TE OGH 1987/9/3 8Ob28/87

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Veröffentlicht am 03.09.1987
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Stix als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kralik, Dr. Vogel, Dr. Kropfitsch und Dr. Zehetner als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Radovan G***, Schankbursche, Beograd, Bulevar Vojoode Misica 31/III, Jugoslawien, vertreten durch Dr. Herbert Grass, Rechtsanwalt in Wien wider die beklagte Partei A*** E*** V***-AG,

Bösendorferstraße 13, 1010 Wien, vertreten durch Dr. Wolfgang Miller, Rechtsanwalt in Wien, wegen Zahlung des Schillinggegenwertes von Din. 56.700,-- s.A. (in eventu S 83.520,-- s.A.) und Feststellung (S 61.000,--), infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 17. Dezember 1986, GZ 16 R 182/86-112, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien vom 26. April 1986, GZ 39 e Cg 548/82-106, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

Spruch

1) Die Revision wird, soweit sie sich gegen die Entscheidung über das Leistungsbegehren des Klägers richtet, zurückgewiesen.

2) Im übrigen wird ihr Folge gegeben. Im Umfang der Entscheidung über das Feststellungsbegehren des Klägers und im Kostenpunkt werden die Urteile der Vorinstanzen aufgehoben. In diesem Umfang wird die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens sind als weitere Verfahrenskosten zu behandeln.

Text

Begründung:

Der Kläger wurde am 8. August 1970 als Fußgänger beim Überqueren einer Straße in Jardenbarko in Jugoslawien von dem von Georg O*** gelenkten bei der Beklagten haftpflichtversicherten PKW mit dem Kennzeichen O 306.461 niedergestoßen und verletzt. Es ist nicht mehr strittig, daß die Beklagte dem Grunde nach dem Kläger für die beim Unfall erlittenen Schäden zur Hälfte haftet.

Im vorliegenden Rechtsstreit begehrte der Kläger in seiner am 17. Oktober 1974 eingebrachten Klage zunächst unter Zugeständnis eines Eigenverschuldens von einem Drittel die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung des Schillinggegenwertes von

Din 206.000,-- zum Briefkurs der Wiener Börse (Valuta) am Zahlungstag s.A. Dieser Betrag umfaßte unter anderem den Gegenwert von Din 84.000,--, welchen Anspruch der Kläger damit begründete, daß er wegen der Unfallsfolgen seinen bürgerlichen Beruf als Kellner nicht mehr ausüben könne. Bei einer Umschulung werde ein Zeitraum von 3 Jahren in Anspruch genommen werden; der Kläger fordere für diese Zeit eine Entschädigung in der Höhe seines früheren monatlichen Gehaltes von Din 3.500,--, für 36 Monate somit Din 126.000,--; unter Kürzung um die zugestandene Mitverschuldensquote von einem Drittel verblieben Din 84.000,--. Die Beklagte wendete Verjährung ein. Im übrigen fehle jeder Hinweis darauf, für welche Berufstätigkeit eine Umschulung erfolge oder erfolgen solle. Es sei nicht einzusehen, weshalb eine Umschulungszeit von drei Jahren erforderlich sein sollte. Das Erstgericht sprach im ersten Rechtsgang mit Urteil vom 3. Dezember 1981 (ON 62), ausgehend von einer Schadensteilung im Verhältnis von 1 : 1, dem Kläger den Schillinggegenwert von Din 134.000,-- zum Briefkurs der Wiener Börse (Valuta) am Zahlungstag s.A. zu und wies das auf Zahlung des Schillinggegenwertes von weiteren Din 72.000,-- s.A. gerichtete Mehrbegehren des Klägers ab. Der Zuspruch umfaßte einen Verdienstentgang von Din 63.000,-- für eine Umschulungszeit von drei Jahren.

Dieses Urteil wurde nur von der Beklagten in Ansehung des Zuspruches des Schillinggegenwertes von Din 56.700.-- s.A. als Verdienstentgang für eine dreijährige Umschulungszeit bekämpft und erwuchs im übrigen in Rechtskraft.

