TE OGH 1987/8/12 14Os104/87

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Veröffentlicht am 12.08.1987
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 12.August 1987 durch den Senatpräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Faseth als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr. Steininger, Dr. Walenta, Dr. Lachner und Dr. Massauer als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Kleindienst-Passweg als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Josef Max P*** wegen des Verbrechens der Hehlerei nach § 164 Abs. 1 Z 2 und Abs. 3 letzter Fall StGB und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Schöffengericht vom 30. April 1987, GZ 35 Vr 2941/86-28, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Nichtigkeitsbeschwerde wird teilweise Folge gegeben, das angefochtene Urteil, das im übrigen unberührt bleibt, im Schuldspruch wegen des Vergehens der Vereitelung behördlich angeordneter Erziehungsmaßnahmen nach § 196 Abs. 1 StGB (Punkt II des Urteilssatzes) und demzufolge auch im Strafausspruch (einschließlich des Ausspruchs nach § 38 StGB) aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung im Umfang der Aufhebung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Im übrigen wird die Nichtigkeitsbeschwerde zurückgewiesen. Mit ihren Berufungen werden der Angeklagte und die Staatsanwaltschaft auf diese Entscheidung verwiesen. Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die den erfolglos gebliebenen Teil seiner Nichtigkeitsbeschwerde betreffenden Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der jetzt 36-jährige Josef Max P*** (I.) des Verbrechens der Hehlerei nach § 164 Abs. 1 Z 2 und Abs. 3 letzter Fall StGB, (II.) des Vergehens der Vereitelung behördlich angeordneter Erziehungsmaßnahmen nach § 196 Abs. 1 StGB und (III.) des Verbrechens des Diebstahls durch Einbruch nach §§ 127 Abs. 1 und Abs. 2 Z 1, 129 Z 1 StGB schuldig erkannt. Darnach hat er in Innsbruck

(zu I) am 11. und (teilweise am) 12.November 1985 nachstehende von dem abgesondert verfolgten Peter S*** durch Einbruch gestohlene Sachen, nämlich 165,50 S Bargeld, Zigaretten im Wert von 23.258,27 S, Stempelmarken im Wert von 1.692,71 S und Briefmarken im Wert von 2.556,10 S, mithin Sachen, die ein anderer durch eine aus einem anderen Grund als wegen gewerbsmäßiger Begehung mit fünf Jahre erreichender Freiheitsstrafe bedrohte Handlung gegen fremdes Vermögen erlangt hatte, dadurch, daß er Peter S*** für die bezeichnete Diebsbeute seine Wohnung als Versteck zur Verfügung stellte, verheimlicht und durch den Verbrauch mehrerer Packungen Zigaretten diese auch an sich gebracht, wobei ihm der die erwähnte Strafdrohung begründende Umstand bekannt war;

(zu II) in der Zeit von Mitte Dezember 1985 bis 27.Jänner 1986 die am 21.September 1967 geborene, in Fürsorgeerziehung eingewiesene Gabriele G*** dadurch, daß er sie anläßlich ihres Entweichens aus dem Erziehungsheim St. Martin in Schwaz in seine Wohnung aufnahm, einer behördlich angeordneten Erziehungsmaßnahme entzogen, und (zu III) am 31.Jänner 1986 in Gesellschaft der abgesondert verfolgten Ulrike R*** als Beteiligte (§ 12 StGB) fremde bewegliche Sachen, nämlich eine Sparbüchse mit 58 S Inhalt, drei Zimmerschlüssel und drei Trinkgläser je unbekannten Wertes der Marianne G*** durch Einsteigen in deren Wohnung mit dem Vorsatz weggenommen, sich durch die Sachzueignung unrechtmäßig zu bereichern. Der Angeklagte bekämpft den Schuldspruch mit einer auf die Z 5 und 9 lit a des § 281 Abs. 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde. Die Mängelrüge zum Schuldspruchfaktum I (wegen Hehlerei) erschöpft sich unter ersichtlicher Verkennung des Wesens der tatrichterlichen Beweiswürdigung sowie der Art und des Umfanges der gesetzlichen Begründungspflicht (§ 270 Abs. 2 Z 5 StPO) in einer Erörterung der Glaubwürdigkeit und Beweiskraft der vom Gericht insoweit verwerteten Beweismittel; indem der Beschwerdeführer andere für ihn günstigere Schlußfolgerungen gezogen wissen will, bekämpft er solcherart - zudem bei gleichzeitiger Übergehung bedeutsamer Darlegungen des Urteils - in unzulässiger und damit unbeachtlicher Weise die erstgerichtliche Beweiswürdigung nach Art einer Schuldberufung.

