TE OGH 1987/6/16 4Ob342/87

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Veröffentlicht am 16.06.1987
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Prof. Dr. Friedl als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Gamerith, Dr. Petrag, Dr. Kodek und Dr. Niederreiter als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei V*** ZUR F*** DES

L*** W*** UND DES G*** R***, Salzburg, Anton-Wildgans-Straße 21-23, vertreten durch Dr. Herwig Liebscher, Rechtsanwalt in Salzburg, wider die beklagte Partei K*** Warenversand Gesellschaft mbH, Hall in Tirol, vertreten durch Dr. Adolf Ortner und Dr. Christian Ortner, Rechtsanwälte in Innsbruck, wegen Unterlassung (Streitwert S 400.000,--) infolge Revisionsrekurses der klagenden Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Rekursgerichtes vom 23. Februar 1987, GZ. 3 R 55/87-10, womit der Beschluß des Landesgerichtes Innsbruck vom 15. Dezember 1986, GZ. 17 Cg 494/86-6, abgeändert wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei hat die Kosten ihres Rechtsmittels selbst zu tragen.

Die Revisionsrekursbeantwortung der beklagten Partei wird zurückgewiesen.

Text

Begründung:

Die beklagte Partei betreibt ein großes Versandhandelshaus; sie

verschickt ihre Kataloge an tausende von Haushalten. Im September

1986 versandte sie an einen größeren Personenkreis durch Postwurf

einen mit "Spar-Paradies" betitelten 24-seitigen Prospekt im

DIN A 5-Format, in dem sie zahlreiche Artikel unter Angabe des

bisherigen Preises ("statt ... nur ...") anbot und hiebei auch auf

die Preisdifferenz mit den Worten "Sie sparen ..... (zB S 100,--)!"

hinwies. Die in dem Prospekt abgedruckten Lieferbedingungen

enthalten den kleingedruckten Hinweis: "Die Preise in diesem

Büchlein sind gültig bis 31. Oktober 1986 ... Angeführte

'Statt-Preise' beziehen sich ausschließlich auf unsere eigenen, bis zum 30. Juni 1986 verlangten Verkaufspreise".

Bei dem auf Seite 1 angebotenen Tafelservice und der auf Seite 5 angepriesenen Bettwäsche-Garnitur findet sich der Vermerk "Wer zuerst kommt, mahlt zuerst!". Für die auf Seite 8 und 9 des Prospektes angeführten Artikel wurde mit den Worten "Alles radikal preisgesenkt" geworben. Bei einem Artikel auf Seite 3 (22-teiliges Steak-Set) steht der Vermerk "Begrenzter Vorrat, gleich zugreifen!", bei der 14-teiligen Walkfrottiergarnitur auf Seite 16 der Hinweis "Begrenzter Vorrat!". Auf Seite 7 wurden "2 Decken zu 1 Spottpreis" angekündigt.

Der klagende Wettbewerbsschutzverband (§ 14 UWG) vertritt die Rechtsauffassung, daß die beklagte Partei mit diesem Angebot den Eindruck eines Ausverkaufes oder einer ausverkaufsähnlichen Veranstaltung erwecke, nämlich, daß sie durch besondere Umstände genötigt sei, beschleunigt zu verkaufen, und deshalb ihre Waren zu außerordentlich vorteilhaften Preisen anbiete. Der gesamte Prospekt enthalte ausschließlich Waren, die zu außerordentlich günstigen Preisen oder Bedingungen angeboten würden. Derartige Verkaufsveranstaltungen seien nach dem Ausverkaufsgesetz verboten und gemäß § 1 UWG sittenwidrig, zumindest aber irreführend, weil der Interessent den Eindruck gewinne, er gelange auf Grund besonderer Umstände zu besonders vorteilhaften Angeboten.

Die klagende Partei begehrt daher mit dem im wesentlichen gleichlautenden Klage- und Sicherungsbegehren, der beklagten Partei im geschäftlichen Verkehr zu verbieten, in Bekanntmachungen und Mitteilungen sowie Versandhandelsprospekten, die für einen größeren Kreis von Personen bestimmt sind, Waren in der Art anzukündigen, daß auf einen Ausverkauf oder eine ausverkaufsähnliche Veranstaltung geschlossen werden kann, insbesondere dadurch, daß "Statt-Preisen" reduzierte Preise in optisch hervorgehobener Form gegenübergestellt werden, in hervorstechender Art die Preisersparnis hervorgehoben wird und Formulierungen wie "Wer zuerst kommt, mahlt zuerst", "Begrenzter Vorrat, gleich zugreifen", oder "Alles radikal preisgesenkt" verwendet werden.