Mit Beschluß vom 16. Juni 1982 (ON 66) hob das Berufungsgericht das Urteil des Erstgerichtes im Umfang der Anfechtung auf und trug in diesem Umfang dem Erstgericht die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung auf.

Im zweiten Rechtsgang dehnte der Kläger in der Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung vom 9. November 1982 (ON 67 S 242) sein Begehren um ein Feststellungsbegehren aus, mit dem er die Feststellung der Haftung der Beklagten zur Hälfte für seine Schäden aus dem Verkehrsunfall vom 8. August 1970 anstrebte. Ferner stellte er (offenbar für den Fall der Abweisung seines noch offenen Leistungsbegehrens) das Eventualbegehren, die Beklagte schuldig zu erkennen, ihm einen Betrag von S 83.520,-- s.A. zu bezahlen. Der Kläger brachte dazu im wesentlichen vor, im Hinblick auf seine durch den Unfall verursachte Invalidität seien weitere Schäden zu erwarten. Der Kläger habe während der dreijährigen Umschulungszeit beginnend am 2. September 1972 einen Verdienstentgang von monatlich Din 4.000,--, insgesamt daher von Din 144.000,-- erlitten. Die dem Kläger im Hinblick auf sein Mitverschulden davon zu ersetzende Hälfte betrage Din 72.000,--, umgerechnet S 83.520,--. Die Beklagte wendete auch hinsichtlich dieser behaupteten Ansprüche des Klägers einschließlich des Feststellungsbegehrens Verjährung ein. Sie bestritt das rechtliche Interesse des Klägers an der verlangten Feststellung; selbst bei Dauerschäden seien die Ansprüche des Klägers überschaubar. Weitere Unfallsfolgen seien wegen des stationären Zustandes nicht mehr zu erwarten. Die Höhe des behaupteten Verdienstentganges werde bestritten; im Fall einer inzwischen abgeschlossenen Umschulung sei der Kläger beruflich besser gestellt denn als Kellner.

Der Kläger replizierte, nach jugoslawischem Recht werde durch die Klagsführung auf einen Anspruch die Verjährung hinsichtlich aller anderen Ansprüche unterbrochen.

Das Erstgericht wies im zweiten Rechtsgang das noch offene Haupt- und Eventualbegehren des Klägers ab.

Es stellte, soweit für die den Gegenstand des Revisionsverfahrens bildenden Fragen von Bedeutung, im wesentlichen folgenden Sachverhalt fest:

Der Kläger war vor dem Unfall zwischen Februar 1968 und 28. März 1969 als Kellner im Restaurant der Sportgesellschaft S*** in Belgrad tätig und bezog dort durchschnittlich monatlich Din 3.500,--. Anschließend wurde er zum Militärdienst eingezogen. Zur Unfallszeit war er Soldat; sein Militärdienst hätte am 1. September 1970 geendet.

