TE OGH 1987/5/14 6Ob562/87

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Veröffentlicht am 14.05.1987
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Samsegger als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schobel, Dr. Melber, Dr. Schlosser und Dr. Redl als weitere Richter in der Pflegschaftssache des mj. Kindes Markus K***, geboren am 9. April 1973, im Haushalt seiner Mutter Elisabeth Maria K***, Lehrerin, Oberpullendorf, Schloßplatz 5/5, wegen Regelung des Sorgerechtes infolge Revisionsrekurses des Vaters Erich Josef K***, Lehrer, Mattersburg, Hyrtlgasse 4, vertreten durch Dr. Kurt Lux, Rechtsanwalt in Wien, gegen den Beschluß des Landesgerichtes Eisenstadt als Rekursgerichtes vom 12. Februar 1987, GZ R 26/87-56, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Oberpullendorf vom 2. Januar 1987, GZ P 107/85-45, bestätigt wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Text

Begründung:

Die Mutter des am 9. April 1973 geborenen Knaben war bei dessen Geburt eine achtzehn Jahre alte Schülerin. Im Juli 1973 heiratete sie den Vater des Kindes. Sie selbst maturierte 1974 und besuchte im Anschluß daran außerhalb ihres Wohnortes eine pädagogische Akademie. Während der Berufsausbildung der Mutter wuchs das Kind im Hause der mütterlichen Großeltern heran, wo es vor allem durch die dort beschäftigte Haushälterin betreut wurde. Erst nach Abschluß der Berufsausbildung der Mutter nahmen die Eltern 1977 ihr Familienleben in einem von dem der mütterlichen Großeltern getrennten Haushalt auf. Beide Elternteile waren und sind als Lehrer an Hauptschulen berufstätig. Ihr eheliches Zusammenleben war durch zunehmend heftiger werdende Streitigkeiten geprägt. Die Mutter wandte ihre privaten Interessen schließlich einem verheirateten Manne zu. Die Ehe der Eltern wurde mit Urteil vom 27. November 1985 geschieden. Im Dezember 1985 stellten beide Elternteile einander entgegengesetzte Anträge auf Zuweisung des Sorgerechtes. Das Erstgericht nahm mehrmals die Stellungnahme beider Elternteile zu Protokoll, hörte den damals bereits dreizehn Jahre alten Knaben, vernahm mehrere Zeugen und holte ein fachpsychologisches Gutachten ein.

Es legte in tatsächlicher Hinsicht zugrunde, daß dem pflegebefohlenen Schulkind bei Stattgebung des mütterlichen Antrages die bisherige Heimstatt in der ehemaligen Ehewohnung erhalten bliebe, aber auch bei Zuweisung der Elternrechte zur alleinigen Ausübung an den Vater nach dessen Zusicherungen Gewähr für eine Fortsetzung der Studien am bisherigen Schulort bis zur Matura gegeben wäre und daß die so bezeichneten "äußeren Bedingungen" in beiden Fällen annähernd gleichwertig seien. Der Knabe erlebte den Freund der Mutter als Störfaktor in der gescheiterten Ehe seiner Eltern, andererseits sieht er in ihm die Person, die ihm das erwartete Interesse der Mutter an seiner Person entzieht. Der Knabe sperrte sich daher seit der Ehescheidung der Eltern gegenüber seiner Mutter. Er äußerte wiederholt seinen Wunsch, beim Vater zu bleiben. Auch nach ihrer Ehescheidung blieben beide Elternteile ungeachtet ihrer tief verfeindeten Haltung in der Ehewohnung. Am 24. Mai 1986 verließ der Vater als Reaktion auf die Mitteilung, daß der in diesem Verfahren bestellte Sachverständige in seinem Gutachten eine Regelung im Sinne des Antrages der Mutter empfehle, die Ehewohnung. Dies motivierte er in einer mit 5. Juni 1986 datierten Eingabe an das Gericht mit den Worten "um das, was nach einer möglichen Zuteilung der elterlichen Rechte an" die Mutter "eintreffen werde, vor dem eigentlichen Gerichtsbeschluß vorweisen zu können". Vor dem Hintergrund der Scheidungssituation seiner Eltern identifizierte sich der heranwachsende Knabe mit dem Vater. Den demonstrativen Auszug des Vaters aus der Ehewohnung empfand der Knabe so, als wollte der Vater ihm die Lage vor Augen führen, die bei seiner Abwesenheit einträte. Anläßlich des Versuches einer einvernehmlichen Regelung auf Grund des ergänzten Sachverständigengutachtens erklärte der Vater am 12. November 1986 vor Gericht, im Falle einer Stattgebung des mütterlichen Antrages würde er von der Ausübung eines Besuchsrechtes abstehen. Die Stellungnahme des Kindes im Sinne des väterlichen Antrages ist maßgeblich darauf zurückzuführen, daß der Vater seinem Sohn immer wieder vor Augen zu führen suchte, die Schuld an den ehelichen Auseinandersetzungen und der letztlich erfolgten Trennung trage die Mutter und im Falle einer gerichtlichen Entscheidung im Sinne des mütterlichen Antrages müßte das Kind auf ihn verzichten. Bei seiner eigenen Vernehmung vom 21. August 1986 begründete der Knabe seinen Wunsch, zum Vater zu kommen, ausdrücklich damit, daß der Vater mehr als die Mutter zuhause sei, der Vater mit ihm spiele und seinen Wünschen nachkäme, auch in der Art der Urlaubsgestaltung (Rundreise statt festes Ferienquartier) stimme er mit dem Vater überein.