So hat das Schöffengericht den Schuldspruch wegen (qualifizierter) Hehlerei nicht nur auf die für glaubwürdig erachteten Angaben des Zeugen S*** vor der Bundespolizeidirektion Innsbruck (S 53), er habe dem Angeklagten "vom Einbruch erzählt", sondern auch darauf gestützt, daß der Angeklagte - der seinen Angaben zufolge wußte, daß S*** damals mit einem "gestohlenen" PKW unterwegs war (S 59) - vor der Polizei selbst (noch) zugab, S*** habe ihm gesagt, daß "er die Zigaretten gestohlen hat" (S 61, 239, 240), wobei das Urteil auch zum Ausdruck bringt, warum die Tatrichter den insoweit abweichenden Angaben des genannten Zeugen vor dem Untersuchungsrichter (S 183 f) und in der Hauptverhandlung (S 232 f) keinen Glauben schenkten (S 239, 240). Angesichts der detaillierten Angaben des Zeugen S*** über den Tathergang (vgl S 51, 53) und der vom Schöffengericht im Zusammenhang damit (gemäß § 258 Abs. 2 StPO) verwerteten Verantwortung des Angeklagten vor der Polizei war dieses jedenfalls nicht gehalten, sich mit der Frage der Alkoholisierung des Zeugen zur Tatzeit näher auseinanderzusetzen.

Ebenfalls auf das ihm verwehrte Gebiet der Beweiswürdigung begibt sich der Angeklagte aber auch mit dem Beschwerdeeinwand zum Urteilsfaktum III (wegen Diebstahls), das Erstgericht - das sich in den Urteilsgründen mit den Angaben der Zeugin Ulrike R*** ohnedies ausführlich auseinandergesetzt hat (vgl S 240 f) - habe das Naheverhältnis zwischen dieser für glaubwürdig erachteten, ihn belastenden Zeugin und dem Zeugen Stefan M*** zu wenig berücksichtigt, zumal "keinesfalls auszuschließen" sei und "noch viel eher auf der Hand liege", daß diese Zeugin den Vater ihres Kindes "nicht belasten wolle". Der Beschwerdeführer übersieht zudem, daß sich das Urteil nicht im voraus mit allen Einwendungen gegen die Glaubwürdigkeit eines Belastungszeugen auseinandersetzen mußte, sofern es nur - wie vorliegend geschehen - jene Erwägungen in gedrängter Darstellung anführt, aus welchen die Tatrichter dieser Zeugin Glauben schenkten (S 240, 241).

In diesem Umfang war demnach die Nichtigkeitsbeschwerde nach Anhörung der Generalprokuratur gemäß § 285 d Abs. 1 Z 1 StPO in Verbindung mit § 285 a Z 2 StPO schon bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen.

Rechtliche Beurteilung

Berechtigt ist die Beschwerde jedoch, soweit sie gegen den Schuldspruch wegen des Vergehens nach § 196 Abs. 1 StGB (Punkt II) unter dem Gesichtspunkt einer Unvollständigkeit (Z 5), aber auch im Rahmen der Rechtsrüge (Z 9 lit a) ins Treffen führt, das Ersturteil habe die mit den Angaben der Zeugin G*** im wesentlichen im Einklang stehende Verantwortung des Angeklagten unberücksichtigt gelassen, wonach er anfangs nicht gewußt habe, daß Gabriele G*** aus dem Erziehungsheim entwichen sei, er ihr ab Kenntnis dieses Umstandes ohnedies geraten habe, in das Heim zurückzukehren, sie jedoch keinesfalls rückkehrwillig gewesen sei und er das Mädchen, das zudem schwanger war, nicht auf die Straße stellen wollte (vgl insbesondere S 203, 211, 232, 233).