Die beklagte Partei beantragt die Abweisung des Sicherungsbegehrens, bestritt die Aktivlegitimation des klagenden Verbandes und wendete ein, daß der beanstandete Werbeprospekt auf besonders günstige Angebote aus ihrem Verkaufsprogramm laut dem gültigen Katalog aufmerksam mache, aber nicht den Eindruck eines Ausverkaufes oder einer ausverkaufsähnlichen Veranstaltung erwecke. Das Erstgericht erließ die beantragte einstweilige Verfügung. Es war der Ansicht, daß der klagende Verband im Sinne der Entscheidung ÖBl 1986, 6 klageberechtigt sei. Werbeankündigungen, wie sie die beklagte Partei in dem beanstandeten Prospekt gebraucht habe, würden üblicherweise für Schlußverkäufe verwendet und ließen auf die Absicht schließen, Waren in größeren Mengen beschleunigt im Kleinverkauf abzusetzen. Der Prospekt erwecke auch den Eindruck, daß die beklagte Partei durch besondere Umstände (Auflassung alter Bestände, Umstellung des Sortiments) genötigt sei, beschleunigt zu verkaufen, und deshalb ihre Waren zu außerordentlich vorteilhaften Bedingungen oder Preisen anbiete. Die beanstandete Postwurfsendung verstoße gegen § 5 AusVG, wonach Ausverkäufe nur für Zeiträume angekündigt werden dürften, die von der örtlich zuständigen Landeskammer der gewerblichen Wirtschaft hiefür festgesetzt seien. Außerdem sei die Anführung von "Statt"-Preisen zur Irreführung im Sinne des § 2 UWG geeignet, weil die beklagte Partei nicht deutlich genug darauf hingewiesen habe, auf welche Vergleichspreise sich diese Ankündigung beziehe.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs der beklagten Partei Folge, wies den Sicherungsantrag ab und sprach aus, daß der Wert des Beschwerdegegenstandes, über den es entschieden hat, S 15.000,-- und S 300.000,-- übersteige und der Revisionsrekurs zulässig sei. Die zweite Instanz bejahte - so wie das Erstgericht - die Klagelegitimation des einschreitenden Vereins, war aber der Ansicht, daß dem beanstandeten Prospekt die Ankündigung eines Ausverkaufes oder einer ausverkaufsähnlichen Veranstaltung nicht zu entnehmen sei. Der Eindruck, die beklagte Partei sei durch besondere Umstände genötigt, beschleunigt zu verkaufen, weshalb sie ihre Waren zu besonders vorteilhaften Bedingungen anbiete, entstehe nicht; der Ausdruck "Spar-Paradies" sei den in § 1 Abs 1 Satz 2 AusVG angeführten Ausdrücken nicht gleichzusetzen. Die beklagte Partei habe im Prospekt auch deutlich darauf hingewiesen, auf welche bisherigen Preise sie Bezug nehme.

Rechtliche Beurteilung

Der gegen den Beschluß des Rekursgerichtes erhobene Revisionsrekurs der klagenden Partei ist nicht berechtigt. Die als Bundesgesetz über Ausverkäufe und ausverkaufsähnliche Veranstaltungen (Ausverkaufsgesetz 1985 = AusVG) wiederverlautbarte Ausverkaufsverordnung BGBl 1985/51 enthält mehrere Tatbestände von "Ausverkaufs"-Ankündigungen mit unterschiedlichen Rechtsfolgen:

