TE OGH 1987/9/1 15Os62/87

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Veröffentlicht am 01.09.1987
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Der Oberste Gerichtshof hat am 1.September 1987 durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Friedrich als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Hörburger, Dr. Reisenleitner, Dr. Kuch und Dr. Massauer als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Bachinger als Schriftführerin in der Strafsache gegen Adolf S*** und eine Mitangeklagte wegen des Verbrechens der versuchten betrügerischen Krida nach §§ 15, 156 Abs. 1 StGB und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Adolf S*** gegen das Urteil des Landesgerichtes Linz als Schöffengericht vom 5.Februar 1987, GZ 27 Vr 1326/82-57, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Scheibenpflug, des genannten Angeklagten und dessen Verteidigers Dr. Moringer zu Recht erkannt:

Spruch

Der Nichtigkeitsbeschwerde wird Folge gegeben und das angefochtene Urteil, das im übrigen unberührt bleibt, im Schuldspruch laut Punkt A/III, im Strafausspruch sowie im Ausspruch über die privatrechtlichen Ansprüche aufgehoben.

Im Umfang der Aufhebung des Schuldspruchs, des darauf bezogenen Strafausspruchs und des Ausspruchs über die privatrechtlichen Ansprüche wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Im Umfang der Aufhebung des Strafausspruchs wegen der dem Angeklagten Adolf S*** weiterhin zur Last fallenden, von der teilweisen Aufhebung des Schuldspruchs unberührt gebliebenen strafbaren Handlungen wird gemäß § 288 Abs. 2 Z 3 StPO in der Sache selbst erkannt und der genannte Angeklagte gemäß §§ 28 Abs. 1, 41 Abs. 1 Z 5, 156 Abs. 1 StGB zu 5 (fünf) Monaten Freiheitsstrafe verurteilt.

Gemäß § 43 Abs. 1 StGB wird ihm diese Strafe unter Bestimmung einer Probezeit von 3 (drei) Jahren bedingt nachgesehen.

Text

Gründe:

Mit dem - auch den rechtskräftigen Freispruch (B) der Mitangeklagten Anna StÜ*** enthaltenden - angefochtenen Urteil wurde Adolf S*** (zu A/I.) des Verbrechens der versuchten betrügerischen Krida nach §§ 15, 156 Abs. 1 StGB, (zu A/II.) des Vergehens (richtig: der Vergehen) der fahrlässigen Krida nach § 159 Abs. 1 Z 1 und Z 2 StGB sowie (zu A/III.) des Vergehens nach § 114 Abs. 1 und Abs. 2 ASVG schuldig erkannt.

Darnach hat er (in Freistadt)

A/ I. im Mai 1982 versucht, einen Bestandteil seines Vermögens, nämlich das Guthaben aus dem Bausparvertrag Nr. 048-75782 der A*** B*** DER V*** im Betrag von 46.772 S,

beiseite zu schaffen und dadurch die Befriedigung seiner Gläubiger oder wenigstens eines von ihnen zu schmälern, indem er es dem Masseverwalter in dem über sein Vermögen eröffneten Konkurs verschwieg, den Bausparvertrag kündigte und die Bausparkasse anwies, dieses Guthaben auf das Konto Nr. 904-1039 der Volksbank Freistadt zu überweisen;

II./ fahrlässig

1. als Schuldner mehrerer Gläubiger

a/ in der Zeit von 1976 bis Ende 1977 seine Zahlungsunfähigkeit herbeigeführt, indem er anläßlich der Errichtung einer Werkshalle für seinen Tischlereibetrieb leichtsinnig und unverhältnismäßig Kredit benutzte sowie bei der Ausstattung dieses Betriebes mit Maschinen, Vorräten und Personal mit seinen Vermögensverhältnissen in auffallendem Widerspruch stehende Geschäfte abschloß, leichtsinnig Lieferantenkredite benutzte und nicht marktgerecht kalkulierte;

b/ in der Zeit vom 26.März 1981 bis zum 24.Juni 1981 in Kenntnis oder fahrlässiger Unkenntnis seiner Zahlungsunfähigkeit die Befriedigung seiner Gläubiger oder wenigstens eines von ihnen vereitelt oder geschmälert, indem er zu hohe Privatentnahmen tätigte, neue Schulden einging, alte Schulden bezahlte und die Geschäftsaufsicht, das Ausgleichsverfahren oder die Eröffnung des Konkurses nicht rechtzeitig beantragte; und

