TE OGH 1987/5/27 3Ob520/87

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Veröffentlicht am 27.05.1987
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr. Petrasch als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Hule, Dr. Warta, Dr. Klinger und Dr. Angst als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden und gefährdeten Partei Brigitte E***, im Haushalt tätig, 6820 Frastanz, Mönchswaldstraße 31, vertreten durch Dr. Hubert Fitz, Rechtsanwalt in Feldkirch, wider die beklagte Partei und Gegner der gefährdeten Partei Dr. Klaus E***, Facharzt, 6807 Feldkirch-Tisis, Letzebühelweg 1 a, vertreten durch Dr. Manfred Puchner, Rechtsanwalt in Feldkirch, wegen Bestimmung des einstweilen zu leistenden Unterhalts (Beschwerdegegenstand S 120.840,--), infolge Revisionsrekurses der gefährdeten Partei gegen den Beschluß des Landesgerichtes Feldkirch als Rekursgerichtes vom 17. März 1987, GZ. 1a R 84/87-11, womit die einstweilige Verfügung des Bezirksgerichtes Feldkirch vom 22. Jänner 1987, GZ. 1 C 1/87-6, teilweise abgeändert wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Der Beschluß des Rekursgerichtes, der im bestätigenden Teil als nicht bekämpft unberührt bleibt, wird im übrigen aufgehoben und die Sache zur neuen Entscheidung über das S 17.200,-- monatlich übersteigende Unterhaltsbegehren an das Rekursgericht zurückverwiesen.

Die gefährdete Partei hat die Kosten ihres Revisionsrekurses vorläufig selbst zu tragen.

Die Kosten des Gegners sind weitere Kosten des Provisorialverfahrens.

Text

Begründung:

Mit ihrer Klage auf Zahlung des ihr vom Ehemann nach dem Gesetz zu leistenden Unterhalts von monatlich S 30.000,-- ab Jänner 1987 und der rückständigen Darlehenstilgungsraten für das gemeinsame Haus mit der Ehewohnung von S 77.025,83 verband die klagende Ehefrau Anträge auf Erlassung einstweiliger Verfügungen, dem Ehemann die Leistung von Vorschüssen von S 34.825,83 auf die Darlehensrückstände aus der Zeit bis zum 31. Dezember 1986 und von S 20.000,-- auf die Kosten des Unterhaltsprozesses, sowie eines einstweiligen Unterhalts von monatlich S 30.000,-- bis zur rechtskräftigen Erledigung des Rechtsstreites aufzutragen.

Das Erstgericht trug mit einstweiliger Verfügung dem Mann auf, an seine Ehefrau ab dem 2. Jänner 1987 monatlich S 12.000,-- Unterhalt und monatlich S 15.270,-- zur Sicherung des Unterhaltsbedürfnisses an der Wohnung sowie binnen vier Wochen die bis 31. Dezember 1986 gegenüber der H*** DES L***

V*** fällig gewordenen Darlehenstilgungsraten von S 34.825,83 und einen Prozeßkostenvorschuß von S 20.000,-- zu leisten. Das Erstgericht ging davon aus, daß der Mann ein Einkommen von durchschnittlich netto S 59.000,-- monatlich beziehe und seiner Frau bei aufrechter Ehe seit längerer Zeit nur mehr S 5.000,-- im Monat Unterhalt gebe. Früher habe er auch die monatlichen Darlehenstilgungsraten von S 15.270,-- zur Abdeckung der für Schaffung der Ehewohnung aufgenommenen Kredite beglichen, diese Zahlungen aber eingestellt und dadurch den Anspruch der Frau, daß sie die Wohnung nicht verliere, gefährdet. Die Auferlegung eines einstweilen zu leistenden monatlichen Unterhalts von S 12.000,-- sei berechtigt, aber auch die Verpflichtung zur Zahlung des weiteren "besonderen Unterhaltsbetrages" von S 15.270,--, der erforderlich sei, um die laufenden Tilgungsraten der für das je zur Hälfte im Eigentum der Eheleute stehende Haus in 6820 Frastanz, Mönchswaldstraße 31, mit der Ehewohnung aushaftenden Schulden abzustatten. Der Sonderunterhaltsbedarf ergebe sich aus § 97 ABGB, weil diese Vorschrift nicht nur einen Anspruch auf Unterlassung, sondern auch auf Erfüllung aller Verpflichtungen gewähre, die dem über die Ehewohnung Verfügungsberechtigten obliegen. Der Mann sei zwar nur Hälfteeigentümer, doch habe er nach § 97 ABGB alles zu unterlassen und vorzukehren, damit die auf die Wohnung angewiesene Frau diese nicht verliere. Da es sich auch dabei um einen Unterhaltsanspruch handle, sei die Leistung an die Berechtigte und nicht etwa an die Bank aufzutragen. Der Mann habe den Rückstand an Darlehenstilgungen und die laufenden Beträge an die Frau zu zahlen. Ihr stehe auch der Prozeßkostenvorschuß zu.

