand, der die Testierfähigkeit bestimme, ohne Bedeutung. Der von einem Teil der Lehre vertretenen Ansicht, in lichten Augenblicken entfalle beim beschränkt Entmündigten der Formzweck, sei nicht zu folgen. Die Formvorschrift des § 4 Abs 2 EntmO müsse auch für den voll Entmündigten gelten, der in lichten Zwischenräumen testieren wolle. Für diesen der Sicherung des Beweises der Testierfähigkeit und der Belehrung dienenden Formzweck spreche auch die Neufassung nach § 568 ABGB. Die Rekurswerberin könne sich nicht auf eine falsche Belehrung berufen. Das Erstgericht habe zutreffend den Nachlaß den vorgelegenen Erbserklärungen entsprechend nach dem Gesetz zu je einem Drittel eingeantwortet.

Gegen diesen bestätigenden Beschluß des Rekursgerichtes erhebt die Rekurswerberin den Revisionsrekurs aus dem Grunde der offenbaren Gesetzwidrigkeit nach § 16 Abs 1 AußStrG.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist im Ergebnis aus den folgenden Erwägungen berechtigt:

Obwohl § 10 AußStrG die Anführung neuer Umstände im Rekurs gestattet, läßt die Rechtsprechung mit der Ausnahme, daß im Pflegschaftsverfahren zum Vorteil eines Pflegebefohlenen geänderten Verhältnissen Rechnung getragen werden muß, als im Rekursverfahren zu beachtende Umstände nur solche zu, die vor der erstgerichtlichen Beschlußfassung eintraten. Die Gesetzmäßigkeit der Entscheidung ist im allgemeinen nämlich nach der Sachlage zur Zeit der Beschlußfassung zu prüfen (SZ 39/199; EFSlg 39.662 ua). Die Einantwortung durch das Erstgericht entsprach der Antretung der Erbschaft durch die Erben, die sich zu je einem Drittel des Nachlasses zu Erben erklärt und sich auf den Berufungsgrund des Gesetzes berufen haben. Allerdings läßt die Rechtsprechung die Abgabe der Erbserklärung bis zum Eintritt der Rechtskraft der Einantwortung zu und gestattet aus dieser der Beschlußfassung des Erstgerichtes nachfolgenden Veränderung der Entscheidungsgrundlagen die Anfechtung der Einantwortungsverfügung (SZ 44/72; EFSlg 42.434). Die bekämpfte Rechtsansicht des Rekursgerichtes, daß die nachgetragene Erbserklärung der Rechtsmittelwerberin nicht zur Aufhebung der Einantwortung führt, ist offenbar gesetzwidrig, weil die Formungültigkeit des Testamentes vom 16.Mai 1983 ausschließlich nach dem österreichischen Recht beurteilt wurde.

Auf das vor dem 1.Juli 1984 vom damsls noch beschränkt Entmündigten errichtete außergerichtliche eigenhändige Testament ist danach noch nicht die nun vor allem durch die im Justizausschuß erfolgte Streichung des letzten Halbsatzes, wonach das Pflegschaftsgericht der behinderten Person allenfalls die unbeschränkte Testierfähigkeit zuerkennen sollte, dahin zu verstehende Regelung des § 568 ABGB anzuwenden, daß letztwillige Anordnungen von Personen, denen ein Sachwalter beigegeben ist, dem Formzwang des mündlichen gerichtlichen oder notariellen Testamentes unterliegen (Ent-Hopf, SachwalterR, 118 ff; Ehrenzweig-Kralik, Erbrecht 3 , Ergänzungsheft 1985, 7 f). Die Neuordnung knüpft an die Regelung des § 4 Abs 2 EntmO an und bezieht sich auf die Form der letztwilligen Verfügung. Die Fähigkeit zu testieren, wird durch die Bestellung des Sachwalters an sich nicht beschränkt (JAB 1420 BlgNR 15. GP; Ehrenzweig-Kralik, aaO, 6 FN 7).

Bei der Lösung der Frage, ob der beschränkt Entmündigte, wenn er wegen Heilung oder in einem lichten Zwischenraum testierfähig war, sich jeder Testierform bedienen konnte, gingen Lehre und Rechtsprechung auseinander. Die Rechtsprechung und ein Teil der Lehre meinten, die Formvorschrift des § 4 Abs 2 EntmO gelte bis zur Aufhebung der Entmündung (SZ 25/26; SZ 29/13; Ehrenzweig, System 2 II/2, 411; Weiß in Klang 2 III, 276 f; Sperl, JBl 1975, 449;

Erdmann, NZ 1949, 58). Die Lehre vertrat andererseits die Ansicht, auch der beschränkt Entmündigte könne im Fall eines lichten Zwischenraumes in jeder Form testieren (Koziol-Welser 6 II 261;

