TE OGH 1987/7/1 9ObA24/87

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Veröffentlicht am 01.07.1987
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Hon.-Prof. Dr. Kuderna als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Gamerith und Dr. Maier sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Johannes Rudda und Mag. Michael Zawodsky als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Helmut S***, Installateur, Klosterneuburg, Medekstraße 63, vertreten durch Dr. Adolf Fiebich, Dr. Vera Kremslehner und Dr. Josef Milchram, Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagte Partei Ing. Walter H*** Gesellschaft mbH, Installationen, Wien 19, Poschstraße 47, vertreten durch Dr. Otto Pichler, Rechtsanwalt in Wien, wegen S 6.290,07 brutto sA (Revisionsstreitwert S 3.307,16 brutto sA), infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 2. März 1987, GZ 33 Ra 1012/87-11, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Arbeitsgerichtes Wien vom 23. Juni 1986, GZ 5 Cr 42/86-5, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die Beklagte ist schuldig, dem Kläger die mit S 1.510,08 (darin S 137,28 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger war bei der Beklagten vom 21. Mai 1973 bis 15. November 1985 als Installateur beschäftigt. Sein zuletzt bezogener Stundenlohn betrug S 81,-- brutto, wozu noch eine Montagezulage von S 4,10 brutto und eine Wegzeitvergütung in Höhe eines Stundenlohnes pro Tag kamen. Das Arbeitsverhältnis endete durch Kündigung seitens der Beklagten. Bei der Endabrechnung wurde bei der Ermittlung der Urlaubsentschädigung, des Urlaubszuschusses, der Weihnachtsremuneration und der Abfertigung die Wegzeitvergütung von täglich S 81,-- brutto nicht berücksichtigt. Auf das Arbeitsverhältnis war der Kollektivvertrag für das eisen- und metallverarbeitende Gewerbe anzuwenden.

Mit der vorliegenden Klage begehrte der Kläger die unter Berücksichtigung der Wegzeitvergütung aushaftende und der Höhe nach unbestrittene Differenz zu den ausgezahlten Beträgen in Höhe von insgesamt S 6.290,07 brutto sA.

Die Beklagte beantragte, die Klage abzuweisen;

Wegzeitvergütungen seien nicht in die Sonderzahlungen einzuberechnen. Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Es hielt im wesentlichen fest:

Nach Abschnitt XVII Z 11 und Abschnitt XVIII Z 7 des Kollektivvertrages für das eisen- und metallverarbeitende Gewerbe erfolgt die Berechnung des Urlaubszuschusses und der Weihnachtsremuneration nach der Bestimmung über den Verdienstbegriff (Abschnitt X).

Im Abschnitt X des Kollektivvertrags ist der Verdienstbegriff wie folgt defeniert:

Verdienst ist der Arbeitslohn, bei leistungsbezogenen Entgelten gemäß § 96 Abs. 1 Z 4 ArbVG - ausgenommen Pauschalentlohnung auf Montage - und Baustellen - deren 13-Wochen-Durchschnitt. Bei Wächtern, Portieren, Chauffeuren und Beifahrern ist im Falle einer vereinbarten längeren Wochenarbeitszeit diese zugrunde zu legen.

In den Verdienst sind einzubeziehen:

1. Schmutz-, Erschwernis-, Gefahren, Montage-, Schicht- und Nachtarbeitszulagen sowie Vorarbeiterzuschlag, soweit sie in den letzten 13 Wochen vor Anfall des Anspruches ständig bezahlt wurden.

2. Regelmäßig geleistete Überstunden mit dem Durchschnittsbetrag. Überstunden gelten auch dann als regelmäßig, wenn sie in den letzten 13 abgerechneten Wochen (bzw. drei Monaten oder Kalendervierteljahr) vor Fälligkeit der Sonderzahlung durch mindestens sieben Wochen geleistet wurden....

Nach Abschnitt VIII Z 6 des Kollektivvertrages werden Wegzeiten, die in die Arbeitszeit fallen, wie Arbeitszeiten bezahlt. Für Wegzeiten außerhalb der Arbeitszeit gebührt der Stundenlohn ohne Zulagen und Zuschläge. Gemäß Z 7 dieses Abschnittes sind Wegzeiten, die nicht in die Arbeitszeit fallen, bei einer Entfernung - Luftlinie - zwischen dem ständigen Betrieb bzw. Montagebüro und dem nicht ständigen Arbeitsplatz von zwei bis vier km mit einem Stundenlohn zu vergüten, bei einer Entfernung von 4 bis 7 km mit 1 1/2 Stundenlöhnen und von mehr als 7 km mit dem Lohn für die tatsächlich aufgewendete Wegzeit, jedoch mindestens 1 1/2 Stundenlöhnen.

