TE OGH 1987/5/19 4Ob323/86

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Veröffentlicht am 19.05.1987
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Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Prof. Dr. Friedl als Vorsitzenden und durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Resch und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Gamerith, Dr. Petrag und Dr. Kodek als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Michael S***, Programmierer, 2392 Sulz/Wienerwald, Hauptstraße 162, vertreten durch Dr. Paul Weiss, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Harald G***, Kaufmann, 1030 Wien, Geologengasse 8, vertreten durch Dr. Wolfgang Leitner, Rechtsanwalt in Wien, wegen Unterlassung, Rechnungslegung und Urteilsveröffentlichung (Streitwert S 380.000,--), infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 12. Dezember 1985, GZ 3 R 226/85-32, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Teilurteil des Handelsgerichtes Wien vom 31. Juli 1985, GZ 37 Cg 308/83-26, teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 13.429,05 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten S 1.133,55 Umsatzsteuer und S 960,-- Barauslagen) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Gegenstand des Revisionsverfahrens ist das Begehren des Klägers, soweit diesem beide Vorinstanzen mit Teilurteil stattgegeben haben. Die Abweisung eines Mehrbegehrens durch die Vorinstanzen wurde rechtskräftig. Danach wurde der Beklagte schuldig erkannt:

1. es im geschäftlichen Verkehr zu unterlasen, die vom Kläger entwickelte Software, nämlich das Computerprogramm MS 2 Dentsoft, sei es unter dieser oder sonstwelcher Bezeichnung immer zu vertreiben;

2. dem Kläger Rechnung über die aus der Verwendung der von ihm entwickelten Software, nämlich des Computerprogramms MS 2 Dentsoft, sei es unter dieser oder sonstwelcher Bezeichnung immer erzielten Gewinne zu legen.

Überdies wurde dem Kläger die Ermächtigung zur Veröffentlichung des Urteilsspruches über den Unterlassungsanspruch in der Österreichischen Zahnärztezeitung und in der Österreichischen Dentistenzeitung erteilt. Die Entscheidung über ein Zahlungsbegehren wurde dem Endurteil vorbehalten.

Der Kläger brachte zur Begründung seines Begehrens vor, er habe mit dem Beklagten vereinbart, im Verkauf von Computersystemen (Hardware) und Programmen (Software) derart zusammenzuarbeiten, daß diese Produkte im Rahmen des Unternehmens des Beklagten gemeinsam veräußert werden, jedoch im Innenverhältnis eine getrennte Abrechnung stattfinde, weil der Kläger auf Grund seiner Ausbildung als Programmierer und seiner Tätigkeit im medizinisch-technischen Bereich im Jahr 1979 allein ein Programm für Zahnärzte mit der Bezeichnung "MS 2 Dentsoft" entwickelt, der Beklagte aber als Händler von Computersystemen über die entsprechende Hardware verfügt habe. Es sei vereinbart worden, daß der Beklagte seinen Kunden für den Verkauf der Software S 40.000,-- verrechne, wovon er dem Kläger S 30.000,-- als Entgelt für die jeweilige Programmkopie zu bezahlen gehabt habe. Der Beklagte habe über die Verkäufe niemals Rechnung gelegt. Der Kläger habe die verkauften Programme jeweils fakturiert, wobei er aber im Hinblick darauf, daß er damals noch keine Gewerbeberechtigung für den Vertrieb von Computerprogrammen gehabt habe, seine Leistungen als "Beratung" bezeichnet habe. Mit diesem Entgelt seien jeweils nur die Ansprüche auf Grund des Verkaufes einzelner Programmkopien abgegolten worden. Keinesfalls habe der Kläger die Rechte am Programm schlechthin übertragen. Der Beklagte habe bei der Erstellung des Programms mangels eigener Fachkenntnisse nicht mitgewirkt. Ende 1981 sei diese Zusammenarbeit auf Grund geschäftlicher Differenzen beendet und klargestellt worden, daß jeder der Streitteile in Zukunft seine eigenen Waren vertreiben werde. Der Kläger habe dem Beklagten ausdrücklich verboten, die von ihm entwickelten Programme, insbesondere das mit "Dentsoft" bezeichnete Programm zu vertreiben. Der Kläger verkaufe seine Programme seither selbst direkt an seine eigenen Kunden. Er habe im Dezember 1982 erfahren, daß der Beklagte das von ihm entwickelte Programm weiterhin vertreibe und sich auch als Schöpfer des Programmes berühme. Das vom Beklagten nunmehr vertriebene Programm trage desselbe Lay-out und weise auch den gleichen Programmablauf, wie das vom Kläger entwickelte Programm, auf. Dieses stelle ein urheberrechtlich geschütztes Erzeugnis dar. Durch die Veräußerung von identischen Programmen verstoße der Beklagte gegen das Urheberrecht des Klägers. Darüber hinaus liege eine sklavische Nachahmung vor.

