TE OGH 1987/6/11 12Os72/87

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Veröffentlicht am 11.06.1987
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 11.Juni 1987 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Keller als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kral, Hon.Prof. Dr. Steininger, Dr. Hörburger und Dr. Massauer als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Sailler als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Josef S*** wegen des Verbrechens der Nötigung zum Beischlaf nach § 202 Abs 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes Salzburg als Schöffengericht vom 8.Juli 1985, GZ 20 Vr 1622/84-32, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Über die Berufung wird bei einem Gerichtstag zur öffentlichen Verhandlung entschieden werden.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Josef S*** des Verbrechens der Nötigung zum Beischlaf nach § 202 Abs 1 StGB schuldig erkannt, weil er am 3.Feber 1984 in Flachau Sibylle P*** mit Gewalt, indem er sie zunächst vom Gang in ihr Zimmer im ersten Stock des Gasthofs "ALTER JAGDHOF" hineinstieß, sie dort am Körper erfaßte und auf ihr Bett drückte, sie sodann, als sie das Fenster öffnete, um auf diese Weise aus dem Zimmer zu gelangen, zurückriß, neuerlich aufs Bett drückte, ihre Über- und Unterhose herunterriß und sich auf sie legte, wobei er sie auch an den Haaren riß, zum außerehelichen Beischlaf genötigt hat.

Rechtliche Beurteilung

Der Angeklagte bekämpft diesen Schuldspruch mit einer auf die Z 4 und 5 des § 281 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde, die jedoch teils offenbar unbegründet, teils nicht prozeßordnungsgemäß ausgeführt ist.

Als Verfahrensmangel (Z 4) rügt er die Abweisung seiner Beweisanträge auf Einvernahme der Zeugin Ingrid F*** zum Beweis dafür, "daß Sibylle P*** eine intime Beziehung mit dem Angeklagten unterhielt und diese sich über einen längeren Zeitraum erstreckte, das heißt sicherlich öfter als zweimal mit diesem geschlechtlich verkehrte" (S 183), und auf Einholung eines Gutachtens eines Sachverständigen der Psychiatrie zum Beweis dafür, "daß die Sachverhaltsdarstellung der Anzeigerin Sibylle P*** falsch ist und die fälschliche Beschuldigung auf eine psychische Situation der Anzeigerin zurückzuführen ist", weil P*** ihre Beziehung zum geschiedenen Mann ihrer Mutter (der Angeklagten) psychisch nicht verarbeitet hat (S 183 iVm S 117 f). Durch die Abweisung dieser Beweisanträge wurden indes Verteidigungsrechte des Angeklagten nicht beeinträchtigt. Daß Sibylle P*** etwa im Jahre 1982 mit dem Angeklagten (ihrem Stiefvater) sexuelle Kontakte hatte und es dabei zwischen den beiden auch zum Geschlechtsverkehr gekommen ist, hat das Gericht ohnedies im Sinne des Beweisvorbringens des Beschwerdeführers als erwiesen angenommen (S 191) und auch bei der Würdigung der Aussage der Genannten berücksichtigt (S 219). Inwiefern es aber darüber hinaus für den vorliegend erhobenen Schuldvorwurf von Bedeutung sein sollte, daß diese Beziehung längere Zeit gedauert hat und daß es während ihres Bestandes mehrmals zum Geschlechtsverkehr zwischen P*** und dem Angeklagten gekommen ist, ist dem Beweisantrag nicht zu entnehmen. Da die Relevanz des in Rede stehenden Beweisthemas im gegebenen Sachzusammenhang keineswegs auf der Hand liegt, wäre es erforderlich gewesen, schon anläßlich der Antragstellung in erster Instanz begründet darzutun, was daraus für die Lösung der Schuldfrage zu gewinnen ist; da dies nicht geschehen ist (vgl abermals S 183 sowie zuvor S 114 f), verfiel der Antrag zu Recht der Abweisung.

Die Psychiatrierung eines Zeugen hinwieder ist zwar - dessen Zustimmung vorausgesetzt - in besonders gelagerten Fällen als Beweismittel zulässig (vgl Mayerhofer-Rieder StPO2 ENr 42, 45, 56 zu § 150). Voraussetzung ist aber, daß das Verfahren objektive Umstände ergeben hat, die zufolge der besonderen psychischen Beschaffenheit des Zeugen dessen Fähigkeit, Wahrnehmungen zu machen und diese gedächtnistreu wiederzugeben, ernstlich in Frage zu stellen geeignet sind (Mayerhofer-Rieder aaO ENr 44, 57 zu § 150); die bloße Behauptung, die Aussagen des Zeugen seien unwahr, ohne daß konkrete Verfahrensergebnisse ins Treffen geführt werden können, aus welchen auf eine Pseudologie oder ein sonstiges, von der Norm erheblich abweichendes Persönlichkeitsbild des Zeugen geschlossen werden müßte, genügt nicht (vgl Mayerhofer-Rieder aaO ENr 52 zu § 150). Wie das Schöffengericht zutreffend erkannte (S 184, 219), fehlt es vorliegend an solchen Verfahrensergebnissen, die eine Psychiatrierung der Zeugin P*** unter den vom Beschwerdeführer herausgestellten Gesichtspunkten rechtfertigen könnten; ob die Zeugin glaubwürdig ist, hatten aber allein die Tatrichter zu beurteilen, wobei sie im übrigen das bezügliche Vorbringen des Angeklagten ohnedies in den Kreis ihrer beweiswürdigenden Erwägungen einbezogen haben (abermals S 219).

Das Beschwerdevorbringen zur Mängelrüge (Z 5) erschöpft sich in Wahrheit in einer Bekämpfung der Beweiswürdigung des Schöffengerichts, das mit einleuchtender und auch sonst mängelfreier Begründung der belastenden Angaben der Zeugin P*** Glauben geschenkt, der leugnenden Verantwortung des Angeklagten und den Bekundungen der Zeugin D*** hingegen den Glauben versagt hat (S 213, 215 ff). Den bezüglichen Urteilsausführungen haftet weder eine Undeutlichkeit noch eine Unvollständigkeit an, zumal sich das Gericht sowohl mit den Angaben des Angeklagten in den jeweiligen Verfahrensstadien als auch mit der "Hellhörigkeit des Hauses" befaßt (S 209 f, 217) und auch die früheren sexuellen Beziehungen der Zeugin P*** zum Angeklagten keineswegs mit Stillschweigen übergangen hat (S 191, 219). Wie lange vor der inkriminierten Tat diese Kontakte beendet waren, ist - entgegen der Meinung des Beschwerdeführers - im gegebenen Zusammenhang für die Schuldfrage ohne entscheidungswesentliche Bedeutung.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war darum teils gemäß § 285 d Abs 1 Z 2 StPO, teils gemäß § 285 d Abs 1 Z 1 StPO in Verbindung mit § 285 a Z 2 StPO schon bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen.

Zur Entscheidung über die vom Angeklagten außerdem ergriffene Berufung wird ein Gerichtstag angeordnet werden (§ 296 Abs 3 StPO).

Anmerkung

E11928

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1987:0120OS00072.87.0611.000

Dokumentnummer

JJT_19870611_OGH0002_0120OS00072_8700000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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