Bei dem Unfall vom 8. August 1970 erlitt der Kläger einen offenen Bruch des rechten Unterschenkels. Der Heilungsverlauf war wegen Ausbildung einer Pseudarthrose kompliziert; das Heilverfahren war erst im Juni 1972 beendet. Seither kommt es manchmal zu einer punktförmigen Fistel am Unterschenkel. Der Kläger hat noch öfter Schmerzen im rechten Unterschenkel, besonders in der Sprunggelenksgegend. Er kann nicht laufen und hat auch Schmerzen beim längeren Stehen. Es bestehen am rechten Bein eine Muskelschwäche mittleren Grades, Narbenbildung an der Vorderseite des Unterschenkels, erhebliche Bewegungseinschränkung der Sprunggelenke, Beinverkürzung um 2 cm, Gangbehinderung und glaubhafte subjektive Beschwerden. Der rechte Unterschenkel ist von außen gesehen gerade, nicht verdreht, gegenüber links aber im mittleren und distalen Drittel etwas verdickt. An der Vorderseite des Unterschenkels befindet sich im distalen Drittel eine narbige 4 x 1 cm große Einziehung und daneben eine 20 cm lange Operationsnarbe an der Vorderseite des Schienbeines. Die Fußsohlenbeschwielung ist rechts deutlich geringer als links. Der Vorfuß ist rechts gegenüber links etwas verschmälert. Die Fußpulse sind tastbar. Der Bruch ist klinisch fest. Es besteht kein auffälliger Biegungs- oder Drehschmerz, aber eine leichte Druckempfindlichkeit im ehemaligen Bruchbereich und ein Ausfluß aus der Narbe. Der derzeitige Zustand ist als Endzustand anzusehen. Der Kläger war vom Tag des Unfalles bis Juni 1972 unfallsbedingt arbeitsunfähig; in der Folge ist für zwei Jahre eine Invalidität von 50 % anzunehmen und ab Ende 1974 besteht ein meßbarer Dauerschaden, der einer Invalidität von 35 % entspricht. Der Kläger ist zu allen Beschäftigungen unfähig, die eine größere physische Anstrengung wie längeres Stehen, Gehen und Zwangslagen erfordern. Eine Besserung ist nicht zu erwarten.

Mit den bestehenden gesundheitlichen Folgen ist der Kläger nicht mehr fähig, als Kellner zu arbeiten und es wäre für ihn eine Umqualifizierung erforderlich. Am zielführendsten vom Standpunkt der Arbeitsmedizin wäre ein zweijähriger Lehrgang an der höheren gastgewerblichen Schule in Belgrad.

Als der Kläger nach Beendigung seiner Arbeitsunfähigkeit seinen Dienst wieder antrat, wurde er vom Posten eines Kellners auf den eines Schankburschen in derselben gastronomischen Organisation versetzt. Infolge der Systematisierung der Arbeitsplätze war für diesen Platz ein geringeres Einkommen vorgesehen; abgesehen davon konnte der Kläger auch andere Vorteile, wie zum Beispiel Trinkgelder, nicht mehr beziehen. Mit seiner mittleren Schulbildung hatte der Kläger keine anderen Aussichten im Gastgewerbe denn als Kellner. Er inskribierte daher an der höheren gastronomischen Schule in Belgrad. Dem Kläger ist es nicht möglich, diesen Lehrgang in der nach der Studienordnung vorgeschriebenen Zeit von zwei Jahren zu beenden, weil er über keinerlei Einkommen verfügt und daher gezwungen ist, weiter in seiner bisherigen Qualifikation als Schankbursche zu arbeiten.

Vor seinem Militärdienst bezog der Kläger als Kellner ein monatliches Einkommen von Din 3.500,--. Ab 1. März 1973 betrug sein Verdienst als Schankbursche monatlich Din 3.500,--. Die Entlohnung eines Kellners betrug ab dieser Zeit pro Monat Din 7.500,--. Es bestand daher eine monatliche Minderung um Din 4.000,--, die sich in den Folgejahren wegen Inflation und Lohnerhöhungen noch vergrößerte. Zwischen September 1970 und Februar 1973 arbeitete der Kläger nicht. In dieser Zeit wurde er von seinem Vater erhalten. Der Kläger hat sich immer noch nicht in die Umschulung, auch nicht zur Berufsrehabilitation begeben.

