TE OGH 1987/5/21 8Ob576/87

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Veröffentlicht am 21.05.1987
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Stix als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kralik, Dr. Vogel, Dr. Kropfitsch und Dr. Zehetner als Richter in der Pflegschaftssache des mj. Philipp H***, geboren am 7. September 1975 und der mj. Jasmin H***, geboren am 24. Juli 1977, infolge Rekurses des ehelichen Vaters Rabani L***, arbeitslos, Hausgrundweg 10/4/21, 1220 Wien, gegen den Beschluß des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgerichtes vom 12. März 1987, GZ 43 R 14/87-124, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Donaustadt vom 25. November 1986, GZ 3 P 394/86-121, aufgehoben wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Text

Begründung:

Mit Beschluß des Erstgerichtes vom 11. Oktober 1979 (ON 58 dA) wurde der eheliche Vater für die Zeit ab 19. März 1979 bis auf weiteres zur Leistung eines Unterhaltsbetrages für die beiden mj. Kinder von je S 1.300,-- rechtskräftig verpflichtet (vgl. ON 61). Mit Antrag vom 8. August 1986 begehrte er die Herabsetzung dieser Unterhaltsbeträge auf je monatlich S 100,--. Er sei bis 21. Mai 1986 in Österreich inhaftiert gewesen, nunmehr arbeitslos und arbeitssuchend gemeldet und erhalte bloß eine Arbeitslosenunterstützung von S 110,20 täglich. Er habe den Beruf eines Kellners erlernt, könne jedoch wegen seiner Inhaftierung keinen Posten finden.

Das Bezirksjugendamt für den 22. Bezirk sprach sich gegen diesen Antrag aus.

Das Erstgericht wies den Herabsetzungsantrag ab (ON 121 dA). Es ging dabei im wesentlichen von folgenden Feststellungen aus:

Der eheliche Vater ist arbeitslos und als arbeitssuchend gemeldet; er erhält eine Arbeitslosenunterstützung von täglich S 110,20. Er hat den Beruf eines Kellners erlernt, findet jedoch zufolge seiner Inhaftierung keinen Posten. Die beiden Minderjährigen befinden sich im Haushalt ihrer Mutter, die auch die Familienbeihilfe bezieht. Selbst unter Berücksichtigung aller subjektiven Fakten und Gegebenheiten auf dem Arbeitsmarkt kann der eheliche Vater bei Anspannung aller Kräfte mit einer Wahrscheinlichkeit weit über 50 % einen Arbeitsplatz als Kellner (Full-time-job) finden. Besonders während der Sommer- und Wintersaison können die offenen Stellen von den Arbeitsämtern kaum abgedeckt werden (Befund und Gutachten des Sachverständigen aus dem Fachgebiet der Berufskunde Rudolf H***, ON 118 dA). Rechtlich beurteilte das Erstgericht diesen Sachverhalt dahin, daß der Vater verpflichtet sei, seine Arbeitskraft voll einzusetzen, um seine Unterhaltsverpflichtung erfüllen zu können. Die Straffälligkeit des Vaters könnte nicht zu Lasten der Kinder gehen. Da angenommen werden müsse, daß der Vater bei Anspannung seiner Kräfte in der Lage wäre, die ihm auferlegten Unterhaltsbeiträge zu leisten, und mindestens monatlich S 9.000,-- zu verdienen, sei der Herabsetzungsantrag nicht berechtigt.