Der Beklagte beantragte, das Klagebegehren abzuweisen und wendete ein, er habe den Kläger im Jahr 1980 beauftragt, Programmierungsarbeiten im Rahmen der Erstellung eines Computerprogramms zur umfassenden Organisation zahnärztlicher Praxen unter Zugrundelegung des vom Beklagten vertriebenen Kleincomputersystems druchzuführen. Der Kläger habe für diese Arbeiten Rechnungen gelegt. Durch die entsprechenden Zahlungen seien alle vom Kläger geleisteten Arbeiten angemessen entlohnt worden. Der Beklagte habe sodann dieses als "Dentsoft" bezeichnete Programm im Rahmen seines Unternehmens gemeinsam mit der Hardware verkauft. Das vom Kläger erstellte Programm habe Mängel aufgewiesen, so daß der Beklagte im Jahr 1981 dessen Vertrieb habe einstellen müssen. Zu einer Vereinbarung, daß der Beklagte das als "Dentsoft" bezeichnete Programm nicht weiter verwenden dürfe, sei es nie gekommen. Der Beklagte habe die Programmfehler in der Folge beseitigt und das Programm an die Erfordernisse einer neuen Computergeneration angepaßt und zur Verwendung im Mehrplatzsystem ausgebaut. Lediglich dieses neue Programm veräußere der Beklagte nunmehr gemeinsam mit der dazugehörigen Hardware. Auch der Kläger habe in der Folge das Programm durch Berichtigung der Fehler umgearbeitet und einem anderen Hardware-System angepaßt. Die nunmehr von den Parteien jeweils vertriebenen Programme seien im Hinblick auf die Unterschiede der jeweils verwendeten Hardware nicht kompatibel und auch nicht identisch mit dem vom Kläger ursprünglich mitentwickelten Programm. Das vom Kläger ursprünglich erstellte Programm sei eine rein technische Schöpfung und genieße keinen Urheberrechtsschutz. Überdies habe der Beklagte die gesamte Systemanalyse durchgeführt, nämlich die Information über Organisationsabläufe in zahnärztlichen Praxen, über die Verrechnungsabläufe mit Privatpatienten und Krankenkassen beschafft und die an das Programm gestellten Anforderungen formuliert. Die Programmentwicklung sei im Rahmen der Aufträge des Beklagten unter dessen Anweisungen und Verbesserungsvorschlägen erfolgt. Der Kläger habe zwar den Hauptteil der Programmierungsarbeit geleistet, die jedoch ohne die Mitwirkung des Beklagten nicht möglich gewesen wäre. Zwischen den Parteien sei klargestellt worden, daß das Programm zur wiederholten Verwertung im Rahmen des Unternehmens des Beklagten zu dienen habe und der Kläger nur für seine Arbeit an der Programmentwicklung honoriert werden solle. Der Kläger habe auf Grund von Verkäufen des Programms im Rahmen des Unternehmens des Beklagten nie ein Entgelt bekommen. Sein Entgelt sei immer nur zeitbezogen für Programmierarbeiten geleistet worden.

