TE OGH 1987/6/17 14ObA64/87

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Veröffentlicht am 17.06.1987
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Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Hon.-Prof. Dr. Kuderna als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Gamerith und Dr. Maier sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Josef Fellner und Mag. Karl Dirschmied als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Parteil Karl Heinz L***, Angestellter, Linz, Salzburgerstraße 355, vertreten durch Dr. Gottfried Lindner, Rechtsanwalt in Linz, wider die beklagte Partei Gottfried P***, Schlosser, Gmunden, Schlagenstraße 56, vertreten durch Dr. Kurt Dallamaßl, Rechtsanwalt in Gmunden, und der Nebenintervenientin auf Seiten der beklagten Partei R*** Transportgesellschaft mbH, Gmunden, Grüner Wald 7, vertreten durch Dr. Heinz Ortner, Rechtsanwalt in Gmunden, wegen S 400.000 sA und Feststellung (S 50.000), infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Kreisgerichtes Wels als Berufungsgerichtes in arbeitsgerichtlichen Rechtsstreitigkeiten vom 10. Oktober 1986, GZ 21 Cg 10/86-24, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Arbeitsgerichtes Bad Ischl vom 19. Dezember 1985, GZ Cr 122/85-8, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Der Kläger ist schuldig, sowohl dem Beklagten als auch der Nebenintervenientin die mit jeweils S 14.739,45 (darin S 1.339,95 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger war bei der Nebenintervenientin während seiner Ferien als Hilfsarbeiter tätig. Der Beklagte, der nicht bei der Nebenintervenientin beschäftigt war, reparierte am Nachmittag des 26. August 1982 auf dem Firmengelände sein Privatfahrzeug. Der Geschäftsführer der Nebenintervenientin, Christian R***, arbeitete an einem LKW. Um LKW-Bestandteile zu reinigen, verwendete er eine Art Waschbenzin. Die beträchtlich mit Öl verschmutzte und bei Vermischung mit Sauerstoff brennbare Flüssigkeit befand sich in einem ca. 20 x 20 cm großen, nicht verschließbaren Plastikbehälter. Als R*** das Waschbenzin nicht mehr benötigte, trug er den Behälter in einen Container, stellte ihn links neben der Türe ab und deckte ihn mit einer "Natojacke" zu. Dieser Container war 2,5 m breit, 7,1 m lang und 2,25 m hoch. Er hatte eine 1,6 m breite Doppeltür. Links von der Tür stand über die gesamte Breite eine Werkbank, an der ein Schraubstock befestigt war. Unter der Arbeitsfläche lagen vier Winkelschleifmaschinen (Flex). An der Rückseite des Containers, in dem auch ein Stromanschluß vorhanden war, lagerten verschiedene Werkzeuge.

Über Ersuchen R***, ihm einen Werkzeugschlüssel zu holen, begag sich der Kläger in den Container und suchte dort nach dem Schlüssel. Auch der Beklagte ging in den Container, weil ihn R*** um einen Schraubenbolzen gebeten hatte. Da der übergebene Bolzen zu lang war, spannte ihn der Beklagte in den Schraubstock, um ihn mit einer der unter der Werkbank liegenden Winkelschleifmaschinen abzuschneiden.

Mit der Behauptung, der Plastikbehälter sei explodiert, da Funken in die brennbare Flüssigkeit gefallen seien, verlangt der Kläger mit der vorliegenden, beim Kreisgericht Wels eingebrachten und von diesem gemäß § 261 Abs 6 ZPO an das Erstgericht überwiesenen Klage ein Schmerzengeld von S 400.000 und die Feststellung der Haftung des Beklagten für alle zukünftigen Schadenersatzansprüche aus diesem Vorfall. Er habe durch das Alleinverschulden des Beklagten schwere Verbrennungen erlitten. Der Beklagte habe den offenen Behälter gesehen und den typischen scharfen Geruch des brennbaren Waschbenzins wahrgenommen. Dennoch habe er Arbeiten durchgeführt, bei denen es zu Funkenflug habe kommen müssen. Schon die Lagerung dieser Flüssigkeit im Container sei unzulässig gewesen.

Der Beklagte beantragte, die Klage abzuweisen, da ihn kein Verschulden treffe. Es habe im Container keine Hinweise gegeben, daß dort eine brennbare Flüssigkeit gelagert sei. Er habe eine solche weder gesehen noch im "muffigen" Container gerochen. Der Behälter sei mit einer "Natojacke" abgedeckt gewesen. Als er die Schleifmaschine bereits abgesetzt gehabt habe, sei es noch zu einem Funkenflug gekommen, der die Flüssigkeit entzündet habe. Diese sei nicht explodiert, sondern habe gebrannt. Der Kläger habe den Behälter ergriffen, um ihn ins Freie zu tragen. Das Gefäß sei durchgeschmolzen und dabei sei das brennende Benzin auf den Kläger geflossen. Er habe seine Verletzungen durch Unvorsichtigkeit selbst verursacht.

