TE OGH 1987/6/17 14ObA71/87

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Veröffentlicht am 17.06.1987
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Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Hon.-Prof. Dr. Kuderna als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Gamerith und Dr. Maier sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Josef Fellner und Mag. Karl Dirschmied als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei E*** A*** V*** AG, Wien 1., Brandstätte 7-9,

vertreten durch Dr. Otto Philp und Dr. Gottfried Zandl, Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagte Partei Alexander S***, Kraftfahrer, Wien 21., Mühlweg 43/9/2, vertreten durch Dr. Horst Reitböck, Rechtsanwalt in Wien, wegen S 51.531,10 sA, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes für ZRS Wien als Berufungsgerichtes in arbeitsgerichtlichen Rechtsstreitigkeiten vom 1. Dezember 1986, GZ 44 Cg 184/86-33, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Arbeitsgerichtes Wien vom 6. Juni 1986, GZ 7 Cr 659/86-28, bestätigt wurde, in nich ödfentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Der Beklagte ist schuldig, der Klägerin die mit S 3.997,35 (darin S 600,-- an Barauslagen und S 308,85 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Beklagte war bei der Horst H*** Gesellschaft mbH in Wien als Kraftfahrer beschäftigt. Mit Strafverfügung des Bezirksgerichtes Floridsdorf vom 5. März 1981 wurde er wegen des Vergehens der fahrlässigen Körperverletzung nach § 88 Abs 1 und 3 StGB mit 40 Tagessätzen bestraft. Das Strafgericht legte ihm zur Last, daß er am 7. August 1980 seinen Beifahrer dadurch fahrlässig leicht verletzt habe, daß er im betrunkenen, die Zurechnungsfähigkeit nicht ausschließenden Zustand auf der Nordbrücke in Wien mit dem von ihm gelenkten LKW gegen die rechte Leitschiene, die Mittelleitschiene und die Leitschiene der Gegenfahrbahn stieß.

Durch diesen Unfall entstand am VW Pritschenwagen der Arbeitgeberin des Beklagten ein Schaden von S 63.853,80, den die Klägerin als Vollkaskoversicherer nach Abzug eines Selbstbehaltes von 5 % in der Höhe von S 60.661,10 ersetzte.

Mit der am 8. März 1983 eingebrachten Klage verlangt die Klägerin vom Beklagten die Zahlung des durch Ratenabstattung verminderten Ersatzanspruches von S 51.531,10 sA, der im Wege der Legalzession nach § 67 VersVG auf sie übergegangen sei. Der Beklagte habe die Regreßforderung vorbehaltlos anerkannt und sich zur Rückzahlung in Raten verpflichtet; er habe die Zahlungen aber im Dezember 1981 eingestellt.

Der Beklagte beantragte, die Klage abzuweisen. Ihn treffe an dem Schadensfall nur ein Teilverschulden, weil das Abkommen des LKW von der Fahrbahn auch durch einen Lenkungsschaden verursacht worden sei. Mit diesem Defekt habe er nicht rechnen können, weil das Fahrzeug kurz zuvor zur Kontrolle in der Werkstätte gewesen sei, wo ein Schaden aber nicht festgestellt worden sei. Überdies begehre er die Mäßigung des Schadenersatzes aus Billigkeit. Er befinde sich im Krankenstand, beziehe nur das Krankengeld und sei für seine Gattin, zwei Kinder und ein Enkelkind unterhaltspflichtig. Ein Anerkenntnis habe er nicht abgegeben.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Es stellte im wesentlichen noch fest:

Der Beklagte fuhr am 7. August 1980 gegen 14,15 Uhr auf der Nordbrücke stadtauswärts. Zufolge seiner Alkoholisierung - der Blutalkoholwert betrug 2,1 o/oo - geriet er mit dem VW Pritschenwagen an den rechten Fahrbahnrand, streifte mit der rechten Fahrzeugseite die rechte Leitschiene und wurde sodann über die gesamte Richtungsfahrbahn nach links geschleudert. Durch den Anstoß an die Mittelleitschiene wurde der LKW über diese hinweg katapultiert. Er überquerte die Gegenfahrbahn und kam erst an der äußeren Leitschiene der Gegenfahrbahn zum Stillstand. Mit Schreiben vom 8. Jänner 1981 verständigte die Klägerin den Beklagten vom Übergang der Ansprüche der Arbeitgeberin an sie und bot ihm die Möglichkeit einer Ratenzahlung an. Der Beklagte erklärte sich mit den Schreiben vom 22. Jänner 1981 und 24. Februar 1981 außerstande, den geforderten Betrag auf einmal zu bezahlen. Er ersuchte um Zahlung in monatlichen Raten von S 1.000 und bot eine Erhöhung der Raten nach Besserung seiner finanziellen Lage an. Es kam zu einer Ratenvereinbarung zwischen den Streitteilen, worauf der Beklagte insgesamt S 10.000 abstattete.

Das Erstgericht vertrat die Auffassung, daß der Behauptung des Beklagten, der Unfall sei auch durch einen Lenkungsschaden verursacht worden, nicht gefolgt werden könne. Der Beklagte habe grobfahrlässig gehandelt; damit sei eine Mäßigung des Ersatzanspruches nach § 2 Abs 1 DHG idF vor der Novelle BGBl. 1983/169 ausgeschlossen. Ein allfälliges Mitverschulden der Arbeitgeberin sei nicht hervorgekommen. Im übrigen habe der Beklagte seine Ersatzpflicht konstitutiv anerkannt.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Beklagten nicht Folge. Es verhandelte die Rechtssache gemäß § 25 Abs 1 Z 3 ArbGG von neuem und traf die gleichen Feststellungen wie das Erstgericht. Es billigte die Rechtsansicht des Erstgerichtes und führte ergänzend aus, daß es wegen des Ausschlusses der Möglichkeit einer Haftungsmilderung nicht darauf ankomme, ob der Beklagte den Ersatzanspruch der Klägerin anerkannt habe.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die Revision des Beklagten aus den Gründen der Mangelhaftigkeit des Verfahrens und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Hilfsweise wird die Abänderung der Entscheidung im Sinne eines gemäßigten Zuspruches von lediglich S 10.000 an die Klägerin begehrt. Die Klägerin beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht berechtigt.