Das Erstgericht gab diesem Teil des Klagebegehrens mit Teilurteil statt. Es stellte folgenden wesentlichen Sachverhalt fest:

Der Kläger ist Programmierer. Seit dem Jahr 1975 beschäftigt er sich mit der Erstellung von Computerprogrammen für Ärzte. Der Beklagte ist gelernter Radio- und Fernsehmechaniker. Er eignete sich in der Folge spezielle Kenntnisse für die Medizintechnik an. EDV-Kurse hat er nicht besucht. Am 25. April 1979 meldete er den Handel mit ärztlichem, zahnärztlichem und Laborbedarf bei der Gewerbebehörde an.

Der Kläger und der Beklagte, die einander privat kannten, besprachen die Möglichkeit, daß der Beklagte seinen Handel auf EDV-Anlagen und Software erweitern und der Kläger die zu den EDV-Anlagen passenden Programme erstellen könne. Die Software könne so gemeinsam mit der passenden Hardware veräußert werden. Der Beklagte meldete daraufhin am 10. August 1979 den Handel mit EDV-Anlagen, deren Zubehör und Software an und erweiterte so seinen Gewerbeschein. Als im Jahr 1980 das Unternehmen C*** einen kostengünstigen Kleinrechner auf den Markt brachte, nahm der Plan der Parteien konkretere Formen an. Der Kläger sollte ein Programm für Zahnärzte für diesen Kleinrechner erstellen. Die Parteien vereinbarten, daß der Kläger Kopien des fertigen Programms für Zahnärzte über den Beklagten verkaufen werde. Der Kläger wollte dies nicht im eigenen Namen tun, weil er hiezu keine Gewerbeberechtigung besaß. Ausgangsbasis des Verkaufsplanes der Parteien war, daß der Kläger die Software zur Verfügung stellen könnte und der Beklagte aus seiner früheren Tätigkeit viele Ärzte als potentielle Kunden kannte. Der Beklagte trat auch mit Zahnärzten und Dentisten in Kontakt und erkundete das Interesse am Erwerb einer EDV-Anlage. Er informierte den Kläger über alle Anregungen, die er von den Kunden erfahren hatte. So steuerte er einige Grundinformationen bei, fungierte aber nur als Vermittler zwischen dem Kläger und den Ärzten. Er trug nichts dazu bei, diese Grundinformationen in irgendeiner Weise computerbezogen zu verarbeiten. Der Kläger ging nun daran, sein Wissen über den Ablauf der Verwaltungstätigkeit in ärztlichen Praxen unter Heranziehung seiner bisher erstellten Programme systematisch aufzuarbeiten. Er analysierte die routinemäßige Verwaltungstätigkeit und erstellte ein System, wie man diese Arbeiten durch den Computer erledigen lassen könne. Er führte die Aufgabe allein durch und übernahm es auch, die systematischen Lösungen in die Computersprache zu übersetzen und dem Computer das Programm einzugeben. Der Beklagte unterstützte ihn hiebei nicht. Da der Kläger bereits auf Vorarbeiten zurückgreifen konnte und manche Tätigkeitsabläufe parallel durchführte, kann man die einzelnen Schritte der Programmerstellung nicht voneinander getrennt darstellen. Das vom Kläger entwickelte Programm wurde "MS 2 Dentsoftprogramm" bezeichnet. Es diente der Datenverarbeitung in zahnärztlichen Praxen. Das Programm gliedert sich in die Untergruppen Karteisystem, Kassenabrechnung, Mahnungen, Statistiken und Serviceprogramm.

