TE OGH 1987/9/1 2Ob2/87

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Veröffentlicht am 01.09.1987
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Scheiderbauer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kralik, Dr. Melber, Dr. Kropfitsch und Dr. Huber als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei F*** V***-AG, D-6000 Frankfurt am Main, Taunusanlage 18, Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch Dr. Kurt Hanusch, Rechtsanwalt in Leoben, wider die beklagte Partei Firma T*** & S***, Speditions- und Transportgesellschaft m.b.H., 8940 Liezen, Admonter-Straße 70, vertreten durch Dr. Alois Kitzmüller, Rechtsanwalt in Liezen, wegen S 511.735,-- s.A. (Revisionsstreitwert S 166.280,-- s.A.), infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgerichtes vom 28. Oktober 1986, GZ 7 R 144/86-72, womit infolge Berufungen beider Parteien das Urteil des Kreisgerichtes Leoben vom 21. April 1986, GZ 4 Cg 239/85-64, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 7.753,05 (darin S 960,-- Barauslagen und S 617,55 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Am 10. Jänner 1979 ereignete sich auf der Bundesstraße Nr. 113 (Schoberpaßbundesstraße) im Gemeindegebiet von Kalwang ein Verkehrsunfall, an dem ein vom jugoslawischen Staatsbürger Ljubisar M*** gelenkter und gehaltener, bei der Klägerin haftpflichtversicherter PKW Opel Rekord, ein von Josef H*** gelenkter, von der Beklagten gehaltener Sattelzug, sowie ein von Ernst B*** gelenkter LKW-Zug der Firma Johann S*** beteiligt waren. Hiebei wurde Ernst B*** verletzt, das Sattelfahrzeug der Beklagten und der LKW-Zug der Firma Johann S*** wurden beschädigt. Weitere Sachschäden erlitten die R*** Ö*** als

Straßenerhalter und die Firma I*** als Eigentümer eines an die Bundesstraße im Bereich der Unfallsstelle angrenzenden Grundstückes. Der Versicherungsnehmer der Klägerin, Ljubisar M***, wurde wegen dieses Unfalles zunächst mit dem rechtskräftigen Urteil vom 11. Jänner 1979, 3 U 1518/80-4 des Bezirksgerichtes Leoben, des Vergehens der fahrlässigen Körperverletzung nach § 88 Abs 4 erster Fall StGB schuldig erkannt. Die Klägerin erbrachte in der Folge im Wege ihres österreichischen Korrespondenzunternehmens an die Beklagte ausgehend von einem Mitverschulden ihres Versicherungsnehmers von 50 % und unter Berücksichtigung einer Leistung aus der Kaskoversicherung eine Ersatzleistung von S 166.280,--. An die übrigen Geschädigten erbrachte die Klägerin (inklusive Schadensregulierungskosten) Leistungen von insgesamt S 1,184.102,--, darin enthalten eine Verdienstentgangsentschädigung der Firma Johann S*** in der Höhe von S 140.000,--. In weiterer Folge wurde der Versicherungsnehmer der Klägerin nach Wiederaufnahme des Strafverfahrens mit dem Urteil des Bezirksgerichtes Leoben vom 1. September 1981, 3 U 1518/80-48, von der wider ihn erhobenen Anklage, den Unfall vom 10. Jänner 1979 durch Vorrangverletzung verschuldet zu haben, gemäß § 259 Z 3 StPO rechtskräftig freigesprochen. Auf Grund der Ergebnisse des gegenständlichen Verfahrens sowie des zwischen den Streitteilen mit vertauschten Parteirollen anhängig gewesenen Verfahrens 3 Cg 172/81 des Kreisgerichtes Leoben trifft den Versicherungsnehmer der Klägerin am Unfall vom 10. Jänner 1979 kein Verschulden. Das Alleinverschulden am Zustandekommen dieses Unfalles trifft vielmehr den Lenker des Sattelzuges der Beklagten, Josef H***.

