TE OGH 1987/5/13 1Ob591/87

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Veröffentlicht am 13.05.1987
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schragel als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schubert, Dr Hofmann, Dr. Schlosser und Dr. Kodek als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei V*** V*** B*** reg.Gen.mbH, Baden, Hauptplatz 9-12, vertreten durch Dr. Willi Fuhrmann und Dr. Helmut Steiner, Rechtsanwälte in Baden, wider die beklagte Partei Franz P*** KG, Wien 22, Faschinggasse 6, vertreten durch Dr. Erich Proksch und Dr. Richard Proksch, Rechtsanwälte in Wien, wegen S 2,563.855,90 s.A. infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 22. Jänner 1987, GZ 1 R 260/86-18, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Kreisgerichtes Wiener Neustadt vom 5. September 1986, GZ 1 Cg 1621/85-12, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 19.735,65 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (hievon S 1.794,15 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu bezahlen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die beklagte Partei stand mit der I*** G*** MBH

(im folgenden: IBG) in ständiger Geschäftsverbindung. Im August 1985 haftete auf Grund durchgeführter Spengler- und Dachdeckerarbeiten eine Forderung der beklagten Partei in einer den Klagsbetrag übersteigenden Höhe aus. Nachdem bereits früher Forderungen der beklagten Partei im Wege der Ausstellung von Wechseln beglichen worden waren, trat die IBG im August 1985 an die beklagte Partei mit dem Ersuchen heran, über die aushaftende Forderung einen Wechsel auszustellen und diesen bei der klagenden Partei zum Diskont einzureichen. In der Folge stellte die beklagte Partei einen auf die IBG gezogenen Wechsel über S 2,555.309,60 mit Fälligkeit am 11. November 1985 aus. Dieser Wechsel wurde an die klagende Partei indossiert, die der beklagten Partei die volle Wechselsumme ausbezahlte. Da die IBG außerstande war, den Wechsel zum Verfallstag einzulösen, kam es am 11. November 1985 zur Ausstellung eines neuen Wechsels mit Fälligkeit 11. Dezember 1985. Auch dieser Wechsel wurde der klagenden Partei indossiert. Am 3. Dezember 1985 wurde vom Kreisgericht Wiener Neustadt zu Sa 11/85 über das Vermögen der IBG das Ausgleichsverfahren eröffnet. Die klagende Partei hat die Wechselforderung im Ausgleichsverfahren angemeldet, die Forderung wurde bisher nicht bezahlt.

Das Erstgericht trug der beklagten Partei als Aussteller des Wechsels vom 11. November 1985 die Bezahlung des Betrages von S 2,555.309,60 s.A. auf.

Die beklagte Partei erhob fristgerecht Einwendungen und führte u. a. aus, da alle der klagenden Partei von der IBG eingeräumten Sicherheiten (Pfandrechte, Zessionen) auch für die gegenständliche Wechselforderung hafteten, werde die Verurteilung Zug um Zug gegen Herausgabe bestehender Sicherheiten, insbesondere der Bürgen- und Blankowechsel, begehrt.

Die klagende Partei erwiderte, daß die Wechselforderung nicht besichert worden sei.