Rechtlich beurteilte das Erstgericht den festgestellten Sachverhalt im wesentlichen dahin, daß im Hinblick auf den Unfallsort jugoslawisches Privatrecht anzuwenden sei. Für die Zeit seiner vollen Berufsunfähigkeit (bis Juni 1972) sei dem Kläger Verdienstentgang zuerkannt worden. Darüber hinaus habe er in der Klage nur weiteren Verdienstentgang während einer dreijährigen Umschulungszeit verlangt. Dieser Anspruch sei nicht verjährt. Da ein Schaden aus strafbarer Handlung vorliege, gelte die fünfjährige Frist ab Schadensverursachung. Der Anspruch sei aber unbegründet, weil der Kläger sich nicht umschulen habe lassen und er daher keinen Anlaß habe, während einer fiktiven Periode die Arbeit ruhen und den Schädiger zahlen zu lassen. Auch nach jugoslawischem Recht habe der Geschädigte nur Anspruch auf tatsächlichen Verdienstentgang. Es möge sein, daß der Kläger in den Monaten der Teilinvalidität Juli 1972 bis Februar 1973 wirklich keine Arbeit gefunden habe; geltend gemacht habe er einen solchen Anspruch nicht, weshalb er ihm auch nicht zuerkannt habe werden können. Jetzt, 16 Jahre nach dem Unfall und 12 Jahre nach Geltentmachung der Forderung, sei nicht mehr anzunehmen, daß die Umschulung doch noch erfolgen werde. Was der Kläger schließlich erst am 9. November 1982 begehrt habe, sei verjährt.

Schadenersatzforderungen verjährten grundsätzlich drei Jahre ab Kenntnis des Geschädigten vom Schaden und von der Person des Schädigers. Die Gerichtspraxis verlängere zwar diese subjektive auch bei Verursachung durch Straftat geltende Frist, wenn es geboten erscheine, auch den Schadensumfang festzustellen und dies nicht sogleich möglich sei. Unabhängig von der Kenntnis verjährten aber solche Forderungen bei Straftat in fünf Jahren ab der Schadensverursachung. Wenn der Schaden durch eine Straftat verursacht worden sei und für die Strafverfolgung eine längere Verjährungsfrist vorgeschrieben sei, verjähre die Schadenersatzforderung mit Ablauf der Strafverfolgungsverjährung. Selbst bei fahrlässiger Tötung betrage die Strafverfolgungsverjährungsfrist nur 10 Jahre. Hier - bei fahrlässiger Körperverletzung - liege zwischen Unfall und Klagsausdehnung ein Zeitraum von mehr als 12 Jahren. Durch Klagsführung auf einen Anspruch aus einem bestimmten Vorfall werde die Verjährung für andere Ansprüche aus diesem Vorfall nicht unterbrochen.

Der gegen diese Entscheidung gerichteten Berufung des Klägers gab das Berufungsgericht mit dem angefochtenen Urteil keine Folge. Es sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes, über den es entschieden hat, S 60.000,--, aber nicht S 300.000,-- übersteigt und daß die Revision zulässig sei.

Das Berufungsgericht verneinte das Vorliegen vom Kläger behaupteter Verfahrensmängel und übernahm die Feststellungen des Erstgerichtes als unbedenklich.

Rechtlich führte das Berufungsgericht im wesentlichen aus, daß jugoslawisches Recht anzuwenden sei. In Jugoslawien habe von 1945 bis 1978 kein kodifiziertes Obligationenrecht bestanden; die bis 1945 in Kraft gestandenen Bestimmungen seien aufgehoben worden. In der Folgezeit seien bis 1978 die früheren Bestimmungen aber faktisch weiter angewendet worden. Das 1978 in Kraft getretene Obligationenrecht stelle sich in den hier fraglichen Belangen bloß als Kodifizierung der zuvor ergangenen Judikatur dar. Die Rechtslage bezüglich der Verjährung sei seit dem Jahr 1953 gleich. Es habe seit damals ein Gesetz über die Verjährung bestanden, in dem die Verjährungsfristen sowie der Beginn der Verjährung geregelt gewesen seien. Dieses "Verjährungsgesetz" sei mehr oder weniger im Gesetz über das Obligationenrecht 1978 integriert.

