TE OGH 1987/7/15 1Ob619/87

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Veröffentlicht am 15.07.1987
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schragel als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schubert, Dr. Hofmann, Dr. Schlosser und Dr. Redl als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Walter R***, Pensionist, Wien 2., Untere Augartenstraße 1-3/2/17, vertreten durch Dr. Kurt Dellisch, Rechtsanwalt in Klagenfurt, wider die beklagte Partei Ing. Erich R***, Angestellter, Klagenfurt,

Bahnhofstraße 45, vertreten durch Dr. Heinz Napetschnig, Rechtsanwalt in Klagenfurt, wegen Rechnungslegung und Herausgabe (Streitwert S 400.000,--) infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgerichtes vom 25.März 1987, GZ 7 R 200/86-155, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Klagenfurt vom 27. Juni 1986, GZ 27 Cg 10/86-141, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 13.996,65 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin S 1.185,15 Umsatzsteuer und S 960,- Barauslagen) binnen 14 Tagen bei Exekution zu bezahlen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Streitteile sind Brüder. Der Beklagte hat für den Kläger sowohl persönlich als auch für die von diesem als Geschäftsführer geleiteten Gesellschaften mit beschränkter Haftung auf Grund von Vollmachten Geschäfte besorgt.

Der Kläger begehrte vom Beklagten, ihm 1. durch Rechnungslegung eine vollständige Übersicht über die Entwicklung seines persönlichen Vermögens sowie des Vermögens der R*** & Co Gesellschaft m.b.H. und der KU-RO Kunststoffhandelsgesellschaft m.b.H. für die Zeit vom November 1978 bis zum 7.8.1980 (d.i. der Tag der Klagseinbringung) zu verschaffen und 2. alle damit in Zusammenhang stehenden Originalbelege, Urkunden und sonstigen Aufzeichnungen herauszugeben. Er habe im Juli 1978 bei einem Raubüberfall eine Kopfverletzung erlitten, die ihn außerstande gesetzt habe, seine Angelegenheiten selbst zu besorgen. Im November 1978 sei ihm der Beklagte zu Hilfe gekommen, worauf er diesem Vollmachten - auch für die R*** & Co Gesellschaft m.b.H. - erteilt habe. Diese Gesellschaft sei damals mit allen erforderlichen Betriebseinrichtungen ausgestattet, in seiner Wohnung in Wien-Mariahilf seien wertvolle Münzen-, Brief- und Waffensammlungen vorhanden gewesen. Auf dem Lagerplatz in Sieghartskirchen habe er zwei Pferde eingestellt gehabt. Nach seiner Entlassung aus dem Krankenhaus habe er feststellen müssen, daß von seinem gesamten Besitz nichts mehr vorhanden gewesen sei. Trotz wiederholter Aufforderung habe der Beklagte bisher jede Rechnungslegung verweigert.