Das Erstgericht hielt den Wechselzahlungsauftrag aufrecht: Die klagende Partei als legitimierte Inhaberin des Wechsels vom 11. November 1985 sei im Hinblick auf das über das Vermögen der IBG eröffnete Ausgleichsverfahren gemäß Art. 44 Abs. 6 WG zum Rückgriff gegen die beklagte Partei als den Aussteller des Wechsels berechtigt. Selbst wenn die klagende Partei ihre Forderung gegen die IBG durch Pfandrechte oder Bürgen abgesichert hätte, hinderte dies nicht den Rückgriff gegen die beklagte Partei. Der Eventualantrag auf Verurteilung Zug um Zug gegen Herausgabe bestehender Sicherheiten, insbesondere der Bürgen- und Blankowechsel, sei nicht gerechtfertigt. Als Grundlage für einen solchen Anspruch käme die Bestimmung des § 1358 ABGB in Betracht, deren Anwendbarkeit auf den vorliegenden Fall aber fraglich sei. Jedenfalls sei aus dieser Bestimmung kein Zurückbehaltungsrecht der beklagten Partei in der Richtung abzuleiten, daß sie verpflichtet wäre, die Wechselsumme nur Zug um Zug gegen Übergabe der Sicherheiten zu leisten. Das Berufungsgericht gab der gegen dieses Urteil erhobenen Berufung der beklagten Partei nicht Folge. Die Wechselforderung der klagenden Partei weise eine vom Grundgeschäft (zwischen der beklagten Partei und der IBG) losgelöste Eigenständigkeit auf, so daß die beklagte Partei bei allenfalls künftiger Einlösung dieser Schuld nicht etwa eine fremde, sondern eine eigene Schuld tilge. Alle rechtlichen Überlegungen für die Berechtigung eines Zugriffs auf Sicherheiten der klagenden Partei auf Grund der Zahlung einer fremden Schuld iS der §§ 1358 bzw. 1422 ABGB müßten daher schon vom Ansatz her versagen. Daß die klagende Partei beim Wechselerwerb bewußt zum Nachteil der beklagten Partei gehandelt habe, sei nicht einmal behauptet worden. Da die klagende Partei nicht gehalten sei, allfällige Sicherheiten vor dem Rückgriff heranzuziehen, komme der Berufung insgesamt keine Berechtigung zu.

Rechtliche Beurteilung

Der Revision der beklagten Partei kommt Berechtigung nicht zu. Der Revisionsgrund der Mangelhaftigkeit des Verfahrens erachtet der Oberste Gerichtshof nach Prüfung als nicht gegeben (§ 510 Abs. 3 letzter Satz ZPO).