Mit seinem Rekurs hat der Mann die einstweilige Verfügung des Erstgerichtes insoweit angefochten, als ihm aufgetragen wurde, einstweilen der Frau einen Unterhalt von monatlich S 27.270,-- und einen Prozeßkostenvorschuß von S 20.000,-- zu leisten. Das Rekursgericht änderte über diesen Rekurs des Mannes die einstweilige Verfügung teilweise und zwar dahin ab, daß er der Frau ab dem 2. Jänner 1987 bis zum rechtskräftigen Abschluß des Unterhaltsprozesses monatlich S 17.200,-- (hievon S 13.500,-- als Unterhaltsbeitrag) zu bezahlen habe, das Mehrbegehren der Frau auf Leistung des weiteren Betrages von monatlich S 12.800,-- hingegen abgewiesen werde. Im übrigen wurde dem Rekurs nicht Folge gegeben. Das Rekursgericht sprach aus, daß der Revisionsrekurs zulässig sei. Es meinte, der Unterhalt, auf den die nicht erwerbstätige, den ehelichen Haushalt auch nach dem Wegzug des Mannes besorgende Ehefrau nach § 94 Abs. 2 Satz 3 ABGB Anspruch habe, sei bei dem Einkommen des Mannes von S 59.000,-- monatlich, seiner Belastung mit den Rückzahlungsraten von monatlich S 15.270,-- für die auf der je im Hälfteeigentum stehenden, bis Ende 1983 gemeinsam bewohnten Liegenschaft mit dem Haus in Frastanz haftenden Schulden und der Sorgepflicht für die beiden ehelichen Kinder unter Berücksichtigung von Erträgnissen des geerbten Vermögens der Frau mit S 13.500,-- zu bemessen. Der Ansicht des Erstgerichtes, die monatliche Rückzahlungsverpflichtung mit S 15.270,-- sei zum Unterhalt zu zählen, könne nicht beigetreten werden. Nach § 97 ABGB habe zwar der Ehegatte, der auf die Wohnung zur Befriedigung seines dringenden Wohnbedürfnisses angewiesen sei, den auch der Sicherung mit einer einstweiligen Verfügung zugänglichen Anspruch darauf, daß der andere verfügungsberechtigte Ehegatte alles unterlasse und vorkehre, damit der auf die Wohnung angewiesene Ehegatte die Wohnung nicht verliere. Der Mann habe als Alleinverdiener zunächst die monatlichen Tilgungsraten zur Abstattung der für die Wohnraumbeschaffung aufgenommenen Darlehen geleistet und dann diese Zahlungen eingestellt. Da die Frau kein Einkommen habe, sei es, weil fällige Teilbeträge nicht geleistet waren, zur Erhebung der Klage durch den Darlehensgeber gekommen. Es drohe die Versteigerung der Liegenschaft und der Verlust der Ehewohnung. Die Vorschrift des § 97 ABGB verschaffe aber keinen Anspruch auf Zahlung der Darlehenstilgungsraten an den geschützten Eheteil, sondern nur der Anspruch auf Unterlassung oder Vorkehrung bestimmter Handlungen. Der geforderte Monatsbetrag von S 15.270,-- könne der Frau daher nicht als einstweiliger Unterhalt zuerkannt werden. Da aber der Mann die Auferlegung des über den angemessenen Unterhalt hinausgehenden Monatsbetrags von S 3.700,-- nicht angefochten habe, weil er selbst meine, er habe auch nach § 97 ABGB Geldunterhalt zu leisten, sei über den das Unterhaltsverlangen von weiteren monatlich S 2.730,-- abweisenden Teil der erstrichterlichen Entscheidung hinaus bloß das von der Frau gestellte Mehrbegehren, den einstweiligen Unterhalt mit dem Mehrbetrag von monatlich S 10.070,-- (nämlich mit S 30.000,-- statt mit S 17.200,--) zu bestimmen, abzuweisen. Die bedeutsame Frage, ob nach § 97 ABGB ein Anspruch auf Zahlung und nicht bloß auf Vorkehrungen bestehe, betreffe nicht die Bemessung und sei bisher vom Obersten Gerichtshof nicht gelöst worden.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist zulässig und berechtigt. Nach § 58 Abs. 1 JN ist als Wert des Anspruchs auf Unterhaltsbeträge das Dreifache der Jahresleistung anzunehmen. Die Anordnung des § 15 Abs. 4 GGG, daß für Anträge auf Bestimmung eines einstweilen von einem Ehegatten dem anderen Eheteil zu leistenden Unterhalts das Einfache der Jahresleistung als Bemessungsgrundlage gilt, bezieht sich nur auf die Gerichtsgebühren. Der Geldbetrag, über den das Rekursgericht entschieden hat, ist, weil die Zivilverfahrensgesetze keine andere Anordnung treffen, auch bei Ansprüchen auf Bestimmung des einstweilen zu leistenden Unterhalts dann, wenn nicht wegen bestimmter Dauer der Gesamtbetrag der künftigen Bezüge anzunehmen ist, nach § 58 JN mit dem Dreifachen der Jahresleistung anzusetzen und übersteigt somit hier den Betrag von S 300.000,--. Auch für einstweilige Verfügungen, mit welchen der nach § 382 Z 8 lit. a EO einstweilen zu leistende gesetzliche Unterhalt bestimmt wird, gilt allerdings die Rechtsmittelbeschränkung nach § 502 Abs. 2 Z 1 ZPO (Heller-Berger-Stix 2770; Fasching IV 275; EFSlg. 49.639; 46.924;