1.) Unter der Ankündigung eines Ausverkaufs oder einer ausverkaufsähnlichen Veranstaltung im Sinne dieses Gesetzes werden alle öffentlichen Bekanntmachungen oder für einen größeren Kreis von Personen bestimmten Mitteilungen verstanden, die auf die Absicht schließen lassen, Waren in größeren Mengen beschleunigt im Kleinverkauf abzusetzen, und zugleich geeignet sind, den Eindruck zu erwecken, daß der Gewerbetreibende durch besondere Umstände genötigt ist, beschleunigt zu verkaufen, und deshalb seine Waren zu außerordentlich vorteilhaften Bedingungen oder Preisen anbietet (§ 1 Abs 1 Satz 1 AusVG). Der Gebrauch bestimmter Worte wie "Ausverkauf", "Liquidationsverkauf", "Räumungsverkauf", "Schnellverkauf", "Verkauf zu Schleuderpreisen" oder von Worten ähnlichen Sinnes gilt jedenfalls als Ankündigung eines Ausverkaufs oder einer ausverkaufsähnlichen Veranstaltung (§ 1 Abs 1 Satz 2 AusVG). Die Ankündigung solcher Ausverkäufe ist nur mit besonderer Bewilligung der Behörde gestattet (§ 2 AusVG).

Nicht als Ankündigungen im Sinne des § 1 Abs 1 AusVG sind anzusehen:

2.) Bekanntmachungen und Mitteilungen über Saisonschlußverkäufe, Saisonräumungsverkäufe, Inventurverkäufe und dgl sowie

3.) im bezüglichen Geschäftszweig und zu bestimmten Jahreszeiten allgemein übliche Sonderverkäufe (zB "Weiße Woche", "Mantelwoche", udgl), soweit die Merkmale des Abs. 1 nicht zutreffen (§ 1 Abs 2 Satz 1 AusVG).

Zu 2.): Saisonschlußverkäufe, Saisonräumungsverkäufe, Inventurverkäufe udgl - sie können im Sinne der Terminologie der vergleichbaren Norm des § 9 dUWG gemeinsam als sog. "Abschnittsschlußverkäufe" bezeichnet werden, die um die Wende eines Verbrauchsabschnittes stattfinden - werden im Gegensatz zu den Ausverkäufen nach § 1 Abs 1 AusVG von einem bestimmten Zeitmoment beherrscht. Zweck dieser aus kaufmännischer Übung erwachsenen Saisonschlußverkäufe ist es, den Kaufleuten das Abstoßen ihrer Restbestände, insbesondere an typischen Saison- und Modeartikeln, zu ermöglichen (Hohenecker-Friedl, Wettbewerbsrecht 35). Saisonschlußverkäufe dienen somit der Bereinigung der Warenlager, sollen einer Warenentwertung vorbeugen und die Liquidität erhöhen (Christian, Die Ausverkaufsverordnung, ÖBl 1961, 41 !42 ; auch Baumbach-Hefermehl, Wettbewerbsrecht14, 1359 f; ÖBl 1985, 160; ÖBl 1986, 49).

Zu 3.): Die in § 1 Abs 2 außerdem erwähnten Sonderverkäufe, die im bezüglichen Geschäftszweig und zu bestimmten Jahreszeiten allgemein üblich sind, werden vom Gesetz bezüglich der Rechtsfolgen (§ 5 AusVG: Bindung an die von den örtlich zuständigen Landeskammern der gewerblichen Wirtschaft hiefür bestimmten Zeiträume; Einhaltung bestimmter Maximalfristen für solche Verkäufe; Pflicht der vorherigen Anzeige dieser Verkäufe bei der zuständigen Landeskammer der gewerblichen Wirtschaft) den Abschnittsschlußverkäufen gleichgestellt. Von diesen unterscheiden sie sich aber dadurch, daß sie nicht der saisonalen Lagerbereinigung dienen: Sie bezwecken zwar auch die Beschleunigung des Warenabsatzes und rufen auch den Eindruck hervor, daß besondere Kaufvorteile geboten werden; sie vermitteln aber nicht den Eindruck, daß der Werbende "genötigt" sei, Waren zu besonders günstigen Bedingungen abzugeben (Christian aaO 44 f; Koppensteiner, Wettbewerbsrecht 372; Friedrich Prunbauer, Die Novelle der Ausverkaufsordnung BGBl 1982/642; RdW 1984, 162 !165 ; ÖBl 1986, 49).

