TE OGH 1987/7/23 13Os99/87

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Veröffentlicht am 23.07.1987
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 23.Juli 1987 durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Felzmann als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Müller, Dr. Lachner, Dr. Brustbauer und Dr. Kuch als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Sailler als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Johann D*** wegen des Vergehens der schweren Körperverletzung nach §§ 83 Abs 1, 84 Abs 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengerichts vom 10.März 1987, GZ. 2 b Vr 12.724/86-17, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Über die Berufung wird in einem Gerichtstag zur öffentlichen Verhandlung entschieden werden.

Text

Gründe:

Der Hilfsarbeiter Johann D*** ist des Vergehens der schweren Körperverletzung nach §§ 83 Abs 1, 84 Abs 1 StGB schuldig erkannt worden. Darnach hat er am 28.Juni 1986 in Wien Roman S*** durch einen wuchtigen Schlag auf den Mund vorsätzlich schwer verletzt (Verlust der beiden mittleren Schneidezähne des Oberkiefers und ein Kronenbruch am zweiten linken oberen Schneidezahn), was eine vierundzwanzig Tage übersteigende Gesundheitsschädigung zur Folge hatte.

Rechtliche Beurteilung

Diesen Schuldspruch bekämpft der Angeklagte aus § 281 Abs 1 Z. 4 und Z. 9 lit a StPO mit Nichtigkeitsbeschwerde. Eine Verkürzung seiner Verteidigungsrechte (Z. 4) erblickt der Angeklagte in der Abweisung der von seinem Verteidiger in der Hauptverhandlung beantragten "Ladung der Zeugin Eva N*** zum Beweis (dafür), daß drei Burschen (das Opfer Roman S*** und seine beiden Begleiter) sich so an den Angeklagten heranbewegten, daß dieser sich bedroht fühlte" (S. 96).

In seinem Zwischenerkenntnis wies der Schöffensenat darauf hin, daß "auf Grund der Zeugenaussage der Mutter des Angeklagten (Erika H***, einer Freundin der Eva N***) hervorgeht, daß diese (beantragte) Zeugin ebenfalls keine unmittelbare Tatzeugin war" (S. 97). In den Urteilsgründen wird dazu noch nachgetragen, daß beide Frauen damals gemeinsam unterwegs waren und somit die gleichen Sichtverhältnisse hatten, wozu noch komme, daß der Sachverhalt schon allein nach der Verantwortung des Angeklagten klar zu sein scheine (S. 109).

Die Verfahrensrüge schlägt nicht durch.

Noch vor dem in Rede stehenden Beweisantrag hat Erika H*** als Zeugin ausgesagt, sie sei damals in Begleitung ihrer Freundin Eva N*** und deren kleiner Tochter gewesen, als sie (von einer Brücke aus) noch gesehen habe, wie drei Burschen auf ihren Sohn zugingen, weshalb sie und ihre Freundin die Stufen (der Brücke) hinuntergegangen seien. Unten angekommen, sei ihr Sohn auf sie zugekommen und sie habe bemerkt, daß er "Blut an der Hand" hatte. Sie habe nicht immer Blickkontakt zu ihrem Sohn gehabt, weil N*** und sie "ja erst über die Stufen der Brücke hinuntergehen mußten."

Und (über Befragung durch den Verteidiger) sodann wörtlich: "Ich habe nicht gesehen, wie einer der drei Burschen auf meinen Sohn losgegangen wäre, sie sind nur auf ihn zugegangen" (S. 94, 95). Nach der Verantwortung des Angeklagten hat keiner der Burschen zugeschlagen und wußte er auch nicht, "ob damals einer der drei Burschen irgendetwas gesagt hat" (S. 88).

Diese Beweislage hätte schon zur Zeit der Antragstellung der Anführung besonderer Gründe bedurft, weshalb trotz der ungünstigen Sichtposition zum Tatort, die auch der Zeugin H*** dessen Beobachtung zur Tatzeit verwehrte, von Eva N*** dennoch eine Aufklärung über eine der Tat unmittelbar vorangehende Geschehensphase erwartet werden konnte (Gebert-Pallin-Pfeiffer III/2, zu § 281 Z. 4, Nr. 4bbb). Schließlich betrifft aber die angestrebte Beweisführung, genau besehen, eine Gefühlsregung des Angeklagten ("so ... herantraten, daß dieser sich bedroht fühlte"), die, wenn sie - wie hier - durch keine adäquate Reaktion nach außen in Erscheinung tritt, einer Beobachtung durch Dritte unzugänglich und daher insoweit schon vom Beweisthema her einer Objektivierung und damit einer Wiedergabe durch die Zeugenaussage eines Dritten entzogen ist. Von einer "vorgreifenden Beweiswürdigung" kann daher - trotz der mißverständlichen Formulierung (S. 109) - hier nicht gesprochen werden.

Die Rechtsrüge, die Feststellungen zu einer Notwehrsituation oder einer allenfalls irrigen Vorstellung des Angeklagten von einer solchen vermißt (und damit § 281 Abs 1 Z. 9 lit b StPO) geltend macht, ist nicht prozeßordnungsgemäß ausgeführt, weil sie die auf zureichender Beweisgrundlage Notwehr oder Putativnotwehr ausschließenden Urteilsfeststellungen (S. 107 ff.) ignoriert, von denen eine Rechtsrüge in gesetzmäßiger Darstellung aber auszugehen hat.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war demnach teils als offenbar unbegründet, teils als nicht gesetzmäßig ausgeführt schon bei einer nichtöffentlichen Beratung zurückzuweisen (§§ 285 d Abs 1 Z. 2; 285 d Abs 1 Z. 1, 285 a Z. 2 StPO).

Zur Verhandlung und Entscheidung über die Berufung wird ein Gerichtstag angeordnet werden (§ 296 Abs 3 StPO).

Anmerkung

E11672

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1987:0130OS00099.87.0723.000

Dokumentnummer

JJT_19870723_OGH0002_0130OS00099_8700000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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