Der Beklagte wendete ein, der Kläger sei weder überfallen noch beraubt und verletzt worden. Der Beklagte habe weder für ihn noch dessen Gesellschaft als Generalbevollmächtigter gehandelt; hiezu hätte keinerlei Anlaß bestanden. Die R*** & Co Gesellschaft m. b.H. habe schon vorher jedwede Geschäftstätigkeit eingestellt gehabt. Der Beklagte habe den Kläger in einzelnen Belangen beraten und zum Teil auch vertreten, nach Beendigung seiner Geschäftsbesorgungen jedoch jeweils abgerechnet und dem Kläger somit Rechnung gelegt. Er besitze keinerlei Unterlagen, um mit deren Hilfe erneut abzurechnen. Der Kläger habe weder wertvolle Sammlungen noch Reitpferde besessen. Soweit ihn der Beklagte wirtschaftlich unterstützt habe, sei dieser nicht abrechnungspflichtig. Das Erstgericht wies das gesamte Klagebegehren ab. Es stellte fest, der Kläger sei mit der von ihm geleiteten R*** & Co Gesellschaft m.b.H. 1978 wirtschaftlich gescheitert. Der gewerberechtliche Geschäftsführer Ing. Erhard P*** habe am 30.11.1978 seine Funktion zurückgelegt, weil er schon zehn Monate hindurch kein Gehalt mehr bezogen habe. Auch noch 1978 habe der Kläger behauptet, er sei bei einem Raubüberfall verletzt worden und leide seither an dessen Folgen. Er habe den Beklagten um Unterstützung gebeten; dieser habe ihn um die Jahreswende 1978/79 in einem Krankenhaus untergebracht. Damals habe er dem Beklagten zwei Vollmachten - eine zu seiner persönlichen Vertretung, die andere zur Vertretung der R*** & Co Gesellschaft m.b.H. - mittels allgemein gehaltener, von einem Notar zur Verfügung gestellter Vordrucke ausgestellt. Zu dieser Zeit habe die vom Kläger geleitete Gesellschaft weder Mitarbeiter beschäftigt noch Aufträge gehabt. Es seien allerdings noch einige Sachwerte vorhanden gewesen. Der Kläger und die Gesellschaft hätten damals Schulden in Millionenhöhe gehabt; gegen beide seien zahlreiche Exekutionen anhängig gewesen. Im Feber 1979 habe der Beklagte dem Vermieter der von der Gesellschaft gemieteten Wohnung in Wien-Mariahilf einen Nachmieter nominiert und von diesem eine Investitionsablöse von S 327.000,-- zugunsten der Gesellschaft erwirkt. Dieser Betrag sei vorwiegend zur Abdeckung der Mietzinsrückstände verwendet worden. Die Einrichtung sei gerichtlich und finanzbehördlich gepfändet gewesen. Das aufwendige Schlafzimmer dieser Wohnung habe der Beklagte dem Nachmieter verkauft und das Inkasso des Kaufpreises dem Kläger überlassen. Die Fahrzeuge des Klägers und der Gesellschaft habe der Kläger verwertet; soweit sie unter Eigentumsvorbehalt gestanden seien, sei der Kauferlös allerdings dem jeweiligen Vorbehaltseigentümer zugeflossen. Ein Fahrzeug habe der Beklagte dem gewerberechtlichen Geschäftsführer Ing. Erhard P*** zur Verwertung überlassen; dieser habe es exekutiv verwertet. Die Einrichtungen und Geräte auf dem Lagerplatz habe der Beklagte der gemeinsamen Schwester Dr. Maria Z*** sicherungsweise mit der Ermächtigung, sie zu verwerten, ins Eigentum übertragen, weil sie für den Kläger für den Betrag von S 200.000,-

gebürgt und bereits S 100.000,-- habe zahlen müssen. Zwei der Gesellschaft gehörige Island-Fohlen, die unversorgt in einer Scheune eingestellt gewesen seien, habe der Beklagte bei einem Pferdezüchter eingestellt. Als die Einstellungskosten den Wert der Tiere (S 23.000,--) überstiegen hätten, habe er sie dem Züchter an Zahlungs Statt überlassen und ihm auch die Originalstammbäume ausgefolgt. Durch einen Notar habe der Beklagte die Änderung der Firma der R*** & Co Gesellschaft m.b.H. in KU-RO Kunststoffhandelsgesellschaft m.b.H. ändern lassen, damit der gemeinsame Familienname nicht mehr mit der Gesellschaft in Verbindung gebracht werde. Die Bezeichnung KU-RO habe der Kläger selbst erfunden. Dieser habe nie Münzen-, Waffen- und Briefmarkensammlungen besessen. Seine persönliche Fahrhabe sei schon vorher gepfändet gewesen. Der Beklagte habe sowohl dem Kläger als auch dessen vorläufigen Beistand Karl H*** gegenüber über seine gesamte Geschäftsbesorgungstätigkeit für den Kläger und dessen Gesellschaft Rechnung gelegt. Am 12.4.1979 habe er dem Kläger mittels eingeschriebenen Briefes eine schriftliche Abrechnung übermittelt; in einer Beilage seien sämtliche Geldbewegungen ausgewiesen gewesen. Der Kläger sei mit dieser Abrechnung einverstanden gewesen und habe keine Ergänzungen gefordert. Am 2.2.1983 habe der Beklagte dem damals für den Kläger bestellten vorläufigen Beistand Karl H*** eine nachträglich rekonstruierte zweite Abrechnung ausgefolgt. Auch dieser sei damit einverstanden gewesen. Die KU-RO Kunststoffhandelsgesellschaft m.b.H. sei vom Handelsgericht Wien mit Beschluß vom 14.4.1981 von amtswegen gelöscht worden. Es sei nicht feststellbar, daß der Beklagte noch über Belege oder sonstige Unterlagen aus seiner Geschäftsbesorgungstätigkeit für den Kläger für den in der Klage genannten Zeitraum verfüge.