Gegenstand der Rechtsrüge ist die Frage, ob die beklagte Partei als Aussteller des Wechsels zu dessen Bezahlung nur Zug um Zug gegen Ausfolgung der von der IBG der klagenden Partei (angeblich) bestellten Sicherheiten (Bürgen- und Blankowechsel) verpflichtet ist. Die Rechtsstellung des den Wechsel im Rücklauf Einlösenden und ihre dogmatische Einordnung ist umstritten. Die ältere Lehre und Rechtsprechung nahm ganz überwiegend an, daß der Einlösende durch den Rückerwerb des Wechsels nur in seine ursprüngliche Rechtsstellung einrückt und sein altes Recht aus dem Wechsel geltend machen kann (Stranz, Wechselgesetz14, Anm. 9 zu Art. 14; Staub-Stranz, Komm.z.Wechselgesetz13 Anm. 7 a zu Art. 14; Hueck, Recht der Wertpapiere10 53; Meier-Hayoz-von der Crone, Wertpapierrecht 206; RGZ 117, 69, 75). In der jüngeren deutschen Lehre wird hingegen die Auffassung vertreten, daß beim Rückgriff die Forderung des befriedigten Wechselinhabers kraft Gesetzes (cessio legis) auf den Einlösenden übergeht (Pflug, Der rücklaufende Wechsel 51 ff, 59; Hueck-Canaris, Recht der Wertpapiere12 140; Zöllner, Wertpapierrecht14 115; vgl. Baumbach-Hefermehl, Wechselgesetz und Scheckgesetz15, Rz 2 zu Art. 14, Rz 1 zu Art. 49 und Rz 4 zu Art. 50 WG). Auch die Vertreter dieser Ansicht räumen aber ein, daß der Regreßschuldner beim Rücklauf des Wechsels nicht schlechthin in die Rechtsstellung des regreßberechtigten Gläubigers einrückt. So könne der Schuldner dem Einlösenden grundsätzlich jene Einwendungen entgegensetzen, die er gegen ihn vor der Weitergabe des Wechsels hatte, der Einlösende könne sich demnach nicht auf einen Einwendungsausschluß in der Person seines Nachmanns berufen (Hueck-Canaris aaO 141; Zöllner aaO 115; NJW 1975, 309; NJW 1971, 806). Umgekehrt brauche sich der Einlösende keine Einwendungen entgegenhalten lassen, die dem Vormann nur gegen den Nachmann des Einlösenden zustanden (Hueck-Canaris aaO 142; Zöllner aaO 116). Der Forderungsübergang beim Rücklauf des Wechsels könne demnach sowohl zur Vermehrung als auch zur Verminderung möglicher Einwendungen führen. Der Grund hiefür liege darin, daß es der Sinn des Regresses sei, die Sicherung des im Wechselvorlauf den Wechsel Erwerbenden nach der Situation zu vollziehen, die beim Vorlauf herrschte. Die Sicherung solle hingegen nicht durch Weiterveräußerung verbessert, andererseits aber auch nicht verschlechtert werden. Insofern sei es durchaus zutreffend zu sagen, der Einlösende rücke beim Wechselrücklauf in seine alte Stellung wieder ein (Zöllner aaO 116). Der Oberste Gerichtshof hat sich in der Entscheidung SZ 41/183 zur Auffassung bekannt, daß der Aussteller, der den Wechsel als Rückgriffsschuldner eingelöst hat, dadurch gemäß Art. 47 Abs. 3 WG in seine alte Rechtsstellung eintritt und daher nicht Rechtsnachfolger des Regreßgläubigers ist. Ein vom Regreßgläubiger erwirkter Wechselzahlungsauftrag stehe der neuen Einklagung des Wechselanspruchs durch den, der den Wechsel im Rücklauf eingelöst hat, nicht entgegen. In der Entscheidung JBl. 1957, 646 wurde ausgesprochen, daß jeder Wechselberechtigte über originäre Rechte verfüge, die mit jenen der Nachmänner nicht identisch seien. Der Anspruchserhebung eines Wechselberechtigten könne daher nicht entgegengehalten werden, daß schon ein anderer Wechselberechtigter geklagt und seine Klage unter Anspruchsverzicht zurückgenommen habe. Was den Übergang von Sicherheiten auf den Zahlenden betrifft, so gehen nach herrschender Ansicht beim Vorlauf des Wechsels Sicherheiten auf den Erwerber über. Dies wird damit begründet, daß andernfalls die Zirkulationsfähigkeit des Papiers beeinträchtigt wäre (Jacobi, Wechsel- und Scheckrecht, 600) bzw. der Übertragung durch Indossament keinesfalls eine schwächere Wirkung zukommen könne als der schlichten Abtretung der Wechselforderung (Hueck-Canaris aaO 143; Stranz aaO Anm. 7 zu Art. 14 WG; ähnlich Staub-Stranz, Anm. 6 zu Art. 14 WG). Ob und unter welchen Voraussetzungen einem Wechselgläubiger bestellte Sicherheiten im Rücklauf bei Einlösung des Wechsels durch den Regreßpflichtigen übergehen, ist strittig. Hueck-Canaris aaO 143 führen aus, der Übergang von Sicherheiten könne vom Standpunkt der früher herrschenden Lehre nur dann bejaht werden, wenn die Sicherheit dem Einlösenden bereits beim Vorlauf des Wechsels zugestanden habe; sei dies nicht der Fall gewesen, könne der Einlösende die Sicherheit auch nicht beim Rücklauf erwerben, weil er dabei nur in seine alte Rechtsstellung einrücke. Bei Annahme einer Legalzession liege es nahe, dem Einlösenden grundsätzlich auch nachträglich bestellte Sicherheiten zuzusprechen.

Für die Legalzession ist die bloße Änderung der Rechtszuständigkeit kennzeichnend, die Forderung selbst bleibt aber inhaltlich unberührt (vgl. nur Koziol-Welser Grundriß7 I 262); die Beurteilung des Erwerbers der Forderung aus dem Wechsel im Rücklauf als Legalzession muß dann aber Bedenken begegnen, weil die Forderung vom Einlösenden nicht so erworben wird (und im Weitergriff geltend gemacht werden kann), wie sie dem Regreßberechtigten zustand. Es ist daher Jacobi aaO 601 zu folgen, daß die Beteiligten in aller Regel nicht beabsichtigt haben werden, daß der einlösende Indossant Nebenrechte erwirbt, die erst von seinen Nachmännern begründet worden sind. Der Besteller der Nebenrechte hat an der Sicherheit dieser Vormänner, die selbst keine Sicherheit gefordert haben, kein Interesse. Auch die Umlaufsfähigkeit des Wechsels erfordert diese Sicherheit nicht; die bestellten Sicherheiten gehen also beim Regreß unter. Auch im vorliegenden Fall hat die beklagte Partei als Aussteller von der IBG als dem Bezogenen bei der Ausstellung des Wechsels keine Sicherheit gefordert, sie hat sich mit einer unbesicherten Forderung begnügt. Sollte die klagende Partei für den erworbenen wechselrechtlichen Anspruch eine Sicherheit gefordert haben, weil ihr die Bonität des Bezogenen und des Ausstellers ungenügend erschien, so wäre nicht einzusehen, warum der (unsichere) Aussteller diese Sicherheit beim Rücklauf des Wechsels erwerben und damit vielleicht gerade nur wegen der angenommenen Unsicherheit bessergestellt werden sollte. Ein Erwerb von Sicherheiten, die die klagende Partei für andere als Wechselforderungen eingeräumt erhalten hat, kommt von vornherein nicht in Betracht, weil solche Ansprüche im Rücklauf keinesfalls übergehen (vgl. Stranz aaO Anm. 6 zu Art. 14).