Im Karteisystem kann man das Stammdatenblatt mit den Daten des Patienten wie Name, Adresse, Geburtsdatum, Krankenkasse etc. abrufen. Weiters können die erbrachten Leistungen abgefragt werden. Zurückliegende Leistungen werden bei der Abrechnung nicht mehr berücksichtigt. Am Statusschirm kann jede durchgeführte Behandlung übersichtlich dargestellt werden.

Mit dem Programmteil Kassaabrechnung führt man nach den Richtlinien der einzelnen Krankenkassen die Abrechnung für die erbrachten Leistungen durch. Die Originalkrankenscheine werden mit dem Plotter HP 7470 entsprechend der Eintragung in der Patientenkartei automatisch ausgefüllt. Eine Justierhilfe ermöglicht das korrekte Ausfüllen des Krankenkassenscheins.

Der Programmteil Mahnungen hält alle nicht beglichenen Rechnungen und nicht gebrachten Krankenscheine in Evidenz. Der Drucker gibt erforderliche Adresskleber aus.

Der Programmteil Statistik kann für einen beliebigen Zeitraum sämtliche Umsätze errechnen. Er kann mit einem Password geschützt werden.

Mit dem Serviceprogramm können Tarifänderungen in den Krankenkassenverträgen berücksichtigt werden. Das Programm selbst kann auf diese Weise an die neuen Ansätze angepaßt werden. Die Parteien vereinbarten, daß sie trotz des gemeinsamen Anbietens und Verkaufes der Hardware des Beklagten mit der Software des Klägers weiterhin voneinander unabhängig bleiben sollten. Jeder sollte aus seinem eigenen Produkt Gewinn ziehen. Der Kläger behielt sämtliche Rechnungen an seinem Programm. Er übertrug sie auch in der Folge niemals, auch nicht zum Teil, an den Beklagten. Der Beklagte bezog von den Hardwareproduzenten und deren Vertretern die EDV-Anlagen zu günstigeren Bedingungen, weil er sich verpflichtete, diese mit einer von ihm entwickelten Software zu verkaufen. Anläßlich des ersten Verkaufes vereinbarten die Parteien, daß der Kläger für jede Programmkopie, die der Beklagte mit seiner Hardware veräußerte, S 30.000,-- erhalten sollte. Der Kaufpreis, den der Beklagte von seinen Kunden verlangen sollte, betrug S 40.000,--. Da der Kläger einerseits keinen eigenen Gewerbeschein für den Verkauf von Software hatte und andererseits auch den 8 %igen Umsatzsteuersatz für wissenschaftliche Arbeiten und Beratungen behalten wollte, wurden die Zahlungen für jede verkaufte Computerprogrammkopie auf den Rechnungen als Honorare für "Beratungen" bezeichnet. Der Beklagte seinerseits veranlaßte vereinbarungsgemäß Werbeeinschaltungen und briefliche Kontaktaufnahmen, um interessierte Ärzte auf die Anschaffung einer EDV-Anlage samt dazupassender Software aufmerksam zu machen. Der Kläger beabsichtigte bereits im Dezember 1981, selbst den Handel mit Hardware und dazu entwickelter Software zu eröffnen, weshalb er in der Rechnung vom 20. Dezember 1981 als Zahlungszweck "Dentsoft Programmsystem für die Datenverwaltung in der zahnärztlichen Praxis" angab und 18 % Umsatzsteuer verrechnete. Zwischen den Parteien kam es in der Folge immer wieder zu Unstimmigkeiten. Der Kläger war besonders damit nicht einverstanden, daß der Beklagte entgegen der Vereinbarung statt S 40.000,-- für eine Programmkopie nunmehr rund S 100.000,-- verlangte. Dem Kläger bezahlte er aber weiterhin nur das vereinbarte Entgelt in der Höhe von S 30.000,--. Zusätzlich entstanden Zwistigkeiten wegen der Abgabe von Serviceversprechungen an Kunden, mit denen der Kläger nicht einverstanden war und wegen des Verkaufs an Kunden außerhalb Wiens und Umgebung. Etwa zu Weihnachten 1981 lösten die Parteien einvernehmlich ihre Geschäftsverbindung auf. Genauere Vereinbarungen wurden im Hinblick auf die ohnedies bereits geschlossene Übereinkunft nicht mehr getroffen. Der Beklagte sandte daraufhin seinen Kunden ein Schreiben, in dem er bekannt gab, daß mit Wirkung vom 1. Jänner 1982 die Firma Michael S***, 1090 Wien, Wiesengasse 20/22, die Softwarebetreuung übernommen habe. Es folgte die Bitte, sich mit allen Fragen der Programmpflege, Adaptierung und Erweiterung an den Kläger zu wenden. Der Kläger gründete das Unternehmen "MS 2 S***" und meldete sein Gewerbe am 29. Jänner 1982 an. Der Beklagte fertigte etliche Kopien des vom Kläger erstellten Programms an und verkaufte sie, ohne jemals die Zustimmung des Klägers einzuholen. Er ließ sogar die Marke "Dentsoft" für sich mit Wirkung vom 27. April 1983 registrieren. Der Kläger veräußert nunmehr sein weiterentwickeltes Programm "MS 2 Dentsoft" unter der Bezeichnung "Micromed Z".