In rechtlicher Hinsicht vertrat das Erstgericht die Auffassung, der Beklagte habe damit seiner Rechnungslegungspflicht entsprochen. Das Herausgabebegehren sei schon deshalb abzuweisen, weil nicht erweislich sei, daß der Beklagte noch über Unterlagen verfüge. Das Gericht zweiter Instanz verwarf die Berufung, soweit sie Nichtigkeit geltend machte, gab ihr im übrigen nicht Folge, bestätigte das Urteil mit der Maßgabe, daß die Einrede der mangelnden Prozeßfähigkeit des Klägers zurückgewiesen werde, und sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes S 300.000,-- übersteige. Soweit der Kläger Nichtigkeit geltend mache, weil sich die Bestellung von Rechtsanwälten für den Kläger zur Verfahrenshilfe nicht auf einen die Verfahrenshilfe bewilligenden Beschluß des Erstgerichtes stützen könne und der Kläger insofern im Verfahren nicht ordnungsgemäß vertreten gewesen sei, genüge der Hinweis auf den noch vor der berufungsgerichtlichen Entscheidung gefaßten Beschluß des Erstgerichtes vom 20.2.1987, mit dem dem Kläger für das gesamte Verfahren die Verfahrenshilfe in vollem Umfang bewilligt worden sei. Die Prüfung der Prozeßfähigkeit des Klägers und der Umstand, daß das Erstgericht über die Prozeßfähigkeit hinaus auch andere Fragen von amtswegen geprüft habe, begründeten hingegen keine Nichtigkeit. Im übrigen führte das Berufungsgericht aus, die Rechnungslegungspflicht werde mit der Vorlage einer formell vollständigen Rechnung erfüllt. Eine solche habe das Erstgericht festgestellt. Aber selbst wenn die Rechnung des Beklagten nicht vollständig gewesen sein sollte, ändere dies am Ergebnis nichts, weil das Erstgericht unbekämpft festgestellt habe, daß der Kläger mit der vom Beklagten gelegten Rechnung einverstanden gewesen sei. Der Rechnungslegungspflichtige sei zwar verhalten, Belege vorzulegen, nicht aber auch, sie dem Geschäftsherrn auszufolgen. Der Kläger verlange die Herausgabe nicht aus dem Titel des Eigentums, sondern nur als Grundlage für die Prüfung der Rechnung auf ihre Richtigkeit. Hiezu genüge jedoch deren Vorlage. Im übrigen sei das Herausgabebegehren auch schon deshalb abzuweisen, weil nicht erweislich sei, daß der Beklagte noch darauf Bezug habende Belege in seiner Gewahrsame habe.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision des Klägers ist nicht berechtigt.