Mit der am 8. Jänner 1982 eingebrachten Klage begehrte die Klägerin die Verurteilung der Beklagten zur Rückzahlung des an sie direkt geleisteten Betrages von S 166.280,-- sowie des durch die Haftpflichtversicherung der Beklagten nicht gedeckten Teiles ihrer Ersatzleistungen an die geschädigten Dritten (einschließlich der Schadensregulierungskosten) in der Höhe von S 345.455,--, zusammen somit eines Betrages von S 511.735,-- s.A. Sie brachte vor, zufolge Wegfalles des verurteilenden Straferkenntnisses hinsichtlich ihres Versicherungsnehmers und angesichts des Umstandes, daß den Lenker des Fahrzeuges der Beklagten das Alleinverschulden am Unfall treffe, stehe fest, daß die Klägerin ihre Leistung an die Beklagte sowie an die übrigen Geschädigten ohne Verpflichtung erbracht habe. Die Beklagte habe demnach die ihr unmittelbar erbrachten Leistungen zurückzustellen sowie auch die an die übrigen Geschädigten erbrachten Leistungen zu ersetzen.

Die Beklagte beantragte Klagsabweisung. Sie wendete - soweit es im Revisionsverfahren noch von Bedeutung ist - ein, die Zahlung des Betrages von S 166.280,-- an die Beklagte sei keinesfalls irrtümlich, sondern vielmehr auf Grund eines mit der Klägerin geschlossenen Teilvergleiches erfolgt. Die Leistung an die Firma Johann S*** aus dem Titel des Verdienstentganges sei nicht in der vollen Höhe angebracht gewesen. Dieser Verdienstentgang belaufe sich auf höchstens S 50.000,--. Hinsichtlich der weiteren Leistungen an die Firma Johann S*** in der Höhe von zusammen S 35.146,-- liege Verjährung vor. Bezüglich der Aufwendungen der Klägerin für die Schadensregulierung in der Höhe von S 13.459,-- bestehe grundsätzlich kein Rückforderungsanspruch.

Das Erstgericht sprach der Klägerin S 345.455,-- s.A. zu und wies das Mehrbegehren auf Zahlung eines weiteren Betrages von S 166.280,-- s.A. ab, wobei es außer dem eingangs wiedergegebenen, im Rechtsmittelverfahren unbestrittenen Sachverhalt noch folgende für das Revisionsverfahren wesentliche Feststellungen traf:

Die Beklagte forderte mit dem Schreiben ihres Rechtsvertreters vom 11. Jänner 1979 von der Klägerin einen Betrag von S 600.000,-- als Akontozahlung und machte Gesamtansprüche aus dem gegenständlichen Unfall in der Höhe von S 900.000,-- geltend. Am 6. April 1979 kam es in Graz zu einer Besprechung zwischen dem Beklagtenvertreter und der Sachbearbeiterin des österreichischen Korrespondenzunternehmens der Klägerin, der W*** A*** V***-AG, Dr. Hartwigis M***, bei der die Ersatzansprüche der Beklagten mit S 380.224,-- außer Streit gestellt wurden, wobei die Beklagte vom Alleinverschulden des Versicherungsnehmers der Klägerin, Ljubisar M***, ausging. Dr. M*** behauptete ein Mitverschulden des Lenkers der Beklagten und erklärte, lediglich den Hälftebetrag der außer Streit gestellten Summe zuzüglich der bis dahin anerlaufenen Kosten zu bezahlen. Ferner wurde bei dem Gespräch zwischen Dr. M*** und dem Beklagtenvertreter vereinbart, daß die Beklagte die restlichen 50 % ihrer Forderung klageweise geltend machen werde, wobei die Klägerin in diesem Prozeß keine Kompensandoeinwendungen erheben werde. In der Folge erbrachte die W*** A*** V***-AG im Auftrag der Klägerin die

entsprechende Leistung an die Beklagte.

Zur Rechtsfrage führte das Erstgericht aus, den Betrag von S 166.280,-- habe die Klägerin der Beklagten auf Grund eines konstitutiven Anerkenntnisses geleistet, das einen selbständigen Verpflichtungsgrund darstelle. Die Klägerin könne sich daher diesbezüglich weder auf den Wegfall des ursprünglichen Rechtsgrundes der Leistung noch auf irrtümliche Zahlung berufen. Im übrigen sei das Rückforderungsbegehren jedoch berechtigt, weil der rechtliche Grund, die Leistung zu behalten, für die Beklagte als Leistungsempfänger durch den Freispruch des Versicherungsnehmers der Klägerin weggefallen sei. Die an die geschädigten Dritten erbrachten Leistungen seien rückforderbar, weil die Beklagte insoweit von einer Schuld befreit worden und damit bereichert sei.

