TE OGH 1987/7/15 9ObS13/87

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Veröffentlicht am 15.07.1987
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Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr. Kuderna als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Gamerith und Dr. Bauer sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Dietmar Strinitzer und Walter Benesch als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Thomas W***, Warth, Hotel Walserberg, vertreten durch Dr. Manfred Lenz, Rechtsanwalt in Dornbirn, wider die beklagte Partei A*** U***, Wien 20., Adalbert-Stifter-Straße 65,

vertreten durch Dr. Adolf Fiebuch und Dr. Vera Kremslehner, Rechtsanwälte in Wien, wegen Versehrtenrente, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgerichtes in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 10. März 1987, GZ 5 Rs 1029/87-23, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Schiedsgerichtes der Sozialversicherung für Vorarlberg vom 4.September 1986, GZ 1 C 77/87-14, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 2.829,75 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten S 257,25 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Mit Bescheid vom 21.5.1985 gewährte die beklagte Partei dem Kläger für die Folgen eines Asthma bronchiale, das durch die Tätigkeit des Klägers als Bäcker verursacht wurde, eine Versehrtenrente im Ausmaß von 20 v.H. der Vollrente als Dauerrente. Mit Bescheid vom 21.1.1986 sprach die beklagte Partei die Entziehung dieser Rente mit Wirkung ab 1.3.1986 aus. Der Kläger begehrt mit der vorliegenden Klage, die beklagte Partei zur Weitergewährung der Versehrtenrente im bisherigen Ausmaß zu verpflichten; die Beschwerden bestünden nach wie vor im ursprünglichen Umfang und es sei ihm nicht möglich, eine Tätigkeit in der Bäckerei auszuüben.

Die beklagte Partei beantragte die Abweisung des Begehrens und brachte vor, daß eine wesentliche Besserung der Atemfunktion eingetreten sei und die Minderung der Erwerbsfähigkeit nunmehr unter 20 v.H. liege.

Das Erstgericht gab dem Begehren des Klägers statt, ohne allerdings entsprechend der Bestimmung des § 891 (2) ASGG eine vorläufige Leistung anzuordnen; es traf im wesentlichen nachstehende Feststellungen:

Beim Kläger besteht derzeit ein als Berufskrankheit anerkanntes "Bäckerasthma" mit chronisch-rezidivierendem Verlauf und eindeutiger obstruktiver Ventilationsstörung mit spastisch-reversibler Komponente. Die Erwerbsfähigkeit des Klägers ist durch die Berufskrankheit seit 1.3.1986 noch um 20 % vermindert. Im Vergleich zum Zeitpunkt des Befundes vom 16.11.1984 ist in den Folgen der Berufskrankheit bis 1.3.1986 insofern eine wesentliche Veränderung eingetreten, als es zu einer Besserung der subjektiven Beschwerden und zu einer Besserung der spirographischen Befunde gekommen ist. Ausgehend von einer bei der Untersuchung vom 16.11.1984 angenommenen Minderung der Erwerbsfähigkeit von 30 bis 40 % besteht beim Kläger noch immer eine Minderung von 20 %.

Hieraus zog das Erstgericht den rechtlichen Schluß, daß die Voraussetzungen für den Anspruch auf Versehrtenrente nach wie vor erfüllt seien, weil die Minderung der Erwerbsfähigkeit auch derzeit noch 20 v.H. betrage.

Das Berufungsgericht gab der gegen dieses Urteil erhobenen Berufung nicht Folge. Es übernahm die Feststellungen des Erstgerichts und führte aus, daß § 183 Abs 1 ASVG nach seinem Wortlaut nur die Frage regle, in welchem Sinn es zu einer Neufeststellung der Rente komme; aus den Gesetzesworten, wonach die Rente "neu" festzustellen sei, müsse ein wesentlicher Hinweis auf den Willen des Gesetzgebers abgeleitet werden, daß nicht prozentmäßig die alte Rente zu erhöhen oder herabzusetzen sei, sondern daß unter der Voraussetzung einer wesentlichen Änderung die Rente neu festgesetzt werden müsse. Fehler bei der Bemessung der bisherigen Rente könnten zwar nicht für die Vergangenheit korrigiert, müßten aber nicht in die neu festzusetzende Rente übernommen werden. Der Fall, daß trotz einer wesentlichen Änderung die Versehrtenrente wieder in gleicher Höhe festgesetzt werde, sei daher durch das Gesetz gedeckt. Im übrigen sei eine Besserung im Fall der Berufskrankheit Asthma bronchiale nur dann anzunehmen, wenn der Versicherte wieder seine bisherige Tätigkeit aufnehmen könne; dies habe die beklagte Partei nicht einmal behauptet. Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision der beklagten Partei aus dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung.