Nach jugoslawischem Recht gebe es wohl ein Feststellungsbegehren schlechthin; es komme aber nicht in Schadenersatzfällen zur Verhinderung der Verjährung in Betracht. Das liege daran, daß zwar in Jugoslawien ebenfalls die Verjährung mit Kenntnis von Schaden und Schädiger zu laufen beginne, dieser Fristbeginn aber nicht wie im österreichischen Recht bereits mit dem tatsächlichen Schadensereignis gleichzusetzen sei. Nach jugoslawischem Recht beginne die Verjährungsfrist mit dem tatsächlichen Eintritt des Schadens, also dann, wenn auch die Höhe des Schadens dem Geschädigten bekannt sei, daher mit dem Tag, an dem die näheren Umstände über die Höhe bekannt seien. Bei der vorübergehenden Minderung der Erwerbsfähigkeit beginne die Frist mit der Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit; dann sei dem Geschädigten die Höhe des Entganges für die Vergangenheit bekannt. Bei dauernder Minderung der Arbeitsfähigkeit sei ein Rentenbegehren zu stellen. Dessen Verjährung beginne mit dem Zeitpunkt, in dem Klarheit darüber bestehe, daß die Minderung der Arbeitsfähigkeit eine dauernde sei. Dem jugoslawischen Recht sei die Zuerkennung eines zeitlich nicht zuordenbaren Verdienstentganges fremd. Eine Vorschußpflicht der Beklagten wäre für Lebenserhaltungskosten während der Umschulungszeit nur dann denkbar, wenn die Umschulung von ihren Anforderungen her dem Kläger tatsächlich keine Berufsausübung mehr ermögliche, wobei der jeweilige konkrete Studienfortschritt und die dadurch zu erreichende Schadensminderung unter Beweis zu stellen wären. Ein derartiges Vorbringen sei aber vom Kläger nicht erstattet worden. Solange aber der Kläger tatsächlich einem Erwerb nachgehe, könne der Verdienstentgang nur in der jeweiligen Differenz zwischen dem tatsächlich erzielten Einkommen und dem Lohn, den er ohne den Unfall erzielen hätte können, bestehen.

Der Kläger gestehe in seinem Rechtsmittel zu, daß er sich nicht umschulen habe lassen und auch in Zukunft nicht mehr umschulen lassen werde. Er habe aber in der Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung vom 9. November 1982 den Beginn des "Umschulungszeitraumes" mit 2. September 1972 behauptet. Der Umstand, daß der Kläger während der ab diesem Zeitpunkt in Lauf gesetzten dreijährigen Frist die Umschulung nicht in Angriff genommen bzw. nicht abgeschlossen habe, stehe einem Verdienstentgangsanspruch grundsätzlich nicht entgegen, weil er ja in dieser Zeit nach den vom Erstgericht getroffenen Feststellungen einen solchen auch ohne die Umschulung, nämlich in der Höhe von monatlich Din 4.000,--, erlitten habe. Tatsächlich habe aber der Kläger erstmals in der Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung vom 9. November 1982 eine solche Vermögenseinbuße konkret geltend gemacht. Das früher erstattete Vorbringen habe sich auf einen fiktiven Schaden bezogen.