Das Erstgericht traf eine Sorgerechtsentscheidung im Sinne des Antrages der Mutter. Es begründete diese Entscheidung mit der Besorgnis, im Falle einer alleinigen Ausübung der Elternrechte durch den Vater könnte der Knabe aller Beziehungen zu seiner Mutter und seinen mütterlichen Großeltern verlustig gehen. Es unterstellte, daß der Mutter ungeachtet ihrer bisherigen Verhaltensweisen und Äußerungen weder der Wille noch die Fähigkeit mangle, auf die Entwicklung des nunmehr bereits mündigen Knaben einen ersprießlichen erzieherischen Einfluß zu nehmen.

Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung. Zu den im Rekurs des Vaters konkret behaupteten Beispielen verfehlter Erziehungsmaßnahmen der Mutter nahm das Rekursgericht dabei nicht ausdrücklich Stellung.

Der Vater ficht die bestätigende Rekursentscheidung unter Geltendmachung des Anfechtungsgrundes der offenbaren Gesetzwidrigkeit sowie unter Hinweis auf angebliche Verfahrensverstöße mit einem Abänderungsantrag im Sinne seines erstinstanzlichen Sorgerechtsantrages und einem hilfsweise gestellten Aufhebungsantrag an.

Das Rekursgericht hat die Bemängelung des Sachverständigengutachtens, das der Rekurswerber als tendenziös bezeichnet hatte, als nicht stichhältig befunden und dafür eine nachvollziehbare, sachliche Begründung gegeben. Mit dem Vorwurf, das Rekursgericht habe es pflichtwidrig unterlassen, auf Grund der vom Rechtsmittelwerber vorgebrachten Umstände - auch ohne formellen Ablehnungsantrag - die volle Unbefangenheit des Sachverständigen zu prüfen und die Beweisaufnahme durch die Einholung eines weiteren Gutachtens zu ergänzen, wird kein nichtigkeitsbegründender Verfahrensverstoß behauptet und daher kein nach § 16 Abs. 1 AußStrG beachtlicher Anfechtungsgrund ausgeführt.

Die Sachbeurteilung rügt der Rekurswerber als offenbar gesetzwidrig.

Rechtliche Beurteilung

Die Vorinstanzen haben - entgegen der diesbezüglich allgemein gehaltenen Bemängelung - keinen nach § 178 a ABGB zu berücksichtigenden Umstand außer Acht gelassen oder offenkundig unrichtig gewichtet. Das Rekursgericht hat sich zwar mit den im Rekurs behaupteten Beispielen von unangemessenen Erziehungsmaßnahmen der Mutter nicht ausdrücklich auseinandergesetzt, in seiner Gesamtbeurteilung aber erkennen lassen, daß es von einer alleinigen Ausübung der Elternrechte durch die Mutter einen im Ganzen gesehen günstigeren Erfolg für die Persönlichkeitsentwicklung des Knaben erwartet als von einer alleinigen Ausübung der Elternrechte durch den - sich der von seiner Person ausgehenden Gefahren für das Kind gar nicht bewußten - Vater. Eine Gefährdung im Sinne des § 176 Abs. 1 ABGB hat das Rekursgericht dabei offenbar nicht angenommen und eine solche Beurteilung augenscheinlich selbst in dem Falle für zutreffend erachtet, daß die Behauptungen über die bemängelten Erziehungsmaßregeln der Mutter zutreffen sollten. In dieser Sicht ist daher kein auf eine offenbar gesetzwidrige Rechtsansicht rückführbarer Feststellungsmangel erkennbar.

Die Stellungnahme des inzwischen mündig gewordenen Knaben im Sinne des väterlichen Sorgerechtsantrages hat das Rekursgericht schlüssig auf einen stark eingeschränkten Spielraum der freien Entscheidung des Kindes zurückgeführt und entsprechend veranschlagt. Diese Beurteilung hält sich im Rahmen der durch § 177 in Verbindung mit § 178 a ABGB gezogenen Grenzen der richterlichen Entscheidung und kann daher nicht offenbar gesetzwidrig sein.

Mangels schlüssiger Ausführung eines nach § 16 Abs. 1 AußStrG beachtlichen Anfechtungsgrundes war der Revisionsrekurs zurückzuweisen.

Anmerkung

E10983

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1987:0060OB00562.87.0514.000

Dokumentnummer

JJT_19870514_OGH0002_0060OB00562_8700000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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