Als Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens rügt der Beklagte wie schon in seiner Berufung die Unterlassung der Vernehmung des Zeugen Herbert Z***; dessen Aussage hätte ergeben, daß der Unfall auf einen technischen Defekt des LKW zurückzuführen gewesen sei. Im arbeitsgerichtlichen Revisionsverfahren können zwar auch Mängel des erstgerichtlichen Verfahrens, die im Berufungsverfahren erfolglos geltend gemacht wurden, berücksichtigt werden (Stanzl, Arbeitsgerichtliches Verfahren 143; Fasching ZPR Rz 1909; Arb. 7.982, 8.126, 8.558 ua), doch fällt auch im arbeitsgerichtlichen Verfahren die Ablehnung einer Beweisaufnahme durch das Berufungsgericht, weil dieses - wie hier - den rechtlich erheblichen Sachverhalt als ausreichend geklärt und vollständig erhoben ansieht, in den Bereich der Beweiswürdigung; diese kann aber mit Revision nicht mehr bekämpft werden (Arb. 7.588, 8.588 ua). Beide Vorinstanzen verwiesen darauf, daß der Beklagte im Strafverfahren angab, daß an dem von ihm gelenkten LKW vor dem Unfall keine technischen Gebrechen aufgetreten seien (S 11 und 13 in 13 U 1043/80 des Bezirksgerichtes Floridsdorf). Über informative Befragung gab der Beklagte im Verfahren erster Instanz noch in der Tagsatzug vom 6. Juni 1986 an, daß er seiner Arbeitgeberin gemeldet habe, daß die Lenkung nicht ordnungsgemäß funktioniere. Er habe daraufhin den Auftrag erhalten, das Fahrzeug in eine Kraftfahrzeugreparaturwerkstätte zu bringen, wo die Lenkung und die Vorderachse überprüft worden seien, aber ein Defekt nicht feststellbar gewesen sei. Schon auf Grund dieses eigenen Vorbringens erweist sich sein Mitverschuldensvorwurf an die Arbeitgeberin als unschlüssig. Die Behauptung, der Beklagte habe ausdrücklich erklärt, daß in Wahrheit gar keine fachgemäße Kontrolle erfolgt sei, entspricht nicht dem Inhalt des Protokolls über diese Tagsatzung, so daß eine im Revisionsverfahren unzulässige Neuerung vorliegt (§ 504 ZPO). Auch in der Frage eines konstitutiven Anerkenntnisses ist dem Berufungsgericht darin beizupflichten, daß es aus den noch darzulegenden Gründen hier darauf nicht ankommt.

Die Vorinstanzen haben richtig erkannt, daß bei der Kaskoversicherung, bei welcher der Fahrzeuglenker nicht mitversichert ist, die Ansprüche des Versicherungsnehmers, die diesem gegenüber dem Fahrzeuglenker zustehen, auf den Versicherer übergehen können. Wenn allerdings der Fahrzeuglenker Arbeitnehmer des Versicherungsnehmers ist, unterliegt der auf den Versicherer übergegangene Schadenersatzanspruch des Arbeitgebers den Bestimmungen des DHG (Arb. 10.064 ua). Da sich der Unfall am 7. August 1980, sohin vor dem Inkrafttreten der Novelle zum DHG, BGBl. 1983/169, ereignete, ist auf den Rechtsstreit gemäß Artikel II dieser Novelle das DHG in seiner alten Fassung anzuwenden. Daraus folgt aber, daß eine richterliche Mäßigung des Ersatzes nur bei einem auf leichter Fahrlässigkeit beruhenden Schaden möglich war (§ 2 Abs 1 DHG). Ein minderer Grad des Versehens ist aber dem Beklagten nicht zuzubilligen. Dadurch, daß er sich vor dem Lenken des LKW, das ohnehin schon zu den sogenannten "schadensgeneigten Tätigkeiten" gehört (Arb. 9.199 ua), in einen durch Alkohol beeinträchtigten Zustand versetzt hatte, der die Alkoholgrenze des § 5 Abs 1 StVO beträchtlich überstieg, vernachlässigte er seine Sorgfaltspflicht in äußerst ungewöhnlicher und auffallender Weise; der Eintritt eines Schadens war sogar als wahrscheinlich und nicht bloß als möglich voraussehbar (Arb. 9.645; vgl. auch 10.064). Der von ihm verursachte Schaden ist daher als grobfahrlässig zugefügt zu werten. Damit bleibt aber nach der alten Rechtslage entgegen der Ansicht des Revisionswerbers für eine Haftungsmilderung keine Möglichkeit, ohne daß noch geprüft werden müßte, ob der Beklagte der Klägerin gegenüber ein wirksames konstitutives Anerkenntnis (siehe dazu Ertl in Rummel ABGB, § 1380 Rz 6 ff; Arb. 10.448) abgegeben hat oder nicht.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens ist in den §§ 41 und 50 ZPO begründet.

Anmerkung

E11151

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1987:014OBA00071.87.0617.000

Dokumentnummer

JJT_19870617_OGH0002_014OBA00071_8700000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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