Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schragel als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schubert, Dr. Hofmann, Dr. Schlosser und Dr. Kodek als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1) Friedrich F***, 2) Marianne F***, beide Landwirte, Gampern, Weiterschwang 23, vertreten durch Dr. Franz Penninger, Rechtsanwalt in Vöcklabruck, wider die beklagte Partei Gottfried S***, Landwirt, Gampern, Weiterschwang 19, vertreten durch Dr. Jörg Iro, Rechtsanwalt in Vöcklabruck, wegen Unterlassung und Herstellung (Streitwert insgesamt S 20.000,--), infolge Revision der klagenden Parteien gegen das Urteil des Kreisgerichtes Wels als Berufungsgerichtes vom 1. Dezember 1986, GZ R 718/86-23, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Vöcklabruck vom 24. April 1986, GZ 2 C 1037/84-16, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluß
gefaßt:
Spruch
Der Revision wird Folge gegeben.
Die Urteile der Vorinstanzen werden aufgehoben; die Rechtssache wird an das Erstgericht zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen.
Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.
Text
Begründung:
Die Kläger sind Miteigentümer der Liegenschaft EZ 201 KG Gampern, zu der auch das Grundstück 4701 gehört; der Beklagte ist Eigentümer der Liegenschaft EZ 188 KG Gampern, zu welcher unter anderem das Grundstück 4706 gehört. Der Liegenschaftsbesitz der Streitteile in seiner gegenwärtigen Form ist Ergebnis eines Grundstückszusammenlegungsverfahrens, in dessen Verlauf die Streitteile und einige andere Grundeigentümer am 21. Dezember 1964 eine Vereinbarung trafen, mit welcher den Klägern und anderen Grundnachbarn das Winterfahrrecht entlang der nördlichen Grenze des Grundstücks 4706 und der südlichen Grenze des im Norden daran anschließenden Grundstücks 4717, dessen Eigentümer die Ehegatten K*** sind, derart eingeräumt wurde, daß der Fahrweg je zur Hälfte über den Grund des Beklagten und das Nachbargrundstück der Eheleute K*** verlaufen sollte. Die Kläger haben diesen Fahrweg zunächst stets im Winter benützt, um mit dem Traktor ihr Grundstück 4701 zu erreichen. Entweder 1969 oder 1970 schlägerten sie dln Waldbestand auf diesem Grundstück und forsteten es in der Folge wieder auf.
Die Kläger begehren die Verurteilung des Beklagten zur Unterlassung der Behinderung ihres Fahrtrechtes über sein Grundstück 4706 infolge Auspflanzung von Bäumen und zur Herstellung des zwecks Ausübung des Fahrtrechtes in einer Breite von 3 m erforderlichen Zustandes, insbesondere durch Entfernung der dort befindlichen Bäume. Die Ausübung des ihnen vom Beklagten zugesicherten Fahrtrechtes sei wegen der Auspflanzung von Fichten durch ihn nicht mehr möglich.
Der Beklagte bestritt zunächst die behauptete Behinderung, wendete jedoch im Zuge des Verfahrens weiter ein, er habe die Freiheit seines Eigentums von der behaupteten Dienstbarkeit ersessen, weil er vor etwa 20 Jahren auf der von der Servitut betroffenen Grundfläche Fichten ausgesetzt habe, so daß jede Durchfahrt unmöglich sei. Seither benützten die Kläger einen anderen Weg, um ihr Grundstück zu erreichen.
Darauf replizierten die Kläger, der Beklagte habe ihnen zugesichert, die Bäume so auszuschneiden, daß sie ihr Fahrtrecht weiter ausüben könnten. Seit 1970 sei eine Bewirtschaftung ihres Grundstückes 4701 nicht mehr erforderlich gewesen und auch nicht mehr erfolgt.
Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt und stellte fest:
Der Beklagte habe im nordwestlichen Teil seines vorher als Acker bestellt gewesenen Grundstücks, der an das Grundstück 4701 der Kläger angrenzt, Bäume ausgesetzt. Bei den schon erwähnten Schlägerungsarbeiten auf dem Grundstück der Kläger habe der Beklagte den Klägern geholfen; das Holz sei über den aufgeforsteten Teil des Grundstücks 4706 gebracht worden. Bis etwa 1972 oder 1973 sei der Erstkläger mit dem Traktor über den Fahrweg gefahren, um sein Grundstück zu bewirtschaften, und dabei über den ausgepflanzten Jungwald hinweggefahren. Seit 1972 oder 1973 könnten die Kläger das Fahrtrecht über den nordwestlichen Teil des Grundstücks des Beklagten nicht mehr ausüben, weil der Baumbewuchs unterdessen zu hoch und zu dicht geworden sei. Der Erstkläger habe den Beklagten deshalb schon damals zur Rede gestellt; der Beklagte habe ihm zugesagt, er müsse den Wald ohnedies durchforsten und werde dabei den Weg ausschneiden. Da der Erstkläger die alljährliche Durchforstung seines Waldgrundstückes für erforderlich gehalten habe, habe er den Beklagten auch in den Folgejahren wegen der Zufahrt zu diesem Grundstück angesprochen; der Beklagte habe ihn immer wieder damit vertröstet, daß er den Weg ausschneiden werde, wenn die Bäume größer und daher für ihn nutzbar geworden seien. Erstmals im anhängigen Verfahren habe der Beklagte das Fahrtrecht der Kläger bestritten; insbesondere habe er nie behauptet, die Bäume nur deshalb ausgepflanzt zu haben, um den Klägern ihr Fahrtrecht streitig zu machen. Diese hätten einzig und allein deshalb nicht früher geklagt, weil sie es als Landwirte verständlich gefunden hätten, daß ein Weg nur dann ausgeschlagen werden solle, wenn das Holz auch nutzbar geworden sei.
In rechtlicher Beurteilung führte das Erstgericht aus, der mit der Dienstbarkeit Belastete widersetze sich nur dann im Sinne des § 1488 ABGB der Servitut, wenn er deren tatsächlichen Ausübung entgegentrete. Das sei erst anzunehmen, wenn er sich der Entfernung des Hindernisses widersetze, nicht aber schon beim bloßen Fortbestand eines bereits bei der Bestellung der Dienstbarkeit vorhandenen Hindernisses. Durch die immer wieder erklärte Zusage, den Weg auszuschlagen, sei die Freiheitsersitzung gemäß § 1488 ABGB verhindert worden.
Das Berufungsgericht wies das Klagebegehren ab und sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes zwar S 15.000,--, nicht aber S 300.000,-- übersteige und die Revision zulässig sei. Die Auspflanzung von Bäumen habe solange kein Hindernis für die Dienstbarkeitsausübung zur Folge gehabt, als die Kläger über die Baumpflanzen hinwegfahren hätten können. Da die Kläger die Servitut von der Bestellung an ewta vier bis fünf Jahre ausgeübt hätten, habe der Beklagte die dreijährige Frist des § 1488 ABGB erst durch Widersetzen in Gang bringen können. Nach der jüngeren Rechtsprechung verjähre eine Dienstbarkeit durch Nichtgebrauch im Sinne des § 1488 ABGB nur dann, wenn der Berechtigte die Servitutsausübung in Kenntnis der Widersetzlichkeit des Belasteten unterlasse. Der Beklagte habe sich der Ausübung des Fahrtrechtes spätestens zu der Zeit widersetzt, als der Weg für die Kläger infolge des Baumbewuchses unpassierbar geworden sei. In der unterlassenen Entfernung der auf der von der Dienstbarkeit betroffenen Grundfläche ausgepflanzten Bäume sei das Errichten eines Hindernisses zu erblicken, das naturgemäß länger als etwa die Errichtung einer Mauer oder eines Zaunes dauere. Den gegenteiligen Zusagen des Beklagten hätten die Kläger keine Bedeutung beimessen dürfen, weil sein Verhalten diesen diametral entgegengesetzt gewesen sei. Ihren wiederholten Aufforderungen könne nur unterstellt werden, daß die Kläger ein gegen die Dienstbarkeit gerichtetes Verhalten des Beklagten bemerkt hätten und ihn zu einem gegenteiligen Verhalten bewegen wollten. Spätestens nach Verstreichen einer für die Beseitigung des Jungwaldes angemessenen Zeit liege ein Widersetzen des Beklagten im Sinne des § 1488 ABGB, das die Kläger auch bemerkt hatten, vor. Es sei daher die subjektive Kenntnis der Kläger vom Hindernis und auch vom tatsächlichen Widersetzen des Beklagten anzunehmen. Spätestens zu diesem Zeitpunkt (etwa 1975) habe die dreijährige Frist des § 1488 ABGB zu laufen begonnen. Damit lägen die Voraussetzungen für die dort geregelte Freiheitsersitzung vor. Da auf Seiten des Beklagten weder Redlichkeit noch Rechtsmäßigkeit zu fordern sei, könne seinen Zusagen, den Weg auszuschneiden, die rechtliche Bedeutung, daß dadurch die Frist des § 1488 ABGB nicht in Gang gesetzt worden sei, nicht beigemessen werden.