Die Berufungen beider Streitteile gegen das Urteil des Erstgerichtes blieben erfolglos.

Das Berufungsgericht übernahm die Feststellungen des Erstgerichtes als unbedenklich und billigte auch die rechtliche Beurteilung der ersten Instanz; es erklärte die Revision gemäß § 502 Abs 4 Z 1 ZPO für zulässig.

Gegen das Urteil des Berufungsgerichtes, soweit damit die Abweisung eines Betrages von S 166.280,-- s.A. durch das Erstgericht bestätigt wurde, wendet sich die Revision der Klägerin aus dem Anfechtungsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag auf Abänderung im Sinne des Zuspruches des genannten Betrages. Die Beklagte beantragte in ihrer Revisionsbeantwortung, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig (§ 502 Abs 4 Z 1 ZPO), aber nicht berechtigt.

Die Klägerin bestreitet in ihrem Rechtsmittel das Vorliegen eines konstitutiven Anerkenntnisses, weil bei der maßgeblichen Besprechung zwischen dem Beklagtenvertreter und ihrer Vertreterin Dr. M*** beide davon ausgegangen seien, daß mit Rücksicht auf die strafgerichtliche Verurteilung des Versicherungsnehmers der Klägerin diesen wegen einer ihm anzulastenden Vorrangverletzung das Verschulden an dem Verkehrsunfall treffe. Es sei daher von der Klägerin kein bezweifeltes Recht zugestanden worden; weiters habe die Beklagte vollen Ersatz des der Höhe nach unstrittigen Schadens begehrt. Die Vertreterin der Klägerin habe aber diesem Verlangen nicht nachgegeben, sondern sich nur bereit erklärt, einen Teil der geltend gemachten Forderung zu bezahlen. Die andere Hälfte hätte nach dem Ergebnis der Besprechung zwischen dem Beklagtenvertreter und Dr. M*** die Beklagte nur im Wege eines Prozesses erringen können. Es fehle somit dem Ergebnis der Besprechung zwischen den Parteien eine weitere wesentliche Voraussetzung für die Annahme eines Anerkenntnisses, nämlich das Zugeständnis durch einseitiges Nachgeben. Aber auch dann, wenn man annehmen würde, daß anläßlich der Besprechung zwischen den Vertretern der Parteien ein konstitutives Anerkenntnis zustande gekommen wäre, könnte dies die Klägerin mit Erfolg anfechten. Ein Anerkenntnisvertrag könne nach den Regeln des Vergleiches angefochten werden. Dort sei eine Anfechtung bei Vorliegen der sonstigen Voraussetzungen (§§ 870 ff ABGB) dann möglich, wenn ein Irrtum über die Vergleichsgrundlage, die nicht der Streitbereinigung unterworfen sein sollte, vorliege. Dies wäre aber in vorliegender Rechtssache der Fall. Beide Parteien seien nämlich von der zwischen ihnen nicht strittig gewesenen Voraussetzung ausgegangen, daß der Versicherungsnehmer der Klägerin rechtskräftig strafgerichtlich verurteilt wurde und ihn daher deshalb ein schadenersatzbegründendes Verschulden treffe. In diesem Umfange hätten aber die Parteien gemeinsam geirrt, da sich in der Folge herausstellte, daß die strafgerichtliche Verurteilung des Versicherungsnehmers der Klägerin zu Unrecht und damit irrtümlich erfolgt sei. Bei beiderseitiger irrtümlicher Voraussetzung sei aber auch ein Vergleich, und damit auch ein konstitutives Anerkenntnis gleich wie jeder andere Vertrag, anfechtbar.

Diesen Ausführungen kann nicht gefolgt werden.