4.) Schließlich fallen die nicht durch § 1 Abs 2 Satz 1 AusVG getroffenen Sonderverkäufe anderer Art (§ 1 Abs 2 letzter Satz AusVG) nicht unter das Ausverkaufsgesetz, was zwar von Christian (aaO 42) als nicht recht verständliche Privilegierung dieser Veranstaltungen kritisiert wurde, aber der erklärten Absicht des Gesetzgebers entsprach (ÖBl 1986, 49). Als Beispiele für solche "Sonderverkäufe anderer Art" kommen Preisermäßigungen in sonst verkaufsschwachen Geschäftszeiten oder Einführungsangebote in Betracht (Koppensteiner aaO 372; ÖBl 1986, 49).

Die klagende Partei stützt sich ausschließlich darauf, daß die beanstandete Postwurfsendung den Eindruck eines Ausverkaufs oder einer ausverkaufsähnlichen Veranstaltung iS des § 1 Abs 1 AusVG erweckt habe. Dieser Ansicht ist das Rekursgericht aus zutreffenden Gründen nicht gefolgt: Wohl erwecken die im Prospekt der beklagten Partei enthaltenen Preisgegenüberstellungen - in denen auch noch damit geworben wird, welchen Betrag die Kunden im Vergleich zum früheren Verkaufspreis der beklagten Partei sparen könnten - den Eindruck, daß besondere Kaufvorteile geboten würden; dadurch, daß Kunden mit dem Sprichwort "Wer zuerst kommt, mahlt zuerst", und mit dem Hinweis auf "Begrenzte Vorräte" zur raschen Bestellung aufgefordert werden, läßt die beanstandete Postwurfsendung auch auf die Absicht der beklagten Partei schließen, Waren beschleunigt im Kleinverkauf abzusetzen. Der zur Erfüllung des Tatbestandes des § 1 Abs 1 AusVG erforderliche weitere Eindruck, daß die beklagte Partei durch besondere Umstände genötigt sei, beschleunigt zu verkaufen, wird aber durch den Prospekt nicht erweckt. Dabei muß es sich nämlich um besondere, außerhalb des normalen laufenden Geschäftsbetriebes liegende Ereignisse, wie die Einstellung des Gewerbebetriebes, die Auflassung einer bestimmten Warengattung, die Übersiedlung des Geschäftes, Elementarereignisse udgl (§ 2 Z 5 AusVG), um eine im Geschäft beabsichtigte Bautätigkeit oder auch nur um die Behebung von Platzmangel oder das Abstoßen eines übermäßig großen Warenlagers handeln (ÖBl 1969, 85; ÖBl 1973, 108; ÖBl 1974, 59; SZ 51/76; ÖBl 1980, 161). Solche oder der Art nach vergleichbare Umstände liegen aber hier nicht vor, ist doch gerade der Hinweis auf geringe Vorräte bei einzelnen Artikeln nicht dazu geeignet, den Eindruck zu erwecken, daß der Werbende durch besondere Umstände iS des § 1 Abs 1 AusVG genötigt sei, beschleunigt abzusetzen; das Publikum wird dabei eher an das für Abschnittsschlußverkäufe typische Abstoßen von Restbeständen denken. Auch das Wort "Spar-Paradies" ist kein Hinweis auf eine Ausverkaufsveranstaltung. Ob die beklagte Partei mit ihrem Prospekt den Eindruck eines vorweggenommenen Abschnittsschlußverkaufes erweckt hat, ist nicht zu prüfen, da ein solches Verhalten vom beantragten Verbot nicht umfaßt ist. Überhaupt nicht geltend gemacht hat die klagende Partei einen Verstoß der beklagten Partei gegen § 2 UWG, der sich darauf gründen soll, daß sie in ihren Preisgegenüberstellungen nicht deutlich genug darauf hingewiesen habe, um welche Preise es sich bei den angegebenen "Statt"-Preisen handle.

Dem Revisionsrekurs ist daher ein Erfolg zu versagen. Die erst 20 Tage nach der Zustellung des Revisionsrekurses (3. April 1987) erstattete Revisionsrekursbeantwortung ist als verspätet zurückzuweisen (§ 402 Abs 1 ZPO).

Die Kostenentscheidung stützt sich auf §§ 40, 50 ZPO.

Anmerkung

E11156

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1987:0040OB00342.87.0616.000

Dokumentnummer

JJT_19870616_OGH0002_0040OB00342_8700000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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