TE OGH 1987/9/2 3Ob546/87

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Veröffentlicht am 02.09.1987
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.-Prof. Dr. Petrasch als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Warta, Dr. Klinger, Dr. Egermann und Dr. Angst als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Walter G***, Konditormeister, Pertisau, Cafe Christina, vertreten durch Dr. Josef Tschikof, Rechtsanwalt in Spittal/Drau, wider die beklagten Parteien 1. Jacob L***, Kaufmann, und 2. Emilie L***, Hausfrau, beide wohnhaft in Döbriach, Hauptstraße 33, und vertreten durch Dr. Albin Ortner, Rechtsanwalt in Villach, wegen S 800.000,-- sA, infolge Rekurses der klagenden Partei gegen den Beschluß des Landesgerichtes Klagenfurt als Berufungsgerichtes vom 27. Mai 1987, GZ 3 R 214/87-69, womit die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Bezirksgerichtes Spittal/Drau vom 31. Oktober 1986, GZ 4 C 286/83-58, zurückgewiesen wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Rekurs wird Folge gegeben, der angefochtene Beschluß aufgehoben und dem Berufungsgericht die Entscheidung über die Berufung des Klägers unter Abstandnahme von dem gebrauchten Zurückweisungsgrund aufgetragen.

Text

Begründung:

Das Urteil des Erstgerichtes vom 31. Oktober 1986, ON 58, mit dem das Klagebegehren abgewiesen wurde, wurde dem dem Kläger gemäß § 64 Abs 1 Z 3 ZPO beigegebenen Rechtsanwalt Dr. Josef T*** am 11. November 1986 zugestellt.

In einem am 17. Dezember 1986 zur Post gegebenen Schreiben erhob der Kläger "Einspruch" gegen dieses Urteil. Er habe die Einspruchsfrist nicht einhalten können, weil die Zustellung des Urteils aus von ihm näher dargelegten Gründen mangelhaft gewesen sei. Das Erstgericht ersuchte daraufhin das Wohnsitzgericht des Klägers, dem Kläger zu dieser Eingabe Rechtsbelehrung zu erteilen und ihn auf die Bestimmungen über den relativen Anwaltszwang hinzuweisen.

Am 22. Jänner 1987 "präzisierte" der Kläger den "Einspruch" einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 146 ZPO. Es sei ihm durch unverschuldete Unkenntnis von der Zustellung nicht möglich gewesen, Berufung einzulegen. Das Erstgericht bewilligte dem Kläger die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Erhebung der Berufung und stellte diesen Beschluß sowohl dem Kläger als auch dem diesem beigegebenen Rechtsanwalt zu, der daraufhin für den Kläger innerhalb einer Frist von vier Wochen ab Zustellung des Beschlusses eine Berufung überreichte.

Die zweite Instanz wies die Berufung zurück. Nach § 149 Abs 1 ZPO sei zugleich mit dem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand auch die versäumte Prozeßhandlung nachzuholen und daher bei Versäumung der Rechtsmittelfrist die Rechtsmittelschrift einzubringen. Die Nachholung der versäumten Prozeßhandlung stelle einen notwendigen Inhalt des Wiedereinsetzungsantrages dar; fehle sie, sei gemäß § 84 Abs 3 ZPO ein befristeter Verbesserungsauftrag zu erteilen und bei dessen Erfolglosigkeit der Wiedereinsetzungsantrag zurückzuweisen. Das Erstgericht hätte deshalb nicht ohne Einleitung des Verbesserungsverfahrens die beantragte Wiedereinsetzung bewilligen dürfen. Zwar sei die Bewilligung der Wiedereinsetzung unanfechtbar erfolgt. Dies ändere aber nichts daran, daß die versäumte Prozeßhandlung zugleich mit dem Wiedereinsetzungsantrag nachzuholen sei, sodaß ein die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsfrist bewilligender Beschluß eine neue Rechtsmittelfrist nicht in Gang setzen könne. Die Berufung erweise sich damit als verspätet.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs des Klägers ist im Ergebnis berechtigt.

Wie dargelegt wurde, hat der Kläger "Einspruch" gegen das sein Klagebegehren abweisende Urteil erhoben und geltend gemacht, er habe die Einspruchsfrist ohne sein Verschulden nicht einhalten können. Der Kläger hat damit zum Ausdruck gebracht, daß er die genannte Entscheidung bekämpfen wolle, und daß er die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsfrist beantrage. Er hat diesen Antrag dann auch förmlich zu Protokoll gestellt. Das Erstgericht hätte daher dem Kläger, wie das Berufungsgericht zutreffend ausgeführt hat, gemäß § 84 Abs 3 ZPO einen befristeten Verbesserungsauftrag zur Nachholung der versäumten Prozeßhandlung (§ 149 Abs 1 ZPO) zu erteilen gehabt (Fasching, Lehrbuch, Rz 583; EvBl 1985/29). Einen solchen Auftrag hat das Erstgericht dem Kläger nicht erteilt. Es hat vielmehr das Wiedereinsetzungsbegehren, das ohne Nachholung der versäumten Prozeßhandlung zurückzuweisen gewesen wäre (Fasching aaO), bewilligt und sodann das Einlangen der Berufung abgewartet. Das Verfahren des Erstgerichtes ist damit zwar nicht nichtig, wohl aber mangelhaft geblieben (Konecny, Zur Erweiterung der Verbesserungsvorschriften, JBl 1984, 19), und zwar selbst dann, wenn schon die Vorladung zum Wohnsitzgericht als erster Verbesserungsversuch anzusehen wäre, weil dann eine vollständige Verbesserung durch einen Gerichtsfehler unterblieb (Konecny aaO mwN). Die vorzeitige Entscheidung über den Wiedereinsetzungsantrag, noch vor Erteilung des notwendigen Verbesserungsauftrages, vermag dem Kläger, der in der Folge auch ohne einen solchen Auftrag eine formgerechte Berufungsschrift eingebracht hat, nicht zum Nachteil zu gereichen; denn solange vom Gericht eine Verbesserung innerhalb einer bestimmten Frist nicht angeordnet wurde, ist die Verbesserung möglich, weil die Frist noch nicht in Lauf gesetzt wurde und daher auch nicht abgelaufen sein kann (EvBl 1985/29). Ein Verbesserungsauftrag ist aber in der Zwischenzeit dadurch entbehrlich geworden, daß die Berufung bereits erstattet wurde (vgl. EvBl 1964/367).

Anmerkung

E11742

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1987:0030OB00546.87.0902.000

Dokumentnummer

JJT_19870902_OGH0002_0030OB00546_8700000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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