In der Regel verjährten Ansprüche auf Schadenersatz nach jugoslawischem Recht innerhalb von drei Jahren. Jedoch bestimme Art. 20 Abs 1 der jugoslawischen Zivilprozeßordnung, daß, wenn der Schaden durch eine Straftat verursacht worden und für die Strafverfolgung eine längere Verjährungsfrist vorgesehen sei, die Forderung auf Schadenersatz erst mit dem Ablauf der Verjährungsfrist, die für die Strafverfolgung bestimmt sei, verjähre. Für das Delikt der fahrlässigen Körperverletzung nach Art. 273 Abs 4 des Krivicni Zekonik (Strafgesetzbuch) betrage aber die Strafverfolgungsfrist nur 5 Jahre. Überdies hätte der Kläger seinen auch in Zukunft stets gegebenen Verdienstentgang in Form eines Rentenbegehrens ersetzt verlangen müssen. Da dem Kläger der in der Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung vom 9. November 1982 geltend gemachte Verdienstentgang bereits am 2. September 1975 bekannt gewesen sein habe müssen, erweise sich der erst 7 Jahre danach konkret geltend gemachte Schaden zufolge Ablaufes der fünfjährigen Verjährungsfrist nach jugoslawischem Recht als verjährt. Das Erstgericht habe daher zu Recht das Leistungsbegehren auf Bezahlung von Din 56.700,-- abgewiesen. Beim Eventualbegehren handle es sich nicht um ein solches im prozessualen Sinn, weil es inhaltlich völlig ident mit dem Hauptbegehren sei und sich nur in der geforderten Währungseinheit unterscheide. Das Erstgericht habe daher zu Recht auch das Eventualbegehren des Klägers abgewiesen. Unbestritten sei, daß dem Kläger zufolge der auf das Unfallgeschehen zurückzuführenden Dauerfolgen in Zukunft weitere Ersatzforderungen erwachsen könnten. Derartige Ersatzforderungen seien nach jugoslawischem Recht, sofern sie nicht länger als 5 Jahre zurücklägen, nicht verjährt und könnten daher auch in Österreich jederzeit erfolgreich gegenüber der Beklagten durchgesetzt werden. Die prozessuale Zulässigkeit des Feststellungsbegehrens richte sich ausschließlich nach österreichischem Prozeßrecht. Dem Kläger mangle es an dem im § 228 ZPO geforderten rechtlichen Interesse an der alsbaldigen Feststellung des bestehenden Rechtsverhältnisses bzw. Rechtes. Dieses rechtliche Interesse bestehe nur dort, wo das Feststellungsurteil für den Kläger von rechtlich-praktischer Bedeutung sei und er auf einem anderen Weg als dem der Feststellungsklage rechtlich außerstande wäre, einen ihm zustehenden Anspruch zum Durchbruch zu verhelfen oder einem ihm drohenden Nachteil zu begegnen. Die Zulässigkeit eines Feststellungsbegehrens für künftige der Höhe nach noch nicht feststehende Schäden werde im österreichischen Recht mit der Gefahr der drohenden Verjährung begründet. Eine solche Gefahr sei aber nach dem hier anzuwendenden jugoslawischen materiellen Recht bei Eintritt zukünftiger Schäden nicht zu befürchten. Ein Feststellungsbegehren könnte aber auch den Eintritt der Verjährung nicht hindern. Das Interesse des Klägers könnte daher nur in der erleichterten Durchsetzung seiner zukünfigen Ansprüche gelegen sein, also darin, daß dem Kläger in weiteren Rechtsstreiten keine Einwände zur Verschuldensteilung entgegengehalten werden dürften. Damit sei aber schon deshalb nicht zu rechnen, weil ohnehin beide Streitteile von der grundsätzlichen Haftung der Beklagten zur Hälfte ausgegangen seien. Das Feststellungsbegehren sei daher mangels rechtlichen Interesses nicht zulässig. Das Erstgericht habe es zu Recht abgewiesen. Seinen Ausspruch über die Zulässigkeit der Revision im Sinne des § 502 Abs 4 Z 1 ZPO begründete das Berufungsgericht damit, daß zur Frage der Auslegung jugoslawischen Verjährungsrechtes keine Judikatur des Obersten Gerichtshofes vorliege.

Gegen dieses Urteil des Berufungsgerichtes richtet sich die Revision des Klägers. Er bekämpft es aus dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, das angefochtene Urteil im Sinne der Stattgebung des Klagebegehrens abzuändern; hilfsweise stellt er einen Aufhebungsantrag.

Die Beklagte hat eine Revisionsbeantwortung mit dem Antrag erstattet, die Revision des Klägers als unzulässig zurückzuweisen, allenfalls ihr nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist unzulässig, soweit sie sich gegen die Entscheidung über das Leistungsbegehren des Klägers richtet. Der Ausspruch des Berufungsgerichtes über die Zulässigkeit der Revision enthebt das Revisionsgericht nicht der eigenen Prüfung der Zulässigkeitsvoraussetzungen nach § 502 Abs 4 Z 1 ZPO. Daß die Schadenersatzansprüche des Klägers im Hinblick auf den Unfallsort nach jugoslawischem Recht zu beurteilen sind, ist nicht zweifelhaft und wurde auch von den Streitteilen nie in Zweifel gezogen.