Die beklagte Partei macht weiters geltend, daß ihre Rechtsstellung als Aussteller des Wechsels nicht schlechter sein könne als die eines Bürgen. Diesem Standpunkt wird zugrundegelegt, daß Sicherheiten, die dem Wechselschuldner, für den er sich verbürgt hat, eingeräumt wurden, dem zahlenden Bürgen herauszugeben sind. Gemäß Art. 32 Abs. 3 WG erwirbt der zahlende Bürge einen wechselrechtlichen Rückgriffsanspruch gegen denjenigen, für den er sich verbürgt hat, und gegen dessen Vormänner. Auch hier wird die Auffassung vertreten, daß der zahlende Wechselbürge, ähnlich wie der einlösende Indossant, originäre Wechselrechte und damit ein eigenes Gläubigerrecht erwerbe, das von den Rechten des Befriedigten dogmatisch zu unterscheiden sei (Stranz aaO Anm. 7 zu Art. 32 WG). Ein Rechtsübergang gemäß § 1358 ABGB wird abgelehnt (Gamerith in Rummel, ABGB, Rz 3 zu § 1358 unter Berufung auf EvBl. 1960/233). Die neuere Lehre nimmt auch hier eine cessio legis an und läßt bestellte Sicherheiten auf den Wechselbürgen übergehen (Hueck-Canaris aaO 149; ähnlich Baumbach-Hefermehl aaO Rz 3 zu Art. 32 WG). Wenngleich von den Vertretern dieser Ansicht eingeräumt werden muß, daß auch der Wechselbürge nicht voll in die Rechte des befriedigten Gläubigers eintritt, weil ihm keine Regreßrechte gegen Nachmänner desjenigen, für den er sich verbürgte, zustehen, auch wenn sie dem Zahlungsempfänger als Vormänner hätten leisten müssen (Hueck-Canaris aaO 149; Zöllner aaO 120), ließe sich beim Bürgen, der durch die Einlösung des Wechsels erstmals einen wechselrechtlichen Anspruch erwirbt, die Meinung, er trete (im wesentlichen) in die Rechtsstellung des befriedigten Gläubigers ein, eher vertreten als für den Aussteller, der im Rücklauf nur jene Rechtsstellung erwirbt, die ihm im Vorlauf des Wechsels zukam. Für den Aussteller ist jedenfalls aus den Bürgen betreffenden Argumenten nichts zu gewinnen. Es ist vielmehr nur angemessen, daß dann, wenn die Wechselverbindlichkeit, von deren Erfüllbarkeit durch den Akzeptanten der Aussteller ausgegangen ist, sich als nicht durchsetzbar erwies, der Aussteller nicht anders gestellt wird als dann, wenn er den Wechsel gar nicht ausgestellt hätte. Es wäre hingegen nicht einzusehen, wenn der Aussteller eines sich als ungedeckt erweisenden Wechsels letztlich Sicherheiten erwerben sollte, die er sonst nicht gehabt hätte, nur weil sich ein Nachmann aus Gründen, die allein in seinen Überlegungen oder gar in der Annahme der Unsicherheit des Ausstellers bestanden, Sicherheiten einräumen hatte lassen.

Aus den dargelegten Gründen ist spruchgemäß zu entscheiden. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO.

Anmerkung

E11079

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1987:0010OB00591.87.0513.000

Dokumentnummer

JJT_19870513_OGH0002_0010OB00591_8700000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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