Die auf Seite des Beklagten in den Rechtsstreit eingetretene Nebenintervenientin wendete noch ein, daß der Container nicht als Arbeitsraum gedient habe. Als Christian R*** bemerkt habe, daß der Kläger mit einem Winkelschleifer arbeite, habe er ihm sofort zugerufen, die Tätigkeit einzustellen. Als die Flüssigkeit schon gebrannt habe, habe R*** beide aufgefordert, im Container zu warten; er werde eine Schaufel holen und den brennenden Behälter entfernen. Während er die Schaufel geholt habe, habe der Kläger versucht, das Gefäß mit den Händen hinauszutragen.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es vertrat die Ansicht, daß gemäß § 46 Abs 2 der Allgemeinen Dienstnehmerschutzverordnung zwar an Orten, an denen leichtentzündliche Stoffe gelagert werden, funkenbildende Arbeiten verboten seien, doch richte sich diese Schutznorm nur an den Arbeitgeber. Der Beklagte habe nicht wissen können, daß im Container eine brennbare Flüssigkeit gelagert werde. Er habe keine Schutznorm übertreten und es liege ihm kein schuldhaftes Verhalten zur Last. Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers, abgesehen von einer teilweisen Abänderung im Kostenpunkt, nicht Folge. Es führte das Verfahren gemäß § 25 Abs 1 Z 3 ArbGG neu durch und traf im wesentlichen noch folgende Feststellungen:

Im Container waren auch mit Öl verschmutzte Gegenstände gelagert, die einen Ölgeruch verbreiteten. Ein zusätzlicher typischer Geruch nach Benzin war jedoch nicht wahrzunehmen. Ob der Beklagte den Plastikbehälter oder dessen Inhalt sehen konnte, steht nicht fest. Es ist durchaus möglich, daß die Werkbank eine gewisse Sichtbehinderung hervorrief. Der Beklagte mußte nicht wissen, daß sich brennbares Material im Container befand.

Als Christian R*** das Geräusch der Winkelschleifmaschine hörte, rief er dem Beklagten zu, er dürfe im Container nichts schneiden und solle sofort aufhören. Der Beklagte hörte den Zuruf und stellte die Flex ab. Während deren Auslaufens streifte er noch einmal versehentlich den Bolzen. Dadurch kam es zu einem neuerlichen Funkenflug, welcher das Waschbenzin, das zu diesem Zeitpunkt aus nicht feststellbarer Ursache nicht mehr abgedeckt war, entzündete. Es kam zu einer etwa 1 m hohen Stichflamme. R*** lief in den Container, ergriff das brennende Gefäß und stellte es im Bereich der Tür ab. Zu den Streitteilen, die im Container bei der Werkbank standen, sagte er: "Einen Moment, ich hole mir die Schaufel". Er wollte den Behälter mit einer Schaufel herausheben, um so die Gefahr zu beseitigen.

Der Kläger geriet in Panik; er nahm den Behälter und wollte ihn ins Freie befördern. Dabei traf die brennende Flüssigkeit den Körper des Klägers im Bereich der Brust und der Arme und verletzte ihn schwer. Er erlitt Verbrennungen ersten bis dritten Grades. In der rechtlichen Beurteilung dieses Sachverhalts vertrat das Berufungsgericht die Ansicht, daß gegen den Kläger kein Vorwurf, brennbare Flüssigkeiten im Container gelagert zu haben, erhoben werden könne. Er habe von einer solchen Einlagerung keine Kenntnis gehabt. Auf Grund des Eindrucks, den er im Container habe gewinnen müssen, habe er annehmen können, die Winkelschleifmaschinen auch benützen zu dürfen. Es könne ihm auch nicht vorgeworfen werden, daß er den Behälter schuldhaft übersehen habe, da nicht feststeht, ob sich dieser überhaupt in seinem Sichtbereich befunden habe. Es seien keine Umstände hervorgekommen, wonach der Beklagte mit dem Vorhandensein brennbarer Flüssigkeiten habe rechnen müssen. Ein Geruch lediglich nach Öl hätte auch von den Werkzeugen ausgehen können. Warntafeln habe es nicht gegeben. Dem Beklagten falle daher kein fahrlässiges Verhalten zur Last.