Der Kläger erhielt die Wegzeitvergütung von S 81,-- brutto pro Arbeitstag auch dann, wenn er nicht auf Montage war. Das Erstgericht vertrat die Rechtsansicht, daß es sich bei der Wegzeitvergütung um Arbeitslohn im Sinne des Abschnittes X des Kollektivvertrages handle. Trete der Arbeitnehmer seine Arbeit an der Betriebsstätte an und begebe sich erst von dort an die Baustelle, so habe der Arbeitgeber die Wegzeit als Normalarbeitszeit zu entlohnen. Trete der Arbeitnehmer seine Arbeit jedoch direkt an der Baustelle an, so gewinne der Arbeitgeber dadurch eine produktive Arbeitsleistung und die Wegzeitvergütung sei eine Abgeltung der mehr erbrachten Arbeitsleistung pro Arbeitstag. Da die Wegzeit keine Freizeit des Arbeitnehmers sei, sondern Arbeitszeit, komme man zu dem selben Ergebnis, wenn man die Wegzeitvergütung in analoger Weise der Regelung hinsichtlich der Überstunden im Verdienstbegriff des Kollektivvertrages (Abschnittes X Z 2) unterstelle. Im übrigen sei eine Vergütung auch bei Nichtvorliegen der kollektivvertraglichen Voraussetzungen erfolgt; schon daraus ergebe sich eindeutig der Entgeltcharakter der strittigen Ansprüche.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Beklagten nicht Folge und sprach aus, daß die Revision zulässig sei. Es billigte die Rechtsansicht des Erstgerichtes und führte ergänzend aus, daß der Verdienstbegriff nach Abschnitt X des Kollektivvertrages über den Begriff des Arbeitslohnes hinausgehe. Der enge Begriff des Arbeitslohnes werde durch Aufzählung von Zulagen und Zuschlägen (Abschnitt XIV) zum Begriff des Verdienstes erweitert, der gegenüber dem allgemeinen Entgeltbegriff allerdings dadurch eingeschränkt sei, daß er nicht regelmäßig anfallende Bezugsbestandteile ausschließe. Da der Kläger die Wegzeitvergütung auch dann erhalten habe, wenn er nicht auf Montage gewesen sei, habe die Beklagte die nach Abschnitt VIII des Kollektivvertrages zweckbestimmte Zulage entfremdet und sie unabhängig von einer anfallenden Wegzeit gezahlt. Damit sei die Vergütung aber als regelmäßig ausgezahlter Bestandteil des Arbeitslohnes behandelt worden und sei durch den engen Verdienstbegriff des Abschnittes X des Kollektivvertrages gedeckt; sie sei daher als Bezugsbestandteil sowohl für die Berechnung der Sonderzahlungen als auch bei der Bemessung der Abfertigung, für welche die Bestimmungen der §§ 23 und 23 a AngG sinngemäß anzuwenden seien, zu berücksichtigen.

Gegen den Zuspruch der Differenzbeträge bezüglich des Urlaubszuschusses und der Weihnachtsremuneration in Höhe von S 3.307,16 richtet sich die Revision der Beklagten aus dem Grunde der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag auf Abänderung der Urteile der Vorinstanzen dahin, daß dieser Teil des Klagebegehrens abgewiesen werde.

Der Kläger beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht berechtigt.

Bei der nach den §§ 6 und 7 ABGB vorzunehmenden Auslegung der normativen Bestimmungen des anzuwendenden Kollektivvertrages (§ 11 Abs. 1 ArbVG; Kuderna, Die Auslegung kollektivvertraglicher Normen und Dienstordnungen sowie deren Ermittlung im Prozeß, DRdA 1975, 161 und 168 f; Arb. 9.567, 10.494 ua) ist davon auszugehen, daß eine Wegzeitvergütung nach Abschnitt VIII Z 6 und 7 nach dem Wortlaut des Kollektivvertrages für solche Wegzeiten gebührt, die bei einer Beschäftigung des Arbeitnehmers außerhalb des ständigen Betriebs zur Überwindung der Wegstrecke zwischen dem ständigen Betrieb bzw. Montagebüro und dem jeweiligen (nicht ständigen) Arbeitsplatz aufgewendet werden müssen. Diese Wegzeiten werden jedenfalls auch dann wie Arbeitszeiten behandelt, wenn sie nicht in die normale Arbeitszeit fallen. Dem Arbeitnehmer gebührt nämlich für sie der "Stundenlohn" ohne Zulagen und Zuschläge, wobei für Entfernungen von zwei bis vier Kilometer ein Stundenlohn, für solche von vier bis sieben Kilometer eineinhalb Stundenlöhne und für Entfernungen über sieben Kilometer der "Lohn für die tatsächliche aufgewendete Wegzeit", mindestens aber eineinhalb Stundenlöhne zu entrichten sind. Arbeitnehmer, die während einer solchen Wegzeit als Lenker eines Fahrzeugs beschäftigt werden, haben anstelle der Wegzeitvergütung Anspruch auf Überstundenentlohnung (§ 43 Abs. 3 ASGG). Diese Regelung des Kollektivvertrages läßt keinen Zweifel daran, daß dem Arbeitnehmer hier nicht etwa ein mit der Arbeitsleistung verbundener finanzieller Aufwand ersetzt, sondern eine von seinen tatsächlichen Aufwendungen völlig unabhängig, allein nach der Dauer der zeitlichen Inanspruchnahme bemessene Vergütung für die Bereitstellung seiner Arbeitskraft geleistet werden soll (Arb. 10.355).