Soweit er die schon in der Berufung erhobenen Vorwürfe, das erstgerichtliche Verfahren sei nichtig, weil er von den dort bestellten Rechtsanwälten zur Verfahrenshilfe mangels Bewilligung der Verfahrenshilfe nicht habe vertreten werden können, und das Erstgericht überdies in Mißachtung des Art.6 MRK keinen persönlichen Kontakt des Klägers mit den ihm bestellten Rechtsanwälten zur Verfahrenshilfe gewährleistet, die Verfahrenshilfe zu spät bewilligt, das Verfahren infolge zu Unrecht geprüfter Prozeßfähigkeit des Klägers zu sehr erweitert und das Verfahren in Überschreitung der in der Zivilprozeßordnung verankerten Verfahrensgrundsätze auch über die Frage der mangelnden Prozeßfähigkeit hinaus von amtswegen abgeführt habe, in der Revision wiederholt, obgleich das Berufungsgericht die wegen Nichtigkeit erhobene Berufung verworfen hat, übersieht er, daß auch der Oberste Gerichtshof an diese berufungsgerichtliche Entscheidung gebunden ist (SZ 56/133 uva; Fasching, Komm.IV 409 und ZPR Rz 1905). Solche Nichtigkeitsgründe können schon deshalb in der Revision nicht erneut geltend gemacht werden. Als Nichtigkeit gemäß §§ 503 Abs 1 Z 1, 477 Abs 1 Z 9 ZPO rügt der Kläger ferner, daß das Berufungsgericht nicht in erkennbarer Weise darauf Bedacht genommen habe, daß er in der Berufung Verstöße gegen Art.6 MRK, die Unterlassung der Abrechnung des Erlöses aus dem Verkauf des Schlafzimmers und die behaupteten Nichtigkeitsgründe auch als Verfahrensmängel geltend gemacht habe; dieses Vorbringen ist aktenwidrig, weil das Berufungsgericht zu all diesen Fragen - mit Ausnahme der Abrechnung über den Verkauf des Schlafzimmers, für den es die Feststellung übernahm, daß der Beklagte dem Kläger das Inkasso überlassen habe, - sogar ausdrücklich Stellung genommen hat (ON 155 S 4 und 5); im übrigen bewirkt die Unterlassung einer rechtlichen Begründung zu einzelnen Fragen keine Nichtigkeit (7 Ob 648,649/76; vgl. Arb.8609). Die vom Kläger geltend gemachten Anfechtungsgründe der Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens und der Aktenwidrigkeit liegen nach Prüfung durch den Obersten Gerichtshof nicht vor (§ 510 Abs 3 ZPO).

Die Rechtsrüge beschränkt sich auf die Behauptung, die Vorinstanzen hätten die Frage der Beweislastverteilung unrichtig gelöst: Der Kläger habe nur zu beweisen, daß ein Geschäftsbesorgungsverhältnis bestanden habe; ob der Beklagte seiner Rechnungslegungspflicht im Sinne des § 1012 ABGB nachgekommen sei, habe dagegen dieser unter Beweis zu stellen. Der Kläger übersieht dabei, daß die Beweislastregeln erst eingreifen, wenn das Gericht einen für den Streitausgang erheblichen Beweis als nicht erbracht ansieht. Das Erstgericht hat jedoch ausdrücklich festgestellt, daß der Beklagte dem Kläger über seine Geschäftsbesorgungstätigkeit Rechnung gelegt habe und dieser mit der Rechnung nicht nur einverstanden gewesen sei, sondern auch keinerlei Ergänzung gefordert habe. Damit hat der Beklagte seiner Rechnungslegungspflicht als bevollmächtiger Geschäftsbesorger entsprochen; jedenfalls aber hat der Kläger - wie das Berufungsgericht richtig erkannte - die Rechnung anerkannt, so daß er in diesem Fall nicht ein zweites Mal die Rechnungslegung durch den Beklagten erzwingen kann.

Das Begehren auf Herausgabe der - im übrigen nicht näher bezeichneten - "Originalurkunden, Belege und sonstigen Aufzeichnungen" - ist, da es ausschließlich auf die Rechnungslegungspflicht des Geschäftsbesorgers gegründet ist, nur als Bestandteil des Begehrens auf Rechnungslegung zu verstehen; abgesehen davon, daß es mangels näherer Bezeichnung der Urkunden nicht vollsteckbar wäre, ist das Begehren schon deshalb nicht berechtigt, weil der Beklagte seiner Rechnungslegungspflicht bereits nachgekommen ist und zur Herausgabe von Urkunden, mit deren Hilfe die angestrebte, aber nicht mehr erzwingbare Abrechnung geprüft hätte werden sollen, schon deshalb nicht mehr verpflichtet sein kann. Einen besonderen, über die Rechnungslegungspflicht hinausgehenden Verpflichtungsgrund zur Herausgabe dieser Urkunden und Belege hat der Kläger nicht behauptet. Ob der Geschäftsbesorger zur Herausgabe oder - wie nach der Rechtsprechung (SZ 8/92; 5 Ob 256/74) - bloß zur Vorlage der die Abrechnung belegenden Urkunden verpflichtet ist, muß deshalb ebensowenig geprüft werden wie die Frage, welcher der Streitteile in diesem Umfang des Begehrens beweisbelastet ist.

Der Revision ist deshalb ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41 und 50 ZPO.

Anmerkung

E11701

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1987:0010OB00619.87.0715.000

Dokumentnummer

JJT_19870715_OGH0002_0010OB00619_8700000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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