Die klagende Partei beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht berechtigt.

Die beklagte Partei vertritt die Auffassung, daß zum Vergleich dafür, ob eine wesentliche Änderung der Verhältnisse im Sinne des § 183 Abs 1 ASVG eingetreten sei, von dem der Zuerkennungsentscheidung zugrundegelegten Tatsachenkomplex und der auf dieser Grundlage ermittelten Minderung der Erwerbsfähigkeit auszugehen sei. Nach den Feststellungen sei im Zustand des Klägers eine wesentliche Besserung eingetreten; der Grad der Minderung der Erwerbsfähigkeit habe sich verringert. Da die Dauerrente bisher mit 20 v.H. der Vollrente festgestellt gewesen sei, ergab sich nunmehr eine Minderung der Erwerbsfähigkeit von weniger als 20 v.H., so daß die Voraussetzungen für die Entziehung der Rente vorlägen; der Umstand, daß die Dauerrente - ausgehend von dem der Zuerkennungsentscheidung zugrundegelegten Zustand - zu gering bemessen gewesen sei, habe außer Betracht zu bleiben. Diesen Ausführungen kann nicht beigetreten werden. Gemäß § 183 Abs 1 ASVG hat der Träger der Unfallversicherung bei einer wesentlichen Änderung der Verhältnisse, die für die Feststellung der Rente maßgebend waren, die Rente auf Antrag oder von Amts wegen neu festzustellen. Zum Vergleich dafür, ob eine wesentliche Änderung der Verhältnisse eingetreten ist, ist der Tatsachenkomplex heranzuziehen, der jener Entscheidung zugrunde lag, deren Rechtskraftwirkung bei unveränderten Verhältnissen einer Neufeststellung der Rente im Wege steht. Eine früher unrichtige Einschätzung der Minderung der Erwerbsfähigkeit kann nicht im Weg des § 183 Abs 1 ASVG korrigiert werden. Die Neufeststellung der Rente kann dabei allerdings nicht ohne jede Berücksichtigung der aktuellen Situation, insbesondere nicht ohne Berücksichtigung der weiterhin bestehenden Minderung der Erwerbsfähigkeit erfolgen. Dies würde zu dem von der beklagten Partei vertretenen Ergebnis führen, daß ein Versehrter, der sich mit einer zu gering bemessenen Rente zufrieden gab, bei einer Besserung seines Zustandes eine Herabsetzung oder die Entziehung der Rente in Kauf nehmen müßte, obwohl auf Grund des zum Zeitpunkt der Nachuntersuchung bestehenden Zustandes die Voraussetzungen für die Gewährung der Rente im bisherigen Ausmaß weiterhin vorliegen. Die Untergrenze für die Herabsetzung einer Rentenleistung im Fall ihrer Neubemessung gemäß § 183 Abs 1 ASVG bildet daher der durch den im Zeitpunkt der Neufestsetzung bestehenden Zustand bedingte Grad der Minderung der Erwerbsfähigkeit.

Auf Grund des festgestellten Sachverhaltes ergibt sich, daß beim Kläger eine Minderung der Erwerbsfähigkeit von 20 v.H. besteht, sodaß die Voraussetzungen für die Entziehung der Leistung nicht gegeben sind.

Der Revision mußte daher ein Erfolg versagt bleiben. Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 77 Abs 1 lit a ASGG.

Anmerkung

E11224

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1987:009OBS00013.87.0715.000

Dokumentnummer

JJT_19870715_OGH0002_009OBS00013_8700000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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