Rechtlich vertrat das Erstgericht die Auffassung, das Computerprogramm "MS 2 Dentsoft" stelle eine eigentümliche geistige Schöpfung des Klägers dar, die Urheberrechtsschutz genieße. Ein Computerprogramm (Software) könne nur zu den Werken der Literatur gehören. Daß hier zum Teil keine menschliche Sprache, sondern eine Computer- bzw. Maschinensprache zur Anwendung komme und sich das Programm nicht unmittelbar an den Menschen wende, sondern an die Maschine, sei unerheblich. Im Vordergrund stehe die eigentümliche geistige Schöpfung unabhängig vom Ausdrucksmittel. Die Eigentümlichkeit und Individualität sei gegeben, weil es verschiedene Möglichkeiten gebe, das Programm zu gestalten. Es sei der Schöpfungskraft und der Eigenheit des Programmerstellers überlassen, insbesondere bei umfangreichen Programmen die einzelnen auftauchenden Probleme auf verschiedene Arten zu lösen und einen möglichst zweckmäßigen und rationellen Aufbau zu erzielen. Durch die Berücksichtigung mehrerer immer gegebener einander widersprechender Zielsetzungen, wie möglichst kurze Betriebszeit und optimale Speicherplatzausnützung, aber trotzdem größtmögliche Übersichtlichkeit und Klarheit des Programmes, bestehe auch in der Regel eine Fülle von Variationsmöglichkeiten, so daß ein großer Freiraum für individuelle Gestaltung bestehe. Immer wenn nicht nur eine Lösungsmöglichkeit bestehe, handle es sich um eine eigentümliche individuelle geistige Schöpfung. Ein Computerprogramm sei daher prinzipiell in allen seinen Stufen urheberrechtsschutzfähig, sofern es sich nicht um rein wissenschaftliche durch die Natur eindeutig begründete Forschungsergebnisse handle. Der Kläger habe das Programm mehr oder minder ganzheitlich entwickelt, wobei er bereits auf seine Vorarbeiten aus früheren Jahren habe zurückgreifen können. Unzweifelhaft sei, daß bei einem derart umfangreichen und komplexen Programm eine Fülle von Lösungsmöglichkeiten bestehe. Der Beklagte habe dadurch, daß er das vom Kläger erstellte Computerprogramm "MS 2 Dentsoft" ohne dessen Zustimmung vervielfältigt und veräußert habe, in dessen Urheberrechte eingegriffen.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Beklagten - abgesehen von einer rechtskräftigen Teilabweisung des den Rechnungslegungsanspruch umfassenden Veröffentlichungsbegehrens - nicht Folge und sprach aus, daß der von der Bestätigung betroffene Wert des Streitgegenstandes S 300.000,-- übersteigt. Es übernahm die Feststellungen des Erstgerichtes, die seiner Ansicht nach auf einem mangelfreien Verfahren beruhten. Rechtlich vertrat es nach Darstellung der Lehre und der Rechtsprechung der Bundesrepublik Deutschland zur Frage des Urheberrechtsschutzes von Computerprogrammen die Auffassung, es könne mangels ausreichender Feststellungen über den Umfang des vom Kläger entwickelten Programms nicht beurteilen, ob dem Kläger bei der Entwicklung der einzelnen Teile jeweils ausreichende Variationsmöglichkeiten zur Verfügung standen, und daher das von ihm gefundene Ergebnis als individuelles