Nach den vom Berufungsgericht übernommenen Feststellungen des Erstgerichtes forderte die Beklagte von der Klägerin einen Betrag von S 600.000,-- als Akontozahlung und machte Gesamtansprüche aus dem gegenständlichen Unfall in der Höhe von S 900.000,-- geltend. Am 6. April 1979 kam es in Graz zu einer Besprechung zwischen dem Beklagtenvertreter und der Sachbearbeiterin des österreichischen Korrespondenzunternehmens der Klägerin, der W*** A*** V***-AG, Dr. Hartwigis M***, bei der die Ersatzansprüche der Beklagten mit S 380.224,-- außer Streit gestellt wurden, wobei die Beklagte vom Alleinverschulden des Versicherungsnehmers der Klägerin, Ljubisar M***, ausging. Dr. M*** behauptete ein Mitverschulden des Lenkers der Beklagten und erklärte, lediglich den Hälftebetrag der außer Streit gestellten Summe zuzüglich der bis dahin anerlaufenen Kosten bezahlen zu wollen. Ferner wurde bei dem Gespräch zwischen Dr. M*** und dem Beklagtenvertreter vereinbart, daß die Beklagte die restlichen 50 % ihrer Forderung klageweise geltend machen werde, wobei die Klägerin in diesem Prozeß keine Kompensandoeinwendungen erheben werde. In der Folge erbrachte die W*** A*** V***-AG im Auftrag der Klägerin die

entsprechende Leistung.

Das Berufungsgericht hat zutreffend das konstitutive Anerkenntnis als zweiseitiges Rechtsgeschäft definiert, das dadurch zustandekommt, daß der Gläubiger auf Grund eines bestimmten Sachverhaltes ernstlich das Bestehen einer Forderung behauptet und der Schuldner die Zweifel am Bestehen der Forderung durch sein Anerkenntnis beseitigt. Das konstitutive Anerkenntnis gehört damit zu den Feststellungsverträgen; es ist dem Vergleich im Sinne der §§ 1380 ff ABGB nahe verwandt, unterscheidet sich jedoch von ihm dadurch, daß der andere Teil nicht nachgibt. Das konstitutive Anerkenntnis begründet das anerkannte Schuldverhältnis auch für den Fall, daß es nicht bestanden haben sollte und schafft somit eine neue selbständige Verpflichtung.