Das Schöffengericht hat in Ansehung des in Rede stehenden Schuldspruchs lediglich festgestellt (S 239), daß der Angeklagte Mitte Dezember 1985 die genannte Frauensperson in Kenntnis des Umstandes, daß sie aus dem Erziehungsheim St. Martin geflüchtet war, bei sich aufnahm, ihr bis 27.Jänner 1986 Unterkunft gewährte und in dieser Zeit auch eine intime Beziehung mit ihr einging. Beweiswürdigend führte es hiezu noch aus (S 240), daß der Angeklagte, der sich zwar schuldig bekannte, jedoch angegeben habe, er wollte den entwichenen Zögling nicht den Gefahren der Straße aussetzen, übersehe, daß er das Mädchen nicht etwa nur eine Nacht, sondern wochenlang beherbergt habe.

Abgesehen davon, daß sich das Geständnis des Angeklagten solcherart letztlich nur darauf bezieht, daß sich Gabriele G*** während des gemeinsamen Beisammenseins im Erziehungsheim St. Martin hätte aufhalten müssen, hätte sich das Schöffengericht, welches der bezüglichen Verantwortung des Angeklagten lediglich die Dauer der Vereitelung der Erziehungsmaßnahme entgegenhält, zur Klärung vor allem auch der subjektiven Tatseite mit jenen zuvor wiedergegebenen Punkten der Verantwortung des Angeklagten detailliert auseinandersetzen müssen, zumal der Aktenlage zu entnehmen ist (vgl S 149), daß sich Gabriele G*** - die mit dem Beschwerdeführer derzeit offenbar eine Lebensgemeinschaft unterhält (vgl S 209, 233) - während des vom Schuldspruch (laut Punkt II) erfaßten Zeitraums keineswegs durchgehend bei dem Angeklagten aufgehalten hat, vielmehr - wie ihren Angaben zu entnehmen ist - Mitte Jänner 1986 abermals aus dem Erziehungsheim entwichen ist und sich zum Angeklagten begeben hat. Des weiteren hätte es ausdrücklicher Konstatierungen darüber bedurft, wann dem Angeklagten bekannt wurde, daß G*** aus dem Erziehungsheim entwichen war und welche Auskunft ihm in diesem Zusammenhang von den Tiroler Landesbehörden (vgl S 151) erteilt wurde. Eine Erörterung all dieser Punkte ist vor allem deshalb von entscheidungswesentlicher Bedeutung, weil - mag auch eine Hilfeleistung zur Selbstentziehung einer minderjährigen Person im Hinblick darauf, daß die Entziehung aus einer Erziehungsmaßnahme solange währt, bis der Zweck der Erziehungsmaßnahme vereitelt ist, auch durch Unterkunftsgewährung nach einer Entweichung der minderjährigen Person begangen werden können - für den Fall, daß sich die entwichene (minderjährige) Person aus eigenem Entschluß zu einem Dritten begeben hat und ohne psychische Beeinflussung durch ihn nicht rückkehrwillig ist, sich vielmehr nur auf der Straße herumtreiben würde (und unter keinen Umständen in das Erziehungsheim zurückgekehrt wäre), dieser nicht aktiv zur Schaffung oder Aufrechterhaltung des rechtswidrigen Zustandes beigetragen hat (vgl hiezu Pallin im WK § 196 Rz 6 und 7, § 195 Rz 8 und die dort zitierte Judikatur).

Die damit aufgezeigten, vom Beschwerdeführer zutreffend gerügten und entscheidungswesentlichen Begründungs- und Feststellungsmängel des Urteils machen im davon betroffenen Umfang eine Verfahrenserneuerung in erster Instanz unerläßlich, sodaß insoweit in Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde nach Anhörung der Generalprokuratur schon bei einer nichtöffentlichen Beratung wie im Spruch zu erkennen war (§ 285 e StPO).

Mit ihren Berufungen waren der Angeklagte und die Staatsanwaltschaft auf die Aufhebung des Strafausspruchs zu verweisen.

Anmerkung

E11676

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1987:0140OS00104.87.0812.000

Dokumentnummer

JJT_19870812_OGH0002_0140OS00104_8700000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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