Auch die Tatsache, daß es nach dem Zuruf R*** noch zu einem versehentlichen Kontakt der auslaufenden Flex mit dem Schraubenbolzen kam, falle nicht ins Gewicht. Dieser den Unfall auslösende Funkenflug müsse als Zufall gewertet werden. Es hieße den Sorgfaltsmaßstab überspannen, wollte man dem Beklagten, der die Schleifmaschine schon abgestellt hatte, aus dieser theoretisch vermeidbaren Kontaktnahme noch einen Schuldvorwurf machen. Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision des Klägers aus den Gründen der Mangelhaftigkeit des Verfahrens und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung dahin abzuändern, daß dem Klagebegehren Folge gegeben werde. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt. Der Beklagte und die Nebenintervenientin beantragten, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist, da sie innerhalb offener Frist beim Bezirksgericht Bad Ischl, sohin beim Bezirksgericht des maßgebenden Gerichtstagsortes angebracht wurde, zwar rechtzeitig (§ 35 Abs 8 ASGG; Kuderna ASGG § 35 Anm. 18); sie ist aber nicht berechtigt. Eine Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens im Sinne des § 503 Abs 1 Z 2 ZPO ist nur dann gegeben, wenn bei der Sammlung des Prozeßstoffes ein Verfahrensgesetz verletzt wurde und diese Gesetzesverletzung geeignet war, eine erschöpfende und gründliche Beurteilung der Sache zu hindern (vgl. Fasching ZPR Rz 1933). Entgegen der Ansicht des Klägers hat sich das Berufungsgericht mit den vorliegenden Beweisergebnissen auseinandergesetzt und eingehend begründet, warum es die in der Revision gewünschte Feststellung, der Beklagte habe wohl gewußt, daß sich ein Gefäß mit brennbarer Flüssigkeit im Container befinde, nicht treffen konnte. Die Mängelrüge des Klägers erschöpft sich daher in einer unzulässigen Bekämpfung der Beweiswürdigung.

Die Rechtsrüge geht nicht von den getroffenen Feststellungen aus, wenn sie unterstellt, das Gefäß mit der brennbaren Flüssigkeit sei offen und sichtbar abgestellt gewesen, es sei ein typischer Geruch nach brennbarer Flüssigkeit zu bemerken gewesen und R*** habe den Beklagten auf die "ungeheure Explosionsgefahr" hingewiesen. Zutreffend führte das Berufungsgericht aus, daß dem Beklagten fahrlässiges Verhalten nur dann vorgeworfen werden könnte, wenn er die gebotene Sorgfalt außer Acht gelassen hätte (Ehrenzweig, System3 2/1 294); wenn er also bei gehöriger Willensanspannung erkennen hätte können, daß er gefährlich und rechtswidrig handle (Koziol Haftpflichtrecht2 I 128; SZ 55/185 ua). Welche Voraussetzungen für die Annahme eines wenigstens leichten Verschuldens gefordert werden, ergibt sich aus § 1294 ABGB. Es muß zumindest ein Versehen vorliegen, das auf schuldbarer Unwissenheit oder einen Mangel der gehörigen Aufmerksamkeit oder des gehörigen Fleißes beruht. Fahrlässigkeit ist zu verneinen, wenn die Wahrscheinlichkeit des Eintritts eines rechtswidrigen Erfolges so gering war, daß sie auch einen pflichtgemäß Handelnden nicht von der Handlung abgehalten oder zu größerer Vorsicht veranlaßt hätte (SZ 48/42).

Nach den Feststellungen des Berufungsgerichtes war der Container zu der vom Beklagten vorgenommenen Tätigkeit eingerichtet. Er konnte daher davon ausgehen, daß der sachgemäße Gebrauch einer der vorhandenen Winkelschleifmaschinen an diesem Orte kein ungewöhnliches Handeln war. Eine Gefahrensituation war für ihn insoweit weder erkenn- noch vorhersehbar. Der Maßstab der objektiv gebotenen Sorgfalt (Reischauer in Rummel ABGB § 1294 Rz 21) erforderte mangels sichtbarer oder sonst sinnlich wahrnehmbarer Gefahren keine weitere Vorsorge, die etwa darin bestehen hätte können, den Container nach entflammbaren Stoffen abzusuchen. Diese Erwägungen gelten auch für das dem Zuruf R*** nachfolgende Verhalten des Beklagten, weil der Beklagte nach dem Zuruf R*** ohnehin sofort die Flex abschaltete und nur infolge eines Versehens mit der noch laufenden Maschine den Bolzen berührte. Mangels Nachweises eines Verschuldens trifft den Beklagten daher keine Haftung.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens ist in den §§ 41 und 50 ZPO begründet.

Anmerkung

E11145

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1987:014OBA00064.87.0617.000

Dokumentnummer

JJT_19870617_OGH0002_014OBA00064_8700000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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