Ob ein konstitutives Anerkenntnis vorliegt, ist durch Auslegung des Parteiwillens im Einzelfall zu ermitteln. Dabei sind vor allem die mit dem Anerkenntnis verfolgten Zwecke, die beiderseitige Interessenlage und die allgemeine Verkehrsauffassung über die Bedeutung eines solchen Anerkenntnisses maßgebend. Da aber auch beim konstitutiven Anerkenntnis die Vertrauenstheorie gilt, ist unter dem Parteiwillen nicht eine nicht erklärte oder nicht erkennbare Absicht des Erklärenden zu verstehen. Es kommt also nicht auf die wahre Absicht des Erklärenden, sondern darauf an, welchen Eindruck der Vertragspartner aus dem Verhalten des Erklärenden redlicherweise haben mußte (EvBl 1979/45 und EvBl 1981/122 mit weiteren Literatur- und Judikaturhinweisen, 8 Ob 575/83 ua). Wendet man diese Grundsätze auf den vorliegenden Fall an, erweist sich die Rechtsansicht des Berufungsgerichtes über das Vorliegen eines konstitutiven Anerkenntnisses als zutreffend. Hinsichtlich der Hälfte der Ersatzansprüche der Beklagten, in welchem Betrage der Klagsanspruch Deckung findet, hat nämlich die Klägerin, wie das Berufungsgericht zutreffend erkannte, durch die Erklärung ihrer Vertreterin gegenüber dem Beklagtenvertreter die Zweifel am Bestand der von der Beklagten ernstlich erhobenen Schadenersatzforderung beseitigt, und zwar durch einseitiges Nachgeben. Wie dargelegt, ist das Anerkenntnis ein Feststellungsvertrag, der wegen Irrtums über das Bestehen der anerkannten Forderung nicht angefochten werden kann. Es unterscheidet sich vom Vergleich, wie ebenfalls bereits ausgeführt, nur dadurch, daß bei diesem jeder Teil etwas nachgibt, dem Anerkenntnis aber keine Gegenleistung des Gläubigers gegenübersteht. Gemeinsam ist dem Anerkenntnis und dem Vergleich aber die Bereinigungswirkung. Um sie zu ermöglichen, bestimmt § 1385 ABGB, daß ein Irrtum den Vergleich nur insoweit ungültig machen kann, als er die Wesenheit der Person oder des Gegenstandes betrifft. Daraus und im Zusammenhang mit § 1387 ABGB folgt, daß ein Irrtum darüber, wie weit die verglichene oder anerkannte Forderung zu Recht besteht, belanglos ist (vgl. SZ 45/20, EvBl 1961/248 ua). Die Anfechtung ist nach einhelliger Lehre und Rechtsprechung nur wegen eines Irrtums über die Vergleichsgrundlage, d.h. bei einem Irrtum über jene Umstände zulässig, die die Parteien als feststehend angenommen haben; weiters ist die Anfechtung auch zulässig, wenn der Gegner den Irrtum listig hervorgerufen hat (EvBl 1979/45; JBl 1977, 486; JBl 1975, 206; JBl 1964, 369 ua). Entgegen der Auffassung der Revision kann aber die irrige Nichterwartung einer späteren Änderung der bei Abgabe des Anerkenntnisses vorliegenden rechtskräftigen Verurteilung des Versicherungsnehmers der Klägerin etwa im Wege einer Wiederaufnahme des Strafverfahrens keinen beachtlichen Irrtum über die Umstände darstellen, die die Parteien als feststehend angenommen haben. Hiezu müßte nämlich der im Zeitpunkt der Abgabe des Anerkenntnisses als feststehend zugrunde gelegte Sachverhalt der Wirklichkeit nicht entsprochen haben. Es müßte sich um einen Irrtum über nach der Vorstellung der Parteien im genannten Zeitpunkt gegenwärtige Umstände gehandelt haben. Darunter ist alles zu verstehen, was die Parteien irrigerweise als geschehen oder bestehend angenommen haben. Ein Irrtum über Erwartungen in der Zukunft ist kein Irrtum im Sinne des § 1385 ABGB. Feststehender Sachverhalt, von dessen gegenwärtigem Bestehen die Vertragsteile bei Abgabe des Anerkenntnisses ausgegangen sind, war aber nur die rechtskräftige Verurteilung des Versicherungsnehmers der Klägerin und die sich daraus für die Beurteilung seines Mitverschuldens ergebenden Folgerungen. Darüber lag aber kein Irrtum der Vertragsschließenden vor, da die rechtskräftige strafgerichtliche Verurteilung des Versicherungsnehmers der Klägerin im Zeitpunkte der Abgabe des Anerkenntnisses der Wirklichkeit entsprach. Die bloße Nichterwartung einer Veränderung dieses gegebenen Zustandes durch Beseitigung der Verurteilung im Wege einer Wiederaufnahme des Strafverfahrens, sei es, daß an diese Möglichkeit überhaupt nicht gedacht wurde (mangelnde Vorstellung), sei es, daß diese Möglichkeit als unwahrscheinlich angesehen wurde (unrichtige Vorstellung), betrifft nicht den von den Parteien als bestehend angenommenen Sachverhalt, sondern nur die Einschätzung der Möglichkeit einer späteren Veränderung dieses Zustandes durch Eintreten oder Ausbleiben eines künftigen Ereignisses. Eine dabei unterlaufene Fehleinschätzung stellt weder einen beachtlichen Irrtum über den von den Parteien bei Abgabe des Anerkenntnisses als feststehend angenommenen Sachverhalt dar, noch kann sie als Wegfall einer typischen Voraussetzung im Sinne der Lehre über die Geschäftsgrundlage gewertet werden (vgl. SZ 47/102). Daß aber die Klägerin durch die Beklagte bezüglich des Bestehens der anerkannten Forderung listig in Irrtum geführt worden wäre, wurde weder behauptet noch ergeben sich hiefür aus dem Akteninhalt irgendwelche Anhaltspunkte.

In der Auffassung des Berufungsgerichtes, daß die Klägerin ihre Leistung an die Beklagte nicht unter Hinweis auf eine irrtümliche Bezahlung oder den Wegfall der Geschäftsgrundlage zurückfordern kann, ist daher keine unrichtige rechtliche Beurteilung zu erblicken. Der Revision war daher ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41 und 50 ZPO.

Anmerkung

E12031

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1987:0020OB00002.87.0901.000

Dokumentnummer

JJT_19870901_OGH0002_0020OB00002_8700000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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