Für die Zulässigkeitsvoraussetzungen nach § 502 Abs 4 Z 1 ZPO ist in einem solchen Fall zu beachten, daß die Beurteilung eines Sachverhaltes nach dem kollisionsrechtlich als maßgebend erklärten fremden Recht Rechtsanwendung ist und die wahrscheinliche Häufigkeit der Anwendung der im anhängigen Rechtsstreit zu beachtenden Regelungen des fremden Rechtes durch die inländischen Gerichte für das Vorliegen einer nach § 502 Abs 4 Z 1 ZPO qualifizierten Rechtsfrage grundsätzlich ohne Einfluß ist. Andererseits reicht aber das Fehlen einer Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zur Auslegung der heranzuziehenden Regelung des fremden Rechtes für die Annahme einer im Sinne des § 502 Abs 4 Z 1 ZPO qualifizierten Rechtsfrage noch nicht hin (vgl. RZ 1984/88). Der Rechtsprechung des Revisionsgerichtes kommt nämlich für die Anwendung fremden Rechtes in dessen ursprünglichem Geltungsbereich im Regelfall keinerlei Bedeutung zu. Für die Rechtsanwendung des fremden Rechtes in seinem ursprünglichen Geltungsbereich fehlt es der Rechtsprechung des Revisionsgerichtes an der im § 502 Abs 4 Z 1 ZPO zugrunde gelegten Leitfunktion. Der oberstgerichtlichen Rechtsprechung im Inland kommt nicht die Aufgabe zu, die Einheitlichkeit oder gar die Fortentwicklung fremden Rechtes in dessen ursprünglichem Geltungsbereich zu gewährleisten. Wohl aber könnte es der Rechtssicherheit widersprechen, würde bei der Entscheidung des Rechtsstreites durch die inländischen Gerichte anzuwendendes ausländisches Recht unzutreffend ermittelt oder eine im ursprünglichen Geltungsbereich des maßgeblichen fremden Rechtes in Rechtsprechung und Lehre gefestigte Ansicht hintangesetzt (vgl. § 3 IPRG). Nur in dieser Hinsicht wäre das Vorliegen einer nach § 502 Abs 4 Z 1 ZPO qualifizierten Rechtsfrage denkbar (EvBl 1985/172; 7 Ob 610/85).

Derartiges führt der Kläger aber in seiner Rechtsrüge, soweit sie sich auf die Abweisung seines Leisungsbegehrens bezieht, nicht aus. Er zeigt nicht auf, daß das Berufungsgericht die anzuwendenden Vorschriften des jugoslawischen Rechtes unzutreffend ermittelt oder angewendet hätte, sondern stützt sich - abgesehen von der Geltendmachung eines bereits durch das Berufungsgericht verneinten angeblichen Verfahrensmangels - sinngemäß darauf, daß in seinem Klagevorbringen über seinen angeblichen Verdienstentgang während eines (zukünftigen) Umschulungszeitraumes die Behauptung eines konkreten Verdienstentganges für einen genau festgelegten Zeitraum zu erblicken sei. Abgesehen davon, daß dies nicht zutrifft, macht der Kläger damit nicht geltend, daß das Urteil des Berufungsgerichtes auf der unrichtigen Lösung einer Rechtsfrage der im § 502 Abs 4 Z 1 ZPO bezeichneten Art beruht. Seine Revision ist daher, soweit sie sich gegen die Entscheidung über sein Leistungsbegehren richtet, als unzulässig zurückzuweisen. Soweit sich allerdings die Revision des Klägers gegen die Abweisung seines Feststellungsbegehrens richtet, ist sie zulässig und auch sachlich berechtigt.