Werk angesehen werden könne. Die diesbezügliche Beurteilung durch das Erstgericht sei auf einer nicht ausreichenden Tatsachengrundlage erfolgt. Ungeprüft sei auch geblieben, inwieweit der Kläger mit gemeinfreien Elementen, wie vorbekannten Modulen und Programmbausteinen gearbeitet habe. Es liege aber jedenfalls eine sittenwidrige unmittelbare Leistungsübernahme vor. Wer ohne jede eigene Leistung das ungeschützte Arbeitsergebnis eines anderen ganz oder doch in erheblichen Teilen glatt übernehme, um so dem Geschädigten mit dessen eigener mühevoller und kostspieliger Leistung Konkurrenz zu machen, mache sich einer schmarotzerischen Ausbeutung fremder Leistung schuldig und verstoße damit gegen die guten Sitten. Der Beklagte habe Kopien, somit Vervielfältigungsstücke des Programms des Klägers, ohne dessen Zustimmung veräußert. Nach der Auflösung der Zusammenarbeit der Streitteile sei er dazu nicht mehr berechtigt gewesen, weil der Kläger im Rahmen der vorher gepflogenen Zusammenarbeit, ohne ein dauerndes Nutzungsrecht vergeben zu haben, nur mit dem Verkauf der Programmkopien auf seine eigene Rechnung abzüglich eines Gewinnanteiles für den Beklagten einverstanden gewesen sei. Es liege daher eine sittenwidrige unmittelbare Leistungsübernahme vor, die dem Beklagten auch bewußt gewesen sei. Der Unterlassungsanspruch sei daher, auch wenn die Voraussetzungen gemäß § 81 UrhG nicht vorlägen, im § 1 UWG begründet. Auch im Falle eines Verstoßes gegen Vorschriften des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb könne bei Zutreffen der im bürgerlichen Recht normierten Voraussetzungen die Rechnungslegung begehrt werden. Der durch eine Verletzungshandlung in einem Ausschließlichkeitsrecht Beeinträchtigte könne den Verletzer immer dann in analoger Anwendung des § 1039 ABGB auf Rechnungslegung in Anspruch nehmen, wenn die Voraussetzungen der sogenannten unechten Geschäftsführung gegeben seien, der Verletzer also in der unredlichen Absicht, den Nutzen für sich zu behalten - und damit schuldhaft - gehandelt habe. Dieselben Voraussetzungen lägen bei der Übernahme eines fremden Arbeitsergebnisses vor, weil angenommen werden müsse, daß auch derjenige, der ein Arbeitsergebnis unter großem Aufwand erzielt habe, die Benützung desselben nur gegen Beteiligung am Gewinn gestattet hätte. Da der Kläger den Rechnungslegungsanspruch ausdrücklich auf den erzielten Gewinn gerichtet habe und der Anspruch auf Herausgabe desselben in den materiellen Vorschriften begründet sei, bestehe auch der Rechnungslegungsanspruch unabhängig von der urheberrechtlichen Beurteilung des von ihm entwickelten Computerprogramms auf Grund der Bestimmungen über die unechte Geschäftsführung.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision des Beklagten aus den Revisionsgründen der Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit den Anträgen, es im Sinne einer Klagsabweisung abzuändern oder es aufzuheben und die Rechtssache zur Verfahrensergänzung an eine der Vorinstanzen zurückzuverweisen.