44.354 uva.). Zulässig ist nach § 402 und § 78 EO sowie § 528 Abs. 2 und § 502 Abs. 4 Z 2 ZPO der von der Frau gegen den abändernden Teil der Entscheidung des Gerichtes zweiter Instanz erhobene Revisionsrekurs demnach nur insoweit, als mit der Entscheidung des Rekursgerichtes nicht über die Bemessung des gesetzlichen Unterhalts entschieden wurde (Fasching ZPR Rz 2023). Tatsächlich trägt die Revisionsrekurswerberin mit ihrem Rechtsmittel die nicht zur Unterhaltsbemessung gehörende Rechtsfrage an den Obersten Gerichtshof heran, ob das im § 97 ABGB dem auf die Benützung der Ehewohnung angewiesenen Eheteil eingeräumte Recht, daß der verfügungsberechtigte andere Eheteil alles unterlasse und vorkehre, damit die Ehewohnung nicht verloren geht, durch die Auferlegung einer monatlichen Geldrente gesichert werden kann, deren Höhe zur Abdeckung der künftig fällig werdenden Tilgungsraten zur Abstattung von Hypothekarforderungen ausreicht.

Die Auferlegung eines vorläufigen Unterhalts ist begrifflich keine eigentliche einstweilige Verfügung im Sinne der Exekutionsordnung, weil damit nicht ein Leistungsanspruch gesichert werden soll, der als Geldforderung unter den Voraussetzungen nach § 379 Abs. 1 EO mit den Mitteln des § 379 Abs. 2 EO zu sichern wäre (Heller-Berger-Stix 2703); dem Berechtigten soll vielmehr ein Exekutionstitel verschafft werden, mit dem er die Leistung des einstweiligen Unterhalts durchsetzen kann (Heller-Berger-Stix 2761). Diese einstweilige Verfügung kann im Zusammenhang mit einem Verfahren auf Leistung des Unterhalts, allenfalls auch mit einem Verfahren auf Scheidung, Aufhebung oder Nichtigerklärung der Ehe getroffen werden. Das Klagebegehren im vorliegenden Prozeß ist auf Leistung eines Unterhalts von S 30.000,-- monatlich gerichtet und rechtfertigt daher die Verbindung des Antrages auf Bestimmung des einstweilen zu leistenden Unterhalts.