Rechtliche Beurteilung
Die von den Klägern erhobene Revision ist berechtigt. Das Gericht zweiter Instanz hat die Voraussetzungen für den Eintritt der Verjährung der Wegedienstbarkeit der Kläger infolge Freiheitsersitzung gemäß § 1488 ABGB unter Berufung auf die Lehre (Iro in JBl. 1982, 34 ff; Welser in JBl. 1983, 14; Koziol-Welser, Grundriß7 II 149; vgl. auch Schubert in Rummel, ABGB, Rz 2 zu § 1488) bejaht; den Erklärungen des vom Erstkläger wegen der Auspflanzung der Bäume zur Rede gestellten Beklagten, er werde den Weg ausschlagen, sobald die Bäume für ihn nutzbar geworden seien, maß es keine rechtliche Bedeutung zu, weil der Verjährungseintritt Redlichkeit des Belasteten nicht voraussetze und sein tatsächliches Verhalten seinen Erklärungen diametral entgegengesetzt gewesen sei. Damit verkennt das Berufungsgericht jedoch die Bedeutung der Zusagen des Beklagten für den Weiterbestand der Servitut.
Ob sich der Beklagte durch die Auspflanzung der Bäume - jedenfalls ab dem Zeitpunkt, in dem der von der Dienstbarkeit betroffene Grundstreifen für die Kläger unpassierbar geworden war - der Ausübung der Servitut widersetzt und damit die Verjährung nach § 1488 ABGB in Gang gesetzt hat, kann ungeprüft bleiben. Durch die von den Klägern - zumindest
konkludent - akzeptierte Zusage des Beklagten, er werde den Grundstreifen abholzen, sobald er das Holz nutzen könne, hat er nicht bloß den Bestand der Wegedienstbarkeit der Kläger und damit auch die Verpflichtung zur Ausholzung anerkannt, sondern es ist auch eine die Ausübung der Wegedienstbarkeit regelnde, den Vertrag über die Servitutsbestellung ergänzende Vereinbarung zwischen den Streitteilen zustande gekommen, mit welcher die Kläger auf die Ausübung der ihnen zustehenden Dienstbarkeit solange verzichten wollten, bis die Bäume für den Beklagten einen wirtschaftlichen Wert erlangt haben. Diese Zusage stand entgegen der Auffassung des Gerichtes zweiter Instanz auch mit dem Verhalten des Beklagten keineswegs diametral derart in Widerspruch, daß ihr die Kläger keine rechtliche Bedeutung beimessen hätten dürfen. Der Beklagte hatte die Kläger, von ihnen zur Rede gestellt, gerade darum gebeten, noch (naturgemäß) geraume Zeit zuzuwarten, bis die Bäume für ihn nutzbar geworden seien. Durch seine Zusicherungen hat der Beklagte das Fahrtrecht anerkannt, so daß eine allenfalls in Gang befindliche Verjährung hiedurch jedenfalls unterbrochen wurde; sie konnte seither auch nicht mehr zu laufen beginnen. Diese Vereinbarung der Streitteile steht allerdings auch dem Unterlassungs- und Entfernungsbegehren der Kläger solange entgegen, bis der vereinbarte Zustand der Bäume - deren wirtschaftliche Nutzbarkeit für den Beklagten - eingetreten ist. Ob dieser Zustand bereits erreicht worden ist, kann aufgrund der bisherigen Verfahrensergebnisse noch nicht beurteilt werden. Es steht lediglich fest, daß die Kläger ihr Fahrtrecht seit 1972/73 nicht mehr ausüben können, weil der Baumbewuchs in der Zwischenzeit zu hoch und zu dicht und der Grundstreifen daher für die Kläger unpassierbar geworden ist. Das Verfahren bedarf einer Ergänzung. Das Erstgericht wird im fortgesetzten Verfahren nach Erörterung des Inhalts der Vereinbarung mit den Parteien Feststellungen darüber zu treffen haben, bis zu welcher Art von Nutzung die Kläger ihr Recht nicht ausüben wollten, sowie darüber, ob der Baumbestand in der Zwischenzeit bereits derart herangereift ist, daß er vom Beklagten einer solchen Nutzung zugeführt werden kann.
Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 Abs. 1 ZPO.
Anmerkung
E11078European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1987:0010OB00594.87.0526.000Dokumentnummer
JJT_19870526_OGH0002_0010OB00594_8700000_000