Das Berufungsgericht hat zutreffend darauf hingewiesen, daß sich die Beurteilung der prozessualen Voraussetzungen des Feststellungsbegehrens nach dem anzuwendenden österreichischen Prozeßrecht richtet. Nach ständiger Rechtsprechung rechtfertigt im Sinne des § 228 ZPO die bloße Möglichkeit künftiger Unfallschäden die Erhebung einer Feststellungsklage, die nicht nur dem Ausschluß der Gefahr der Verjährung, sondern auch der Vermeidung späterer Beweisschwierigkeiten und der Klarstellung der Haftungsfrage dem Grunde nach dient (ZVR 1972/36; ZVR 1976/113; ZVR 1978/160; SZ 56/38 uva.). Wenn auch im vorliegenden Fall im Hinblick auf die Verjährungsvorschriften des jugoslawischen Rechtes eine Feststellungsklage nicht erforderlich erscheinen mag, um die Verjährung künftiger Schadenersatzansprüche des Klägers, die infolge des dem Kläger zugefügten gesundheitlichen Dauerschadens nicht ausgeschlossen werden können, hintanzuhalten, ist das rechtliche Interesse des Klägers an der begehrten Feststellung im Sinne des § 228 ZPO schon aus dem Gesichtspunkt der Klarstellung der Haftungsfrage dem Grunde nach zu bejahen. Daran vermag auch der Umstand, daß die Streitteile im vorliegenden Rechtsstreit die hier vorgenommene Schadensteilung im Verhältnis von 1 : 1 unbekämpft ließen, nichts zu ändern. Denn der hier getroffenen Entscheidung über die Schadensteilung kommt für einen allfälligen späteren Rechtsstreit weder Rechtskraft- noch sonstige Bindungswirkung zu. Die Verneinung des Feststellungsinteresses des Klägers durch das Berufungsgericht (das Erstgericht hat sich mit dieser Frage nicht auseinandergesetzt) widerspricht der dargestellten ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes, von der abzugehen kein Anlaß besteht. Dies macht der Kläger in seiner Rechtsrüge zutreffend geltend.

Über das Feststellungsbegehren des Klägers kann allerdings noch nicht im klagsstattgebenden Sinn abgesprochen werden, weil die Beklagte auch hinsichtlich dieses Begehrens Verjährung eingewendet hat. Dieser (materiellrechtliche) Einwand ist nach jugoslawischem Recht zu beurteilen. Die Vorinstanzen haben nicht im Sinne des § 4 Abs 1 IPRG ermittelt, ob nach dem anzuwendenden jugoslawischen Recht ein Feststellungsbegehren Verjährungsbestimmungen unterliegt, wie diese lauten und wie sie in ihrem ursprünglichen Geltungsbereich angewendet werden (§ 3 IPRG). Das führt nach ständiger Rechtsprechung (SZ 34/134; SZ 46/83; ZVR 1978/243; ZfRV 1987,53 ua.) zur Aufhebung der Urteile der Vorinstanzen.

Im Umfang der Entscheidung über das Feststellungsbegehren des Klägers waren daher die Urteile der Vorinstanzen in Stattgebung der Revision des Klägers aufzuheben; in diesem Umfang war die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückzuverweisen. Das Erstgericht wird im Sinne des § 4 Abs 1 IPRG vorzugehen und die für die Beurteilung einer allfälligen Verjährung des Feststellungsbegehrens des Klägers maßgeblichen jugoslawischen Rechtsvorschriften und die Art ihrer Anwendung in ihrem ursprünglichen Geltungsbereich (§ 3 IPRG) zu ermitteln haben. Sollte dies trotz eingehendem Bemühen innerhalb angemessener Frist nicht möglich sein, wird nach § 4 Abs 2 IPRG vorgegangen werden müssen.

Der Vorbehalt der Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf § 52 ZPO.

Anmerkung

E12147

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1987:0080OB00028.87.0903.000

Dokumentnummer

JJT_19870903_OGH0002_0080OB00028_8700000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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