Der wohnungsbedürftige Ehegatte hat nach § 97 ABGB gegen den anderen, soweit dieser über "die Wohnung verfügungsberechtigt" ist, nicht bloß einen Anspruch auf Unterlassung und bei schuldhafter Pflichtverletzung auf Schadenersatz, sondern auch einen Leistungsanspruch (Pichler in Rummel, ABGB, Rz 2 zu § 97; Koziol-Welser7 II 183; EFSlg. 37.623). Nicht nur der Unterlassungsanspruch (Ent-Hopf, Das neue Eherecht, 37; SZ 50/105), sondern auch der Anspruch auf positives Tun kann bei drohendem Verlust der Wohnung im Wege einstweiliger Verfügungen gesichert werden (Migsch in Floretta, Das neue Ehe- und Kindschaftsrecht, 36). Im Rahmen des § 382 Z 8 lit. a EO muß auch bedacht werden, daß sich der durch das Wohnen bewirkte Unterhaltsbedarf auf die Bemessung der Höhe des einstweilen zu leistenden Unterhalts auswirkt. Trägt der andere Eheteil die Kosten der Wohnung, so wird sich wegen der Deckung eines Teils der Lebensbedürfnisse der Geldunterhaltsanspruch vermindern. Muß der Unterhaltsberechtigte hingegen auch die Kosten der Wohnung tragen, so hat er vollen Anspruch auf Leistung des Unterhalts in Geld.

Demnach kann zwar nicht der aus § 97 ABGB entspringende Anspruch, daß der andere Ehegatte die zur Abwendung des Verlustes der Wohnung erforderlichen Leistungen weiter erbringt, durch eine einstweilige Verfügung nach § 382 Z 8 lit. a EO gesichert werden. Der Zielsetzung des § 97 ABGB, der einen Ehegatten zur Sicherung seines Wohnbedürfnisses vor Willkürakten des anderen schützen soll (SZ 50/105; SZ 54/29), wird aber nur entsprochen, wenn dem wohnungsbedürftigen Eheteil der einstweilen zu leistende Unterhalt so bemessen wird, daß ihm auch die Mittel zur Erhaltung der Wohnung zur Verfügung stehen.

Insoweit hat das Erstgericht, wenn auch zu Unrecht in einem zur Sicherung des Unterhalts und einem zur Sicherung des "Unterhaltsbedürfnisses an der Wohnung" aufgeteilten Betrag, den einstweiligen Unterhalt richtig unter Berücksichtigung des zur Verhinderung des Verlustes der Wohnung erforderlichen Aufwandes an Darlehenstilgungen bemessen.

Wenn das Rekursgericht meinte, bei der Unterhaltsbemessung sei auf diesen Sonderbedarf nicht Rücksicht zu nehmen, hat es außerhalb des Bemessungskomplexes eine Rechtsfrage unzutreffend gelöst. Da aber der Oberste Gerichtshof von der Bestimmung der Höhe des einstweilen zu leistenden Unterhalts (Bemessungsfrage) ausgeschlossen ist, muß die Entscheidung, wie mit Bedachtnahme auf den Wohnungsaufwand der Unterhalt auszumessen ist, dem Rekursgericht überlassen werden.

Da einstweilige Verfügungen stets auf Kosten der antragstellenden Partei getroffen werden, hat die Revisionsrekurswerberin die Kosten ihres Rechtsmittels jedenfalls vorläufig selbst zu tragen (§ 393 Abs. 1 EO). Ob dem Antragsgegner Kosten seiner Revisionsrekursbeantwortung zu ersetzen sind, hängt davon ab, ob er in diesem Provisorialverfahren in der Abwehr des Anspruches obsiegt (§ 402 und § 78 EO, § 52 Abs. 1 Satz 2 ZPO).

Anmerkung

E11380

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1987:0030OB00520.87.0527.000

Dokumentnummer

JJT_19870527_OGH0002_0030OB00520_8700000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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