Welser in Rummel, ABGB, Rz 8 zu § 566). Die Formvorschriften sind zwingend. Wurde die Form nicht gewahrt, so ist die Anordnung des Erblassers selbst bei klarem und eindeutig erweislichen Willen ungültig (Koziol-Welser 7 II 304 f; Welser in Rummel, ABGB, Rz 1 zu § 601). Maßgebend sind dabei die Formgebote zur Zeit der Errichtung des letzten Willens (Welser in Rummel, ABGB, Rz 1 zu § 575). In seiner Entscheidung vom 8.Mai 1985, 1 Ob 539/85 (NZ 1986, 69), hatte der Oberste Gerichtshof sich nur mit der Frage zu befassen, ob das eigenhändige Testament des voll Entmündigten gültig ist, wenn dieser im lichten Zwischenraum testiert hat. Der Oberste Gerichtshof beantwortete diese Frage dahin, daß eine Beschränkung der Testamentsform nach § 4 Abs 2 EntmO nur für Personen bestand, die wegen Geisteskrankheit oder Geistesschwäche beschränkt entmündigt waren, und folgte der Ansicht, daß zur Vermeidung von Wertungswidersprüchen auch der ausnahmeweise testierfähige voll Entmündigte sich nur der im § 4 Abs 2 EntmO vorgeschriebenen Form bedienen könne (Ehrenzweig-Kralik, Erbrecht 3 , 98) nicht. Zu der hier bedeutsamen und nicht einhellig gelösten Frage des Formzwanges nach inländischem Recht für beschränkt Entmündigte hat der Oberste Gerichtshof schon in der Entscheidung vom 31.August 1979 zu 6 Ob 664/79 ausgesprochen, daß die Rechtsansicht, wegen Geisteskrankheit beschränkt Entmündigte könnten, solange die Entmündigung aufrecht ist, unabhängig von dem Zustand, in dem sie sich zur Zeit der letztwilligen Anordnung befinden, außergerichtlich nicht wirksam testieren, der eigentümlichen Bedeutung der Gesetzesworte (§ 4 Abs 2 EntmO) entspricht, ohne daß aus einer anderen Bestimmung eindeutig erkennbar wäre, daß diese Auslegung der klaren Absicht des Gesetzgebers widerspricht.

Daß der Form des § 4 Abs 2 EntmO in dem außergerichtlichen eigenhändigen Testament nicht entsprochen wurde, ist nicht zweifelhaft.

Das Rekursgericht hat aber nicht bedacht, daß nach dem Übereinkommen vom 5.Oktober 1961 über das auf die Form letztwilliger Verfügungen anzuwendende Recht BGBl. 1963/295 eine letztwillige Verfügung hinsichtlich ihrer Form auch gültig ist, wenn diese zwar nicht dem inländischen Recht wohl aber dem innerstaatlichen Recht des Ortes, an dem der Erblasser letztwillig verfügt hat, oder des Ortes entspricht, an dem der Erblasser zur Zeit der letztwilligen Verfügung oder im Zeitpunkt seines Todes seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt gehabt hat (Duchek-Schwind, IPR, 152; Schwimann, Grundriß des internationalen Privatrechts, 256). Der auch im Verfahren außer Streitsachen geltende Grundsatz, daß die für die Anknüpfung an eine bestimmte Rechtsordnung maßgebenden tatsächlichen und rechtlichen Voraussetzungen von Amts wegen festzustellen sind (§ 2 IPRG), erfordert schon wegen der durch den Auslandsaufenthalt des Erblassers indizierten Ermittlungspflicht die Prüfung, ob nicht nach dem innerstaatlichen Recht eines anderen Staates die letztwillige Verfügung hinsichtlich ihrer Form gültig ist (Art. 1 Abs 1 lit a bis e des Haager Testamentsübereinkommens). Feststellungen darüber, an welchem Ort der Erblasser letztwillig verfügt hat und wo er in dem Zeitpunkt, in dem er letztwillig verfügt hat, seinen Wohnsitz bzw. seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte, fehlen. Solange nicht im Tatsachenbereich feststeht, welche Orte zur Beurteilung der Formgültigkeit nach dem an diesen Orten geltenden innerstaatlichen Recht maßgebend sind, kann nicht abschließend gesagt werden, daß sich die Erbserklärung der Revisionsrekurswerberin nur auf ein jedenfalls formungültiges Testament stützt und daher keinen tauglichen Erbrechtstitel nennt.

Das Erstgericht wird, weil die innerhalb der Rechtsmittelfrist nach der Einantwortung nachgeholte Erbserklärung nicht unbeachtet bleiben darf, die nach § 2 IPRG und Art. 1 des Haager Testamentsübereinkommens erforderlichen Ermittlungen anzustellen und nach dem Ergebnis über die Annahme der Erbserklärung der Revisionsrekurswerberin Beschluß zu fassen haben. Sollte es sodann nicht zur Zurückweisung dieser auf das Testament gestützten Erbserklärung wegen Formungültigkeit auch nach dem innerstaatlichen Recht der in Betracht kommenden Orte kommen, sondern die Erbserklärung angenommen werden, wäre nach den §§ 125 und 126 AußStrG vorzugehen.

Die gesetzwidrig unterlassene Ermittlung der für die Anwendung fremden Rechts maßgebenden tatsächlichen Voraussetzungen führt daher zur Aufhebung der Rekursentscheidung und der Einantwortungsurkunde, während die im Beschluß vom 29.Jänner 1987 ON 14 verfügte Annahme der vorgelegenen Erbserklärungen der drei Kinder und die Bestimmung der Gerichtskommissionsgebühren aber auch die ausgestellte Amtsbestätigung als vom Rekurs der Sieglinde S***

unangefochten unberührt bleiben.

Anmerkung

E10953

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1987:0050OB00528.87.0508.000

Dokumentnummer

JJT_19870508_OGH0002_0050OB00528_8700000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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