Auch wenn der anzuwendende Kollektivvertrag in seinem Abschnitt X von einem engeren Begriff des Arbeitslohnes ausgeht, den er durch Aufzählung bestimmter Zulagen zum Verdienstbegriff erweitert, weshalb nicht regelmäßig anfallende Bezugsbestandteile - soweit Abschnitt X nichts Gegenteiliges anordnet - nicht unter den "Verdienstbegriff" zu subsumieren sind, vermag dies an diesem Ergebnis nichts zu ändern. Die Revisionswerberin macht nämlich selbst geltend, daß dem Kläger aus Zwecken der Abrechnungsvereinfachung stets ein echtes Wegzeitpauschale in Höhe eines Stundenlohnes gewährt worden ist, gleichgültig, ob er Anspruch auf kollektivvertraglich geregelte Wegzeitvergütung hatte oder ob er eine höhere Vergütung beanspruchen hätte können. Damit wurde dem Kläger aber schon seit Jahren eine in Höhe eines Stundenlohnes bemessene und den jeweiligen kollektivvertraglichen Lohnerhöhungen angepaßte Wegzeitvergütung ausgezahlt, die in ihrer Regelmäßigkeit wie Arbeitslohn behandelt wurde und für ihn ein zusätzliches Entgelt war. Richtig ist, daß der in Arb. 9.798 veröffentlichte Fall nicht völlig gleichgelagert ist, da er eine sogenannte "Wegzeitentschädigung" betrifft, die im Zusammenhang mit einer Verlegung des Betriebs gewährt würde. Dennoch können die in dieser Entscheidung entwickelten Grundsätze auch im vorliegenden Fall Anwendung finden, da auch hier in langjähriger Übung regelmäßig eine Wegzeitvergütung selbst dann gewährt wurde, wenn kein Anspruch des Klägers auf eine solche bestand. Damit erfuhr der ohnehin schon gegebene Entgeltcharakter der Vergütung noch eine zusätzliche, ihre Zuordnung bestärkende Qualifikation. Es trifft zwar zu, daß nur jene Entgeltbestandteile bei der Berechnung der Sonderzahlungen zu berücksichtigen sind, welche dem Verdienstbegriff des Abschnittes X des Kollektivvertrages unterliegen. Eine vorbehaltslos und regelmäßig als Bestandteil des Normallohns gezahlte Wegzeitvergütung ist aber jedenfalls auch durch den engen Verdienst- bzw. Arbeitsbegriff des Abschnittes X des Kollektivvertrages gedeckt. Damit steht im Ergebnis fest, daß diese Vergütung entgegen der Ansicht der Beklagten in die Bemessungsgrundlage für die Sonderzahlungen (Abschnitt XVII Z 11 und XVIII Z 7 des Kollektivvertrages) einzubeziehen ist. Der Einwand der Revisionswerberin, daß die nicht in der normalen Arbeitszeit liegende Wegzeit etwa mit der Leistung von Überstunden vergleichbar sei, ein Überstundenpauschale aber nicht zur Ermittlung der Sonderzahlungen herangezogen werden dürfe, ist verfehlt. Der Verdienstbegriff des anzuwendenden Kollektivvertrags beinhaltet nämlich auch regelmäßig geleistete Überstunden und die in der Revision zitierte Entscheidung des Obersten Gerichtshofes 4 Ob 130/57 bezieht sich auf einen Kollektivvertrag, der Überstunden von der Berechnungsgrundlage für die Sonderzahlungen ausgenommen hat (Arb. 6.743). Es trifft schließlich entgegen der Ansicht der Revisionswerberin ebenfalls nicht zu, daß durch die Pauschalierung der Wegzeitvergütung und deren Zuordnung als Arbeitslohn die tatsächliche Abgeltung der Wegzeit schlechthin noch zusätzlich erbracht werden müßte. Dafür ist vielmehr die in Abschnitt VIII Z 7 des Kollektivvertrages getroffene Regelung maßgeblich. Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens ist in den §§ 41 und 50 ZPO begründet.

Anmerkung

E11499

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1987:009OBA00024.87.0701.000

Dokumentnummer

JJT_19870701_OGH0002_009OBA00024_8700000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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