2. in der Zeit vom 1.Juli 1980 bis zum 25.März 1981 als geschäftsführender Gesellschafter der E***, P***- UND M*** GesmbH, somit gleich einem Schuldner mehrerer

Gläubiger (§ 161 Abs. 1 StGB), in Kenntnis oder fahrlässiger Unkenntnis der Zahlungsunfähigkeit dieser Gesellschaft die Befriedigung ihrer Gläubiger oder wenigstens eines von ihnen vereitelt oder geschmälert, indem er ohne ausreichende Eigenkapitalausstattung ihren Geschäftsbetrieb aufnahm, die offenen Verbindlichkeiten seines Tischlereibetriebes übernahm, leichtsinnig Kredit benutzte, nicht marktgerecht kalkulierte, neue Schulden einging, alte Schulden bezahlte und die Eröffnung des Konkurses nicht rechtzeitig beantragte; sowie

III. in den Monaten Jänner und Februar 1981 als geschäftsführender Gesellschafter der Firma E***,

P***- UND M*** GesmbH, somit als Dienstgeber,

Beiträge seiner Dienstnehmer zur Sozialversicherung im Gesamtausmaß

von 60.305,66 S einbehalten und der O***

G*** FÜR A*** UND A*** als berechtigtem Versicherungsträger vorenthalten.

Nur den (zuletzt wiedergegebenen) Schuldspruch wegen des Vergehens nach § 114 ASVG (A/III) bekämpft der genannte Angeklagte mit einer auf § 281 Abs. 1 Z 5 und 9 lit a StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde, der schon aus dem zuerst bezeichneten Grund Berechtigung zukommt.

Zur Widerlegung seiner Verantwortung in der Hauptverhandlung (S 431), er habe die im Jänner und Februar 1981, also kurz vor seinem am 25.März 1981 eingebrachten eigenen Konkursantrag, von ihm einbehaltenen Dienstnehmeranteile deshalb nicht mehr an die Krankenkasse abgeführt, weil ihm sein Anwalt geraten habe, zur Vermeidung einer einseitigen Gläubigerbegünstigung seine Zahlungen "generell" einzustellen, hat nämlich das Erstgericht in der Tat nur offenbar unzureichende Gründe angegeben.

Hat es doch die Ablehnung dieser "zu bezweifelnden" Verantwortung als Schutzbehauptung vorerst bloß mit einem dahingehenden "Eindruck" begründet, dessen es sich "nicht erwehren konnte", und auch die folgende Konstatierung, daß der Angeklagte "sehr wohl" Kenntnis von seiner Verpflichtung zum Abführen der Dienstnehmeranteile gehabt habe, lediglich darauf gestützt, daß ihn in seiner Funktion als Geschäftsführer der Gesellschaft eigenständige Handlungspflichten trafen und ihm auch durchaus bewußt war, daß es sich bei den einbehaltenen Beiträgen um fremde Gelder handelte (US 18).

Rechtliche Beurteilung

Diese Begründung geht - wie der Beschwerdeführer zutreffend aufzeigt - völlig an der Sache vorbei; denn der Angeklagte hat doch keineswegs bestritten, daß er für die Geschäftsführung selbst verantwortlich war, daß die Dienstnehmerbeiträge zur Sozialversicherung wirtschaftlich nicht zum Vermögen der Gesellschaft gehörten und daß er von seiner grundsätzlichen Verpflichtung, sie an die Krankenkasse abzuführen, Kenntnis hatte. Er hat vielmehr klar und deutlich zum Ausdruck gebracht, daß er sich in seiner konkreten wirtschaftlichen Situation angesichts der (vermeintlichen) Pflichtenkollision, einerseits die einbehaltenen Dienstnehmeranteile abführen zu müssen, andererseits aber im Zustand der Zahlungsunfähigkeit kurz vor der Konkurseröffnung nicht einzelne Gläubiger bevorzugen zu dürfen - als Rechtsunkundiger - auf den Rat seines Rechtsbeistandes verlassen und dementsprechend verhalten habe. Zur Widerlegung dieser Behauptung sind die Argumente des Schöffengerichts nach logischen und empirischen Kriterien gänzlich ungeeignet, sodaß es das Urteil insoweit in Wahrheit nur auf Scheingründe gestützt hat.