Das Gericht zweiter Instanz gab dem Rekurs des Vaters Folge, hob den angefochtenen Beschluß auf und trug dem Erstgericht die neue Entscheidung nach Verfahrensergänzung auf. Aus dem Akt ergäbe sich, daß der Vater nach seiner Entlassung aus der Untersuchungshaft (vgl. ON 103) ab 27. Mai 1986 ein Arbeitslosengeld von täglich S 110,20 bezieht (ON 113). Ob dies im Zeitpunkt der Entscheidung des Erstgerichts noch der Fall war, stehe nicht fest. Entgegen der Auffassung des Erstgerichts könne daher eine Feststellung dahingehend, daß der Vater als arbeitslos und arbeitssuchend gemeldet ist, auf Grund des Akts noch nicht getroffen werden. Sollte dies allerdings zutreffen, dann wäre eine weitere Anspannung des Vaters für diese Zeiträume nicht berechtigt. Dem Gutachten des Sachverständigen H***, welches zum Inhalt hat, der Vater könne bei Anspannung aller Kräfte mit einer Wahrscheinlichkeit weit über 50 % einen Posten finden (ON 118), sei entgegenzuhalten, daß der Vater durch seine Meldung beim Arbeitsamt seinen diesbezüglichen Pflichten grundsätzlich nachkommt und keine konkreten Anhaltspunkte bestehen, daß er mißbräuchlich einer Arbeit aus dem Wege gehe. Hinzu komme noch, daß die Anstellungschancen des Vaters als gebürtigem Afghanen erfahrungsgemäß schlechter einzuschätzen seien als die eines gebürtigen Österreichers. Dies bedeute jedoch nicht, daß die Leistungsfähigkeit des Vaters mit den von ihm angebotenen S 100,-- je Kind begrenzt sei. Dazu komme nämlich noch derjenige Betrag, welchen - soweit bisher bekannt geworden sei, ON 113 - die Mutter als Familienzuschlag zum Arbeitslosengeld des Vaters für die Kinder direkt beziehe. Diese Beträge stünden nicht fest. Im fortgesetzten Verfahren werde daher in erster Linie zu prüfen sein, ab wann und wie lange der Vater als arbeitslos gemeldet sei und welche Beträge die Mutter im Bemessungszeitraum als Familienzuschlag für die Kinder tatsächlich erhalten habe; erst auf Grund dieser erweiterten Sachverhaltsbasis werde die neue Entscheidung getroffen werden können.

Gegen diesen Aufhebungsbeschluß richtet sich der Rekurs des Bezirksjugendamtes für den 22. Bezirk mit dem Antrag, den Aufhebungsbeschluß im Sinne der Bestätigung der erstinstanzlichen Entscheidung abzuändern.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist entgegen der Ansicht des Rechtsmittelwerbers unzulässig.

Das Bezirksjugendamt für den 22. Bezirk wendet sich in seinem Rekurs gegen die Ansicht des Gerichtes zweiter Instanz, die Chancen des ehelichen Vaters, als gebürtiger Afghane eine Arbeit zu finden, seien schlechter einzuschätzen als die eines gebürtigen Österreichers. Beim ehelichen Vater handle es sich nämlich nicht um einen sprachunkundigen Ausländer mit geringem Bildungsniveau, sondern um einen österreichischen Staatsbürger, der sich auf seine fremdländische Herkunft dann berufe, wenn es für ihn einen Vorteil bringe. Das im Verfahren eingeholte berufskundliche Sachverständigengutachten habe wie bei jedem österreichischen Staatsbürger Gültigkeit; dem Gutachten sei weiters zu entnehmen, daß das Aufsuchen von Arbeitsplätzen nicht nur Behördensache sei, sondern auch von der Eigeninitiative des Betroffenen und seinem ehrlichen Bemühen um eine Arbeitsstelle gekennzeichnet sei. Der vorliegende Revisionsrekurs nach § 14 Abs 1 AußStrG erscheine zulässig, weil die Voraussetzungen für eine Unterhaltsfestsetzung zu prüfen seien und damit der Anspruch dem Grunde nach zu klären sei. Dem kann nicht gefolgt werden.

Durch § 14 Abs 2 AußStrG wird eine Anfechtung der Entscheidung zweiter Instanz ausgeschlossen, soweit Verfahren und Entscheidung die Bemessung gesetzlicher Unterhaltsansprüche zum Gegenstand hat. Zur nicht mehr anfechtbaren Bemessung des gesetzlichen Unterhalts gehört nach dem Jud. 60 neu ua die Beurteilung der Leistungsfähigkeit des Unterhaltspflichtigen. Die vom Rekurswerber in seinem Rechtsmittel allein geltend gemachte Frage der Anwendung der Anspannungstheorie betrifft aber die Leistungsfähigkeit des Unterhaltspflichtigen und fällt somit in den Unterhaltsbemessungskomplex (EFSlg 44.580, 47.148, 49.872 ua). Im übrigen ist der Oberste Gerichtshof auch im Verfahren außer Streitsachen nur Rechts- und nicht auch Tatsacheninstanz, weshalb er die Beweiswürdigung der Vorinstanzen nicht überprüfen kann (EFSlg 47.129, 49.855 ua).

Da die Rechtsmittelbeschränkung des § 14 Abs 2 AußStrG auch für aufhebende Beschlüsse des Rekursgerichtes gilt (EFSlg 28.370; EFSlg 39.713, 44.579, 49.870 ua), erweist sich der Rekurs als unzulässig, weshalb er zurückgewiesen werden mußte.

Anmerkung

E11004

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1987:0080OB00576.87.0521.000

Dokumentnummer

JJT_19870521_OGH0002_0080OB00576_8700000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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