Der Kläger beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht berechtigt.

Die behauptete Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens liegt

nicht vor (§ 510 Abs 3 ZPO).

Auch die Rechtsrüge ist nicht begründet.

Die unmittelbare Aneignung eines fremden, nicht unter Sonderrechtsschutz stehenden Arbeitsergebnisses verstößt nicht nur dann gegen § 1 UWG, wenn besondere Umstände vorliegen, die auch das (sklavische) Nachahmen eines fremden Vorbildes im Einzelfall unlauter machen würden. Wer ohne jede eigene Leistung, ohne eigenen ins Gewicht fallenden Schaffensvorgang das ungeschützte Arbeitsergebnis eines anderen ganz oder doch in erheblichen Teilen glatt übernimmt, um so dem Geschädigten mit dessen eigener mühevoller und kostspieliger Leistung Konkurrenz zu machen, macht sich in jedem Fall schmarotzerischer Ausbeutung fremder Leistung schuldig und verstößt damit gegen die guten Sitten im Sinne des § 1 UWG (ÖBl 1980, 97 = SZ 53/35; ÖBl 1981, 8; ÖBl 1981, 16; ÖBl 1986, 152 ua).

Bei dem vom Kläger entworfenen Computerprogramm handelt es sich jedenfalls um eine mühevolle, unter entsprechendem Arbeits- und Kostenaufwand hergestellte Leistung, gingen doch beide Parteien offenkundig davon aus, daß die Programmkopien, mögen sie nun ein formal geschütztes Werk sein oder nicht, einen erheblichen Vermögenswert darstellten. Der Beklagte hat Kopien dieses Programmes auch nach der einverständlichen Auflösung des Vertragsverhältnisses zwischen den Streitteilen weiter verkauft; er hat damit ohne eigene Leistung das Arbeitsergebnis des Klägers glatt übernommen und diesem durch den weiteren Vertrieb der Programme mit dessen eigener Leistung Konkurrenz gemacht. Ob der Beklagte - was aus den Feststellungen der Vorinstanzen nicht klar hervorgeht - die Kopien des vom Kläger erstellten Programms schon vor der Auflösung des Vertragsverhältnisses oder erst danach angefertigt hat, ist ohne Bedeutung. Nach der Auflösung des Vertrages durfte er derartige Programmkopien ohne Zustimmung des Klägers nicht mehr verkaufen und damit ohne jede Gegenleistung weiterhin das Ergebnis der Arbeit des Klägers für sich nützen.

Daran ändert auch nichts, daß der Kläger noch während der bestehenden Geschäftsverbindung mit dem Beklagten den Plan gefaßt hat, selbst einen Handel mit Hardware und der dazu entwickelten Software zu beginnen; von einer Vertragsverletzung konnte dabei schon deshalb keine Rede sein, weil nicht feststeht, daß der Kläger mit diesem Handel schon vor der Auflösung der Gesschäftsverbindung mit dem Beklagten begonnen hat.

Das Unterlassungsbegehren ist daher - gleichgültig, ob dem Programm des Klägers Sonderrechtsschutz nach dem Urheberrechtsgesetz zukommt oder nicht - schon nach § 1 UWG berechtigt. Zum Rechnungslegungsanspruch und zur Frage der Urteilsveröffentlichung wird in der Revision nichts vorgebracht, weshalb auf diese Ansprüche nicht mehr eingegangen zu werden braucht (EvBl 1985/154 mwN).

Anmerkung

E11155

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1987:0040OB00323.86.0519.000

Dokumentnummer

JJT_19870519_OGH0002_0040OB00323_8600000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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