Der aufgezeigte Begründungsmangel betrifft eine entscheidende Tatsache, weil den Angeklagten ein Vertrauen auf einen Ratschlag seines Rechtsvertreters, wie er ihn behauptet, - unbeschadet dessen, daß eine derartige Ansicht wegen der aus der Strafdrohung des § 114 ASVG folgenden Prävalenz der Verpflichtung zum Abführen der Dienstnehmeranteile in objektiver Hinsicht rechtlich unhaltbar ist, sodaß die dahingehenden (mit Bezug auf §§ 30 Abs. 1 Z 1, 31 Abs. 1 Z 2 KO erhobenen) Beschwerdeeinwände (sachlich Z 9 lit b) jedenfalls fehlgehen - nach Lage des Falles entschuldigen würde: da man ihm nicht unterstellen kann, in Ansehung der hier aktuellen, für einen Laien nicht ohne weiteres als unrichtig erkennbaren Rechtsmeinung klüger zu sein als sein Rechtsbeistand, wäre im Fall seiner solcherart rechtsirrigen Beratung das Unrecht seiner Tat wegen eines nicht vorwerfbaren Rechtsirrtums für ihn nicht erkennbar gewesen (§ 9 StGB).

Demnach war der Beschwerde - ohne daß auf das weitere Vorbringen eingegangen werden muß - Folge zu geben, der angefochtene Schuldspruch (samt dem bezüglichen Ausspruch über die privatrechtlichen Ansprüche) aufzuheben und insoweit eine Verfahrenserneuerung in erster Instanz anzuordnen. Dabei wird auch zu berücksichtigen sein, daß der Angeklagte inhaltlich seines das Vermögen der GesmbH betreffenden Antrags auf Konkurseröffnung am 5. März 1981 eine Zahlung von 166.832,26 S an die O*** G*** geleistet hat (S 2 in S 15/81 des Landesgerichtes Linz), sodaß Anlaß zur Klärung der Frage besteht, ob dieser Betrag verrechnungsmäßig tatsächlich zur Tilgung der im Sinn des § 1416 ABGB für ihn beschwerlichsten Beitragsschulden verwendet wurde (vgl Leukauf-Steininger, Nebengesetze2, ENr 12 und 13 zu § 114 ASVG).

Die teilweise Aufhebung des Schuldspruchs hatte auch die Aufhebung des - auf alle abgeurteilten Straftaten bezogenen, insoweit unteilbaren (§ 289 StPO) - Strafausspruchs zur Folge. Mit Rücksicht darauf, daß bei dem vergleichweise geringen Gewicht des im zweiten Rechtsgang nochmals zu prüfenden Anklagevorwurfs und unter Bedacht auf die lange Verfahrensdauer das Interesse an einem sofortigen Strafausspruch in Ansehung der rechtskräftigen Teil-Schuldsprüche überwiegt, hat jedoch der Oberste Gerichtshof von der ihm zustehenden Befugnis Gebraucht gemacht, die Sache insoweit nur hinsichtlich des auf den aufgehobenen Schuldspruch entfallenden Strafausspruchs in die erste Instanz zurückzuverweisen, im übrigen aber die Strafe sogleich zu bemessen (vgl ÖJZ-LSK 1985/90 zu § 289 StPO).

Dabei wurde das Zusammentreffen mehrerer strafbarer Handlungen derselben und verschiedener Art als erschwerend gewertet, der bisher ordentliche Lebenswandel des Angeklagten, der Umstand, daß die betrügerische Krida beim Versuch geblieben ist, und das längere Zurückliegen der Taten in Verbindung mit seinem seitherigen Wohlverhalten hingegen als mildernd berücksichtigt. Da somit die Milderungsgründe die Erschwerungsumstände beträchtlich überwiegen und mit Rücksicht auf die Täterpersönlichkeit des Angeklagten die begründete Aussicht besteht, daß er auch bei Verhängung einer das gesetzliche Mindestmaß unterschreitenden Freiheitsstrafe keine weiteren strafbaren Handlungen begehen werde (§ 41 Abs. 1 Z 5 StGB), erschien eine Freiheitsstrafe in der Dauer von 5 Monaten, die unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachzusehen war (§ 290 Abs. 2 StPO), nach seiner tat- und persönlichkeitsbezogenen Schuld (§ 32 StGB) als ausreichend und angemessen. Einer Anwendung des § 37 Abs. 1 StGB standen jedoch wegen der Eigenart der strafbaren Handlungen generalpräventive Erwägungen entgegen.

Anmerkung

E11688

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1987:0150OS00062.87.0901.000

Dokumentnummer

JJT_19870901_OGH0002_0150OS00062_8700000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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